QR-Code

Textpassage über Tonga von der 2. Reise

Für die Ausstellung im Original gekürzt von F. Vorpahl, 2023

Zweiter Teil – Viertes Hauptstück
Reise von den Societäts- nach den freundschaftlichen Inseln.

 

Bey unsrer Abfahrt von Raietea, feuerten wir, dem Geburtstag Sr. Majestät des Königs zu Ehren, einige Kanonen ab, welches für die hiesigen Einwohner ein neues und sehr angenehmes Schauspiel zu seyn schien. Während der sechs Wochen, die wir zu Tahiti und auf den Societäts-Inseln zugebracht, hatten wir uns sehr erquickt und vom Scorbut und Gallenkrankheiten völlig wieder erholt. Dagegen kamen nun bey denenjenigen

 

Who with unbashful forehead woo'd

The means of sickness and debility.

SHAKESPEARE.

 

venerische Zufälle zum Vorschein. Fast die Hälfte der Matrosen ward von dieser häßlichen Krankheit angesteckt befunden; doch war sie, im Ganzen genommen, nicht so bösartig, als in Europa. Maheine hatte uns oft versichert, daß sie auf Tahiti und den Societäts-Inseln schon eingerissen gewesen, ehe noch Capitain Wallis im Jahr 1768. dahin kam, und er behauptete ausdrücklich, daß seine eigene Mutter verschiedne Jahre zuvor, auf Borabora, an dieser Krankheit gestorben sey. Auf solche Art wäre dann der Ausbruch derselben in verschiednen Theilen der Welt, bisher durchgehends einer ganz unrichtigen Ursach beygemessen worden. Seit fast dreyhundert Jahren haben unsre Moralisten auf die Spanier geschimpft, weil die Ärzte ihnen Schuld gegeben, daß sie diese Seuche aus Amerika zu uns gebracht; und gleichwohl ist jetzt unläugbar erwiesen, daß wir sie in Europa kannten, ehe Amerika entdeckt war![1] Eben so übereilt haben sich's auch die englischen und französischen Seefahrer einander wechselsweise vorgeworfen, daß jene fürchterliche Krankheit durch einen von ihnen unter die gutherzigen Tahitier gebracht worden sey, da diese doch schon lange zuvor davon angesteckt gewesen sind und sie sogar zu heilen wissen.[2] Ja was noch mehr ist; das Gift derselben scheint, hier bereits eben so sehr entkräftet und gemildert zu seyn als es dermalen in Süd-Amerika ist. Dies pflegt aber bey dergleichen Seuchen nicht ehe zu erfolgen, als bis sie schon eine geraume Zeit gewüthet haben; doch können hieran das gesunde Clima und die einfache Kost dieser Insulaner allerdings mit Ursach seyn. Übrigens bin ich weit entfernt zu glauben, daß diese Pest aus Europa nach Amerika gekommen sey. Nein! eben die Ursachen, welche sie in einem Welttheile veranlaßten, konnten sie auch in jedem andern hervorbringen. – Die Ausschweifungen unsrer Matrosen mit den Weibern auf Tongatabu und den Marquesas-Inseln, ja selbst ihr Verkehr mit den unzüchtigen Dirnen auf Oster-Eyland, hatten keine üblen Folgen. Daraus läßt sich vielleicht schließen, daß diese Inseln zur Zeit noch nicht angesteckt sind; ich sage vielleicht, denn, so viel Anschein dergleichen Folgerungen auch vor sich haben, so können sie dennoch wohl trügen.[3] Dies beweißt Capitain Wallis Beyspiel. Er verließ Tahiti, ohne einen einzigen venerischen Patienten an Bord zu haben, und gleichwohl war daselbst die Krankheit schon zuvor eingerissen! Daß endlich auch unter den Neu-Seeländern diese Krankheit bereits vorhanden gewesen sey, ehe noch die Europäer Umgang mit ihnen gehabt haben, ist wohl ebenfalls außer allen Zweifel.[4]

