4. März 1887: Bei einem Grubenunglück im belgischen Steinkohlerevier Borinage sterben mehr als 100 Bergarbeiter. Constantin Meunier reist sofort an den Unglücksort und wird Zeuge, wie die Leichen geborgen und von ihren Angehörigen identifiziert werden. Tagelang fertigt er Zeichnungen an, aus denen er später eines seiner Hauptwerke schaffen wird: eine Mutter beugt sich über den nackten Körper ihres Sohnes. Sein Kopf ist zurückgeworfen, sein Mund leicht geöffnet, die linke Hand umklammert ein Stück Stoff. Der Mann ist bei der Gasexplosion unter Tage erstickt.
„Das Grubengas“ erinnert an eine Pieta. Aber Meunier gibt dem religiösen Motiv eine aktuelle Aussage. Er idealisiert und dramatisiert nichts; es sind gerade die schlichten Gesten, die uns berühren. Direktor Georg Treu, der den Gipsabguss für Dresden erworben hatte, schrieb dazu:
„Es ist, als ob dem Bildhauer diese Tragödie des Mutterschmerzes zu ernst war, um an ihr herumzukünsteln. Nur schlichteste Wahrheit und Größe waren hier die würdige Fassung für einen solchen Vorgang“.
Ein paar Jahre vor dem Unglück war Meunier schon einmal in diese Gegend, in das „schwarze Land“, gereist. Noch war er Maler. Aber es sollte nicht mehr lange dauern, bis er sich wieder der Bildhauerei zuwandte, mit der er als junger Mann begonnen hatte. Ein Auslöser war die Reise, wie er später schrieb:
ZITAT (M):
„Ich war ergriffen von der tragischen und wilden Schönheit. Ich fühlte in mir, wie sich mein Lebenswerk offenbarte. Ein großes Mitgefühl ergriff mich. Ich dachte immer noch nicht an die Skulptur. Ich war 50 Jahre alt und ich fühlte in mir eine unbekannte Kraft, wie eine zweite Jugend…“
- Material & Technik
- Gips
- Museum
- Skulpturensammlung
- Datierung
- 1888-1890
- Inventarnummer
- ASN 3980