Der Titel des Bildes „Frauenkopf mit Maske“, das Karl Schmidt-Rottluff 1912 in Berlin malte, verspricht eine Eindeutigkeit, die das Bild nicht besitzt. Zu dessen rätselhaftem Charakter sagt die Kuratorin Birgit Dalbajewa:
„Interessant ist, dass man gar nicht entscheiden kann letzten Endes: Ist es wirklich eine Maske, die die Frau in der Hand hält, oder ist es ein Gegenüber von einem Mann und einer Frau, weil das Gesicht der Frau, ist genauso vereinfacht dargestellt, es ist ebenfalls auf wenige Grundformen runtergebrochen, auf eine Nase, die wie geschnitzt erscheint, auf sehr einfache Augenhöhlen mit den geschlossenen Augen, und insofern schafft er in so ganz stark reduzierten, kubistisch-prismatisch gebrochenen Farbfeldern ein vis-à-vis von Mann und Frau, einen ganz reduzierten Dialog, sie schließt die Augen, die Maske hat ja eh keinen direkten Blick, und diese Auseinandersetzung zwischen den Geschlechtern, das war ja auf jeden Fall etwas, was in der Zeit interessiert hat, was die Künstler sehr interessiert hat, und so hat das Bild, ohne dass es zu vordergründig ist, ganz verschiedene Interpretationsebenen.“
Karl Schmidt-Rottluff begeisterte sich in jener Zeit für afrikanische Masken, deren schroffe Abstraktion ihn faszinierte, und für den französischen Kubismus, den er auf der „Sonderbund“-Ausstellung in Köln im selben Jahr kennengelernt hatte. Pablo Picasso und Georges Braque beeindruckten ihn mit ihrer multiperspektivischen Sicht auf ein und denselben Gegenstand. Hinzu kommen die starken Farben, die für die Maler der „Brücke“ typisch waren: Gelb trifft auf Blau auf Grün und Rot. All diese Elemente verarbeitet Schmidt-Rottluff zu seiner Darstellung von Frau und Mann – oder Frau und Maske? – in zärtlicher Symbiose.
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Dresden, 1905. Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel sind Studenten an der Technischen Hochschule. Ihr Fach: Architektur. Eigentlich interessiert sie jedoch die Kunst. Nicht die akademische Kunst nach vorgegebenen Theorien. Ihnen schwebt eine neue Kunst vor, ohne Regeln, die spontan aus dem Augenblick heraus entstehen soll, im Atelier, das zugleich auch als Wohnraum dient. Kunst und Leben sollen eins sein. Um ihr Projekt zu verwirklichen, gründen die vier eine Künstlergruppe: "Die Brücke":
"Als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt."
Für junge Künstler war es nicht leicht, sich in der Kunstszene zu etablieren – als Gruppe war das einfacher. Bereits im ersten halben Jahr produzieren die vier genügend Bilder für eine Ausstellung in Dresden – in einem Lampengeschäft. In den folgenden Jahren zeigen sie ihre Werke sowohl in renommierten Dresdner Galerien als auch in Wanderausstellungen, die durch ganz Deutschland geschickt werden – in Kunstvereinen und Galerien. Dort ist man generell von Neuem angetan, konservative Kritiker aber schreiben abwertend von "Farbenirrsinn" und "Höllenkarneval".
Auch Werbung macht die Gruppe gemeinsam, mit selbst entworfenen Plakaten, Katalogen und Einladungskarten. Gegen einen Jahresbeitrag bietet sie passive Mitgliedschaften an, verbunden mit eigens gestalteten Mitgliedskarten und Jahresmappen. Auf diese Weise schafft sich die "Brücke" ein Netzwerk aus Förderern und Sammlern.
1906 tritt Max Pechstein der Gruppe bei, Fritz Bleyl verlässt sie 1907. Bis Ende 1911 ziehen alle Mitglieder von Dresden nach Berlin. Dort kommt es zu Konflikten. 1913 löst sich die "Brücke" nach acht Jahren auf.
Nicht nur in ihren Werken zeigten die Brücke-Künstler eine große Begeisterung für das in ihren Augen vermeintlich "Ursprüngliche". Sie statteten auch ihre Ateliers auf ungewöhnliche Weise aus: mit Bildern, bemalten Vorhängen und selbstgefertigten Möbeln. Hierfür ahmten sie die Kunst afrikanischer Regionen oder pazifischer Inseln nach und eigneten sich im weitesten Sinne deren Ästhetik an.
Anregungen fanden sie zum Beispiel im Dresdner Museum für Völkerkunde. Vor allem Ernst Ludwig Kirchner war dort häufig mit Stift und Skizzenbuch anzutreffen. Zeichnend erkundete er die für ihn ungewöhnlichen Formen und das Wesen der Arbeiten. Die Brücke-Künstler sahen die Objekte als Zeugnisse einer, wie sie es formulierten, „unverfälschten“ Kunst – im Gegensatz zu der vermeintlich von der Zivilisation „verdorbenen“ europäischen Kunst. Die Frage, WIE die Objekte ins Museum gelangt waren, stellten sie sich offenbar nicht. Tatsächlich verdankten Völkerkundemuseen viele ihrer Objekte der oft brutalen Ausübung kolonialer Herrschaft.
Eine andere Inspirationsquelle waren die „Völkerschauen“, die in Dresden im Schnitt zweimal im Jahr stattfanden. Für dieses einträgliche Unterhaltungsgeschäft wurden Menschen aus Afrika, Asien, Ozeanien oder Nordamerika im Zoologischen Garten auf der „Völkerwiese zur Schau gestellt, in nachgebauten Behausungen, manchmal in ganzen Dörfern. Vor einem Massenpublikum demonstrierten sie Riten und Bräuche, führten Tänze auf oder zeigten Handwerkstechniken. Nachdem Kirchner und Heckel 1910 die „Samoa-Schau“ gesehen hatten, schufen sie wenig später Grafiken, die Samoanerinnen zeigten. Was sie von dem Spektakel ansonsten hielten, wissen wir nicht. Zweifelsohne bestätigten die Völkerschauen Vorurteile und Klischees des Kolonialismus. Die Inszenierungen behaupteten die Andersartigkeit der angeblich „naturnahen“ Kulturen und bekräftigten die vermeintliche Überlegenheit Europas.
- Material & Technik
- Öl auf Leinwand
- Museum
- Galerie Neue Meister
- Datierung
- 1912
- Inventarnummer
- Gal.-Nr. 3925