Nachmittags paßirten wir die Insel Maurua und steuerten mit einem guten Passatwinde nach Westen. Um 6 Uhr des Morgens entdeckten wir die Insel, welche Capitain Wallis, Lord Howes Eyland genannt hat. Sie bestehet aus niedrigen Coral-Riefen, und hat einen Landsee in der Mitte. Der Lage nach muß es eben dieselbe seyn, welche bey den Bewohnern der Societäts-Inseln unter dem Namen Mopihah bekannt ist. Unsern Beobachtungen zufolge, liegt sie im l6ten Grad 46 Secunden südlicher Breite und unterm 154sten Grad 8 Secunden westlicher Länge. In der Nachbarschaft derselben hielten sich einige Pelecane und Tölpel (boobies) auf; von Menschen aber schien sie gänzlich unbewohnt zu seyn.

Am folgenden Tage, gegen Mittag, änderte sich der Wind und ward uns zuwieder. Den ganzen Nachmittag hatten wir Donner, Blitz und zum Theil heftige Regengüsse. In der Nacht ward es windstill; weil aber das Wetterleuchten noch immer anhielt, so ließen wir, vorsichtshalber, die electrische Kette an der Spitze des Mastes befestigen. Die nächsten drey Tage war der Wind so schwach und zuweilen so ganz unmerklich, daß wir fast gar nicht aus der Stelle kamen. Während dieser Windstillen gereichte es uns einigermaaßen zum Zeitvertreib, eine Menge von tropischen Vögeln und Gümpeln (sterna stolida) um das Schiff her zu sehen. Die Matrosen fiengen in dieser Zwischenzeit auch einen großen Hayfisch an der Angel; allein zu ihrem größten Herzeleid, entgieng er ihnen wieder, ohnerachtet sie ihm zu Verhütung dieses Unsterns, drey Kugeln durch den Leib geschossen hatten.

Am 11ten des Morgens ward der Wind frischer und brachte uns gen West-Süd-West wiederum vorwärts. Allein nach Verlauf zweyer Tage hatten wir von neuem, bald mit Windstillen, bald mit widrigem Winde zu kämpfen, und des Nachts pflegte es häufig zu blitzen. Sowohl in der Luft als im Wasser war es die ganze Zeit über sehr lebhaft, denn Seevögel, von allerhand Art, schwärmten, und Boniten, Doraden, Hayftsche und Nord-Caper, schwammen um uns her.

Am 16ten früh um 8 Uhr entdeckten wir eine andre niedrige Insel. Gegen 3 Uhr Nachmittags kamen wir dichte heran und seegelten rund herum, fanden aber nirgends einen Landungsplatz oder Haven. Sie bestand aus mehreren kleinen Eylanden, die durch Riefe untereinander zusammenhiengen, und mit Bäumen, vornemlich mit Cocos-Palmen bewachsen waren, welches diesem kleinen Fleck Landes ein sehr reitzendes Ansehn gab. Die Wasser-Vögel schwärmten in solcher Menge um diese Insel her daß wir sie mit Recht für gänzlich unbewohnt halten mußten. An manchen Stellen war das Ufer sandig, und das sind gerade solche Stellen, wo die Schildkröten gern ihre Eyer zu legen pflegen. Auch war die See hier voll schmackhafter Fische. Wir nannten diese angenehme kleine Insel, Palmerston-Eyland; sie liegt unterm 18ten Grad 4 Secunden südlicher Breite und im 165sten Grad 10 Secunden westlicher Länge.

