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Textpassage über Tonga von der 1. Reise

Für die Ausstellung im Original gekürzt von F. Vorpahl, 2023

Erster Teil – Eilftes Hauptstück
Reise von den Societäts-Inseln, nach den freundschaftlichen Inseln und Nachricht von unserm Aufenthalt daselbst.

 Um 10 Uhr waren wir glücklich zum Rief von Hamaneno hinaus und steuerten nunmehro nach West-Süd-West, so daß uns die Inseln Raietea, Taha und Borabora noch immer im Gesicht blieben. Ohnerachtet es nicht länger als einen Monath her war, daß wir zu Tahiti angekommen; so befanden wir uns doch, von den Folgen jener langen beschwerlichen Reise, die wir während der schlimmsten Jahrszeit im kalten und nassen Clima zugebracht hatten, allerseits hergestellt. Selbst diejenigen, die vom Scorbut am mehresten gelitten, waren wieder so gesund als die übrigen. An dieser schleunigen Cur hatten die frischen Kräuter und Baumfrüchte der Societäts-Inseln wahrscheinlicherweise den würksamsten Antheil; denn als wir von unserm ersten Erfrischungs-Platz, Aetepieha, abseegelten, hatten sich die Kranken schon merklich gebessert, ohnerachtet wir dort noch kein frisches Fleisch gekostet hatten. Um desto sicherer konnten wir uns jetzt, auch für den nächsten Monat, eine gleiche Fortdauer von Gesundheit versprechen, weil wir mit frischen Lebensmitteln hinlänglich versehen waren. Wir hatten nemlich in jedem Schiff zwischen zwey und dreyhundert Schweine, eine große Anzahl Hühner und einige Hunde, imgleichen eine ansehnliche Menge von Bananen vorräthig, welche letztere auf dem Hintertheil des Schiffs, wie in einem Obstgarten, umher lagen. Zwar verursachte der Mangel an Raum, daß einige Schweine crepirten; und der hartnäckige Widerwillen der alten Schweine gegen das ungewohnte Futter, welches sie bekamen, brachte uns ebenfalls um eine große Anzahl. Wir geriethen aber bald auf eine gute Methode diesem Übel vorzubeugen, indem wir alle Schweine schlachteten und einsalzten, denen der enge Raum nicht bekommen wollte. Auf diese Weise blieb das Fleisch eßbar und saftig, wenigstens war es ungleich schmackhafter und gesünder als das Pöckelfleisch, welches wir noch aus England her vorräthig hatten, denn dieses war nunmehro dermaßen mit Salz durchdrungen, daß, wenn man es auswässerte, zugleich alle Kraft und Saft mit weggewässert ward. Die einzige Unannehmlichkeit, welche wir von unserm Aufenthalte: auf diesen Inseln verspürten, bestand darinn, daß viele unsrer Seeleute, wegen ihres genauen Umgangs mit liederlichen Frauenspersonen, leiden mußten. Doch waren die dadurch verursachten Krankheiten so gutartig, daß sie durch die gelindesten Mittel geheilt und keiner von den Patienten am Dienst gehindert wurde.

Unser junge Freund O-Hedidi, den wir statt des Tahitiers Porea mitgenommen, war ungemein Seekrank, weil er an die Bewegung des Schiffs nicht gewöhnt war. Doch erzählte er uns, indem wir nach dem hohen Pik von Borabora aussahen, daß er auf dieser Insel geboren und mit O-Puni, dem kriegerischen Könige, verwandt sey, der Taha und Raietea erobert hatte. Er entdeckte uns auch, daß er eigentlich Maheine heiße, aber seinen Namen mit einem Befehlshaber auf Eimeo, der sich O-Hedidi genannt, vertauscht habe. Diese Gewohnheit ist, wie ich schon bemerkt, auf allen diesen Inseln eingeführt. König O-Puni, befand sich, nach der Aussage unsers Gefährten, dazumal eben auf der Insel Maurua, bey welcher wir Nachmittags vorüber kamen. Sie bestehet aus einem einzigen, kegelförmigen Berge, und ist, so viel wir aus den Beschreibungen der Einwohner auf Raietea, welche persönlich da gewesen, abnehmen konnten, ohngefähr von eben der Beschaffenheit als die übrigen Inseln.

Unser arme Freund bekam erst am folgenden Nachmittage seinen Appetit wieder, da er sich denn, zum Anfang, ein Stück von einer acht und zwanzigpfündigen Dorade schmecken ließ, die einer unsrer Leute gefangen hatte. Wir wolltens ihm auf unsre Art zubereiten lassen; er versicherte aber, es schmecke roh besser und bat sich nur eine Schaale Seewasser aus, um den Fisch darinn einzutunken; dabey biß er wechselsweise in einen Klumpen Mahei, oder sauren Brodfrucht-Teig, der ihm statt Brods diente. Ehe er sich jedoch zum Essen niedersetzte, nahm er ein Stückchen von dem Fische und etwas Mahei, als ein Opfer für Eatua oder die Gottheit, und sprach dabey ein Paar Worte aus, die wir für ein kurzes Gebeth hielten. Eben diese Ceremonie beobachtete er auch ein Paar Tage nachher, als er ein rohes Stück vom Hayfisch verzehrte. Alles das überzeugte uns, daß seine Landsleute gewisse bestimmte Religions-Begriffe hegen und selbst eine Art von ceremoniösen Gottesdienst beobachten, den sie vielleicht seit der ersten Trennung von ihren Vorfahren auf dem festen Lande mögen beybehalten haben.

 

[1773. Oktober.]

 

Bis zum 23sten setzten wir unsern Lauf fort ohne daß irgend etwas merkwürdiges vorgefallen wäre; an gedachtem Tage aber, erblickten wir, bey Aufgang der Sonne, eine niedrige Insel die zur Linken des Schiffes lag. Nach dieser steuerten wir hin, und fanden gegen Mittag, daß sie aus zwey Theilen bestand. Einer Observation zufolge, war unsre südliche Breite damals 19 Grad 8 Minuten. Das Land war mit einer Menge Buschwerk und andern dick belaubten Bäumen bewachsen, über welche die hohen Gipfel der Cocos-Palmen in großer Anzahl empor ragten. Mit Hülfe der Ferngläser bemerkten wir, daß die Küste sandig, hin und wieder aber mit Grün überwachsen war, welches wahrscheinlicherweise nichts anders als das in diesem Himmelsstrich gewöhnliche Schlingkraut, (Convolvulus Brasiliensis) seyn mogte. Beyde Inseln oder beyde Stücke Land hingen, dem Ansehen nach, durch einen Felsen-Rief zusammen; schienen aber, so angenehm sie auch aussahen, dennoch ganz unbewohnt zu seyn. Capitain Cook nannte diese Insel, dem nunmehrigen Grafen von Bristol zu Ehren, Hervey-Eyland. Tages zuvor hatte sich ein Vogel, der im Fluge und Gesänge einem Sandläufer (Sandpiper) glich, neben dem Schiffe sehen lassen, und könnte, dem Erfolge nach zu urtheilen, der Vorbothe dieser Insel gewesen seyn; allein dergleichen Anzeigen sind, wie ich schon mehrmalen angemerkt habe, sehr trüglich. Wir sahen zum Beyspiel, drey Tage nachher, von neuem einen Vogel, der sich sogar ins Tackelwerk setzte, trafen aber gleichwohl kein andres Land an. Von Hervey-Eyland, welches unter dem 19ten Grad 18 Minuten südlicher Breite, und unterm 158. Grade 54 Minuten westlicher Länge von Greenwich gelegen ist, steuerten wir immer westwärts bis zum 1sten October, an welchem Tage, um 2 Uhr Nachmittags, Land! gerufen wurde. Es lag gerade vor uns und schien ziemlich hoch zu seyn. In Zeit von vier Stunden waren wir kaum noch 2 oder 3 See-Meilen von der Küste. Die Berge waren mit Holz überwachsen und fielen zwar nicht prächtig, doch ganz angenehm ins Auge. Am südwestlichen Ende bemerkten wir eine kleine felsichte Insel; und nördlich ein flaches Land, das sich weiter hin erstreckte. Die Gegend und alle Umstände überzeugten uns, daß die vor uns liegende Insel eben dieselbe sey, welche Abel Janßen Tasmann im Jahr 1643. Middelburgh genannt, und daß die nördliche, ein von eben diesem Seefahrer entdecktes und Amsterdam genanntes Eyland sey. Des einbrechenden Abends wegen legten wir bey, giengen aber mit Tages Anbruch um die südwestliche Spitze von Middelburgh herum und liefen sodann längst der westlichen Küste hin. Am Fuß der Berge schien etwas flaches Land zu seyn, auf welchem junge Bananen standen, deren lebhaftes frisches Grün mit dem verschiedentlich colorirten Buschwerk und der braunen Cocos-Palme ungemein schön contrastirte. Das Tages-Licht war noch so schwach, daß wir an verschiednen Orten die Hütten-Feuer der Einwohner durch die Büsche schimmern sahen; und bald darauf kamen auch einige Leute am Strande zum Vorschein. Die Berge waren niedrig und ragten über die Meeresfläche kaum so hoch empor als die Insel Wight. Auf denselben gab es hin und wieder einzelne, sehr anmuthig zerstreute Klumpen von Bäumen, und zwischen diesen war der Boden, so schön als manche Gegenden in England, mit Gras überwachsen. Nunmehro stießen verschiedene von den Eingebohrnen ihre Canots ins Wasser und ruderten nach uns her. Einem derselben, das ziemlich dicht ans Schiff kam, warfen wir ein Tau zu, welches auch einer von denen darinn befindlichen Leuten sogleich auffing, seinen Kahn vollends heran zog und augenblicklich zu uns an Bord kam. Beym Eintritt überreichte er uns die Pfeffer-Wurzel, deren bey den Societäts-Inseln gedacht worden ist, darauf berührte er unsre Nasen mit der seinigen, wie die Neu-Seeländer zum Zeichen der Freundschaft zu thun pflegen, und setzte sich alsdann ohne ein Wort zu sprechen, auf dem Verdecke nieder. Der Capitain schenkte ihm einen Nagel, den er sogleich über den Kopf empor hielt und dabey das Wort Fagafetai hören ließ, welches, allem Ansehen nach, eine Danksagung bedeuten sollte. Bis auf den Unterleib gieng er unbekleidet, von da aber bis zu den Knien, hatte er ein Stück braungefärbtes Zeug um sich geschlagen. Dieses schien mit dem Tahitischen von einerley Art und Arbeit zu seyn; doch war es mit Leim oder Firniß steif und wasserdicht gemacht. Der Mann war von mittler Statur, und hatte eine sanfte, ziemlich regelmäßige Gesichtsbildung. An Farbe glich er den gemeinen Tahitiern,[1] das ist, er war hell Mahogany- oder Castanien-braun. Den Bart trug er kurz geschoren; und sein schwarzes Haar hieng ihm in kurzen Locken um den Kopf, so kraus als wenn es gebrannt wäre. Auf jedem Arme hatte er drey runde Flecke, ohngefähr so groß als ein Wilder-Manns-Gulden, die, in Form erhabener Punkte, nach Tahitischer Manier, in die Haut punctirt, jedoch nicht mit schwarzer Farbe eingerieben waren. Der Figur nach, stellten sie lauter in einander passende Zirkel vor, davon die äußersten am größten waren, die innern hingegen immer kleiner wurden. Außerdem hatte er noch andre schwarze Flecke auf dem Leibe. Im Ohrläpchen befanden sich zwey Löcher, darinn er einen kleinen runden Stab trug, und an der linken Hand fehlte ihm der kleine Finger. Er blieb eine ganze Weile ohne ein Wort zu sprechen; indeß verschiedne andre, die nach ihm sich an Bord wagten, weit gesprächiger waren, und gleich nach verrichtetem Nasengruß, uns in ihrer Sprache anredeten, von welcher wir damals noch kein Wort verstanden. Mittlerweile hatten wir die nordwestliche Spitze der Insel erreicht und kamen allda um 9 Uhr, in einer ofnen Rheede auf einem guten sichern Grunde, glücklich vor Anker. Kaum war dies geschehn, so drängten sich vom Lande her eine Menge Canots zu uns, in deren jeden drey bis vier Leute saßen, die große Haufen ihres Zeuges zum Verkauf ausbothen. Die Canots waren klein, ohngefähr 15 Fus lang, sehr spitz gebauet und an beyden Enden bedeckt. Sie hatten, gleich den kleinen Fahrzeugen der Tahitier, mehrentheils Ausleger von Stangen; dünkten uns aber ungleich besser und sauberer gearbeitet als jene, denn sie waren mit einer bewundernswürdigen Genauigkeit zusammengefügt und abgeglättet. Die Ruder hatten hier, wie zu Tahiti, kurze, breite Schaufeln, waren aber ebenfalls besser gearbeitet und von besserm Holze. Die Leute machten viel Lerm um uns her, denn ein jeder zeigte was er zu verkaufen hatte, und rief jedem von uns zu, der sich auf dem Verdeck blicken ließ. Die Sprache klang nicht unangenehm und ward überdem in einem singenden Ton geredet. Einige waren dreist genug an Bord zu kommen, und darunter schien ein Befehlshaber oder Mann von Stande zu seyn, der in diesem Betracht allerhand Geschenke erhielt. So oft man ihm etwas gab, hob er es über den Kopf empor, und sagte jedesmal Fagafetai dazu. Unser englisches Tuch und Linnen bewunderte er am mehresten; nächstdem aber gefiel ihm unsre Eisenwaare am besten. Er war nichts weniger als besorgt, oder schüchtern, sondern gieng ohne Bedenken in die Cajütte hinab und wohin man ihn sonst zu bringen für gut fand. Wir erfuhren von ihm, daß die Insel, an welcher wir vor Anker lagen (und die Tasmann Middelburgh genannt) in der Landessprache Ea-Uwhe hieße; und daß die andre, gegen Norden gelegene, (oder Tasmans Amsterdam) Tonga-Tabu genannt werde. Mehrerer Gewißheit wegen befragten wir uns dieserhalb noch bey andern von seinen Landsleuten, erhielten aber durchgehends dieselbe Antwort.

