Bänke im Museum sind normalerweise eines: unauffällig. Nichts soll die Kunst beeinträchtigen. So war das auch im Albertinum, bis Céline Condorelli die Einladung zur „Intervention“ bekam. Sie recherchierte, suchte im Depot, fragte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach ausrangierten Stücken und verwandelte schließlich sechs unterschiedliche Bänke in Kunstwerke, die nun seit 2019 selbstbewusst im Raum stehen. Das siebte Sitzmöbel entwarf sie selbst: die Stahlrohrkonstruktion „Spatial Composition 12“ – ein Hybrid aus Skulptur und Liegestühlen.
Sie dürfen auf allen Bänken gerne Platz nehmen, entspannt die Werke an der Wand betrachten und Sie dürfen sich auch unterhalten. Das Albertinum ist keine „heilige Halle für die Kunst“, es versteht sich als Ort der Begegnung und des Austausches. Dafür steht das Werk der 1974 in Paris geborenen Künstlerin.
Das verbindende Element ist der Stoff, mit dem Céline Condorelli alle Bänke und Sitzkissen bezogen hat. Er ist von afrikanischen Waxprints inspiriert. So nennt man die gemusterten Stoffe in kräftigen Farben, die an handgefertigte Batikstoffe erinnern, heute aber industriell hergestellt werden, vor allem für Kleider. Sie werden oft mit Afrika in Verbindung gebracht, wobei sie dort nur durch koloniale Verflechtungen heimisch wurden. Céline Condorelli zitiert in dem Rosa ihres Stoffes die Wandfarben historischer Ausstellungsräume. Der Mond steht für den ewigen Zyklus. Die Künstlerin nimmt damit Bezug auf Caspar David Friedrichs „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“, ein Hauptwerk im Albertinum. Condorelli schlägt also einen weiten Bogen durch Zeiten und Kulturen – auch um zu zeigen, dass ein Ausstellungsraum nie neutral sein kann, sondern immer von historischen und aktuellen Bedingungen beeinflusst wird.
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Seit langem beschäftigt sich Céline Condorelli mit dem Phänomen der musealen Präsentation. Insbesondere interessiert sie sich für das Publikum. Ihr fiel auf, dass sich Besucherinnen und Besucher auf eine ganz bestimmte Art und Weise verhalten:
„Die Menschen sind sehr gut geschult. Wenn sie ein Museum betreten, wissen sie, was sie anfassen dürfen und was nicht. Das ist das Kunstwerk und das ist das Licht. Das ist die Bank und das ist das Belüftungssystem. Jeder weiß, dass es diese Flyer gibt, die man mitnehmen kann, und Dinge, die aus demselben Material bestehen, nämlich aus Papier, die man nicht mitnehmen und nicht anfassen darf.“
Zum Beispiel Zeichnungen, die als Kunstwerke an der Wand hängen. Céline Condorelli über die Hierarchie der Dinge im Museum:
„Diese Hierarchie der Arbeit ist es, die mich letztendlich interessiert. Warum bewerten wir bestimmte Arbeiten höher als andere? Worin genau besteht die Arbeit, wenn man Kunst macht? Es ist nicht nur die Malerei. Es ist natürlich alles drum herum, das total wichtig ist. Die Präsentation, dass ein Text an der Wand dazugeschrieben wird, die gesamte Finanzierung dahinter, das System, das künstlerische Arbeiten fördert oder nicht fördert. Als Künstlerin konzentriere ich mich auf wenige Dinge. Wenn man sich zum Beispiel auf eine Museumsbank setzt, merkt man vielleicht gar nicht, dass das ein Kunstwerk ist. Aber das wirft Fragen auf; sehr einfache Fragen, die ich aber für sehr sinnvoll halte. Welchen Status hat das Ding, auf dem ich sitze, im Vergleich zu dem Ding, das ich betrachte?“
In Ausstellungen, so Céline Condorelli, erscheint Kultur in der Regel als etwas, das vor den Menschen geschützt werden müsse. Ihre Sitzbänke dagegen sind beides: Kunstwerke – und Gebrauchsgegenstände:
„Manchmal geht man in eine Galerie und denkt, dass man schmutzig ist oder laut, oder man weiß, dass der eigene Körper dieses Extra ist, das stört, weil man etwas tun könnte, das stört. Diese Vorstellung, dass die Ausstellung ohne dich besser ist, ist sehr stark, aber auf einer grundlegenden politischen Ebene völlig falsch, absolut falsch. Die Kunstwerke existieren nicht ohne Menschen und ohne ein Publikum.
Es ist doch ziemlich seltsam, zu denken, dass Kultur von einem ferngehalten werden sollte, unantastbar sein sollte, nicht Teil des täglichen Lebens sein sollte. Ich sage nicht, dass alles für jeden zugänglich sein muss. Mich interessiert einfach die Vorstellung einer intimeren Kultur; und ob es möglich ist, kulturelle Arbeiten, künstlerische Arbeiten in den Alltag zu integrieren."
- Museum
- Galerie Neue Meister
- Datierung
- 2019
- Inventarnummer
- Inv.-Nr. 2019/03