Nachdem wir von hier aus vier Tage lang W. S. Westwärts gesteuert hatten, so kam ans am 20sten des Nachmittags eine etwas bergigte Insel zu Gesicht, auf welcher man, noch vor Untergang der Sonnen, Bäume unterscheiden konnte. Weil das Land so nahe war; so lavirten wir die ganze Nacht über gegen den Wind, wendeten uns erst bey Anbruch des Tages wieder nach der Küste, und seegelten in einer Entfernung von zwo Meilen längst derselben herunter. Das Ufer war durchaus steil und felsigt, doch gab es am Fuße der Klippen hin und wieder auch einen schmalen sandichten Strand. Die Insel dünkte uns allenthalben gleich niedrig zu seyn, und ragte an den höchsten Stellen kaum vierzig Fuß über die Oberfläche des Meeres hervor, sie war aber bey alledem mit Waldung und kleinerem Gesträuche versehen. Um zehn Uhr wurden wir sieben bis acht Leute gewahr, die am Gestade herumliefen. Sie schienen von schwärzlicher Farbe zu seyn, und giengen nackend; blos um den Kopf und die Hüften, sahe man etwas weisses umgewickelt, und jeder hielt einen Spies, eine Keule oder eine Ruderschaufel in der Hand. In den Klüften die an manchen Stellen zwischen den Felsen befindlich waren, sahen wir einige kleine Canots auf den Strand gezogen, und auf dem Abhänge der Felsen standen etliche niedrige Cocos-Palmen. Das war schon Einladung genug hier anzulanden. Also wurden gleich zwey Boote in See gesetzt, bewafnet und bemannet, und in selbigen giengen, unter guter Begleitung, der Capitain, Dr. Sparrmann, Herr Hodges, mein Vater und ich nach dem Ufer ab. Ein Corallen-Rief läuft dicht vor der ganzen Küste her; doch fand sich eine Öfnung, wo die Brandung nicht so gefährlich war. Hier stiegen wir aus, kletterten auf die nächste Felsen-Klippe, und ließen daselbst einige Matrosen und See-Soldaten Posto fassen. Dieser Felsen bestand ganz aus scharfen und gebrochenen Corallen, und war mit einer Menge kleinen Gesträuchs bewachsen, dergleichen man auf den niedrigen Inseln gemeiniglich antrifft. Außer verschiedenen schon bekannten Gattungen fanden wir auch noch einige neue Pflanzen, die alle aus den Rissen des Coral-Felsen hervorsproßten, ohnerachtet man auch da nirgends ein Stäubchen von Erdreich sahe. An Vögeln fanden sich hier Brachhüner (curlews) Schnepfen und Reiger, sämmtlich von eben der Art, wie die Tahitischen. Wir mochten ungefähr hundert und fünfzig Schritt weit durch das Gesträuch Landwärts fortgegangen seyn, als man die Einwohner laut rufen hörte. Dies bewog uns ohnverzüglich nach der Felsenklippe umzukehren, allwo die Matrosen postirt standen. Hier erfuhren wir vom Capitain Cook daß er selbst an dem Geschrey Schuld gewesen. Er wäre nemlich längst einem tiefen aber trocknen Erdriß, der ehemals durch das Bergwasser verursacht worden, ins Land hinauf gegangen, hätte aber kaum den Wald erreicht, so sey ein Geräusch entstanden, als ob jemand von einem Baume herunter fiele. In der Meynung, es sey einer von uns, habe er durch Rufen zu erkennen geben wollen, daß er in der Nähe sey, da aber statt der erwarteten Antwort ein Indianer seine Stimme hören lassen; so habe er seinen Irrthum erkannt, und für dienlich erachtet, umzukehren. Von hier aus riefen wir nun den Indianern in allen uns bekannten Süd-See-Sprachen zu, daß wir Freunde wären, und daß sie zu uns an den Strand herab kommen mögten. Nachdem man sie eine Zeitlang unter sich sprechen und einander hatte zurufen hören, kam endlich am Eingange des Bachbettes oder Erdrisses einer von ihnen zum Vorschein. Er hatte sich den Ober-Leib bis auf die Hüften schwarz gefärbt, trug einen Kopfputz von aufrechtstehenden Federbüschen, und hielt einen Speer in der Hand. Hinter ihm hörten wir viele Stimmen in dem hohlen Wege, die Leute selbst aber konnte man, der Bäume wegen, nicht ansichtig werden. Es währete nicht lange, so sprang ein zweyter, dem Ansehen nach noch ganz junger, unbärtiger Kerl zu dem erstem hervor, der eben so schwarz aussahe als sein Camerad, und in der rechten Hand einen langen Bogen hielt, dergleichen wir wohl auf Tongatabu gesehen hatten. In demselben Augenblick, da wir ihn ansichtig wurden, warf er auch schon mit der linken Hand einen großen Stein nach uns, und zielte so gut, daß Dr. Sparrmann eine sehr empfindliche Contusion am Arme davon trug, ohnerachtet er wenigstens 50 Schritt von dem Indianer entfernt stand. Mein Freund ließ sich durch den heftigen Schmerz, den ihm der Stein verursacht hatte, zu einer Übereilung verleiten und feuerte in der ersten Hitze der Empfindung auf seinen Gegner, einen Schuß Hagel ab, der aber zum Glück nicht traf. Darauf verschwanden die beyden Eingebohrnen und kamen auch nicht mehr zum Vorschein, ob wir uns gleich, wegen des eitlen Gepränges der Besitznehmung noch eine Zeitlang allhier verweilten. Endlich setzten wir uns wieder in die Boote, und ruderten längst dem Strande hin, kehrten uns auch weiter nicht daran, daß die Einwohner, so bald wir fort waren, sich auf der Felsenklippe, die wir zuvor besetzt gehabt hatten, wieder einfanden. Die Küste war überall von gleicher Beschaffenheit, daher es uns