Nach dem Frühstücke giengen wir, in des Capitains und des vornehmen Mannes Gesellschaft, ans Land. In dieser Gegend war die Küste durch einen mit dem Strande parallel laufenden Corallen-Rief beschützt, der nur hie und da eine Lücke hatte, wo Canots und andere kleine Boote hindurch konnten. So wohl die in den Fahrzeugen als die auf dem Ufer befindlichen Eingebohrnen, bewillkommten uns mit einem großen Freudengeschrey. Die Canots ruderten dicht an unser Boot, und die Leute warfen uns aus denselben große Packete Zeug zu, ohne etwas dagegen zu verlangen. Andere, sowohl Manns- als Frauenspersonen, schwammen um uns her, und hielten Kleinigkeiten zum Verkauf in die Höhe, als Ringe von Schildkröten-Schalen, Angel-Haken von Perlmutter und dergleichen. Sobald wir durch das Gedränge der Canots durchkommen konnten, und uns dem Strande so weit genähert hatten, als sichs, des seichten Ufers wegen, thun ließ, erboten sich die Einwohner von freyen Stücken uns auf ihren Schultern vollends ans Land zu tragen. Nachdem wir auf solche Art die Küste erreicht hatten, versammleten sie sich mit allen ersinnlichen Zeichen der Freundschaft um uns her, und bothen uns etwas Früchte, Waffen und Hausgeräth zum Geschenk an. Das Volk hätte uns gar nicht besser aufnehmen können, wenn es von unsern friedfertigen Gesinnungen schon durch eigne Erfahrung überzeugt, und gewohnt gewesen wäre, von Zeit zu Zeit europäische Schiffe bey sich zu sehen: Allein dies verhielt sich gerade umgekehrt, denn bisher hatten sie wohl noch keinen Europäer unter sich gesehn, auch konnten sie von Tasmans ehemaliger Anwesenheit auf der benachbarten Insel Amsterdam, höchstens nur von Hörensagen etwas wissen. Bey so bewandten Umständen, waren wir allerdings berechtiget, uns nach dieser Aufnahme von ihrer Gemüthsart die vortheilhaftesten Begriffe zu machen. Sie mußten von Natur offenherzig und edelmüthig gesinnt und über alles niedrige Mißtrauen weit erhaben seyn. Was dieses günstige Urtheil noch mehr bestätigte war, daß sich auch eine große Anzahl von Frauenspersonen unter ihnen befand, welche die indianischen Nationen sonst mehrentheils von den Fremden entfernt zu halten pflegen. Diese hier waren von den Hüften an bis auf die Füße bekleidet, und schienen uns durch ein gutherziges freundliches Lächeln einzuladen, daß wir getrost näher kommen möchten. Herr Hodges entwarf von dieser merkwürdigen freundschaftlichen Aufnahme ein schönes Gemählde, welches zu Capitain Cooks Nachricht von dieser Reise gestochen ist. Allein, so geneigt ich sonst auch bin, den Arbeiten dieses geistreichen Künstlers das gebührende Lob wiederfahren zu lassen, wenn sie der Wahrheit ganz treu sind; so wenig kann ich doch bey dieser Gelegenheit umhin, zu bemerken, daß vorgedachte Platte von den Einwohnern auf Ea-Uwhe und Tongatabu gar keinen richtigen Begrif giebt; so meisterhaft sie übrigens auch von Herrn Sherwin in Kupfer gestochen worden. Der Vorwurf, welchen man denen zu Capitain Cooks voriger Reise in Kupfer gestochnen Platten mit Recht gemacht hat, daß sie nemlich, statt indianischer Gestalten, nur schöne Figuren vorstellten, die sowohl der Form als der Drapperie nach, im Geschmack der Antike gezeichnet wären; eben dieser Vorwurf trift auch die vorgedachte Kupfertafel dieses Werks. Ja man sollte fast glauben, daß Herr Hodges seine zu diesem Stück nach der Natur gemachte Original-Skizze verloren und bey Entdeckung dieses Verlusts, aus eleganter mahlerischer Fantasie eine neue Zeichnung bloß idealisch entworfen habe. Kenner finden in dieser Platte griechische Conture und Bildungen, dergleichen es in der Südsee nie gegeben hat; und sie bewundern ein schönes fließendes Gewand, das Kopf und Cörper bedeckt, da doch in dieser Insel, die Frauensleute Schulter und Brust fast niemals bedecken. Die Figur eines alten ehrwürdigen Mannes mit einem langen weißen Barthe ist vortreflich; allein die Leuthe auf Ea-Uwhe lassen den Barth nicht wachsen, sondern wißen ihn mit Muschelschaalen kurz zu scheeren. Doch, ich kehre zur Geschichte um: Wir verweilten uns nicht lange auf der Küste, sondern folgten dem Befehlshaber, der uns weiter ins Land zu gehen bat. Vom See-Ufer ab, war der Boden etliche Schritt weit ziemlich steil, denn aber dehnte er sich in eine ebne schöne Wiese aus, die mit hohen Bäumen und dickem Buschwerke umgeben war, so daß man, nur nach der See hin, eine freye Aussicht hatte. Am Ende dieser Wiese, ohngefähr 150 Schritt weit vom Landungs-Platze, stand ein sehr hübsches Haus, dessen Dach bis zwey Fuß von der Erde, herabreichte. Der Weg der auf dasselbe zuführte, gieng durch vorgedachte grüne Ebne die so glatt und grasreich war, daß wir uns der schönsten Rasen-Gründe in England dabey erinnerten. So bald wir bey dem Hause ankamen, nöthigte man uns innerhalb auszuruhen; der Fußboden war auf eine ungemein zierliche Weise mit den schönsten Matten ausgelegt, und in einer Ecke sahen wir eine bewegliche Abtheilung von Korbmacher-Arbeit, hinter welcher, nach den Zeichen der Einwohner zu urtheilen, die Schlafstelle war. Das Dach, welches an allen Seiten gegen den Boden herablief, bestand aus Sparren und runden Knüppeln, die sehr genau mit einander verbunden und mit einer Matte von Bananen-Blättern bedeckt waren.

Kaum hatten wir in diesem Hause, von mehr denn hundert Menschen umringt, Platz genommen, als zwey oder drey Frauenzimmer uns mit einem Gesänge bewillkommten, der, so einfach die Melodie auch war, dennoch ganz angenehm und ungleich musicalischer klang als die Lieder der Tahitier. Die Sängerinnen hatten ungemein wohlklingende Stimmen und secundirten sich untereinander; zu gleicher Zeit schlugen sie, mit dem ersten Finger und dem Daumen, Knippchen dazu nach dem Takt, und hielten indeß die übrigen drey Finger jeder Hand gerade in die Höhe. Als die ersten drey aufgehört hatten, fiengen drey andre eben dieselbige Melodie an, und endlich ward ein allgemeines Chor daraus gemacht. Einer unsrer mitreisenden Herren, schrieb mir eins ihrer Lieder auf, welches ich meinen musicalischen Lesern zur Probe der hiesigen Tonkunst mittheilen will:

 

 

 

Weiter als auf diese vier Noten erstreckte sich der Umfang ihres Gesanges nicht; sie giengen nie tiefer als A. und nie höher als E. Dabey sangen sie sehr langsam und schlössen zuweilen mit dem Accord

 

 

Die Gutherzigkeit des Volks äußerte sich in ihren kleinsten Handlungen, ja in jeder Gebehrde. Sie ließen sichs sehr angelegen seyn, uns mit Cocos-Nüssen zu bewirthen, deren Milch überaus wohlschmeckend war. Alles vereinigte sich, uns diesen Aufenthalt angenehm zu machen; selbst die Luft, die wir einathmeten, war mit balsamischen Dünsten angefüllt. Anfänglich wußten wir nicht, wo dieser vortrefliche Geruch herkäme; bey näherer Untersuchung aber fand sich, daß wir ihn einer schattenreichen Art von Citronen-Bäumen zu verdanken hatten, die hinter dem Hause und eben in voller Blüthe standen. Wir durften uns nicht lange an dem bloßen Geruch begnügen, denn die Einwohner setzten uns bald auch Früchte von diesem Baume vor. In Westindien sind solche unter dem Namen Shaddocks bekannt; zu Batavia aber und in den ostindischen Inseln, werden sie Pompelmusen genannt. Diese hier waren kugelrund, beynahe so groß als ein Kindesköpf und von ganz vortreflichem Geschmack. Zu beyden Seiten der vor dem Hause befindlichen Wiese, lief ein Zaun von Rohrstäben hin, die durchaus creutzweis geflochten und fest mit einander verbunden waren. Durch diesen Zaun gelangte man, vermittelst einer Thür von Brettern, in eine ordentlich angelegte Plantage oder Baumgarten. Die Thür war so gehangen, daß sie von selbst hinter uns zufiel; und das Rohrgehäge war mit Zaun-Winden (Convolvulus) überwachsen, die größtentheils himmelblaue Blüthen hatten. Um die guten Anstalten der Einwohner genauer zu untersuchen, trennten wir uns in verschiedne Partheyen und fanden bey jedem Schritt neue Ursach, zufrieden zu seyn. Das Land sahe überall wie ein weitläuftiger Garten aus, indem es durchgehends mit hohen Cocos-Palmen und Bananen, imgleichen mit schattigen Citronen- und Brodfrucht-Bäumen besetzt war. In diesen anmuthigen Gefilden streiften wir einzeln umher und fanden eine Menge neuer Pflanzen, dergleichen auf den Societäts-Inseln nicht wuchsen. Ein Fussteig leitete uns endlich nach einem Wohnhause, welches gleich jenem auf der Wiese angelegt und mit Buschwerk umgeben war, dessen Blüthe die ganze Luft mit Wohlgeruch erfüllte. Die Einwohner schienen thätiger und fleißiger als die Tahitier zu seyn. Sie ließen uns überall ungehindert gehen, begleiteten uns auch nie, wenn wir sie nicht ausdrücklich darum baten, und alsdenn konnten wir für unsre Taschen unbesorgt seyn; nur mußten wir keine Nägel bey uns führen, denn diese ließen sie nicht leicht unangerührt. Wir kamen nach und nach durch mehr als zehn solcher Plantagen oder Gärten, die alle besonders verzäunt waren, und vermittelst Thüren von vorbeschriebner Art, Gemeinschaft mit einander hatten. Fast in jedem dieser Gärten fanden wir ein Haus, die Bewohner aber waren durchgehends abwesend. Die Verzäunung ihrer Ländereyen schien einen höhern Grad von Cultur anzudeuten, als man hier wohl hätte vermuthen sollen. Das Volk war auch in der That, sowohl in Hand-Arbeiten als in Manufactur-Sachen und in der Music, weiter und ausgebildeter als die Einwohner der Societäts-Inseln, welche dagegen, besonders in Tahiti, wohlhabender, aber auch träger waren als diese. So viel wir sahen, gab es hier nur wenig Hühner und Schweine; auch waren die Brodfrucht-Bäume, welche dort einen so reichlichen und vortreflichen Unterhalt geben, hier sehr selten, daher sich denn die Einwohner hauptsächlich von Wurzelwerk, imgleichen von Bananen zu nähren scheinen. In Absicht der Kleidung waren sie ebenfalls nicht so reich als die Tahitier; wenigstens gieng man in diesem Artikel hier noch nicht wie dort bis zur Verschwendung. Endlich so fanden wir auch ihre Wohnungen, zwar sehr artig gebauet und allemal in wohlriechendem Buschwerk angelegt, sie waren aber weder so räumlich noch so bequem als in Tahiti. Unter diesen Beobachtungen und Reflexionen kehrten wir wieder nach dem Landungsplatz zurück, woselbst sich viele Hundert Einwohner versammlet hatten. Ihr äußerer Anblick bewies, daß, wenn ihr Land gleich nicht so reich an Natur-Güthern war als Tahiti; diese Reichthümer doch mit mehrerer Gleichheit unter dem Volk ausgetheilt seyn müßten. Dort konnte man den Vornehmen gleich an der hellem Gesichts-Farbe und an dem wohlgemästeten Cörper erkennen: Hier aber war aller äußere Unterschied aufgehoben. Der Befehlshaber der zu uns an Bord gekommen und uns darauf ans Land begleitet hatte, war, selbst der Kleidung nach, nicht vom gemeinen Manne verschieden. Blos aus dem Gehorsam, den das Volk gegen seine Befehle blicken ließ konnte man urtheilen, daß er von höherem Stande seyn müsse. Wir mischten uns unter den hier versammleten Haufen, da uns denn Alt und Jung, Männer und Weiber auf das schmeichelhafteste bewillkommten. Sie umarmten uns, küßten uns zuweilen die Hände und drückten sie an ihre Brust; kurz, sie suchten uns ihre Liebe und Freundschaft auf hundertfältige Art zu bezeugen. Die Männer sind von unsrer gewöhnlichen mittlern Statur, von 5 Fus 3 Zoll, zu 5 Fus 10 Zoll, überaus proportionirlich gebaut und alle Glieder schön gestaltet, aber etwas musculöser als die Tahitier, welches wahrscheinlicherweise von der größern und beständigen Anstrengung des Cörpers herkommt, die ihre Art des Landbaues und der Hauswirthschaft erfordert. Ihre Gesichtsbildung war sanft und ungemein gefällig, jedoch länglichter als bey den Tahitiern, besonders war die Nase schärfer und die Lippen dünner. – „Sie hatten schöne schwarze Augen, die groß und selbst bey den bejahrtesten Personen noch voll Feuer waren. Ihre Zähne waren gesund, weiß und schön gesetzt. Das Haar, welches gemeiniglich schwarz und stark gekräuselt war, trugen Männer und Weiber kurz verschnitten, und manche hatten es aufwärts gekämmt, so daß es, wie Borsten, in die Höhe stand. Den Kindern hatte man es noch kürzer geschnitten und nur einen Schopf von Haaren auf dem Wirbel, imgleichen einen auf jeder Seite über dem Ohr stehen lassen.“ – Die Bärte waren geschoren oder vielmehr mit ein Paar scharfen Muschel-Schaalen (mytili) so dicht als möglich an der Haut abgezwickt. Die Weibsleute waren durchgehends ein Paar Zoll kleiner als die Mannspersonen; jedoch nicht so klein als die gemeinen Frauensleute auf Tahiti und den Societäts-Inseln. Der Obertheil des Cörpers war allemal von ungemein schöner Proportion, und die Hände nebst den Armen völlig eben so fein gebildet als bey dem Tahitischen Frauenzimmer; dagegen hatten sie, gleich jenen, zu große Füße und zu dicke Beine. Ihre Gesichtszüge waren eben nicht regelmäßig schön, hatten aber etwas sehr angenehmes, welches in den Societäts-Inseln, bey dem schönen Geschlecht durchgehends der Fall zu seyn pflegte; doch gab es dort unter den Vornehmern einzelne Schönheiten, dergleichen wir hier nirgends antrafen. Sowohl die Manns als Frauenspersonen waren, ohne Unterschied des Geschlechts, von hell castanienbrauner Leibesfarbe, und schienen durchgehends einer vollkommnen Gesundheit zu genießen. Unter den Männern war das Punctiren und Einschwärzen der Haut allgemein; vornemlich pflegte der Bauch und die Lenden eben so stark, und in noch künstlichem Figuren tättowirt oder bezeichnet zu seyn, als wir es auf Tahiti gesehen hatten. Selbst die zartesten Glieder des Cörpers, auf denen die Operation nicht nur sehr schmerzhaft, sondern auch, wegen der glandulösen Theile, sehr gefährlich seyn muß, waren nicht unpunctirt. Mit Recht erstaunten wir darüber:

 

Nam et picta pandit spectacula cauda.

HORAT.

 

Bey den Frauensleuten hingegen war es nicht üblich sich auf diese Art häßlich zu verschönern. Sie hatten blos, gleich den Männern, drey runde Flecke auf jedem Arm, die eine Menge in einander passenden Cirkel vorstellten, und in die Haut punctirt aber nicht mit schwarzer Farbe eingerieben waren. Nächst dieser Verzierung begnügten sie sich mit ein Paar schwarzen Puncten auf den Händen. Die Männer giengen fast gänzlich nackend, indem sie mehrentheils nur ein schmales Stück Zeug, wie eine Scherfe, um die Hüften geschlagen hatten; doch war es manchmal auch etwas länger, und reichte alsdenn, fast wie ein Frauensrock, von den Hüften bis über die Knie hinab. Die Weiber hingegen schlugen das Zeug unmittelbar unter der Brust um den Leib, und von da hieng es bis auf die Waden herunter. Es war mit dem Tahitischen von gleicher Beschaffenheit, aber in viereckigen Feldern, nach Art eines Brettspiels gemahlt; hiernächst auch mit einem Leim oder Firniß überzogen, der dem Wasser lange Widerstand that. Statt des Zeuges trugen sie auch wohl Matten, die sehr gut geflochten, im Äußern den Tahitischen ähnlich, und bisweilen, jedoch selten, über die Schultern und Brust zusammen geschlagen waren. Zum Zierrath diente den Männern eine Perlmutter-Schaale, die vermittelst einer Schnur um den Hals befestigt war und auf die Brust herabhieng. Die Frauensleute aber trugen mehrere Schnüre um den Hals, an welchen kleine Schnecken, Saamen-Körner und Fischzähne aufgereihet, und in deren Mitte der runde Deckel einer Schnecke, (operculum) ohngefähr so groß als ein Thalerstück, befindlich war. In beyden Ohrläppchen hatten sie Löcher, bisweilen zwey in jedem, und in dem Fall war ein kleines rundes Stück von Schildkröten-Schaale oder ein Knochen hereingesteckt. Nicht selten bestanden diese Cylinder aus bloßem Rohr, das mit einer rothen festen Substanz angefüllt, außerhalb bunt angemahlt, imgleichen gebeizt war. Das Sonderbarste aber, was wir an dieser Nation bemerkten, war, daß viele den kleinen Finger, zuweilen gar an beyden Händen verloren hatten. Geschlecht und Alter machten hierinn keinen Unterschied; denn selbst von den wenigen Kindern, die wir herumlaufen sahen, waren schon die mehresten auf diese Art verstümmelt. Nur einige wenige alte Leute hatten ihre völlige Fingerzahl, und machten folglich eine Ausnahme von der allgemeinen Regel. Wir vermutheten sogleich, daß der Tod eines Anverwandten oder Freundes zu dieser sonderbaren Verstümmelung Anlaß geben mögte, um welcher Ursach willen sie auch bey den Hottentotten in Afrika,[2] bey den Guaranos in Paraguay, und unter den Einwohnern von Californien üblich ist. Diese Vermuthung bestätigte sich hernach auch auf wiederholtes Nachfragen. Noch eine andre Sonderbarkeit, die wir an ihnen bemerkten, bestand darinn, daß sie fast durchgehends einen runden Fleck auf beyden Backen-Knochen hatten, der eingebrannt oder mit blasenziehenden Sachen eingeätzt zu seyn schien. Bey einigen waren diese Flecke noch ganz frisch, bey andern schon mit einem Schorf überzogen, und bey vielen waren nur noch ganz geringe Spuren davon übrig. Wir konnten nicht erfahren, wie und zu welchem Ende diese Flecke gemacht werden; vermutheten aber, daß solche von irgend einem caustischen Heilmittel herrühren müßten, welches hier, ohngefähr so wie in Japan die Moxa, zur Heilung von mancherley Krankheiten, gebraucht werden mag.

