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Allegorie auf die großen Manufakturen

Die vorliegende Figurengruppe ist Teil eines Tafelaufsatzes, der zwischen 1775 und 1776 als Geburtstagsgeschenk für Friedrich August III. (1750-1827) angefertigt wurde. Mit seinen fast sieben Metern Länge zählt er zu den eindrucksvollsten Kreationen für den Dresdner Hof im 18. Jahrhundert. Im Zentrum des mit verspiegelten Brücken verbundenen Tafelaufsatzes stand eine mehrstufige Huldigungsgruppe, bei der Musen und Tugenden den als römischen Feldherrn gekleideten und lorbeerbekränzten Kurfürsten umgarnen. Die Entwürfe lieferte der französische Modelleur Michel Victor Acier (1736-1799), der kurz zuvor auf den verstorbenen Johann Joachim Kaendler als Leiter der figürlichen Gestaltung der Meißner Porzellanmanufaktur gefolgt war. Der Hofjuwelier Johann Christian Neuber (1735-1808) zeichnete sich für die mit lokalen Schmucksteinen besetzten Postamente aus vergoldetem Messing und Bronze verantwortlich. Den Abschluss der Tafeldekoration bildeten zwei Tempel, die dem Ruhm und der Tugend gewidmet waren. Zu beiden Seiten der Huldigungsgruppe befanden sich allegorische Kompositionen, die die Wirtschaft und den Handel Sachsens auf der einen Seite und das Manufakturwesen des Kurfürstentums auf der anderen Seite repräsentierten. Letztere steht nun vor uns.  

Dazu angehalten, regelmäßig über seinen Fortschritt Bericht zu erstatten, lieferte Acier eine äußerst präzise Dokumentation des gesamten Auftrags in französischer Sprache. So erfahren wir nicht nur, dass er die Arbeiten an der vorliegenden Gruppe im Juli 1776 vollendete, sondern auch, wie er sie beschrieb:

„Fertigstellung der großen Gruppe, die alle Manufakturen Sachsens darstellt, in Auftrag gegeben von Seiner Exzellenz, Graf Marcolini, für Seine Hoheit, den Kurfürsten von Sachsen: Die Hauptfigur repräsentiert Sachsen. Diese Figur befindet sich auf einer Erhebung, auf einem antiken Stuhl sitzend und alle Produkte, die sie umgeben, bewundernd. Ihre Haltung ist vornehm und majestätisch, ihre Kleidung im antiken Stil gehalten. Unter ihren Füßen ist eine Säule, die ihre Stärke gegenüber den anderen Manufakturen kennzeichnet. […] Vor ihr steht der Genius der Meißner Manufaktur, der ihr in einer Schachtel die ansehnliche Figur der Minerva präsentiert, die zur ersten Feuerung gehen soll. Außerdem fertiggestellt ist ein junger Mann, der ebenfalls in antiker Tracht gekleidet ist. Diese Figur repräsentiert die Tuch- und Stofffabriken, die in der Region ansässig sind. Ein junges Mädchen, das im gleichen Stil gekleidet ist, steht vor [Saxonia] und überreicht ihr Spitzen. Und auf der Rückseite sind zwei Genien, die den Überfluss und die Fruchtbarkeit aller Erzeugnisse des Landes darstellen, der eine hält einen Lorbeerkranz, der andere ein Füllhorn mit Gold- und Silbermünzen, Perlen und Edelsteinen.“

Interessant ist, dass der Modelleur selbst vom „gout antique“ spricht. Er tritt insbesondere in den Frisuren und Gewändern der Figuren hervor. Der abgebrochene Säulenschaft und der reich verzierte Sessel verweisen ebenfalls auf antike Dekorelemente. Der Sockel mit seinen Löwentatzen sowie den als Perlstab und Laufender Hund bezeichneten Friesen knüpft daran nahtlos an. Maßgeblich für die Wertschätzung der strahlend weißen Porzellanfiguren war neben dem großen Vorbild Frankreich, in dem Ludwig XVI. den Impuls für eine Frühform des Klassizismus lieferte und aus dem Acier 1764 nach Dresden übersiedelte, auch die Begeisterung für antike Skulpturen. Johann Joachim Winckelmann, der von 1748 bis 1754 als Bibliothekar in Nöthnitz bei Dresden tätig war, hatte einen wesentlichen Anteil an ihrer Entfachung. Er argumentierte, dass „ein schöner Körper desto schöner sein [wird], je weißer er ist“.

Text: Alexander Röstel

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