Vielleicht kennen Sie den erhebenden Moment, wenn auf einer Bergwanderung der Gipfel in Sichtweite rückt, und auch das Gefühl der Andacht, wenn man vor der Größe der Natur erschauert. Für den 1774 in Greifswald geborenen Caspar David Friedrich waren solche Gefühle von großer Bedeutung. Er suchte und fand Gott nicht mehr nur in den Ritualen der Kirche, sondern auch in der Natur. Und so brachte er seine religiöse Naturbegeisterung auf die Leinwand:
Auf einem steil aufragenden, zerklüfteten Felsen steht einsam das Kreuz. Christus ist nicht uns, sondern der untergehenden Sonne zugewandt. Aus der Tiefe herauf leuchtet sie empor und taucht die Wolken in ein intensives Abendrot. Die Fichten im Gegenlicht bilden einen wirkungsvollen Rahmen.
Doch wo stehen wir? Noch recht weit entfernt von der Bergspitze, vielleicht auf einem benachbarten Hügel, in jedem Fall aber im Dunkel – eine hochsymbolische Situation für den gläubigen Protestanten Caspar David Friedrich. Das Licht jenseits des Berges steht für die göttliche Verheißung, die durch das Leben Christi auf Erden greifbar geworden ist. Und die Figur des Gekreuzigten erinnert daran, dass der Glaube und die Hoffnung nicht gestorben sind.
Religiöse Gefühle in Natursymbolen auszudrücken, galt damals als unerhörte Provokation. Dabei war es keineswegs Friedrichs Anliegen, den christlichen Glauben in Frage zu stellen. Das zeigt der von ihm entworfene Rahmen durch seine traditionelle christliche Symbolik: oben das Auge Gottes, unten die Ähren als Symbol für das Brot des Abendmahls, den Leib Christi, sowie der Wein, der für das Blut Jesu steht.
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„Der Rahmen vom Tetschener Altar ist ganz besonders, weil es ein Rahmen ist, der aus dem Rahmen fällt! Insofern als die Dekoration dieses Rahmens mit Elementen eine sprechende Ebene hat.“
sagt Kurator Holger Birkholz. Caspar David Friedrich hatte ihn selbst entworfen, und sein Freund, der Bildhauer Christian Gottlob Kühn, führte ihn aus.
„Das ist so etwas, was wir heute vielleicht auch ein Gesamtkunstwerk nennen würden, weil tatsächlich das Plastisch-Bildhauerische und das Malerische sich zu einem künstlerischen Gesamteindruck verbinden.
Wobei Friedrich ganz bewusst auch – gerade in diesem Aspekt des Gesamtkunstwerkes – auf die großen mittelalterlichen Traditionen zurückgreifen kann, wo es in Schnitzaltären oft auch gemalte Bestandteile gab.“
Während er in seinem Gemälde kühn mit der christlichen Bildsprache brach, entschied er sich bei dem Rahmen für traditionelle Symbole:
„Und zwar gibt es Elemente auf dem Rahmen wie im oberen Bereich die fünf Cherubim, den Abendstern und die Palmen im Hintergrund, und im unteren Bereich die Weizenähren, die Trauben und das Auge Gottes im Strahlenkranz.
Die Palmen oben stehen für die Märtyrer, das ist ein ganz klassisches christliches Symbol, und unten die Weizenähren und die Trauben sind Zeichen der Eucharistie, des Abendmahls, die in der christlichen Darstellungswelt ganz geläufig sind.“
Als Grund für die herkömmliche Dekoration vermutet der Kurator:
„Man kann annehmen, dass Friedrich vielleicht ein bisschen beunruhigt war ob dieser neuen religiösen Form, die er gewählt hatte für sein Gemälde und schlägt dann im Rahmen vor, wieder etwas diesen revolutionären Aspekt des Bildes zurückzunehmen und auf traditionellere Motive der christlichen Bildwelt im Rahmen zu vertrauen.“
- Material & Technik
- Öl auf Leinwand, geschnitzter und vergoldeter Bilderrahmen auf Sockel
- Museum
- Galerie Neue Meister
- Datierung
- 1807/1808
- Inventarnummer
- Gal.-Nr. 2197 D