Des gefälligen Betragens der Einwohner ohnerachtet, sahen wir so zum Voraus, daß unsers Bleibens hier nicht lange seyn würde, denn die Capitains konnten nicht so viel frische Lebensmittel bekommen, als zum täglichen Unterhalt auf beyden Schiffen erfordert wurden. Indessen mochte die Ursach hievon nicht sowohl an einem würklichen Mangel derselben, als vielmehr daran liegen, daß man gleich anfänglich mit allzu großer Begier Waffen und Hausrath kaufte, und auf diese Art den Einwohnern Anlaß gab, mit dem schätzbarsten, nemlich mit den Lebensmitteln zurückzuhalten. Sie hatten uns zwar hie und da etliche Yams, Bananen, Coco-Nüsse und Pompelmosen zum Verkauf gebracht; allein sie hielten mit diesen Artickeln bald wieder inne und schränkten den Handel blos auf Sachen von ihrer Hände Arbeit ein. Vornemlich verkauften sie unsern Leuten eine unglaubliche Menge von Fisch-Angeln, die mit Haken von Schildkröten-Schaale versehen, zum Theil sieben Zoll lang und eben so gestaltet waren als die in Tahiti, unter dem Namen Witti-Witti[3] bekannten. Nächstdem überließen uns die Männer ihre Brustzierrathen von Muschelschalen, und die Weiber ihre Halsbänder, Armbänder von Perlmutter, und dergleichen kleine runde Stöckchen von Holz oder Rohr, deren sie sich statt Ohrringe bedienen. Wir handelten auch eine Art von Kämmen ein, die mehr zum Putz als zu anderm Gebrauch diente, und aus einer Anzahl kleiner flacher Stöcke bestanden, welche ohngefähr 5 Zoll lang, von gelbem Holze als Buxbaum geschnitzt und am obern Ende fest jedoch zierlich, durch ein buntes Flechtwerk von braunen und schwarz gefärbten Cocosfasern mit einander verbunden waren, wie auf der hier beygefügten Kupfertafel, vermittelst der Figur l, mit mehrerm ersehen werden kann. Aus dergleichen Fasern machten sie auch allerhand Körbe, die oft in braun und schwarzen Feldern geflochten, zuweilen auch durchaus von gleicher Farbe, nemlich braun, und Reihen-weise mit runden, flachen Corallen besetzt waren. Diese Corallen schienen aus Schnecken geschnitten oder geschliffen zu seyn. Die Körbe waren, sowohl der Form als dem Muster nach, sehr verschieden, aber allemal ungemein sauber und mit viel Geschmack gearbeitet. Ein Paar derselben findet man auf vorgedachter Kupfertafel Figur 2. und 3. abgebildet. Die kleinen hölzernen Stühle, welche man in diesen Inseln statt Kopf-Küssen gebraucht, waren hier häufiger als auf Tahiti. Auch gab es viel flache Speise-Schaalen und Spateln, womit der Brodfrucht-Teig durcheinander gerührt wird, sämmtlich von Casuarina-Holz (casuarina equisetifolia) geschnitzt. Unsre Matrosen nannten diese Holzart, Keulen-Holz (clubwood,) weil aus selbigem in allen Südsee-Inseln, Keulen und Streit-Kolben gemacht werden. Letztere waren hier von sehr mannichfaltiger Form, und zum Theil so schwer, daß wir sie nicht leicht mit einer Hand führen konnten. Der untere Theil, oder die eigentliche Kolbe war mehrentheils vierseitig und von blattförmiger Gestalt, der Schaft war ebenfalls viereckig, ward aber, oberhalb, gegen den Handgrif zu, rund. (Man sehe hiebey die auf folgender Platte, mit 1. bezeichnete Figur nach.) Andre waren schaufelförmig, flach und zackicht; noch andre hatten lange Griffe und eine Fliet-ähnliche Schneide, und wiederum andre waren krumm, knoticht u. s. w. Die mehresten waren über und über nach allerhand felderweise abgetheilten Mustern geschnitzt, welches viel Zeit und eine unglaubliche Geduld erfordern muß, indem ein scharfer Stein, ein Stückchen Coralle oder eine Muschel die einzigen Werkzeuge sind, womit sie dergleichen Arbeit machen können. Die Abtheilungen, oder Felder, dieses Schnitzwerks waren einander, der Größe und dem Ebenmaaß nach, bis zur Bewundrung gleich, und die Oberfläche der ungeschnitzten Keulen war so schön geglättet, als man es von den geübtesten und mit dem besten Handwerkszeuge versehenen Künstlern nur hätte erwarten können. Außer den Keulen hatten sie auch Speere von vorgedachter Holzart, die oftmals nur aus langen, zugespitzten Stöcken bestanden, oft aber auch mit dem Schwanz der Stachel-Roche, als mit einer furchtbaren Spitze, versehen waren, (Fig. 2. u. 3.) Nächst diesen Waffen führten sie auch Bogen und Pfeile von ganz besonderer Einrichtung, wie aus beygefügter Abbildung, Fig. 4. zu sehen ist. Der Bogen war 6 Fus lang, ohngefähr so dick als ein kleiner Finger und, wenn er nicht gespannt war, nur wenig gekrümmt. Längst der convexen oder äußern Seite lief ein vertiefter Falz, oder halbe Hohlröhre, für die Senne. Zuweilen war sie tief genug ausgeschnitten, daß auch der Pfeil, der ohngefähr 6 Fus lang, aus einem Rohrstabe gemacht und mit hartem Holz zugespitzt war, darinn Platz hatte. Wenn nun der Bogen gespannt werden solte; so mußte solches nicht, wie sonst gewöhnlich, durch stärkere Biegung seiner Krümmung geschehn, sondern völlig umgekehrt, so daß der Bogen erst gerade, und denn, nach der entgegenstehenden Seite hin, krumm gebogen ward. Die Senne brauchte dabey niemals straff angezogen werden, denn durch bloße Ändrung der natürlichen Biegung des Bogens, bekam der Pfeil Trieb genug, und das Wiedereinspringen des Bogens und der Senne war nie so heftig, daß die Hand oder der Arm des Schützen davon hätte beschädigt werden können. Ehe unsre Seeleute mit diesem Gewehr umgehen lernten, zerbrachen sie viele Bogen, indem sie solche nach der sonst gewöhnlichen Manier aufspannen wollten. Die ungeheure Menge von Waffen, welche wir bey den Einwohnern fanden, stimmte aber gar nicht mit der friedfertigen Gesinnung, die sie in ihrem ganzen Betragen gegen uns, und vornemlich auch durch die Bereitwilligkeit äußerten uns solche zu verkaufen. Sie müssen folglich, ihrer friedfertig scheinenden Gemüthsart ohnerachtet, oft Händel untereinander haben, oder auch mit den benachbarten Inseln Krieg führen; doch konnten wir hievon, trotz aller Nachfrage nichts befriedigendes erfahren. Alle obbenannten Artikel, nebst den verschiedenen Sorten ihres Zeuges, ihrer Matten und andre Kleinigkeiten brachten sie zum Verkauf, und nahmen sehr gern kleine Nägel, bisweilen auch wohl Corallen dagegen. In Betracht der letztern waren sie jedoch mit den Tahitiern nicht von gleichem Geschmack; denn jene wählten immer durchsichtige, hier aber galten die Dunklen am mehresten, die rothe, weiße oder blaue Streiften hatten. Wir handelten mit ihnen bis zu Mittage, da wir wieder an die Schiffe zurückkehrten, und einen kleinen Boot-Anker vermißten, den die Einwohner fast in eben dem Augenblick als er war ausgeworfen worden, hatten zu stehlen und auf die Seite zu bringen wissen. Ihre freundlichen Blicke und Zurufen folgten uns bis an Bord, woselbst in einer Menge Canots, eben solche Waaren zum Verkauf ausgeboten wurden, als wir am Lande eingehandelt hatten. Es befanden sich auf diesen Fahrzeugen einige Aussätzige, bey denen die Krankheit zu einen sehr hohen Grad gekommen war. Ein Mann insbesondre hatte über den ganzen Rücken und über die Schultern, ein großes krebsartiges Geschwür, das innerlich völlig blau, auf dem Rande aber goldgelb war. Und ein armes Weib, hatte auf eben diese elende Weise, fast das ganze Gesicht eingebüßt. Statt der Nase sähe man nur noch ein Loch; die Backen waren geschwollen und eiterten aller Orten; die Augen waren blutig und wund, und so schienen aus dem Kopfe fallen zu wollen. Mit einem Wort ich erinnere mich nicht, je etwas bejammernswürdigers gesehen zu haben. Dennoch schienen diese Unglücklichen unbekümmert über ihr Elend, handelten so frisch drauf los als die übrigen, und was das ekelhafteste war, sie hatten Lebensmittel zu verkaufen.

Nach Tisch blieb ich an Bord, woselbst mir Dr. Sparmann die am Morgen eingesammelten natürlichen Merkwürdigkeiten in Ordnung bringen half; mein Vater aber gieng mit den Capitains wieder ans Land um noch mehr aufzusuchen. Bey Untergang der Sonne, kamen sie von ihrer Wanderschaft zurück, und mein Vater gab mir, von dem was ihnen begegnet, folgende Nachricht:

Am Landungs-Platze begrüßten uns die Einwohner, gleichwie sie des Morgens gethan hatten, mit einem Freuden-Geschrei; und da ihrer eine große Menge war, so gieng der Handel lustig von statten; Lebensmittel aber waren selten, und Pompelmosen, der frühen Jahreszeit wegen, fast gar nicht zu haben. Herr Hodges, ich und mein Bedienter, verließen den Handelsplatz mit zwey Indianern, die uns, als Wegweiser nach dem im Innern des Landes gelegenen Berge hinauf führen sollten. Der Weg dahin gieng durch viel schöne Baumpflanzungen oder Gärten, die theils mit Rohr, theils mit lebendigen Hecken von schönen Korallenschothen, (erythrina corallodendron) verzäunt waren. Jenseits derselben kamen wir in einen schmalen Steig der zwischen zwey Verzäunungen hinlief, innerhalb welchen, auf beyden Seiten, Bananen und Yams, reihenweise, so ordentlich und regelmäßig angepflanzt waren, als in unsern Gärten. Dieser schmale Weg brachte uns auf eine mit dem herrlichsten Grase überwachsene, große Wiese. Nachdem wir queer über dieselbe weg gegangen waren, fanden wir eine vortrefliche Allee vor uns, die ohngefähr auf zweytausend Schritt lang, aus vier Reihen Coco-Nuß-Bäumen bestand, und wiederum zu einem schmalen Gange führte, der, gleich dem vorigen, zwischen regelmäßig angelegten Gärten hinlief, die an den äußern Seiten mit Pompelmosen und andern Bäumen besetzt waren. Vermittelst dieses Ganges kamen wir durch ein wohlangebautes Thal nach einer Stelle hin, wo verschiedene Fußsteige zusammen trafen. Hier befanden wir uns auf einer mit dem zartesten Rasen überwachsenen und ringsum mit großen schattenreichen Bäumen eingefaßten Wiese. In einer Ecke derselben war ein Haus, das damals ledig stand, weil die Bewohner vermuthlich nach der Seeküste herabgegangen seyn mochten. Herrn Hodges gefiel diese Gegend so wohl, daß er sich niedersetzte und sie zeichnete, welches auch würklich der Mühe lohnte. Die Luft war rein, und so wohlriechend, daß ein Sterbender davon aufs neue hätte belebt werden müssen. Ein sanfter Seewind spielte in unsern Locken und fächelte uns Kühlung zu; kleine Vögel zwitscherten auf allen Seiten und wilde Tauben girrten zärtlich auf den schattenreichsten Zweigen des Baumes worunter wir uns gelagert hatten. Dieser Baum war in Absicht seiner Wurzeln sonderbar, denn es trennten sich selbige acht Fuß hoch über Erde schon vom Stamme, und liefen alsdenn einzeln zum Boden herab; auch trug er eine sonderbare Art von Schoten, die über drey Fuß lang und zwey bis drey Zoll breit waren. Bey dieser einsam gelegenen und von der Natur so reichlich gesegneten Gegend, wo wir ohne andre Gesellschaft als unsre beyden Indianer im Grase ruheten, fielen uns mit Recht die Beschreibungen der Dichter von bezauberten Inseln ein, die, als das Werk einer unbeschränkten Einbildungskraft, gemeiniglich mit allen möglichen Schönheiten geschmückt zu seyn pflegen. Dieser Fleck hatte auch würklich viel Ähnlichkeit mit dergleichen romantischen Schilderungen. Horaz selbst hätte nicht leicht eine glücklichere Lage zu seiner Einsiedeley wählen können, wenn es hier nur eine Crystall-Quelle oder einen kleinen murmelnden Bach gegeben hätte! aber Wasser ist gerade das einzige, woran es dieser reizenden kleinen Insel fehlt. Linker Hand von hier aus fanden wir einen andern schattigen Gang, durch welchen wir abermals auf eine Gras-Flur kamen, an deren Ende ein kleiner Hügel und auf selbigem zwey Hütten befindlich waren. Rings um die Anhöhe standen Rohrstäbe, einen Fuß weit von einander, in die Erde gesteckt; und vor derselben waren etliche grosastige Casuarina-Bäume hingepflanzt. Weiter als bis an die Umzäunung wollten sich unsre Indianische Begleiter dieser Anhöhe nicht nähern; wir aber gierigen vollends herauf, und gukten, wiewohl nicht ohne Schwierigkeit, in die Hütten herein, indem das Dach fast bis auf eine Spanne weit zur Erde herabgieng. In einer dieser Hütten fanden wir einen neuerlich beygesetzten todten Körper; die andre Hütte aber war leer. Der Casuarina- oder Keulen-Baum (Toa) dient also, gleich wie auf den Societäts-Inseln, auch hier, zu Bezeichnung der Begräbnißplätze: Und wirklich schickt er sich, wegen seiner braun-grünen Farbe, und der langen niederhängenden Äste, an denen die schmalen und faserichten Nadeln dünn und traurig abwärts stehen, zu der Melancholie solcher Plätze völlig eben so gut als die Cypresse. Vermuthlich hat man auch in diesem Theil der Welt, den Casuarina-Baum, aus einer ähnlichen Folge oder Verbindung von Ideen, zum Baum der Trauer ausersehen, als um deren willen bey uns die Cypresse dazu gewählt worden ist. Der Hügel, worauf die Hütte lag, bestand aus kleinen zusammengetragnen Coral-Felssteinen, die als ein Haufen Bachkiesel ohne alle Haltbarkeit locker über einander hingeschüttet waren. Wir giengen von hier aus noch etwas weiter, und fanden überall dergleichen reizende Baumgärten, die, gemeiniglich in der Mitte, mit Wohnhäusern versehen waren. In einem dieser Gärten nöthigten uns unsre Begleiter zum Niedersitzen, und verschaften uns zur Erfrischung etliche sehr milchreiche Cocos-Nüsse. Als wir an den Strand zurück kamen, waren die Boote schon im Begriff nach dem Schiffe abzugehen, weshalb wir uns zugleich mit über setzen ließen. Auf unserm Spatziergange hatten wir nur wenig Leute zu sehen bekommen, und wenn uns hie oder da einer begegnete, so gieng er, ohne sich um uns zu bekümmern, seines Weges fort, gemeiniglich nach dem Handlungs-Platze hin. Hätten wir nicht zwey Leuthe zu Wegweisern mitgenommen, so wären wir vermuthlich ohne alle Begleitung geblieben; niemand würde uns nachgelaufen oder sonst auf irgend eine Art hinderlich gewesen seyn. Der Knall und die Würkung unsers Schießgewehrs machte keinen besondern Eindruck auf sie, doch hatten wir auch nicht Ursach sie damit in Furcht zu setzen, denn die betrugen sich durchgehends freundlich und willfährig gegen uns. Die Frauensleute waren, im Ganzen genommen, zurückhaltend, und bezeigten gegen das ausgelaßne Betragen unsers Schiff-Volks ausdrücklichen Widerwillen; doch gab es mit unter freylich auch einige die minder keusch waren, und durch unanständige Geberden den Matrosen veranlaßten alles zu versuchen und alles zu erhalten.

