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Der aus Biskuitporzellan gefertigte Tafelaufsatz ist ein Meisterwerk der Meissener Porzellanmanufaktur aus der Zeit des Klassizismus. Die Originalität des Entwurfs geht mit der virtuosen Qualität der Ausführung, bei der die Gestaltungsmöglichkeiten des Biskuitporzellans ausgeschöpft werden, Hand in Hand. In Grün und Gold gefasste Bereiche, die hervorragend mit der Ausformung ausbalanciert sind, verleihen der Skulptur zusätzliche Akzente.
Der Tafelaufsatz lässt sich in drei Zonen einteilen. Die untere besteht aus einer dreieckigen, ornamentierten Plattform, deren Enden von sphingenhaften Mischwesen getragen werden und auf der eine zylinderförmige Plinthe steht. Aus dem Zentrum dieser Plinthe wiederum wächst ein Palme, um die herum drei Pharaonen gruppiert sind. Mit ihrer strengen Haltung und den zur Faust geballten Händen erinnern sie an die Standfiguren ägyptischer Tempel oder kleinformatige Äquivalente aus Sand- und Kalkstein, die spätestens seit dem 19. Jahrhundert Eingang in europäische Sammlungen gefunden hatten. Statt eines Gebälks tragen die Pharaonen eine große Schale, deren oberer Rand aus Palmenzweigen gebildet wird.
Wie der Apis-Altar von Johann Melchior Dinglinger (Grünes Gewölbe, Dresden) eindrucksvoll belegt, bestand schon deutlich vor 1800 ein ausgeprägtes Interesse an der Kultur des Alten Ägyptens. Mit Napoleons Ägypten-Feldzug (1798-1801), dem sich auch zahlreiche Künstler und Wissenschaftler anschlossen, weitete es sich jedoch zu einem europaweiten Phänomen aus, das sich auch auf die Porzellanproduktion erstreckte. Weltberühmt ist das Service, das Napoleon höchstselbst bei der Manufaktur in Sèvres als Geschenk für Zar Alexander I. in Auftrag gab. Ein zweites Service – mit Szenen nach dem 1803 gedruckten und reich illustrierten Reisebericht von Dominique Vivant Denon - entstand wenige Jahre später für seine Frau Joséphine de Beauharnais. Aufgrund ihrer Ablehnung gelangte es jedoch später nach England und regte die dortige Wedgwood-Manufaktur zu weiteren ägyptisierenden Kreationen an. Auch vor Meißen machte die Ägyptomanie keinen Halt, wie ein heute am National Museum of American History bewahrtes Service aus der Marcolini-Zeit veranschaulicht. In Sachsen haben sich jedoch nur wenige Zeugnisse der Ägyptenbegeisterung erhalten, was die Bedeutung dieses um 1820-30 entstandenen Tafelaufsatzes, von dem es ein weiteres Exemplar in Privatbesitz gibt, unterstreicht.
Text: Alexander Röstel