nicht wenig Mühe kostete, einen andern Landungs-Ort ausfindig zu machen. Doch waren wir auch da kaum ausgestiegen, als uns die im Boote zurückgebliebenen Leute zuriefen, daß sie oben auf dem Felsen-Ufer, welches wir hinaufklettern wollten, bewaffnete Wilde sahen. Wir mußten also noch weiter rudern, und kamen endlich an einen Ort, wo in der steilen Felsen-Küste eine ziemlich breite Öffnung vorhanden, mithin der Aufgang ins Land hinein etwas freyer war. Ohngefähr hundert und fünfzig Fuß weit vom Gestade lief ein flaches Rief vor der Küste her, welches an mehreren Stellen eine Durchfahrt für das Boot hatte. Auf diesem Riefe mußten die See-Soldaten zu unserer Bedeckung eine Linie formiren, indeß wir mit dem Capitain durch den vor uns liegenden hohlen Weg marschiren wollten! Wir fanden daselbst vier Canots auf den Strand gezogen, die mit denen von Tongatabu fast von einerley Bauart, auch mit etwas Schnitzwerk geziert, im Ganzen aber doch einfach und nicht so sauber gearbeitet waren, als jene. Sie hatten Gegengewichte (Outriggers) von dicken Stangen und zum Theil Dächer von Matten, darunter Fisch-Angeln, Speere und Stückchen Holz lagen, die bey der Nachtfischerey statt der Fakeln gedient zu haben schienen. In jedes dieser Fahrzeuge legte der Capitain etliche Glas-Corallen, Nägel und Medaillen zum Geschenk für die Eigenthümer; indem er aber noch damit beschäftigt war, sahe ich einen Trupp Indianer den hohlen Weg herunter kommen, worauf wir uns alsbald einige Schritte weit zurückzogen. Zween derselben, die gleich den zuvorerwähnten schwarz angemahlt und mit einem Kopfputz von Federbüschen versehen waren, liefen unter wütendem Geschrey auf uns los und schwenkten dabey ihre Speere. Umsonst riefen wir ihnen in einem freundlichen Tone zu. Der Capitain wollte auf sie feuern, aber das Gewehr versagte ihm. Er bat also, daß wir der dringenden Gefahr wegen, ebenfalls Feuer geben mögten; allein es gieng uns wie ihm. Die Indianer, die durch unsre anscheinende Wehrlosigkeit noch mehr Muth bekommen mögten, warfen zween Speere nach uns; der eine davon hätte den Capitain Cook um ein Haar breit getroffen, zum Glück aber bückte er sich noch zu rechter Zeit; und der andre fuhr mir so dicht neben der Lende vorbey, daß die schwarze Farbe, womit er beschmiert war, mir das Kleid beschmutzte. Nachdem wir noch ein Paarmal versucht hatten, Feuer zu geben, gieng endlich mein Gewehr los. Ich hatte zwar nur mit Schroot geladen, traf aber meinen Mann richtig, indeß Herrn Hodges Schuß mit einer Kugel, ohne Würkung blieb. Auf dieses Signal fieng die hinter uns auf dem Felsen-Rief postirte Mannschaft ein förmliches Plotton-Feuer an. Sie hatten bemerkt, daß während unseres Rückzuges ein zweyter Haufen von Indianer, durch einen andern Weg uns in den Rücken zu kommen und den Paß abzuschneiden suchte. Diesen Plan aber vereitelte die Ladung Hagel, welche ich unter die beyden Vorfechter schickte, indem die übrigen sich alsdenn nicht getrauten, weiter auf uns einzudringen, und wir auf die Art Zeit gewannen, wieder zu den unsrigen zu stoßen. So lange noch einer von den Indianern zu sehen war, ward auch das Feuer lebhaft fortgesetzt. Zween derselben hielten besonders lange Stand. Sie hatten sich hinter einen Busch postirt und schwenkten ihre Speere noch unabläßig, als ihre Landsleute schon längst fort waren. Endlich mußte, auch von diesen, einer verwundet worden seyn, denn sie ergriffen plötzlich, unter einem gräßlichen Geheul die Flucht. Nun giengen wir wieder in die Boote, und wollten mit diesen Leuten nichts mehr zu schaffen haben, da wir sie durch kein Bitten zu einer freundschaftlichen Aufnahme hatten bewegen können. Die Natur selbst scheint diese Nation, schon dadurch, daß sie ihr Land fast unzugänglich bildete, zur Ungeselligkeit verurtheilt zu haben. Die ganze Insel besteht, so wie überhaupt alle niedrigen Inseln, aus einem Coral-Felsen, worauf, so viel wir sahen, nur einige wenige Cocos-Palmen, andre Fruchtbäume aber gar nicht, vorhanden waren. Indessen vermuthe ich, daß die innern Gegenden nicht so öde sind, sondern vielmehr nahrhafte Pflanzen hervorbringen mögen, und es dünkt mich gar nicht unwahrscheinlich, daß sich in der Mitten eine fruchtbare Ebene befinden dürfte, die aus einem nach und nach vertrockneten Landsee entstanden seyn kann. Ob es aber durch ein Erdbeben oder durch sonst eine gewaltsame Veränderung unsers Erdkörpers geschehen, daß ein so großer Coral-Felsen 40 Fus hoch über die Meeresfläche empor gehoben worden? ist eine Frage, welche ich den Physikern künftiger Zeiten zur Entscheidung überlasse. Die Boote und Waffen der Eingebohrnen gleichen denen auf Tongatabu; es scheinen also die Bewohner dieser beyden Inseln einerley Ursprungs zu seyn; doch ist die Anzahl der hiesigen nur gering und sie sind auch noch sehr ungesittet, wild, und gehen nackend. Die ganze Insel mag ohngefähr 3 Meilen lang seyn; sie liegt unterm 19ten Grade, l Secunde südlicher Breite und dem 169sten Grad 37 Secunden westlicher Länge, und bekam von uns den Namen, das wilde Eyland (Savage Island).