Am folgenden Morgen giengen wir mit den Capitains wiederum ans Land, und beschenkten den Befehlshaber mit einer Menge Garten-Gesäme, deren großer Nutzen ihm so viel möglich, durch Zeichen zu verstehn gegeben ward. Darinn bestand bis jetzt noch unsre Unterredung; doch hatten wir schon eine hinlängliche Anzahl von Wörtern gesammlet, aus denen sich, nach den allgemeinen Begriffen vom Bau der Sprachen und den Abänderungen der Dialecte, deutlich urtheilen ließ, daß die hiesige Mundart mit der Sprache auf Tahiti und den Societäts-Inseln sehr nahe verwandt sey. O-Maï und Maheine oder O-Hedidi, die beyden Indianer von Raietea und Borabora, welche bey uns an Bord waren, behaupteten anfänglich, daß sie die hiesige Sprache ganz und gar nicht verständen. Allein kaum hatten wir ihnen die Ähnlichkeit derselben mit ihrer Landessprache an verschiedenen Worten gezeigt; so faßten sie das Eigenthümliche dieses Dialectes sehr leicht, und konnten sich den Eingebohrnen besser verständlich machen, als einer von uns nach langer Zeit kaum gelernt haben würde. Das Land gefiel ihnen sehr wohl, doch sahen sie auch bald ein, woran es demselben fehle; sie klagten uns nemlich, daß es wenig Brodfrucht, wenig Schweine und Hühner, und gar keine Hunde allhier gebe, welches auch der Wahrheit völlig gemäß war. Dagegen fanden sie großes Wohlgefallen an dem vielen Zucker-Rohr und berauschenden Pfeffer-Getränk, wovon die Einwohner, unter andern, auch dem Capitain Cook zu trinken angebothen hatten.

Sobald die Capitains ihre Geschenke abgegeben, kehrten sie nach den Schiffen zurück, und der Befehlshaber kam mit uns an Bord. Wir hoben den Anker, die Seegel wurden aufgesetzt, und wir verließen dies glückliche Eyland, dessen Schönheiten wir kaum im Vorbeygehen hatten kennen lernen. Während der Anstalten zur Abfahrt, verkaufte uns der Befehlshaber noch eine Menge von Fisch-Angeln gegen Nägel und Corallen, und rief darauf ein vorbeyfahrendes Canot ans Schiff, in welchem er, mit mannichfaltigen Zeichen und Blicken, aufs freundschaftlichste und gutherzigste Abschied von uns nahm.

Wir segelten nunmehr längst dem westlichen Gestade der, von Tasmann, Amsterdam genannten Insel, die aber, in der Sprache ihrer Einwohner Tongatabu heißt. Sie liegt, der Mitte nach, ohngefähr unterm 21sten Grade 11 Minuten südlicher Breite, und unterm 175sten Grade westlicher Länge. Im Vergleich mit der vorhergehenden Insel ist das Land nur sehr niedrig, dem Augenmaaß nach, scheint es an den höchsten Stellen, kaum 18 bis 20 Fus senkrecht über die Meeresfläche erhaben zu seyn; im Umfange hingegen, ist diese Insel größer als Ea-Uwhe. Vermittelst unsrer Ferngläser entdeckten wir hier eben so regelmäßige Pflanzungen als dort; auch war die Küste voller Einwohner, die uns durchgehends, und vermuthlich nicht minder aufmerksam betrachteten als wir sie. – „Einige derselben rannten längst dem Ufer hin und her und ließen weiße Fahnen wehen, die wir für Friedenszeichen und als eine Art von Bewillkommung in der Ferne, ansahen.“ – Als wir zwischen beyden Inseln ohngefähr mitten inne, das ist, von jeder etwa 3 See-Meilen weit entfernt waren, begegneten uns schon verschiedne Canots mit Leuten, die an das Schiff heran kommen wollten; allein wir waren so weit vor dem Winde, daß sie uns nicht mehr einholen konnten, dagegen erreichten sie die Adventure und giengen auf selbiger an Bord.

Nachmittags gelangten wir an das nördliche Ende der Insel, woselbst gegen Osten hin einige kleine Inseln lagen, die mit einem Rief verbunden waren, und gen Nordwesten hin gab es eine verborgne Klippe, an welcher sich die See mit großem Ungestüm brach. Beydes, sowohl jene kleinen Inseln als diese Klippe, überzeugten uns, daß wir gerade in derselben Gegend waren, wo Tasmann im Jahr 1643. vor Anker gelegen und solche Van Diemens Rhede genannt hatte. Hier ließen nun auch wir die Anker fallen, ohnerachtet der Grund aus einem bloßen Coral-Felsen bestand. Es dauerte nicht lange, so wurden wir von einer Menge Einwohnern umringt, die theils in Canots, theils schwimmend, herbeykamen, ohnerachtet wir über eine Viertelmeile weit vom Ufer lagen. Sie waren den Bewohnern von Ea-Uwhe in aller Absicht ähnlich, auch eben so sehr zum Handel geneigt. Sie boten uns gleich eine ungeheure Menge von Zeug, Matten, Netzen, Hausrath, Waffen und Putz zum Verkauf, und nahmen Nägel und Corallen dagegen: Allein dieser Handlungszweig ward ihnen bald abgeschnitten; denn kaum waren die Schiffe vor Anker, als der Capitain anbefehlen ließ, daß niemand dergleichen Curiositäten einkaufen sollte. Den Eingebohrnen hingegen gab man zu verstehen, daß sie statt dessen Coco-Nüsse, Brodfrucht, Yams und Bananen, imgleichen Schweine und Hühner herbeybringen mögten. Alle diese Artikel wußten wir schon in ihrer Sprache zu nennen. Um dieser Verordnung desto mehr Eingang zu verschaffen, wurden die wenigen Lebensmittel, welche heute zu bekommen waren, gut bezahlt, alle andre Waaren aber, mußten die Einwohner ohnangerührt wieder mit sich ans Land nehmen. Die guten Folgen dieses Verhaltens zeigten sich schon am nächsten Morgen, indem gleich bey Anbruch des Tages ganze Boots-Ladungen voll Früchte und Hühnern anlangten. Viele von den Eingebohrnen kamen so dreist und zutraulich an Bord, als ob wir uns schon lange gekannt hätten, und als ob sie gar nicht wüßten was Mißtrauen wäre. Unter diesen befand sich ein wohlgestalter Mann von sehr offner, einnehmender Gesichtsbildung, der, gleich unserm Bekannten zu Ea-Uwhe, einiges Ansehn über seine Landsleute zu haben schien. Er stieg in die Cajütte hinunter, und sagte uns, sein Name sey Attahha. Von den Geschenken, die man ihm, seines Standes wegen machte, bezeugte er über das Eisenwerk und rothen Boy die mehreste Freude, und nach dem Frühstück gieng er in der Pinnasse mit uns ans Land. Die Küste war mit einem Corallen-Rief gedeckt, der ohngefähr einen Büchsenschuß weit vor dem Ufer hinlief, und nur eine sehr schmale Einfahrt hatte. Innerhalb des Riefs war der Grund so steinig und das Wasser so seicht, daß wir mit dem Boot nicht bis an den Strand kommen konnten, sondern uns hin tragen lassen mußten. Sobald wir allerseits gelandet waren, bekam der Schifsschreiber den Auftrag, Lebensmittel einzuhandeln, wobey ihm ein Commando von See-Soldaten zur Wache dienen mußte. Die Eingebohrnen bezeigten über diese Anordnung weder Verwundrung noch Mißvergnügen; doch mochten sie die Absicht derselben freylich wohl nicht errathen und konnten folglich auch keinen Argwohn daraus schöpfen. Man empfieng uns, wie zu Ea-Uwhe, mit Freuden-Geschrey, und bat, daß wir uns auf dem Felsen-Ufer niedersetzen mögten. Diese Felsen waren eine Art von Corallen-Stein und mit Muschel-Sand bedeckt. Unter andern Sachen brachten uns die Einwohner auch allerhand schöne, ganz zahme Papagayen und Tauben zum Verkauf. Unser junge Reisegefährte von Borabora, Maheine oder Ohedidi, handelte seiner Seits sehr emsig um Putzwerk von rothen Federn, die, wie er versicherte, zu Tahiti und auf den Societäts-Inseln in außerordentlichem Werth standen. Dergleichen Federn waren hier gemeiniglich auf Schürzen geklebt, die aus Coco-Nuß-Fibern geflochten sind und den Frauenzimmern, beym Tanzen, zum Putz dienen; oft pflegten sie auch auf Bananenblätter befestigt zu seyn, und wurden als eine Kopfzierrath vor die Stirn gebunden. Man findet eine Abbildung derselben auf der S. 344. eingefügten Platte, Fig. 4. Ohedidi war über seinen Einkauf ganz außer sich vor Freuden, und versicherte uns, daß ein Stückchen dieses Federputzes, so groß als zwey oder drey Finger breit, in seiner Insel hinreichen würde das größte Schwein zu kaufen. Er sowohl als O-Maï, waren mit den Bewohnern dieser Inseln sehr zufrieden, und beyde fiengen an die Sprache schon ziemlich gut zu verstehn.

Nachdem wir unsre neuen Freunde einigermaßen hatten kennen lernen, machten wir uns auf, um das Land näher in Augenschein zu nehmen. Nicht weit vom Ufer, wo das Erdreich um etliche Fus höher war als an der Küste, kamen wir in einen schmalen aber desto langem Strich Waldung, der theils aus hohen Bäumen, theils aus niedrigem Gesträuch bestand. An manchen Stellen war er kaum 300 Fus tief, dagegen reichte er an der ganzen Küste von Van Diemens Rhede herunter, und jenseits desselben war das Land durchaus flach. Zunächst an den Wald stieß ein Revier, ohngefähr 500 Schritte breit das zum Theil mit Yams bepflanzt gewesen zu seyn schien, das zum Theil mit Gras bewachsen war und in der Mitte einen kleinen Sumpf hatte, wo sich das violette Wasserhuhn, oder die poule Sultane, in großer Menge aufhielt. Hinter diesem Fleck war das Land abgetheilt und eingezäunt. Ein schmaler Gang, der ohngefähr 6 Fus breit und zu beyden Seiten mit einem Zaun von Rohr eingefaßt war, lief, so wie bey uns die Feldwege, mitten durch die angebauten Ländereyen hindurch. Hier begegneten uns viel Indianer, die mit großen Trachten von Lebensmitteln nach dem Strande giengen und im Vorbeygehen sehr höflich eine Verbeugung mit dem Kopfe machten, auch gemeiniglich ein oder das andre einsylbichte Wort hören ließen, welches, der Bedeutung nach, mit dem Tahitischen Tayo übereinzukommen schien. Die Zäune, Plantagen und Häuser waren hier völlig eben so gestaltet als auf Ea-Uwhe, und die Wohnungen durchgehends mit wohlriechendem Gesträuch umpflanzt. Der Maulbeerbaum, dessen Rinde zu Zeug verarbeitet wird, und der Brodfrucht-Baum waren hier seltner als auf den Societäts-Inseln, und der dortige Apfelbaum hier ganz unbekannt; statt dessen aber hatten sie Pompelmosen. Der Frühling, der die Pflanzen mit Blumen schmückte und alles neu belebte, mochte freylich mit Schuld daran seyn, daß uns dies Land so wohl gefiel, doch trug der wirthschaftliche Fleiß und das gute Bezeigen der Einwohner nicht weniger dazu bey. Es war auch würklich ein Vergnügen zu sehn, wie viel Ordnung in der Anlegung und Bepflanzung ihrer Grundstücke herrschte, und wie sauber ihre Handarbeit beschaffen war. Beydes setzte einen Grad von Einsicht und Geschmack voraus, bey welchem es dieser Nation an Glück und Wohlstand nicht fehlen konnte.

