Oft dauert es Wochen, bis ein abstraktes Bild vor Gerhard Richters Blick besteht. Bis es nicht mehr Gefahr läuft, noch einmal überarbeitet zu werden. Bis er das Gefühl hat, nun sei nichts mehr daran zu tun. So schwer dieser Moment für ihn in Worte zu fassen ist, so sicher scheint sich der Maler der Entscheidung dann aber zu sein.
Wenn Sie mit etwas Abstand seitlich auf die Leinwand schauen, sehen Sie mehrere Schichten, die den langen Schaffensprozess erahnen lassen. Der Ausgangspunkt aber, die allererste Schicht, ist längst verschwunden. Für diese erste Setzung trägt Richter mit einem breiten Pinsel mehrere Farben flächendeckend auf die Leinwand. Für den Auftrag der weiteren Farbschichten verwendet er häufig eine Rakel, das ist eine schmale, bis zu zwei Meter lange Platte, auf die der Maler die Farbe aufträgt. Anschließend zieht er die Rakel mit der Farbe über die Leinwand. Dabei überdeckt die neue Farbe die unten liegenden Schichten oder vermischt sich mit ihnen.
Bei diesem Prozess kann er vieles selbst bestimmen: die Richtung, das Tempo oder den Druck auf das Gerät. Aber der Zufall mischt immer mit. Nach jeder neuen Schicht überprüft Richter ihren momentanen Zustand. Das Bild muss sich beweisen. Besteht es nicht, wird es aufs Neue übermalt.
Der „Fels“ entstand 1989 und ist eines der wenigen abstrakten Bilder, das neben der Werkverzeichnisnummer auch einen Titel hat. Inmitten der lebhaften Struktur könnte man eine gewisse Stabilität, vielleicht eine Art Felsformation erkennen. Kerstin Küster, Mitarbeiterin im Gerhard Richter Archiv, vermutet, es könnte ein Kommentar auf die Wiedervereinigung sein, die Richter sehr früh kommen sah, schon kurz nach seiner Auswanderung in den Westen 1961.
Weitere Medien
Der Fels ist eines der größten Rakelbilder von Gerhard Richter. Kerstin Küster erzählt, wie es ins Albertinum kam:
„Das Besondere an diesem „Fels“ ist, dass er sich seit 2002 im Albertinum befindet, aber nicht als Besitz, sondern als Leihgabe. Das kam so, dass der „Fels“ für die Benefizauktion am 30. November 2002 vom Künstler gestiftet worden ist. Diese Benefizauktion fand zugunsten der Staatlichen Kunstsammlungen statt, die durch das Elbehochwasser im Jahr 2002 sehr stark beschädigt worden sind. Das heißt, es gab Gebäude, die unter Wasser standen. Es war fortan wichtig, hochwassersichere Depots zu bauen. In diesem Kontext haben dann die Dresdner, haben Martin Roth, der damalige Generaldirektor, aber auch die Direktoren der anderen Häuser versucht, Künstler zu kontaktieren und sie um Bilder zu fragen, die sie in einer Auktion versteigern können. Der Erlös aus dieser Versteigerung würde zugunsten der verschiedenen Baumaßnahmen eingesetzt. Diese Auktion fand in der Nationalgalerie in Berlin statt, in Zusammenarbeit mit Sotheby’s, und wurde am 30.11.2002 vollzogen.
Gerhard Richters Bild war mit das größte, das versteigert worden ist. Glückliche Umstände führten dazu, dass am Ende der Auktion der neue Besitzer des Werkes zu Generaldirektor Herrn Roth kam und meinte: es bleibt als Dauerleihgabe im Albertinum. Weil Gerhard Richter hatte es für das Albertinum gestiftet, also soll es auch als Dauerleihgabe im Albertinum verbleiben. Weshalb es liebevoll bei uns „Der Fels in der Brandung“ genannt wird.“
Martin Roth war es auch, der die Idee zu einem Gerhard Richter Archiv in Dresden hatte – und außerdem den Wunsch, Räume zu schaffen, in denen dauerhaft Werke des gebürtigen Dresdners gezeigt werden können. Gerhard Richter unterstützte das Vorhaben und stellte 2004 ein großes Konvolut an Werken zur Verfügung.
2006 kam dann auch das Richter Archiv ins Haus.
Zusammen mit den Werken, die die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erworben haben, und den privaten Leihgaben verfügt das Haus nun über eine der umfangreichsten Überblickssammlungen zu Gerhard Richter.
- Material & Technik
- Öl auf Leinwand
- Museum
- Gerhard Richter Archiv
- Inventarnummer
- Leih-Nr. L 169