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Götterdämmerung auf Hawai’i (1)

Das Ende von Captain Cook in der Bucht von Kealakekua auf Big Island/Hawai‘i – in der von Herb Kawainui Kāne akribisch recherchierten Bildfassung von 2002
In: Frank Vorpahl, Der Welterkunder, Berlin 2018

Mit den Inseln Hawai’is machte der britische Seefahrer James Cook auf seiner dritten und letzten Expeditionsreise in den Pazifik seine größte geografische Entdeckung für die abendländische Seefahrt. Tatsächlich hatte er 1777 den Auftrag der britischen Admiralität erhalten, vom tropischen Tahiti aus in den hohen Norden vorzustoßen, um in arktischen Gewässern zu erkunden, ob es einen nördlichen Seeweg vom Pazifik in den Atlantik gab. Nach einem kurzen Zwischenstopp auf der Insel Bora-Bora ging Cook auf direkten Nordkurs und sichtete unerwartet nach einem straffen Segelturn von 4500 Kilometern am 18. Januar 1878 die westlichsten der hawai’ianischen Inseln: O’ahu, Ni’ihau und Kaua’i.

Dieselbe Reiseroute wie Cook und seine Crew hatten ein Jahrtausend vor ihm Polynesier aus Tahiti, von den Gesellschaftsinseln und den Marquesas mit ihren Doppelrumpfkanus (Tahitianisch: pahi) genommen, um in den endlosen Weiten des „großen Inselmeeres“, wie sie die See Ozeaniens nannten, neue Heimatinseln zu finden. Noch einmal expandierte das „Polynesische Dreieck“, sodass das Siedlungsgebiet dieser Seefahrer-Kultur im Stillen Ozean über 7000 Kilometer von Samoa im Westpazifik bis zur Osterinsel/Rapa Nui vor der chilenischen Küste reichte und über 7500 Kilometer von Aotearoa/Neuseeland im pazifischen Süden bis nach Hawai’i im Nordpazifik. „Sie sind vielleicht nicht die bevölkerungsreichste Nation“, schrieb Captain Cook tief beeindruckt von den Polynesiern in sein Journal, „aber sicher bei weitem die ausgedehnteste“. Über die Hawai’ianer urteilte Cook, sie seien „lebhaft und höchst aktiv“.

In ihren Hochseekanus brachten die Ankömmlinge aus Tahiti die Grundlagen polynesischen Lebens mit: Grundnahrungsmittel wie den Brotfruchtbaum (Hawai’ianisch: ulu) und die Wasserbrot-Wurzel (kalo), ebenso ihre Haus- und Opfertiere: Schweine, Hunde, Hühner – sowie (unfreiwillig) Ratten. In vielerlei Hinsicht ahmten die ersten Hawai’ianer die Lebensweise Tahitis nach: den landwirtschaftlichen Terrassenanbau und die ausgeklügelten Bewässerungssysteme, die Götter, Opferrituale und steinernen Tempel-Plattformen, nicht zuletzt die kasten-artige Sozialstruktur, die Männern und Frauen der Aristokratie, die als Nachfahren der Götter galten (ali‘i), einen überaus privilegierten Status einräumte.

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