Sobald wir wiederum an das Schiff gelangten, wurden die Boote eingenommen, und am folgenden Morgen seegelten wir weiter gen Westen. Ein großer Wallfisch, mit hoher Rückenflosse, schnaubte mit vielem Getöse das Wasser nahe beym Schiff in die Höhe; und Vögel und Fische machten, wie gewöhnlich, unsre Begleitung aus.

Da wir um diese Zeit nicht weit von A-Namoka oder der Insel Rotterdam zu seyn glaubten, (die zu den freundschaftlichen Inseln gehört und von Tasmann im Jahr 1643 entdeckt worden,) so ließ der Capitain in der Nacht vom 23. auf den 24sten die Seegel einnehmen. Die Zeit war ungemein gut abgepaßt, denn schon um zwey Uhr des Morgens hörte man das Geräusch der Wellen, als wenn sie sich an einer Küste brechen, und bey Anbruch des Tages lag das Land auch würklich vor uns. Wir steuerten also darnach hin. Es bestand aus mehreren niedrigen Inseln, die zusammen von einem großen Rief umgeben waren. Ein anderes dergleichen Rief lag weiter gegen Norden, und südwärts von allen diesen Klippenreihen richteten wir unsern Lauf nach den Inseln hin. Um 11 Uhr, da wir noch über eine Seemeile weit von der Küste waren, kam uns schon ein Canot vom Lande her entgegen. Ohnerachtet nur zwey Leute darinn saßen, so ruderten sie doch ganz getrost auf uns zu; da sie aber merkten, daß das Schiff ungleich schneller forttrieb als ihr Boot, so kehrten sie wieder nach dem Lande zurück. Der Unterschied zwischen dem Betragen dieser Insulaner und jener ungeselligen Wilden, die wir kurz vorher hatten kennen lernen, war ungemein auffallend, und wir sahen jetzt augenscheinlich, daß diese Inseln hier, den Namen der Freundschaftlichen Inseln mit Recht verdienen. Nachmittags ward der Wind schwächer, und in der Nacht erfolgte eine gänzliche Stille. Während dieser Zeit brachte uns die See-Strömung einem Rief so nahe, daß wir Gefahr liefen daran zu scheitern; als sich aber gegen Morgen ein Lüftchen erhob, kamen wir bald wieder außer aller Besorgniß.

