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Faszination und Aneignung: August der Starke und Afrika

Anonym, August der Starke als Anführer der afrikanischen Quadrille im Karussel der Vier Weltteile am 19. Juni 1709 in Dresden, um 1709, Pinsel in Wasserfarben und Deckfarben, Goldfarbe, über Graphit, Kupferstich-Kabinett, SKD, Inv. C 6263

© Kupferstich-Kabinett, SKD, Foto: Andreas Diesend

Zu Ehren eines einmonatigen Staatsbesuchs des dänischen Königs Frederik IV. im Juni 1709 in Dresden inszenierte der sächsische Kurfürst August Festlichkeiten, darunter das „Karussell der vier Weltteile“, bei dem Reiter-Quadrillen die vier Kontinente Europa, Asien, Afrika und Amerika repräsentierten. Die in der Ausstellung gezeigten Wasserfarbenzeichnungen dokumentieren den Aufzug Augusts des Starken als „afrikanischer“ König, dessen Hautton durch schwarze Atlasseide simuliert wurde. Der dänische Gast repräsentierte Europa im Kostüm eines römischen Feldherrn. Die beiden anderen Kontinente wurden durch Verwandte des sächsischen Kurfürsten verkörpert und bedienten sich weiterer entsprechender rassistischer stereotyper Attribute.

Vor dem Hintergrund der Debatten um kulturelle Aneignung gibt die in der Ausstellung gezeigte Darstellung Anlass zum Aufmerken: Die Maskerade Augusts erinnert an das sogenannte „Blackfacing“, Bestandteil rassistischer Bühnenpraxis vor allem des 19. Jahrhunderts, die im Hinblick auf Aussehen und Verhalten auf Stereotype zurückgreift und bis in die Gegenwart fortbesteht. Es führt die Freiheit der einen gegenüber den durch Rassismus willkürlich gesetzten Grenzen der anderen umso deutlicher vor Augen und ist daher für viele Menschen herabwürdigend.

Claudia Schnitzer betont in ihrem Katalogeintrag den herausragenden Kopfschmuck, den August der Starke bei Johann Melchior Dinglinger, einem der bedeutendsten Goldschmiede seiner Zeit, in Auftrag gab. Dieser könnte darauf hindeuten, dass der Figur nichts Geringschätzendes zugrunde lag. Auch sei angenommen, dass die „vier Weltteile“ von ebenbürtiger Bedeutung waren. Da die gesamten Feierlichkeiten dazu dienten, das Bündnis zwischen Dänemark und Sachsen zu stärken, bleibt es denkbar, dass die dem dänischen Gast zugewiesene Rolle als Europäer im Aufzug eines römischen Feldherrn dazu geeignet war, Überlegenheit auszustrahlen.

Auch wenn die Absichten des sächsischen Kurfürsten aus heutiger Perspektive schwer zu beurteilen sind, lässt sich die Maskerade als eine frühe Form des „Blackfacing“ (avant la lettre, also bevor der Begriff und ein Problembewusstsein entstanden sind) deuten und ist daher zurecht Gegenstand unserer Diskussionen. Gerne laden wir Sie dazu ein, Ihre Meinung am Ende des digitalen Rundgangs über das Feedbackformular zu teilen.

Für weitere Informationen: Claudia Schnitzer in: Connecting Worlds. Artists & Travel, hrsg. v. SKD/Stephanie Buck/Anita V. Sganzerla, Ausst.-Kat. Dresden, Kupferstich-Kabinett, London 2023, Kat.-Nr. 65.

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