Einer von den Feldwegen, die zwischen den verzäunten Ländereyen durchgiengen, brachte uns zu einem kleinen wild aufgewachsenen Gehölz, dem es, wenn gleich an künstlicher Regelmäßigkeit, doch nicht an natürlicher Anmuth und Schönheit fehlte. Ein ungeheurer Lasuarina-Baum, der aus demselben weit empor ragte, war mit einer Menge schwarzer Thierchen bedeckt, die wir in einiger Entfernung für Krähen hielten, bey näherer Untersuchung aber für Fledermäuse erkannten. Sie hatten sich, vermittelst ihrer an den Spitzen der Flügel und an den Füßen befindlichen Krallen an die Zweige fest gehangen, oft mit dem Kopf nach der Erde herab, oft aber auch anders. Auf den ersten Schuß brachten wir sechs bis acht Stück herunter, da sich denn fand, daß sie zu der Vampyr-Art gehörten (Rougette de Buffon, Vampirus Linnæi & Pennantii,) und, von einem Ende der ausgebreiteten Flügel zum andern, zwischen 3 und 4 Fus maßen. Durch das Feuern in ihrer Ruhe gestört, flatterten sie zum Theil, mit sehr schwerfälligem langsamen Fluge vom Baume, und ließen zugleich eitlen durchdringend pfeifenden Ton hören, andre kamen von weit entfernten Gegenden einzeln herbeygeflogen, die mehresten aber blieben unverrückt in ihrer Stellung. Es scheint, daß sie nur des Nachts auf Nahrung ausgehen, doch mögen sie in den Baumgärten der Eingebohrnen viel Schaden anrichten, denn sie leben größtentheils von Früchten. Dies schlössen wir unter andern daraus, weil die Leute, welche bey Abfeurung unsrer Flinten zugegen waren, ein großes Wohlgefallen über die Niederlage bezeugten, die wir unter ihren Feinden anrichteten. Sie wissen diese Thiere auch lebendig zu fangen und sperren sie alsdenn in Käfige von Korbmacher-Arbeit, die sehr künstlich, mit einem trichterförmigen Eingange, gleich den Fisch-Reusen, versehen sind, so daß das Thier sehr leicht hineingebracht werden, aber nicht wieder herauskommen kann; man versicherte uns, daß diese Creaturen sehr beißig wären, wozu es ihnen auch nicht an großen scharfen Zähnen fehlte. Da wir von Tahiti, den Societäts-Inseln, und Ea-Uwhe her wußten, daß, wo ein Casuarina-Baum stehe, ein Begräbniß-Platz gemeiniglich nicht weit sey; so vermutheten wir beym Anblick dieses traurigen Baums, dessen Ansehn die schwarzen Fledermäuse noch finstrer machten, daß auch hier ein Grabhügel in der Nähe syen müsse: Und so war es in der That. Wir gelangten nemlich bald auf einen schönen Grasplatz, der rund umher von Casuarinas, Pandangs, wilden Sayo-Palmen und andern Bäumen beschattet war. Vornemlich stand längst einer Seite eine Reihe von Barringtonias, die so dick als die stärksten Eichen waren und deren große schöne Blüthen mehrentheils auf der Erde umher lagen. Am obern Ende dieses Platzes sahen wir eine Erhöhung von 2 bis 3 Fus, die am untern Seitenrande mit viereckig gehauenen Coralsteinen ausgelegt und, zu desto bequemern Hinaufsteigen, mit zwey Stufen von Coralstein versehen war. Oben war der Hügel mit grünem Rasen bedeckt, und eine Hütte darauf erbauet, die der Todten-Hütte auf Ea-Uwhe gleich sähe. Sie war nemlich ohngefähr 20 Fus lang, 15 breit und 10 Fus hoch; das Dach bestand aus Pisangblätter und reichte fast bis ganz auf die Erde herab. Innerhalb hatte man den Fusboden mit kleinen weißen Coralsteinen bestreuet, und auf diesen lag in einer Ecke eine ohngefähr 8 Fus lange und 12 Zoll hohe Schicht von schwarzen Kieseln. Nach der Aussage eines Indianers, der mit in die Hütte herein gieng, indeß die übrigen in einiger Entfernung stehen blieben, lag hier ein Mann begraben; er deutete während seiner Erzählung auf die Stelle, wo ihm der kleine Finger fehlte, und erklärte sich ganz deutlich, daß diese Verstümmlung bey dem Todesfall der Maduas (d. i. der Eltern oder vielleicht andrer Verwandten in aufsteigender Linie) vorgenommen zu werden pflege. Unserm Astronomen, Herrn Wales, begegnete zwar einstmals ein Mann, dem an beyden Händen kein Finger fehlte, ohnerachtet die Eltern desselben, seinem hohen Alter nach zu urtheilen, wohl schwerlich mehr am Leben seyn konnten: Allein, ein solcher einzelner Fall entscheidet nichts gegen das Ganze, und da es überall Sonderlinge giebt, so könnte ja auch wohl auf Tonga-Tabu einer oder der andere gewisse Ceremonien nicht mit machen wollen, zumal da man in der Süd-See durchgehends sehr tolerant ist. – Wir fanden auf dieser Grabstätte auch zwey aus Holz geschnitzte Figuren, die gleich den E-Tihs auf Tahiti, einer Menschengestalt ähnlich seyn sollten; doch bezeigte man ihnen hier eben so wenig als dort, eine Art von Achtung oder Verehrung, sondern ließ sie sorglos auf der Erde herum liegen und stieß sie nach Gelegenheit mit den Füßen aus einem Winkel in den andern. Dergleichen Begräbnißplätze heißen in der Landes-Sprache Fayetuca, und sind immer in einer sehr anmuthigen Gegend, auf grünen Grasplätzen, unter schönen, schattenreichen Bäumen angelegt. Herr Hodges zeichnete den, von welchem hier die Rede ist, und man findet in Capitain Cooks Reisebeschreibung eine getreue Abbildung desselben. Nachdem wir diesen Ort zur Genüge untersucht hatten, setzten wir unsern Weg weiter fort, der, wie bisher immer zwischen Plantagen hindurch gieng; es kamen uns aber nur wenig Einwohner zu Gesicht, indem sie sich mehrentheils nach dem Handlungsplatze herab verfügt hatten, und wenn wir ja welche antrafen, so blieben sie entweder ungestört bey ihrer Arbeit oder giengen bescheiden neben uns vorbey. Weit entfernt es nicht gern zu sehen oder gar hindern zu wollen, daß wir ihr Land so durchstreiften, blieben sie unsrentwegen kaum einmal aus Neugier stehen; sondern grüßten uns vielmehr in einem freundlichen Ton. Wir sprachen in verschiednen Häusern ein, fanden sie aber durchgehends leer, jedoch immer mit Matten ausgelegt und mit wohlriechendem Gesträuch umgeben. Zuweilen waren sie von den Baumgärten oder andern Pflanzungen noch durch einen eignen Zaun abgesondert, der so wie die Zäune in Ea-Uwhe, eine besondre Thür hatte, die inwendig verriegelt werden konnte. In solchem Fall war das wohlriechende Buschwerk allemal innerhalb der kleinern Verzäunung hingepflanzt.

Wir waren nunmehro schon drey Meilen weit marschirt, und sahen endlich das östliche Ufer der Insel vor uns, wo die Küste einen tiefen Winkel macht, den Tasman, Maria-Bay genannt hat. In dieser Gegend ward der Boden allmählig niedriger und endigte sich in einen sandigen Strand; an der nördlichen Spitze hingegen bestand das Ufer aus einem senkrechten Coral-Felsen, der an manchen Stellen untergraben und überhängend war. Diese Steinart wird aber nie anders als unterhalb dem Wasser erzeugt, und folglich kann man sicher darauf rechnen, daß an solchen Stellen, wo sie ausserhalb dem Wasser angetroffen wird, eine große Veränderung mit dem Erdboden müsse vorgegangen seyn. Ob nun diese hier, durch eine allmählige Abnahme der See, oder durch sonst eine gewaltsamere Revolution mag veranlaßt worden seyn? will ich nicht zu entscheiden wagen. Nimmt man indessen an, daß solches auf die zuersterwähnte Art geschehen sey; so müßte, falls die Beobachtungen einiger Gelehrten in Schweden, von der dortigen allmähligen Verminderung der See zuverläßig sind,[4] diese Insel hier ziemlich neuen Ursprungs seyn, und alsdenn wäre nicht wohl zu begreiffen, wie sie schon mit Erde, Kraut und Wäldern bedeckt, so stark bevölkert und bereits so gut angebaut seyn könnte als wir sie würklich gefunden haben. – Am Fuß des steilen Felsen der uns zu diesen Betrachtungen Anlaß gab, hieng eine Menge See-Schnecken; denen zu Gefallen wir auf einen Rief, bis an die Knie im Wasser waden mußten, denn die Fluth fieng schon an einzutreten. Es währete auch nicht lange, so nöthigte uns das Aufschwellen der See, das Trockne wieder zu suchen, der Felsen war aber hier überall so steil, daß wir mit aller Mühe kaum eine Stelle fanden, wo man hinauf kommen konnte. Innerhalb den Plantagen, durch welche wir nunmehro den Rückweg antraten, begegneten uns verschiedene Eingebohrne die vom Handelsplatz zurückkehrten. Wir kauften ihnen im Vorbeygehen eine große Anzahl Fisch-Angeln, und allerhand Putzwerk, imgleichen ein Fisch-Netz ab, das, wie. unsre Zugnetze gestaltet und, gleich denselben, aus dünnen aber starken Zwirnähnlichen Faden zusammengeknüpft war. Eben diese Leute überließen uns auch verschiedene geflochtene Matten und etliche Stücken Zeug. Das sonderbahrste was wir von ihnen erhandelten war eine Knie-Schürze mit sternförmigen Figuren von Coco-Nuß-Fasern geziert, dergleichen S. 356 gedacht worden; diese Sterne, davon jeder 3 bis 4 Zoll im Durchschnitt hielt, stießen mit den Spitzen zusammen, und waren mit kleinen rothen Federn und Muschel-Corallen aufgeputzt. Unterwegens sahen wir einen neuen Beweis von der Sorgfalt die sie auf den Landbau wenden; wir fanden nemlich an mehrern Stellen, daß sie das Unkraut sorgfältig ausgejäthet und auf einen Haufen zusammengeworfen hatten, damit es vertrocknen sollte. Nachdem wir eine geraume Zeit gegangen waren, zeigte sich, daß wir uns verirrt hatten, wir nahmen also einen Indianer zum Wegweiser, und dieser brachte uns, vermittelst eines von den oft beschriebenen Feldwegen, zwischen zwey Verzäunungen, gerade auf den Fayetuca oder Begräbniß-Platz zurück, über den wir zuvor ebenfalls gekommen waren. Hier fanden wir die Capitains Cook und Furneaux nebst Herrn Hodges unter einer großen Menge Indianer im Grase sitzen. Sie waren eben mit einem alten triefäugigten Mann im Gespräch begriffen, der bey seinen Landsleuten in besondern Ansehen stehen mußte, indem ihn aller Orten ein großer Haufen Volks begleitete. Dieser Mann hatte unsre Herren Reisegefährten nach zweyen Fayetucas hingeführt, und, mit dem Gesicht gegen das Gebäude gewandt, eine feyerliche Rede oder Gebeth gehalten; während desselben kehrte er sich, wie man uns erzehlte, öfters gegen den Capitain Cook, und schien ihn zu befragen, hielt auch jedesmal eine Weile inne, als ob er eine Antwort erwarte; und wenn dann der Capitain mit dem Kopf nickte, so fuhr jener in seiner Rede fort. Zuweilen schien ihm aber das Gedächtniß untreu zu werden, in welchem Fall ihm von den Umstehenden einer oder der andre wieder zurecht half. Aus dieser Ceremonie und dem Platze wo sie vorgieng, schloß man, daß dieser Mann ein Priester sey. Doch muß man hieraus keinesweges folgern, daß sie eine Art von abgöttischer Religion hätten, denn so weit unsre Kenntniß ihrer gottesdienstlichen Gebräuche reicht, haben wir nicht die geringste Spur gefunden, daß sie, gleich den Tahitiern, gewisse Vögel oder andre Creaturen besonders verehrten, sondern sie schienen blos ein unsichtbares höchstes Wesen anzunehmen und anzubeten. Was aber, sowohl diese Leute, als die Einwohner auf Tahiti und den Societäts-Inseln, veranlaßt haben mag, ihren Gottesdienst neben den Gräbern zu verrichten? bleibt uns dunkel; denn die Religions-Artikel eines Volks sind gemeiniglich dasjenige, wovon der Reisende die wenigste und späteste Kenntniß erlangt, zumal wenn er in der Landessprache so unerfahren ist als wirs in der hiesigen waren. Außerdem pflegt die Kirchen-Sprache von der gemeinen oft sehr verschieden, und die Religion selbst in Geheimnisse gehüllt zu seyn, besonders in solchen Ländern, wo es Priester giebt, deren Vortheil darin besteht, die Leichtgläubigkeit des Volks zu mißbrauchen.

Von hier aus eilten wir wieder nach der Küste herab, wo fleißig um Früchte, Vieh und Schweine gehandelt wurde. Als eine Curiosität kauften wir ein großes flaches Brustschild, das aus einem runden Knochen bestand, der vermuthlich von einer Wallfischart seyn mochte. Es war ohngefähr 18 Zoll im Durchmesser groß, so weiß als Elfenbein und schön poliert. Nächstdem brachte man uns auch ein neues musicalisches Instrument, das aus neun bis zehn Rohrpfeifen bestand, die ohngefähr 9 Zoll lang und mit Coco-Nuß-Fasern zusammen verbunden waren, wie aus der im Vorhergehenden, bey S. 352 befindlichen Kupfertafel, vermittelst der Figur 5. noch deutlicher ersehen werden kann. Die Länge der Pfeifen war selten merklich verschieden, auch waren lange und kurze ohne Ordnung durcheinander gemischt. Am oberen Ende hatten sie eine Öffnung, in welche man mit den Lippen hinein blies, indeß das Instrument vor dem Munde hin und her gezogen ward, um auf diese Art die verschiedenen Töne in beliebiger Maaße anzugeben. Es hatte deren gemeiniglich vier bis fünf und gieng nie auf eine ganze Octave. Die Ähnlichkeit, welche sich zwischen diesem Instrument und der Syrinx- oder Pan-Flöte so der alten Griechen befand, gab ihm in unsern Augen mehr Werth als seine musicalische Vollkommenheit; denn schon aus der Art wie es gespielt wurde, werden die Music-Liebhaber genugsam einsehn können, daß diese göttliche Kunst hier noch in ihrer Kindheit sey. Die Vocal-Music war mit der auf Ea-Uwhe einerley und die Stimmen keinesweges unharmonisch. Auch hier schlagen die Weiber Knippchen unterm Singen, und beobachten den Tact damit sehr genau; da aber der Gesang innerhalb vier Töne eingeschränkt ist, so findet keine große Modulation statt. Zu ihren musicalischen Instrumenten gehört noch eine Pfeife von Bambu-Rohr, die ohngefähr so dick als unsre Flöten war und hier auf eben die Art wie zu Tahiti, durch die Naselöcher, geblasen wurde. Gemeiniglich waren sie mit allerhand kleinen eingebrannten Figuren geziert, und hatten vier bis fünf Ton-Löcher, da hingegen die Tahitischen Flöten nur drey in allem hatten. Die Auszierungen mit eingebrannten Figuren, fanden wir auch auf ihren Speise-Schalen und anderm hölzernen Hausrath angebracht. Ohnerachtet es beynahe Abend war als wir mit unsern eingekauften und aufgefundnen Merkwürdigkeiten an Bord zurück kamen, fanden wir das Schiff doch noch von einer Menge Eingebohrnen umgeben, die theils in Canots herbey gekommen waren, theils im Wasser herum schwammen und nicht wenig Lerm machten. Unter den letztern gab es sehr viel Frauenspersonen, die wie Amphibia im Wasser herumgaukelten, und sich leicht bereden ließen an Bord zu kommen, nackt als die Natur sie geschaffen hatte. Um Keuschheit war es ihnen auch eben so wenig zu thun als den gemeinen Mädchen auf Tahiti und den Societäts-Inseln, und man kann wohl denken, daß unsere Seeleute sich den guten Willen dieser Schönen zu Nutze machten. Sie ließen uns auch hier wieder Scenen sehen, welche der Tempel Cytherens werth gewesen wären. Ein Hemd, ein Stück Zeug, oder ein Paar Nägel waren zuweilen hinreichende Lockungen für die Dirnen, sich ohne Schaam preis zu geben. Doch war diese Liederlichkeit nichts weniger als allgemein, und ich glaube gewiß, daß nicht eine einzige verheirathete Person sich einer ehelichen Untreue schuldig gemacht hat. Hätten wir von der Verschiedenheit der Stände allhier hinlängliche Kenntniß gehabt, so würde sich wahrscheinlicher weise gefunden haben, daß, wie in Tahiti so auch hier, die liederlichen Frauenspersonen, nur vom niedrigsten Pöbel waren. Mit alle dem bleibt es immer ein sonderbarer Zug in dem Character der südlichen Insulaner, daß unverheirathete Personen sich ohne Unterschied einer Menge von Liebhabern preis geben dürfen! Sollten sie denn wohl erwarten, daß Mädchen, welche den Trieben der Natur Gehör und freyen Lauf gegeben, bessere Weiber würden als die unschuldigen und eingezogenern? Doch es ist umsonst, für die willkürlichen Grillen der Menschen vernünftige Gründe aufsuchen zu wollen, vornemlich in Betracht des andern Geschlechts, wegen dessen man zu allen Zeiten und in allen Ländern sehr verschiedner Meynung gewesen ist! In einigen Gegenden von Indien wird kein Mann von Stande eine Jungfer heirathen; in Europa hingegen ist eine verunglückte Jungfer fast ohne Hoffnung, je wieder zu Ehren zu kommen. Türken, Araber, Tartaren treiben ihre Eifersucht sogar bis auf eingebildete Zeichen der Jungferschaft, aus welcher sich der Malabar so wenig macht, daß er sie seinem Götzen opfert. –

Keine von diesen Weibspersonen blieb nach Untergang der Sonne am Schiff, sondern sie kehrten alle wieder ans Land zurück, um sich, gleich den mehresten ihrer Landsleute, nicht weit von der Küste, unter die Bäume hin zu legen. Dort zündeten sie viele Feuer an, und man hörte sie den grösten Theil der Nacht zusammen plaudern. Sie schienen auf den Handel mit uns so erpicht zu seyn, daß sie blos deswegen nicht zu ihren entfernten Wohnungen zurück kehrten. Unsere Waaren standen in hohem Werth bey ihnen. Ein Huhn galt gemeiniglich einen großen Nagel; für kleinere aber bekamen wir nur Früchte, als Bananen, Cocosnüsse und dergleichen. Die Einwohner wandten dies Eisenwerk zum Putz an, und trugen die Nägel mehrentheils an einem Bande um den Hals oder steckten solche ins Ohr. Die Hühner waren von ausnehmender Größe und von vortreflichem Geschmack. Sie hatten auch gemeiniglich ein sehr glänzendes Gefieder, das ins Rothe und Goldfarbige spielte. Die Matrosen kauften überall gern Hähne, um sich das barbarische Vergnügen zu machen, sie kämpfen zu sehn. Seit unserer Abreise von Huaheine hatten sie die armen Thiere täglich gemartert, ihnen die Flügel zu stutzen und sie gegen einander aufzubringen; mit den Hähnen von Huaheine war es ihnen auch so gut gelungen, daß viele derselben eben so erhitzt fochten, als die besten englischen Kampfhähne. Mit den hiesigen aber wollte es ihnen nicht glücken; und weil sie denn nicht fechten wollten, so mußten die Matrosen sich schon entschließen sie aufzufressen.

