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Schals von Sam Jacob

Ähnlich wie die vier Ornamentbänder, die im Schrank linkerhand ausgestellt sind, stammen diese beiden Schals, die in Vorbereitung dieser Ausstellung für das Kunstgewerbemuseum erworben worden sind, vom britischen Architekten und Designer Sam Jacob. Auf der Internetpräsenz seines Studios sind sie nachwievor zu einem günstigen Preis verfügbar damit – anders als viele der für vornehme Haushalte angefertigten Luxusobjekte, die in diesen Zimmern ausgestellt sind – für ein breites Publikum erschwinglich.

Die dargestellten Motive, die in mehreren Farben erhältlich sind, rekurrieren einmal mehr auf dem Formenkanon der griechischen und römischen Antike. Sie schließen somit den Überblick über eine Epoche und deren Rezeption ab, die in diesen Zimmern anhand ausgewählter Objekte in unterschiedlichsten Materialien erfahrbar gemacht werden sollen.

Die kannelierte ionische Säule mit ihrem schmalen Volutenkapitell wirkt geradezu plakativ, was durch das Wortspiel bei der Beschreibung des Schals im Online Shop bestätigt wird: „Be iconic with our Ionic column scarf“ [Sei ikonisch mit unserem ionischen Säulenschal]. Weiter heißt es dort, dass die antiken Säulenordnungen eigentlich als tragende Elemente gedacht sind, doch mit diesen Schals weich und schlaff und somit selbst tragbar werden. Etwa 100 Jahre zuvor bewegte der österreichische Architekt Adolf Loos mit seinem Entwurf für den Tribune Tower in Chicago die Funktion einer antiken Säule in das andere Extrem: statt ein Gebälk zu stützen, wird sie zum eigentlichen Anschauungsstück.

Ähnlich verhält es sich mit dem Perlstabmotiv, das in anderen Farben in den Ornamentbändern wiederkehrt und womöglich zur gleichen Zeit mit einem Grafikprogramm bearbeitet wurde. Hierzu lässt sich der Produktbeschreibung entnehmen, dass man sich mit dem Perlstabschal dekorieren möge: „Decorate yourself with a Bead and Reel scarf“ [Schmücke dich mit einem Perlstabschal]. Ob es sich um eine bewusste Anspielung auf Perlenketten handelt, die ebenfalls um den Hals getragen werden, muss offenbleiben.

Ob Kunst oder Kitsch: Jacob regt die Frage an, was Klassizismus ausmacht. Die Träger seiner Schals werden verziert wie die Architekturelemente und Einrichtungsgegenstände, die in diesen Sälen ausgestellt sind; wie passend, dass die klassizistischen Ornamente in der Architekturtheorie oft als Gewand von Gebäuden verstanden worden sind.

Text: Alexander Röstel

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