Wie in vielen Werken Zwintschers wird auch in "Begegnung" eine entfernte kunstgeschichtliche Reminiszenz deutlich, in diesem Fall Eva und Adam als erstes Menschenpaar. Aber nicht nur der akkurate Kurzhaarschnitt des Mannes und die modisch in Wellen gelegten Haare der Frau zeugen von der Gegenwärtigkeit dieser beiden Nackten, sondern auch ihre ans Nüchterne grenzende realistische Nacktheit. Die kompositorische, ins Monumentale getriebene Vereinzelung der Figuren, wie sie ebenso in anderen Werken des Künstlers eine wichtige Rolle spielt, ist auch hier ein Zeichen von Bedeutsamkeit an sich, jenseits eines narrativen Sinngehalts. Aber sie entfaltet zudem eine psychologische Ebene.
Die Spannung zwischen den Figuren hat ein zeitliches Moment im Sinne des "Erkennens", das im Alten Testament eine so wichtige Rolle spielt und darin oft synonym als Ausdruck des Geschlechtsaktes verstanden wird. Zwintscher scheint den Begriff wörtlich nehmen zu wollen und schafft einen Moment, der vor der eigentlichen Begegnung von der Distanz der beiden bestimmt ist. Dass diese Distanz sehr grundlegend zu verstehen ist – im Sinne der Geschlechterdiskrepanz oder des "Geschlechterkampfs", wie sie um die Jahrhundertwende oft formuliert wird – macht er unmissverständlich deutlich durch die Darstellung des sich ins Unendliche erstreckenden Meeres im Hintergrund. Vor der körperlichen Begegnung steht hier die Annäherung aus der Distanz und in seiner Manifestation im Bild damit auch die Frage, ob dieser Zwischenraum überhaupt zu überbrücken ist.
Weitere Medien
- Material & Technik
- Öl auf Leinwand
- Museum
- Galerie Neue Meister
- Datierung
- 1915
- Inventarnummer
- Gal.-Nr. 3073