„Ernst Barlach gehört zu den bedeutendsten und auch bekanntesten deutschen Bildhauern der Klassischen Moderne. Dieses "Schwangere Mädchen" entstand 1924 und es vereint in sich alles das, was die Kunst Ernst Barlachs ausmacht.“
Sein Leben lang beschäftigte sich Barlach mit der menschlichen Figur und schuf Gestalten von zeitloser Gültigkeit. Wir sehen eine schwangere, junge Frau, in sich gekehrt, sinnend, ganz bei sich.
Seinen markanten Stil hatte Barlach nach einem Schlüsselerlebnis entwickelt: Während einer Reise nach Russland 1906 hatten das einfache Leben der Bauern und die russische Volkskunst tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Die Kuratorin Astrid Nielsen:
„Nach dieser Reise fand er zu einer Formensprache, die für ihn ganz typisch geworden ist, vereinfachte Konturen, eine ganz mehr oder weniger blockhafte Darstellung des Menschen ohne allzu viele erzählerische Details.“
Unter dem NS-Regime wurden etliche Werke Barlachs als "entartete Kunst" beschlagnahmt – auch in Dresden:
„In der Dresdner Skulpturensammlung befand sich nach 1920 eine Holzskulptur "Das frierende Mädchen", die 1937 durch die Nationalsozialisten als "entartete Kunst" beschlagnahmt worden ist. Es war natürlich ein großer Verlust und eine große Lücke, die diese Beschlagnahmung hinterlassen hat.“
Umso größer ist die Freude, dass 2021 die Skulptur des "Schwangeren Mädchens" für die Sammlung erworben werden konnte. Sie ist der Figur des "frierenden Mädchens" formal sehr ähnlich. Das "frierende Mädchen" befindet sich heute im Ernst-Barlach-Haus in Hamburg.
Weitere Medien
Nach dem Ankauf wurde die Skulptur des "Schwangeren Mädchens" gründlich in der Restaurierungswerkstatt untersucht. Die Restauratorin Stephanie Exner konnte anhand der Analysen die Arbeitsweise des Künstlers nachvollziehen:
„Ernst Barlach ist akademisch geschulter Bildhauer. Er hat die klassischen Techniken des Modellierens und Abformens erlernt. 1906 wendet er sich dem Material Holz zu und bringt sich das Schnitzen als Autodidakt selbst bei. Für seine Bildwerke stellt Barlach in der Regel immer ein Werkmodell aus Gips her. Dafür wird erst die Form in Ton modelliert und dann in Gips abgegossen.“
Auch für das "Schwangere Mädchen" fertigt Barlach ein Gipsmodell. Im Anschluss schnitzt er die Figur aus Lindenholz:
„Barlach hat sie nicht aus EINEM Stück Vollholz geschnitzt, sondern aus einem sogenannten Werkblock. Hier werden mehrere Holzstücke oder Holzbretter zu einem Block verleimt, was Rissbildung verhindern soll.“
Auffällig ist die Aushöhlung auf der Rückseite, wie man sie auch bei mittelalterlichen Holzskulpturen findet. Damals entfernte man den Kern, damit sich bei der Skulptur keine Risse bilden:
„Dass Barlach diese Skulptur rückseitig ausgehöhlt hat, ist für uns etwas verwunderlich und eigentlich nicht nötig, und ist auch ein Alleinstellungsmerkmal im gesamten Oeuvre Barlachs.“
Zum Schluss glättet Barlach die Oberfläche der Figur mit Schnitzeisen und versieht das helle Lindenholz mit einem Überzug aus Schellack und Bienenwachs, dem er rote und schwarze Farbpigmente beifügte.
- Material & Technik
- Lindenholz
- Museum
- Skulpturensammlung
- Datierung
- 1924
- Inventarnummer
- ZV 4381