„Ich wollte nichts anderes als dicht aneinander stoßende und weit auseinander laufende Schluchten schaffen, um verschiedene Tiefen zu bekommen. [...] Es gibt kein Geheimnis, es ist alles ziemlich profan.“
So beantwortete Karl-Heinz Adler im hohen Alter die Frage nach seinen seriellen Lineaturen – einer Werkserie, die er in den 1960er Jahren begonnen hatte.
Die präzise Auseinandersetzung mit algorithmisch organisierten Formen und die serielle Arbeitsweise lässt Adlers Verbindung zu Naturwissenschaft und Technik erahnen. Zugleich entsteht durch diese Formen ein magischer Bildraum mit einer unergründlichen Tiefe, der unser rationales Verhältnis zur Welt, unsere Vorstellung von Raum und Zeit auf die Probe stellt. Malerei war für Adler, so fasste er es einmal zusammen, philosophische Weltbetrachtung mit Hilfe bildnerischer Mittel.
Der gelernte Musterzeichner für Teppiche studierte in der Nachkriegszeit an den Kunsthochschulen in West-Berlin und Dresden und wurde 1953 Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR. Eigentlich passte er nicht so recht ins System, denn stets bewegte er sich fernab von figurativer Malerei und sozialistischem Realismus. Adler ergründete vor allem das Zusammenspiel von Farben und Formen und wurde so zu einem Vertreter der Konkreten Kunst, die in der DDR eigentlich nur geduldet wurde. Als Kunst am Bau war sie aber durchaus willkommen. Das bekannteste Beispiel für Adlers Schaffen in diesem Bereich ist sein zusammen mit Friedrich Kracht entwickeltes Betonformsteinsystem, das ab den 1970er-Jahren industriell gefertigt und in der DDR vielerorts an Fassaden verbaut wurde, und das zu ornamentalen Wänden zusammengefügt werden konnte, mit denen urbane Freiflächen gegliedert und ästhetisch aufgewertet wurden.
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Wie alle avantgardistischen Kunstrichtungen war auch die konkrete Kunst während des Nationalsozialismus als „entartet“ geschmäht worden. Nach Kriegsende versuchten dann viele Künstler, an die Moderne anzuknüpfen, und im Sommer 1946 versprach die Erste Allgemeine Deutsche Kunstausstellung in Dresden eine große Offenheit für alle Strömungen der Avantgardekunst. Ende 1948 setzte jedoch auf dem Gebiet der späteren DDR eine Kehrtwende ein. Die neue Leitlinie des „Sozialistischen Realimus“ forderte, dass Kunst gegenständlich sein und das Ideal des sozialistischen Menschen vermitteln sollte. Nicht-gegenständliche Strömungen wie die konkrete Kunst wurden als „formalistisch“ abgelehnt und waren im offiziellen Kunstbetrieb der DDR unerwünscht.
Die konkrete Kunst führte seitdem eine Nischenexistenz. So arbeitete zum Beispiel einer der bedeutendsten konkreten Künstler Deutschlands, der Dresdener Hermann Glöckner, lange Zeit allein und zurückgezogen vom Kunstbetrieb der DDR und verdiente sich seinen Unterhalt mit dekorativen Arbeiten am Bau. "Kunst am Bau" war auch das Arbeitsfeld der konkreten Künstler Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht. Beide hatten ihr Studium in Dresden abgeschlossen und eine Serie von 12 Formsteintypen aus Beton entwickelt, die zu verschiedensten Mustern zusammengesetzt werden konnten und viele DDR-Fassaden schmückten; zudem schufen Adler und Kracht auch Skulpturen und Brunnen. Der künstlerische Wert solcher Arbeiten wurde von den Kulturfunktionären der DDR jedoch verkannt; sie stuften sie ausschließlich als dekorative und ingenieurtechnische Leistungen ein. Was immerhin den Vorteil hatte, dass die konkreten Künstler nicht ins Visier der Zensur gerieten und Freiräume zum Arbeiten behielten. Seit den 1970er Jahren kam es in der DDR dann zu einer gewissen Liberalisierung der Kulturpolitik. So erhielt Hermann Glöckner 1984, mit 95 Jahren, den Nationalpreis der DDR Dritter Klasse.
- Ort & Datierung
- 1989
- Material & Technik
- Graphit auf Holzfaserplatte
- Dimenions
- 99 x 69 cm (je Tafel)
- Museum
- Galerie Neue Meister
- Inventarnummer
- Inv.-Nr. 2019/02