Die Strafe der Götter scheint schrecklich: Immer wieder muss Sisyphos einen Felsbrocken den Berg hinaufrollen, der ihm dann kurz vor dem Gipfel entgleitet. Ein auswegloses Dasein? Wolfgang Mattheuer spielte in seinem Sisyphos-Zyklus aus den 1970er-Jahren drei unterschiedliche Alternativen durch. Im ersten Gemälde entzieht sich Sisyphos der sinnlosen Aufgabe durch Flucht. Er lässt den Stein einfach liegen und rennt mit großen Schritten ins Tal hinab. Im zweiten Bild tanzt ein übermütiger Sisyphos inmitten Gleichgesinnter hinter einem riesigen Steinkopf, der einen Abhang hinunterstürzt. Die Gruppe ist euphorisch. Hat sie mit vereinten Kräften ein Denkmal gestürzt? Die Landschaft aber ist trostlos und das winzige Männchen rechts im Hintergrund erinnert noch an die scheinbar unlösbare Aufgabe.
Im dritten Gemälde trägt Sisyphos nicht mehr die Kleidung eines Arbeiters, sondern Hemd und Krawatte. Beobachtet von drei Männern, rückt er dem Stein nun mit Hammer und Meißel zu Leibe und formt eine geballte Faust – Sinnbild des Widerstands. Die Szene spielt auf einem Schrottplatz, im Hintergrund blasen Schornsteine verschmutzte Luft in den gelben Himmel.
Fazit: Der Mensch ist seinem Schicksal nicht hilflos ausgeliefert, er muss nur handeln. Die Gemälde stecken voller Anspielungen und Metaphern, die unschwer als Kritik an den Missständen in der DDR gelesen werden können, aber auch andere Deutungen zulassen. Und so wurde Wolfgang Mattheuer offiziell geschätzt, heimlich aber von der Staatssicherheit beobachtet. Auch in der Bundesrepublik tat man sich schwer mit der Einordnung, feierte ihn zunächst als Systemkritiker und warf ihm nach der Wende vor, „Staatsmaler“ gewesen zu sein.
Wolfgang Mattheuer gehört neben Bernhard Heisig und Werner Tübke zur ersten Generation der so genannten Leipziger Schule.
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In den 1960er Jahren entwickelte sich in Leipzig eine besondere Kunstströmung, die "Leipziger Schule"; nach der Wiedervereinigung folgte ihr dann die sogenannte Neue Leipziger Schule. Maßgebliche Vertreter der ersten Generation waren vier Maler der DDR: Wolfgang Mattheuer, Werner Tübke, Bernhard Heisig und Willi Sitte, der allerdings in Halle lebte und arbeitete.
„Wobei man sagen muss, sie bezeichneten sich selbst nicht als Leipziger Schule, sondern sie wurden als Leipziger Schule zusammengefasst, obwohl sie jeder für sich ganz unterschiedlich waren und auch von sich selbst eigentlich abgelehnt hätten, als solche Gruppe zusammengefasst zu werden.“
Stilistisch war die Leipziger Schule keineswegs einheitlich. Was die Künstler jedoch einte, war einerseits ihre beeindruckende handwerkliche Perfektion, und zum anderen, was die Kuratorin Astrid Nielsen ihre "Ideenkunst" nennt:
„Es bestand eine gewisse Konkurrenz zwischen der Malerei in Dresden und der Malerei in Leipzig. Man sagte, in Dresden würde gerade das Malerische besonders bevorzugt werden, und in Leipzig die Ideenkunst. Und das findet man auch, wenn man diese vier Maler miteinander vergleicht, dass sie Ideen vermittelten, auch Lebenswelten, die die DDR in den 70er Jahren in besonderer Weise geprägt haben.“
Die Maler der Leipziger Schule waren über die Grenzen der DDR hinaus bekannt:
„Gerade Anfang der 1970er Jahre erlebten sie einen raschen Aufstieg und prägten auch das Erscheinungsbild der Kunst der DDR oder auch die Wahrnehmung der DDR im Westen Deutschlands in ganz besonderer Weise.
Es ist vielleicht auch noch ganz interessant, dass diese Künstler auch in den Westen reisen durften. Also sie hatten sehr viel Erfolg, und im Gegensatz zu anderen Künstlern, die NICHT reisen durften, hatte gerade Werner Tübke verschiedene Privilegien, er durfte nach Italien reisen, und er war auch auf der documenta beispielsweise 1977 vertreten.“
- Ort & Datierung
- 1976
- Material & Technik
- Öl auf Leinwand
- Dimenions
- 200 x 200 cm (Katalogmaß 2010) 200 x 200 cm (Katalogmaß 1987) 200 x 200 cm (Inventurmaß, 20.05.2010) 208,5 x 208 x 6,5 cm (Rahmenmaß, Tobias Lange, 20.05.2010)
- Museum
- Galerie Neue Meister
- Inventarnummer
- Inv.-Nr. 81/02