Am nächsten Morgen kam des Capitains Freund Attaha, oder Attagha, sehr zeitig an Bord und frühstückte mit uns. Seine Kleidung bestand aus Matten, wovon er, des kalten Morgens wegen, eine über die Schultern geschlagen hatte. Herr Hodges wünschte ihn bey dieser Gelegenheit abzuzeichnen; da es aber dem Indianer an einem gewissen Grad von Aufmerksamkeit und Nachdenken fehlte, den man bey allen uncivilisirten Völkern vermißt; so kostete es uns nicht wenig Mühe, ihn eine Zeitlang zum Stillsitzen zu bringen. Dem ohnerachtet gerieth die Zeichnung sehr gut; Herr Hodges hat die Stellung gewählt, da Attaha einen eisernen Nagel, den man ihm geschenkt, zum Zeichen der Danksagung über den Kopf empor hält. Dies Bildniß ist von Herrn Sherwin meisterhaft in Kupfer gebracht, und man kan sich, nach den sanften Gesichtszügen dieses Mannes, von dem Charakter der Nation überhaupt, einen richtigen Begriff machen. Nach eingenommenen Frühstück schickte der Capitain und mein Vater sich an, ihn wieder nach dem Lande zu begleiten. Als sie in dieser Absicht aufs Verdeck kamen, fiel ihm ein tahitischer Hund in die Augen. Über diesen Anblick gerieth er für Entzücken gleichsam außer sich. Er schlug beyde Hände an die Brust, wandte sich gegen den Capitain und rufte voller Freuden, mehr als zwanzig mal, Guri![5] aus.

Es wunderte uns daß ihm der Name eines Thieres bekannt war, deren es doch in seinem Lande keine giebt. Die Kenntniß davon muß also, entweder von einer Tradition ihrer Vorfahren herrühren, die aus andern Inseln oder vom festen Lande, wo es dergleichen Thiere gegeben hat, hieher gekommen sind; oder aber, sie müssen ehemals selbst welche auf der Insel gehabt haben, und durch einen oder andern Zufall darum gekommen seyn; oder endlich, sie müssen noch jetzt mit andern Ländern in Verbindung stehen, allwo es Hunde giebt. Um indessen die Freude des ehrlichen Attaha vollständig zu machen, schenkten wir ihm einen Hund und eine Hündinn, die er ganz entzückt mit sich ans Land nahm.

Ich meines theils blieb den ganzen Tag am Bord, um die Pflanzen und Vögel in Ordnung zu bringen, die wir bey unserer ersten Landung gesammlet hatten, und deren Anzahl, in Betracht des geringen Umfangs der Insel, sehr ansehnlich war. Die Eingebohrnen hielten sich beständig mit einer Menge von Canots bey dem Schiffe auf, und andre, die vermuthlich nicht reich genug waren um sich ein eigenes Canot zu halten, schwammen vom Ufer ab und zu. Ihre Fahrzeuge waren von verschiedener Bauart. Die gewöhnlichen kleinen Canots, in welchen sie Waaren zu Markte brachten, hatten einen ganz scharfen Kiel, und waren vorn und hinten gleich sehr zugespitzt, aber dabey so schmal, daß die Wellen oft über die äußersten Enden ganz zusammen schlugen; damit nun in dergleichen Fällen das ganze Canot nicht voll Wasser würde; so waren die beyden Spitzen, oberhalb mit Brettern verdeckt oder zugeschlagen. Zu Verhütung des Umschlagens waren sie gemeiniglich mit einer leichtgebauten Auslage, oder einem Balancier (Gegengewicht) von Stangen, versehen. Das Canot an und für sich bestand aus mehreren Planken von hartem braunem Holze, die mit Coco-Nus-Fasern, eine auf die andere genähet, und so künstlich zusammengefügt waren, daß sie ausnehmend wasserdicht zu seyn schienen. Die Tahitier begnügten sich, unmittelbar durch die Planken, Löcher zu bohren, und durch diese die Cocos-Fäden durchzuziehen; aber eben deshalb waren auch ihre Canots fast immer leck. Zu Tongatabu hingegen, ist an der Inseite der Planken, dicht am Rande der Fuge, ein vorspringender Falz oder Leiste befindlich, und nur durch diese, nicht durch die ganze Dicke der Planken, gehen die Schnüre welche die Nath ausmachen. Längst dem äußern Rande des Verdecks, oder des schmalen Brettes an beyden Enden des Canots, sind sieben bis acht runde, knotenförmige Erhöhungen angebracht, die eine Nachahmung der kleinen Flosfedern (pinnulae spuriae) am Bauche der Bonniten, Albecoren oder Makrelen zu seyn scheinen. Ich glaube auch würklich, daß die Insulaner, im Bau ihrer Boote, diese schnellen Fische zum Modell genommen haben. Ohnerachtet die Canots gemeiniglich 15 bis 18 Fus lang sind; so sind sie doch, von einem Ende bis zum andern, so glatt als unsre beste Tischler-Arbeit abgeputzt, welches höchlich zu bewundern ist, da das hiesige Handwerks-Zeug nur aus elenden Stückchen von Corallen und die Hobeln nur aus Rochenhaut bestehen. Die Ruder sind nicht minder schön polirt als die Fahrzeuge, auch von eben der Holzart gemacht, und haben kurze, blattförmige breite Schaufeln, wie die Tahitischen. Die zweyte Art von Canots war zum seegeln eingerichtet; und Leute, die das Seewesen und den Schiffbau verstanden, mußten bekennen, daß sie dazu vortreflich taugten. Wir sahen eines davon in Marien-Bay, das aus zween kleinern bestand, so die dicht an einander befestigt waren. Die Planken waren, auf eben die Art als bey den vorbeschriebenen, zusammen genähet, beyde Canots aber ganz bedeckt, und, gleich den Tahitischen Kriegsfahrzeugen, mit einem erhabnen Gerüst oder Platteform versehen.[6] Einige dieser Seegel-Boote mögen einhundert und fünfzig Mann tragen können. Die Seegel, welche dreyeckigt sind, bestehen aus starken Matten, in welche zuweilen die Figur einer Schildkröte, oder eines Hahns, wiewohl nach einer ziemlich unförmlichen Zeichnung, eingewürkt ist.[7] Da genauere Beschreibungen vom Schiffbau den mehresten Lesern nur langweilig und blos für Seefahrer lehrreich seyn würden, so will ich mich darauf nicht einlassen; verlangt aber jemand noch ausführlichem Unterricht, der kann sich an den Zeichnungen der Durchschnitte und Verhältnisse, die Herr Hodges angefertigt hat, und die auch in Kupfer gestochen sind, weiter Raths erholen. Schon aus dem Wenigen, was ich von der guten Bauart dieser Seegel-Boote gesagt habe, wird der Leser abnehmen, daß die Einwohner dieser Inseln weit erfahrnere und bessere Seeleute seyn müssen, als die Einwohner von Tahiti und den Societäts-Inseln.

Unter der Menge von Leuten, welche um die Schiffe her waren, bemerkte ich verschiedne, deren Haar an den Spitzen verbrannt zu seyn schien und gepudert war. Bey genauerer Untersuchung fand sich, daß dies Puder aus Muschel- oder Corallen-Kalk zubereitet war, der vermöge seiner fressenden Eigenschaft, die Haare angegriffen und gleichsam versengt oder verbrannt hatte. Der Geschmack am Haarpuder gieng hier so weit, daß man schon auf die Künsteley verfallen war, ihm allerhand Farben zu geben, denn einer von den Männern hatte blaues , und mehrere Leute, sowohl Männer als Weiber, ein orangenfarbnes Puder, von Curcuma, gebraucht. Der Heilige Hieronymus, der gegen die Eitelkeiten seiner Zeiten predigte, warf schon damals den römischen Damen eine ähnliche Gewohnheit vor: ne irrufet crines & anticipiet sibi ignes gehennæ! Die Thorheiten der Menschen sind sich also so ähnlich, daß man die längst vergeßnen Moden der ehemaligen Bewohner von Europa, noch heut zu Tage unter den neuern Antipoden wieder findet! Und unsre abgeschmackten Petitmäters, deren ganzer Ehrgeiz darinn besteht, eine neue Mode zu erfinden, können diese unbedeutende Ehre nicht einmal für sich allein behalten, sondern müssen ihren Ruhm mit den uncivilisirten Einwohnern einer Insel in der Südsee theilen!

Mein Vater kam erst am Abend wieder, weil er einen weiten Gang vorgenommen, nemlich bis nach dem südlichsten Ende der Insel hingewesen war. In der Mittagsstunde hatte ihn ein starkes Regenwetter überfallen, und in eine Plantage zu gehen genöthigt um daselbst in der Hütte Obdach zu suchen. Zum Glück für ihn war der Eigenthümer derselben zu Hause. Er nahm meinen Vater freundlich auf und bat ihn, sich auf die reinliche Matten, die den Fußboden bedeckten, Platz zu nehmen. Mittlerweile gieng er fort, um zur Bewirthung Anstalt zu machen; kam aber in wenig Augenblicken zurück und brachte etliche Coco-Nüsse mit. Darauf öfnete er seinen Ofen unter der Erde und langte einige Bananen und Fische heraus, die in Blätter gewickelt, vollkommen gahr und von vortreflichem Geschmack waren. Die hiesige Kochart ist also mit der Tahitischen einerley, und die Insulaner sind eben so gastfrey als jene. Daß wir aber nicht so viel Proben davon gehabt haben, rührte blos daher, weil wir selten jemand zu Hause trafen, indem sich die Leute mehrentheils nach dem Handlungsplatze an der See begeben hatten. Mein Vater belohnte seinen Wirth, für die genossene gutherzige Aufnahme, mit Nägeln und Corallen, die jener unter dem gewöhnlichen Fagafetai über den Kopf hielt und dankbarlich annahm. Er begleitete auch seinen Gast bis an den Strand und trug ihm sehr willig und sorgfältig eine Menge von Speeren und Keulen nach die er unterwegens eingehandelt hatte.

So harmlos sich aber die guten Leute auch gegen uns betrugen, so blieben sie dennoch von den Unglücksfällen nicht verschont, die bey Entdeckung fremder Länder nur gar zu oft vorfallen. Unsre Waaren hatten für sie gewiß nicht weniger Werth und Reiz als den sie für die Tahitier hatten; und es war daher kein Wunder, daß sie auch eben so geneigt waren, als jene, sich daran zu vergreifen. Die Capitains waren am nächstfolgenden Tage nicht lange am Lande gewesen, als ein Insulaner die Gelegenheit wahrnahm eine Jacke aus unserm Boote wegzustehlen. Um seine Beute zu sichern tauchte er unters Wasser und lief, sobald er den Strand erreicht hatte, unter seine Landsleute, da, wo das Gedränge am dicksten war. wohl ließen sich die Matrosen dadurch nicht abhalten auf ihn zu feuern, und, ohne daß es der Capitain befahl, geschahen sieben Schüsse nach ihm. Dadurch wurden nun natürlicherweise mehrere, unschuldige Leute verwundet, und bey alle dem war das Volk so gutherzig, daß sie weder Ufer noch Handelsplatz verließen, auch wegen dieses übereilten Betragens nicht das geringste Mistrauen schöpften; sondern vielmehr sich die Kugeln getrost um die Ohren pfeifen ließen. Wenige Stunden nachher machte ein andrer es am Bord unsers Schiffes eben so; er schlich sich in die Cajüte des Piloten und entwandte daselbst verschiedne mathematische Bücher, einen Degen, ein Lineal und andre Kleinigkeiten, wovon er in seinem Leben keinen Gebrauch machen konnte. Indessen ward die Sache entdeckt, als er eben in einem Canot entwischen wollte, man schickte ihm daher ein Boot nach, um das gestohlne wieder habhaft zu werden. Sobald er sähe, worauf es angelegt sey, warf er alles über Bord; man ließ also die Sachen durch ein andres Boot auffischen, inmittelst das erste den Dieb zu verfolgen fortfuhr. Um ihn einzuholen, schossen unsre Leute eine Flintenkugel durch das Hintertheil seines Canots, worauf er, nebst verschiednen andern ins Wasser sprang. Demohnerachtet hörte man nicht auf ihm nachzusetzen, doch seine bewundernswürdige Hurtigkeit schützte ihn noch eine ganze Zeit lang; er tauchte zuweilen unter das Boot in welchem unsre Leute waren, und einmal hob er ihnen gar das Steuer-Ruder aus, ohne daß sie ihn erwischen konnten. Endlich ward einer von den Matrosen des Spiels überdrüßig, und warf den Boothaken nach ihm; unglücklicherweise drang das Eisen ihm unter die Rippen in den Leib; es ward dem Matrosen also nicht schwer, den Indianer vollends bis ans Boot heran zu ziehen und ihn an Bord zu heben. Allein er sähe die Zeit ab, sprang ehe man sichs versähe, wieder in die See, und entkam auch, ohnerachtet er viel Blut verlohren hatte, glücklich, vermittelst einiger Canots, die zu seiner Rettung vom Lande abgestoßen hatten, und ihn aufnahmen. Es ist gewiß sehr zu verwundern, daß die barbarische Verfolgung und Mißhandlung dieses armen Schelmen, uns weder das Vertrauen noch die Zuneigung der Einwohner raubten! Alles blieb so ruhig und friedlich als zuvor. Die Capitains brachten Attagha und einen andern Befehlshaber zum Essen mit an Bord, und der Handel gieng eben so gut von statten als ob nichts vorgefallen wäre. Der Befehlshaber der mit Attagha kam, schien von höheren Range zu seyn, weil letzterer, der sonst mit uns am Tisch zu sitzen pflegte, jetzt ein paar Schritte hinter demselben sich auf den Fußboden niedersetzte, und durch nichts dahin zu bringen war, daß er in des andern Gegenwart gegessen hätte. Jener war ein triefäugigter ältlicher Mann, für den die übrigen Leute in den Canots so viel Achtung bezeugten, daß unsre Matrosen nach ihrer Art meynten, er müsse wenigstens Admirals-Rang haben. Aus seiner Kleidung konnte man indessen nicht sehen, daß er von höheren Stande wäre, denn wie es scheint, so wissen die Insulaner überhaupt noch nichts von Verschwendung und Kleiderpracht, doch lassen sie es darum keinesweges an Ehrfurcht gegen die Vornehmern ihrer Nation fehlen. Auf den Societäts-Inseln hingegen verhielt sichs gerade umgekehrt. Die Achtung welche Attagha dem andern Befehlshaber bezeigte, war zwar groß, aber doch nichts in Vergleich mit dem was wir nach Tische am Lande erfuhren. Wir trafen daselbst einen Mann von mittlerm Alter, der beym Handelsplatze auf der Erde saß und einen Kreis von Einwohnern um sich hatte. Einige unserer Leute die auf der Jagd gewesen waren, erzählten, daß ihnen dieser Mann bey Marien-Bay begegnet wäre, und daß alle Eingebohrnen, die neben ihm vorbey gegangen, sich vor ihm auf die Erde geworfen, seine Füße geküßt, und solche auf ihre Köpfe gesetzt hätten. Bey genauerer Nachfrage hätten sie von unterschiedlichen Leuten vernommen, er sey das Oberhaupt der ganzen Insel, in eben der Maaße als Cucki (Capitain Cook) Befehlshaber auf unsren Schiffen sey, und heiße Ko-Haghi-Tu-Fallango.[8] Ob aber dies sein Name oder Titel sey, kann ich nicht bestimmen, denn wir hörten diese Wörter, nach der Hand, von keinem Eingebohrnen wieder. So viel wir aber deren fragten, die sagten uns durchgehends, daß er ihr Arighi[9] oder König sey. Sie setzten hinzu, er würde Latu-Nipuru genannt: Vermuthlich deutet Latu den Titel an, denn eben dieses Wort ist, laut Schouten und Le Maires Bericht, auch in jener Sprache vorhanden, die auf den Cocos-Verräther- und Horne-Inseln geredet wird, welche hier in der Nachbarschaft nur etliche Grade weiter gen Norden liegen, und von gedachtem Seefahrer im J. 1616 besucht wurden.[10] Wir glaubten diese Vermuthung um desto ehe annehmen zu dürfen, weil, laut den Wörterbüchern vorgedachter Seefahrer, die so dortige Sprache mit der hiesigen, noch in mehrern Fällen genau überein kam, und weil auch das Betragen und die Gebräuche jener Insulaner, der Beschreibung nach, mit dem wie wir es hier fanden, ungemein viel Ähnlichkeit hatte. Doch dem sey wie ihm wolle, es war uns darum zu thun, diesen Latu näher kennen zu lernen; wir giengen also zu ihm heran, und die Capitains machten ihm allerhand Geschenke, die er so hölzern und gleichgültig annahm, daß man ihn für ganz unempfindlich und einfältig hätte ansehen mögen. Unter andern war auch ein Hemde dabey, welches sie ihm anzogen, damit ers zu gebrauchen wisse. Allein, bey seiner stupiden Unbehülfsamkeit kostete ihnen das nicht wenig Mühe. Vermuthlich würde er ihnen auch nicht einmal dafür gedankt haben, wenn nicht ein altes Weib, die hinter ihm saß, ihn so oft daran erinnert hätte. Dieses fruchtete endlich soviel, daß er ein Stück nach dem andern, über den Kopf empor hob, doch sagte er, so gut als der geringste seiner Unterthanen, nichts mehr als schlechtweg, Fagafetaï dazu. Der Priester, welcher die beyden Capitains am ersten Tage nach unsrer Ankunft zu dem Begräbniß- oder Versammlungs Platz gebracht hatte, befand sich in eben dem Zirkel von Eingebohrnen, in welchem auch der Latu saß, und ließ sich das berauschende Pfefferwasser[11] tapfer schmecken. Es ward ihm in kleinen viereckigten Bechern von künstlich gefalteten und geflochtnen Bananas-Blättern gereicht,[12] und er verlangte, daß man auch uns von diesem köstlichen Getränk mittheilen sollte. Man bot uns also mit vieler Höflichkeit etwas davon an, und aus bloßer Höflichkeit kosteten wir es auch. Es war von Milch-weißer Farbe, hatte aber einen eckelhaften, faden Geschmack und ließ eine unangenehme brennende Empfindung auf der Zunge zurück. Von diesem eckelhaften Zeuge, nahm der heilige Mann alle Abend so reichliche Portionen zu sich, daß er immer ganz berauscht ward. Kein Wunder also, daß ihm das Gedächtniß beym Gebeth versagte, daß sein ganzer Cörper mager, die Haut schäbicht, das Gesicht runzlicht und die Augen roth und triefend waren. Er stand bey dem Volke in großem Ansehen, und eine Menge Bedienten waren geschäfftig, ihn mit vollen Bechern zur Hand zu gehn. Die Geschenke, welche wir ihm gaben, behielt er für sich, dahingegen Attagha und andre, alles was sie von uns bekamen, an ihre Obern ablieferten. Er hatte eine Tochter, die von unsern Leuten viel Geschenke erhielt, denn sie war ungemein wohl gebildet, und heller von Farbe als die andern hiesigen Frauenspersonen, welche auch insgesammt einige Achtung für sie zu haben schienen. Hellere Farbe und sanftere Gesichtszüge sind natürliche Folgen einer bequemen, unthätigen Lebensart, bey welcher man sich der Sonnenhitze nicht auszusetzen braucht, und an allem, was das Land Gutes und köstliches liefert, Überfluß hat. Dies auf den gegenwärtigen Fall angewandt, so wird es, dem Anschein nach, auch hier schon darauf angelegt, die Religion zum Deckmantel der Üppigkeit und des Wohllebens zu gebrauchen, und auch diese Nation, gleich so vielen andern, der Bequemlichkeit eines trägen wollüstigen Pfaffen zinsbar zu machen. Bis jetzt mag das freylich so weit noch nicht gehen, aber ein einziger davon ist auch schon genung, um in der Folge weit, und unaufhaltsam um sich zu greifen. Der Gehorsam und die Ergebenheit des Volks gegen die Obern, beweisen zur Gnüge, daß die hiesige Verfassung, wenn gleich nicht völlig despotisch, doch auch weit von der democratischen entfernt ist, und auf die Art kann denn freylich der Luxus bald Eingang finden. Was ich hier von diesen beyden Inseln gesagt habe, das läßt sich auch überhaupt von jenen behaupten, die in dieser Gegend weiter gen Westen liegen: Denn die zuverläßigen Beschreibungen, welche Schouten Le Maire und Tasmann uns von letzteren hinterlassen, stimmen mit dem, was wir selbst auf diesen hier beobachtet haben, so genau überein, daß alles, was auf diese paßt, auch von jenen gelten kann. Die Bewohner derselben sind durchgehends zum Handel geneigt und haben von je her, die Fremden, welche bey ihnen landeten, freundlich und leutselig aufgenommen. Dies bewog uns diese ursprünglich von Schouten und Tasmann entdeckten Eylande, zusammen genommen, die freundschaftlichen Inseln (friendly Islands) zu nennen. Ich weiß zwar, daß Schoutens Boote auf Cocos-Verräther-Hoffnungs- und Horn-Eyland von den Eingebohrnen feindselig angegriffen wurden; allein das thut jenem Namen keinen Eintrag; denn, so hart der Holländer diesen Vorfall auch ahndete, so hatte es doch im Grunde nicht viel damit zu sagen, auch blieb er, nachdem der erste Lermen auf Horn-Eyland vorüber war, die übrige Zeit seiner Anwesenheit in beständig gutem Vernehmen mit den Insulanern. Tasmann, der sieben und zwanzig Jahr darauf, einige andere Inseln, nemlich Tonga-Tabu und Anamocka (oder Amsterdam und Rotterdam) entdeckte, die 6 Grade weiter gen Süden liegen als jene, ward von den dortigen Einwohnern überaus friedlich und freundschaftlich aufgenommen, ohnerachtet er der erste Europäer war, der zu ihnen kam. Es kann zwar seyn, daß sie sich nur deshalb so freundschaftlich gegen ihn betrugen, weil sie von ihren Nachbarn, den Bewohnern von Cocos-Hofnungs- und Horn-Eyland, gehört haben mochten, wie theuer es ihnen zu stehen gekommen, daß sie sich gegen die Fremden aufgelehnt; vielleicht aber brachte es auch ihr von Natur friedfertiger Character also mit sich, doch ist es freylich wohl wahrscheinlicher, daß sie von der Übermacht der Europäer zuvor schon etwas gehört hatten und sich also für dem mörderischen Schießgewehr fürchteten. – Nach Tasmann sahe auch Capitain Wallis, auf seiner Reise um die Welt im Jahr 1767, zwey von diesen Inseln; denn was er Boscawen und Keppels-Eyland genannt hat, ist mit Schouten’s Cocos- und Verräther-Insel einerley. Seine Leute hatten mit den Einwohnern fast gar keinen Umgang, dennoch fanden sie für nöthig, ihnen durch Abfeurung einer Musquete einen Schreck einzujagen. Herr von Bougainville sähe ebenfalls einige von den nordöstlichsten Inseln dieses Archipelagus, deren Einwohner seiner Schilderung nach, im Ganzen von eben der Gemüthsart zu seyn scheinen als ihre Nachbarn. Der französische Seefahrer nante diesen Haufen von Inseln l'Archipel des navigateurs, und das mit Recht, weil mehrere Seefahrer darauf zu getroffen sind. Hier auf der Insel Amsterdam war seit Tasmanns Zeiten kein Europäer hingekommen; und ohnerachtet das einhundert und dreyßig Jahr her ist, so fanden wir doch seine Beschreibungen noch in den mehresten Stücken passend. Es haben also die Einwohner, diesen ganzen Zeitraum hindurch, ihre Sitten, Kleidungen, Lebensart und Gesinnungen fast unverändert beybehalten. Wir waren in ihrer Sprache nicht bewandert genug, um positiv zu erfahren, ob sie von Tasmanns Anwesenheit noch etwas wüßten? Wir fanden aber etliche eiserne Nägel bey ihnen, die sich noch von der Zeit herschreiben müssen. Einen derselben kauften wir; er war nur sehr klein und fast ganz vom Rost zerfressen, dennoch aber sorgfältig aufbewahrt und in einen hölzernen Grif gefaßt, vermuthlich um statt eines Bohrers gebraucht werden zu können. Er ist jetzt im brittischen Museo verwahrlich niedergelegt. Auch kauften wir etliche kleine irdene Töpfe, die an der Außenseite ganz schwarz von Rus waren, und unserm Vermuthen nach, ebenfalls durch Tasmann hieher gekommen seyn mochten; allein in der Folge fanden wir Ursach zu glauben, daß sie auf der Insel selbst verfertigt worden. Schoutens, Tasmanns und Bougainvilles Nachrichten von den Einwohnern, stimmen mit den unsrigen darinn völlig überein, daß sie zu kleinen Diebereyen sehr aufgelegt und geschickt sind. Auch Tasmann und Capitain Wallis sind darinn mit uns einstimmig, daß sich diese Insulaner den kleinen Finger abzuschneiden pflegen; und Schouten  und Le Maire versichern, daß die Einwohner auf Horn-Eyland sich gegen ihren König eben so kriechend und unterwürfig bezeugen, als die Leute auf Tongatabu. Das Bewußtseyn von der Übermacht der Ausländer machte sie ehemals sclavisch demüthig gegen die Holländer; der König warf sich vor dem holländischen Schiffsschreiber zu Füßen, und die geringeren Befehlshaber giengen noch weiter, denn zum Zeichen der Unterthänigkeit, setzten sie sogar die Füße des Holländers auf ihren Nacken.[13] Hieraus sollte man schließen, daß sie niederträchtig und feige wären; allein, wir unsers Theils können ihnen diese Laster nicht Schuld geben, denn gegen uns betrugen sie sich so freymüthig und dreist, als es Leuten zukommt, die sich rechtschaffner Gesinnungen bewußt sind. Sie waren zwar sehr höflich, aber keinesweges kriechend. Daß es indessen auch hier, so wie in jeder andern menschlichen Gesellschaft, Ausnahmen von dem allgemein guten National-Character gebe, das mußte ich selbst noch heute gewahr werden. Dr. Sparrmann und ich entfernten uns vom Strande, um, in dem nahen Gehölz unsrer Lieblings-Wissenschaft, der Botanik nachzugehen, indeß der Rest unsrer Gesellschaft es nicht müde ward, den Latu anzusehn. Auf den ersten Schuß, den ich nach einem Vogel that, kamen drey Leute herbey, mit denen wir uns, so gut es gehen wollte, in Unterredung einließen. Mitlerweile vermißte Dr. Sparrmann das Bayonet von seinem Gewehr, und gieng also zurück um darnach zu suchen. Dies mußte einem von den dreyen Indianern der rechte Augenblick dünken, um etwas zu wagen; denn er grif nach meiner Vogel-Flinte, und suchte mir sie aus den Händen zu winden; seine beyden Cameraden hingegen, entliefen, als ob sie an diesem hämischen Angrif nicht den geringsten Theil haben wollten. Unterdessen daß ich mich mit dem Kerl herumbalgte und meinen Freund zu Hülfe rief, verwickelten wir uns ins Buschwerk und fielen beyde zu Boden. Der Wilde fühlte entweder, daß er seinen Zweck nicht erreichen würde, oder er fürchtete sich, daß Dr. Sparrmann dazu kommen möchte, kurz um er rafte sich vor mir auf und lief davon. Als mein Freund herzu kam war alles vorüber, und wir gestanden einander, daß es zwar von Seiten des Indianers hämisch und verrätherisch, jedoch auch an unsrer Seite sehr unvorsichtig gewesen sey, daß wir ihn durch unsre Trennung veranlaßt hätten, seine Stärke und Geschicklichkeit zu versuchen. Wir streiften darauf noch eine Weile herum, ohne daß uns sonst etwas begegnet wäre, und endlich kehrten wir an den Strand zum Handelsplatze zurück, woselbst die Leute welche wir allda zurück gelassen, fast noch alle beysammen waren. Sie hatten sich zum Theil in verschiednen Haufen, welches vermuthlich eben so viel verschiedne Familien seyn mochten, hingesetzt, und waren alle in lebhafter Unterredung, die, dem Anschein nach, uns und unsern Schiffen galt. Einige Frauenspersonen sangen, andre spielten Ball. Unter allen diesen zog ein junges Mädchen unsre Aufmerksamkeit am mehresten an sich. Sie hatte eine schöne regelmäßige Gesichtsbildung, Augen, die von Feuer gleichsam glühten, und war überdem vortreflich gewachsen; am mehresten zeichnete sie sich durch ihren Kopfputz aus, sie hatte nemlich, der hiesigen Landes-Sitte zuwider, das Haar nicht kurz verschnitten, sondern trug es in schönen Locken lang und frey herabhängend. Dies reizende Mädchen, so lebhaft, so ungezwungen in allem was sie that, spielte mit fünf kleinen Kürbissen, davon sie einen um den andern in die Höhe warf und jenen wiederfieng, indeß dieser noch in der Luft war etc. Wir sahen diesem Spielchen wohl eine Viertelstunde lang zu, ohne daß sie einen Wurf verfehlte. Die Lieder, welche die andern Frauensleute sangen, waren von eben der Melodie, als in Ea-Uwhe. Auch hier secundirten sie einander ganz harmonisch, und stimmten zuweilen ein allgemeines Chor an. Ich habe zwar keinen von den Einwohner tanzen sehen; daß aber auch diese Art von Ergötzlichkeit allhier eingeführt seyn müsse, ließ sich zur Genüge aus den Zeichen abnehmen, durch welche sie uns den Gebrauch jener sternförmig ausgezierten Schürzen begreiflich zu machen suchten, die wir von ihnen einkauften, und die, wie ich schon weiter oben gesagt habe, mit Federn und Muschel-Schalen aufgeputzt, gemeiniglich von Coco-Nußfasern, oft aber auch von Mattenwerk geflochten waren. Nach jenen Zeichen und Posituren zu urtheilen, müssen ihre Tänze, wie in den Societäts-Inseln die Hiwahs, dramatisch und öffentlich seyn. Diese Vermuthung erhält dadurch noch mehr Gewicht, daß Schouten  und Le Maire dergleichen Tänze auch auf Horn-Eyland angetroffen haben. Die Gebräuche und Sprache dieser Insulaner scheinen überhaupt eine große Ähnlichkeit mit den Tahitischen zu haben; warum sollte sie also nicht auch bey ihren Tänzen statt finden? Beyde Nationen müssen doch im Grunde von einem gemeinschaftlichen Stamm-Volke herkommen; auch siehet man, selbst in denen Stücken wo sie am merklichsten von einander abweichen, daß der Unterschied bloß von der Verschiedenheit des Bodens und des Clima beyder Inseln veranlaßt worden ist. Auf den Societäts-Inseln giebts z. E. viel Holz, denn die Spitzen der Berge sind dort mit unerschöpflichen Waldungen bedeckt. Auf den freundschaftlichen Inseln hingegen ist dieser Artickel schon seltner, weil das Land fast durchaus mit Fruchtbäumen besetzt, oder mit nährendem Wurzelwerk bepflanzt ist. Eine natürliche Folge dieser Verschiedenheit ist, daß in ersteren die Häuser ungemein räumlich und groß sind; kleiner aber und unbequemer in letzteren. Dort giebts eine fast unzählbare Menge und zum Theil sehr große Canots; hier, sind sie sowohl an Zahl als Größe ungleich geringer. Auf den Societäts-Inseln sind die Berge hoch und ziehen folglich die Dünste der Atmosphäre beständig an sich; daher findet man dort so viel Bäche, die sich von den Bergen herab in die See ergießen, und den Einwohnern auf vielfältige Art Vortheil schaffen. Vermittelst derselben haben sie nicht nur reichliches und gesundes Trinkwasser, sondern auch Gelegenheit sich oft zu baden, und sind folglich für allen Krankheiten der Haut, die aus Unreinlichkeit entspringen, ziemlich gesichert. Ganz anders muß es dagegen bey einem Volk aussehen, dem es an diesem Vortheil fehlt, und das sich gleich den Bewohnern von Tongatabu, entweder mit faulem stinkenden Regenwasser aus etlichen wenigen schlammigen Pfützen, oder gar mit salzigem Wasser behelfen muß. Um sich nur einigermaßen reinlich zu erhalten, und dadurch gewissen Krankheiten vorzubeugen, sind sie genöthigt ihre Zuflucht zu andern Hülfsmitteln zu nehmen: Sie stutzen sich also die Haare, zwicken sich den Bart, etc. und werden folglich schon dadurch den Tahitiern im Äußern unähnlicher, als sie ohne das nicht seyn würden. Gleichwohl sind in Ermangelung genügsamen und guten Wassers, alle diese künstlichen Hülfsmittel zur Reinlichkeit nicht hinreichend, sie für dem Aussatz zu sichern, der vielleicht, durch den Gebrauch des Pfefferwassers, noch nebenher begünstigt wird. Zu Verhütung oder Heilung desselben schien jenes Mittel gebraucht zu werden, dem wir die wundgemachten Flecke auf den Backenknochen zuschrieben, die so allgemein unter ihnen sind, daß fast kein einziger ohne dergleichen Merkmahl war. Auf den Societäts-Inseln ist das Erdreich in den Ebenen und Thälern so fett und reich und bekömmt durch die vielen Bäche so viel Zufluß an gehöriger Feuchtigkeit, daß die mehresten Gewächse fast ohne alle Cultur gedeihen. Diese ungemeine Fruchtbarkeit veranlaßt und unterhält dann auch die Üppigkeit und Schwelgerey unter den dortigen Vornehmen. Davon aber findet man auf Tongatabu keine Spur. Auf dieser Insel ist der Coral-Felsen blos mit einer dünnen Schicht von Erde bedeckt, in welcher die Bäume nur kümmerliche Nahrung finden und der nützlichste von allen, der Brodtfrucht-Baum, kommt fast gar nicht fort, weil er keine andere Wässerung als Regen findet. Auf solche Art erfordert die Bearbeitung des Landes hier weit mehr Mühe als auf Tahiti. Daher kommts denn, daß die Leute mehr Fleis auf ihre Pflanzungen wenden, denenselben eine regelmäßige Form geben, und daß jeder das seinige genau einzäunt. Aus eben dieser Ursach läßt sich auch begreifen, warum sie auf die Lebensmittel immer einen höhern Werth legten, als auf ihre Geräthe, Kleider, Schmuck und Waffen (ob ihnen diese gleich in manchen Fällen unsägliche Arbeit müssen gekostet haben): Sie sehen nemlich wohl ein, daß Lebensmittel ihr größter Reichthum sind, deren Abgang schwer zu ersetzen ist. Daß sie von Person schlanker, und muskulöser sind als die Tahitier, rührt natürlicher Weise davon her, daß sie mehr arbeiten und ihren Cörper mehr anstrengen als jene. Durch die Beschaffenheit des Erdreichs zu vieler Arbeit genöthigt, ist ihnen die Arbeitsamkeit endlich dermaaßen zur Gewohnheit geworden, daß sie nicht nur die vom Ackerbau übrige Zeit zur Verfertigung von mancherley Handwerkszeug und Geräthen anwenden, die viel Mühe, Geduld und Geschicklichkeit erfordern; sondern auch selbst bey ihren Ergötzlichkeiten, Thätigkeit und Erholung mit einander zu verbinden wissen. Diese Arbeitsamkeit ist auch Schuld daran, daß sie nach und nach auf neue Erfindungen gefallen sind und es in den Künsten ungleich weiter gebracht haben als die Tahitier. – „Dabey sind sie von sehr aufgeräumten Wesen und sehen stets vergnügt aus, denn ihre Bedürfnisse, deren vermuthlich nur sehr wenige sind, werden alle befriedigt. Das Frauenzimmer ist vorzüglich aufgeweckt, und konnte des Plauderns nicht satt werden, so lange wir den geringsten Antheil an ihrer Unterhaltung zu nehmen schienen.“ – Es ist gewissermaßen zu verwundern, daß sie so vergnügt und munter sind, da doch ihre politische Verfassung der Freyheit, jener allgemeinen Quelle der Glückseligkeit, eben nicht recht günstig zu seyn scheinet; wir dürfen indessen dieses Phönomens wegen nicht bis nach der Südsee gehen, da eine benachbarte Nation, die unter dem Druck der größten Sklaverey lebt, gleichwohl eine der lustigsten und witzigsten auf Erden ist. Überdem glaube ich daß, der großen Unterwürfigkeit, die in Tongatabu herrscht, ohnerachtet, die Leute immer noch Ursach haben mögen froh zu seyn, denn, außer jenen sonderbaren Zeichen von sclavischer Verehrung, scheint der König nichts von ihnen zu fordern, das sie ihrer eignen Bedürfnisse berauben und arm oder elend machen könnte. Doch dem sey wie ihm wolle, so viel scheint ausgemacht zu seyn, daß ihr Regierungs- und Religions-System dem Tahitischen ähnlich, und, so weit wir es beurtheilen können, aus einer und eben derselben Quelle, vielleicht unmittelbar aus dem gemeinschaftlichen Vaterlande beyder Colonien hergeflossen ist. Die geringe Verschiedenheit, welche man heut zu Tage, in einzelnen Gebräuchen und Meynungen dieser beyden Völker wahrnimmt, scheint blos aus einer allmähligen Abweichung von ihren ehemals gemeinschaftlichen Begriffen herzurühren, die sich nach und nach theils zufälligerweise, theils auf Veranlassung besondrer Grillen mögen verändert haben. – „Wir fanden hier wie auf Tahiti einen König (Ariki) mit vielen ihm untergebenen Prinzen oder Chefs, denen vermuthlich gewisse Bezirke gehören, und denen das gemeine Volk, noch mehr als die Tahitier ihrem Adel, ergeben war. Auch glaubten wir einen dritten Stand bemerkt zu haben, der mit den Manahaunäs auf den Societäts-Inseln übereinstimmet, und vielleicht war Attaha ein Mann von dieser Art. Ohnstreitig ist alles Land hier ein Privat-Eigenthum, denn wo der Boden so äußerst sorgfältig bearbeitet wird, daß nicht ein Fleckchen ungenutzt bleibt, da kann unmöglich alles gemeinschaftlich seyn, sonst wäre ja der Müßiggänger glücklicher als der Arbeitsame. Oft habe ich sechs, acht bis zehn Leute mit Früchten und andern Lebensmitteln beladen ans Ufer kommen sehn; ein Mann, oder auch eine Frau, die neben her gieng verkaufte dies alles, und ohne ihren Willen durften die andern nicht ein Stückchen gegen unsere Waaren vertauschen. Dergleichen Leute als die Träger, machen also hier, so wie die Tautaus in Tahiti, die geringste Classe von Menschen aus, und müssen den andern dienen, und für sie arbeiten.“ – Der entscheidendste Beweis von der Verwandtschaft beyder Völker liegt in der Ähnlichkeit ihrer Sprachen. Die mehresten Arten von Lebensmitteln, welche beyde Inseln mit einander gemein haben, die Glieder des Cörpers, kurz die ersten und gewöhnlichsten Begriffe, wurden auf den Societäts- und auf den freundschaftlichen Inseln durch ein und eben dieselben Worte ausgedrückt. Der Dialect der auf Tongatabu geredet wird, war so sanfttönend und wohlklingend nicht, als zu Tahiti; denn jene Insulaner haben das F. K. und S. in ihre Mundart aufgenommen, und folglich mehr mitlautende Buchstaben als diese. Dagegen wird die hieraus entstehende Härte dadurch wieder gemildert, daß man hier nicht nur die sanft fließenden Buchstaben L. M. N.; imgleichen die melodischen Selbstlauter E. und I. häufig gebraucht, sondern auch in einem gewissen singenden Ton zu sprechen pflegt. Aber es ist Zeit wieder einzulenken.

Wir verließen unsre Freunde nicht eher als bey Untergang der Sonnen, und versprachen ihnen am folgenden Morgen noch einmal wieder zu kommen. Beyde Schiffe waren nun wieder mit einem guten Vorrath von Pisangs, Yams und Coconüssen versehen, auch hatte man, des geringen Umfangs der Insel und der Kürze unsers Hierseyns ohnerachtet, sechzig bis achtzig Schweine, nebst einer großen Menge von Hühnern zusammen gebracht. Frisches Wasser hingegen war nirgends zu finden gewesen, ob man schon auch an der Ost-Seite der Insel darnach hatte suchen lassen. Der Loots, der dorthin geschickt worden war, hatte bey dieser Gelegenheit die Marien-Bay, nebst denen vor selbiger liegenden flachen Inseln aufnehmen müssen, und die genaue Übereinstimmung seiner Zeichnung mit Tasmanns älteren Charten, gab einen neuen Beweis ab, wie sehr man sich auf die Treue und Genauigkeit jenes Seefahrers verlassen könne. Auf einer von vorgedachten flachen Inseln, woselbst der Loots ausstieg, gab es eine erstaunende Menge gefleckter Wasserschlangen mit platten Schwänzen. Diese Art heißt beym Linnäus coluber lati caudatus, ist aber ganz unschädlich. Ich muß bey dieser Veranlassung überhaupt anmerken, daß auch wir, als Naturforscher, gar sehr Ursach hatten von unserm hiesigen Aufenthalt zufrieden zu seyn; denn so klein die Insel auch war; so fanden sich doch verschiedene neue Pflanzen auf selbiger, unter andern eine neue Art von bittrer Fieber- oder China-Rinde, die vielleicht nicht minder brauchbar seyn dürfte als die Peruanische. Wir bekamen auch mehrere unbekannte Vögel, und kauften verschiedene derselben lebendig, welches neue Spielarten des Papagoyen- und Tauben-Geschlechts waren. Die Einwohner scheinen gute Vogelfänger zu seyn, und Gefallen an diesen Thieren zu finden, denn sie trugen manchmal Tauben auf einem Stocke mit sich herum; daß aber dieses ein Unterscheidungszeichen des Standes seyn sollte, wie Schouten  auf Horn-Eyland bemerkt haben will,[14] konnten wir nicht absehen. Als unser Boot gestern zum letzten mal vom Lande nach dem Schiffe herüber kam, brachte es eine Menge Früchte und Wurzelwerk, desgleichen ein völlig bereitetes Schwein mit, welches insgesammt der Latuh oder König, dem Capitain zum Geschenk übersandte. Damit diese Höflichkeit nicht unerwiedert bliebe, nahmen wir am folgenden Morgen ein Hemd, eine Säge, ein Beil, einen kupfernen Kessel, nebst andern Kleinigkeiten von geringern Werthe, mit uns ans Land, und händigten ihm solche nicht weit vom Strande ein, woselbst er im Grase saß. Er nahm diese Sachen mit der finstern Ehrbarkeit an, die wir nun schon an ihm gewohnt waren und die er auch nur ein einzigesmal ablegte, da man ihn in einer Unterredung mit Attagha lächeln sähe. Unter dem versammleten Volke bemerkten wir einen Mann, der, dem eingeführten Landesgebrauch zuwider, sein Haar wachsen lassen und es in verschiedne dicke Knoten aufgeschürzt hatte, die ihm wild um die Ohren hiengen. Dieser Mann und ein junges Mädchen, dessen S. 375 [MS S. 372] gedacht worden, waren die einzigen, welche das Haar nicht kurz geschnitten trugen.

Wir hielten uns nicht lange bey den Einwohnern auf, sondern kehrten bald an Bord zurück, und gleich nach eingenommenen Frühstück wurden die Anker gelichtet. Indessen lagen die verschiedentlich eingekauften Lebensmittel noch auf dem Verdeck so unordentlich umher, daß wir nicht gleich in See stechen konnten, sondern unter der Insel beylegen mußten. Gegen Abend, da alles über Seite geräumt war, giengen wir endlich unter Seegel und steuerten gen Süden.

Am folgenden Morgen, als am 8ten Oct., hatten wir Windstille. Während derselben ward ein Hayfisch von 8 Fus gefangen, welches der größte war, den wir je gesehen. Nachmittags erblickten wir die kleine Insel, welche Tasmann, Pylstaerts-Eyland nennt. Er gab ihr diesen Namen wegen einer gewissen Art von Vögeln, die ihm hier zu Gesicht kamen, und allem Vermuthen nach, tropische Vögel gewesen seyn müssen; denn Pylstaert bedeutet buchstäblich so viel als Pfeil-Schwanz, und bezieht sich auf die zwey langen, hervorstehenden Schwanzfedern dieses Vogels, um deren willen ihn die Franzosen paille en queue nennen.[15] Gedachte Insel liegt unter dem 22sten Grad 26 Minuten südlicher Breite und im 170sten Grad 59 Minuten westlicher Länge. Das Land ist eben nicht flach, vorzüglich befinden sich zwey Anhöhen darauf, deren südlichste die beträchtlichste ist. Gegen Abend bekamen wir widrigen Wind aus Südwest, der bis zum 10ten anhielt, und uns die ganze Zeit über, in der Nachbarschaft jener kleinen Insel zu laviren nöthigte. Alsdenn aber stellte sich der Passatwind wieder ein, und brachte uns so schnell fort, daß wir um 2 Uhr Nachmittags die Insel nicht mehr sehen konnten. Nunmehro verließen wir die tropischen Gegenden dieses Oceans und steuerten zum zweytenmal nach Neu-Seeland hin, von da wir vor vier Monath hergekommen waren, um während des Winters die Südsee in den mittlern Breiten zu durchkreuzen. Diese Absicht war nun erreicht: wir hatten zwischen den Wende-Cirkeln einen Strich von mehr als 40 Grad der Länge untersucht und ein und dreyßig Tage lang, theils auf den Societäts- theils auf den freundschaftlichen Inseln zugebracht, welches unserm gesammten Schiffsvolk ungemein wohl bekommen war. Der Sommer, als die tauglichste Jahrszeit den südlichem Theil dieses Weltmeers zu untersuchen, nahte heran, und die öden Klippen von Neu-Seeland sollten uns nur auf so lange Zeit zum Obdach dienen, als dazu erfordert ward, das leichtere oder Sommer-Takelwerk abzunehmen und stärkeres aufzusetzen, das den Stürmen und aller übrigen strengen Witterung jener rauhen Himmels-Gegend bessern Widerstand leisten konnte.

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