Des folgenden Tages seegelten wir zwischen den Riefen und niedrigen Inseln durch, in deren Bezirk die See ganz still und eben war. Diese Eylande ragten aber um etwas höher, als die gewöhnlichen Coral-Inseln, aus dem Meer empor, waren auch mit Gruppen von Bäumen, ja mit ganzen Waldungen versehen, welches ihnen ein reizendes Ansehen gab. Sie schienen überhaupt an nichts Mangel zu leiden, und mußten auch gut bewohnt seyn, denn man entdeckte schon am Strande eine Menge Häuser unter den Bäumen. Am östlichen Ende einer von diesen Inseln befand sich eine weiße senkrechte Klippe, welche horizontale Schichten zu haben schien. Von fern sahe sie der Bastey eines verfallnen Kastels ähnlich, und hatte ein um so mehr mahlerisches Ansehn, weil sie oben mit niederm Gesträuch und hohen Palmen bewachsen war. Gegen Mittag ließ der Wind nach; und dieß machten sich die Insulaner zu Nutze. Sie brachten von unterschiedenen dieser Eylande ihre Canots ins Wasser, um zu uns herüber zu kommen, und, ohnerachtet das Schiff noch eine starke Seemeile weit von ihnen entfernt lag, ruderten doch einige so scharf, daß sie binnen einer Stunde heran waren. Als sie ohngefähr noch einen Flinten-Schuß vom Schiffe seyn mochten, fiengen sie an uns von Zeit zu Zeit zuzurufen, und kamen unter diesem Zuruf immer näher. In dem ersten Fahrzeuge befanden sich drey Personen, die, dem äußern Ansehn nach, den Einwohnern von Ea-Uwhe und Tongatabu (welche beyde Inseln wir im October 1773 besucht hatten,) vollkommen ähnlich waren. So bald sie das Schiff erreicht hatten, wurden ihnen einige Glas-Corallen und Nägel an einer Leine herabgelassen, wogegen sie uns unverzüglich einige Büschel Pisangs und etliche überaus schmackhafte Pompelmuße (Shaddocks oder Citrus decumanus) aufs Verdeck schickten. Diesem Gegengeschenk fügten sie auch einen Stengel voller rothen Palm-Nuß-Früchte oder Pandangs (athrodactylis) bey, als welche hier für Freundschafts-Zeichen gelten. Sobald dadurch gleichsam die Präliminarien unterzeichnet waren, verkauften sie uns ihren ganzen Vorrath von Pompelmußen und andern Früchten, und kamen darauf selbst an Bord. Mittlerweile langten die übrigen Canots ebenfalls an, und überließen uns ihre Waaren mit so gutem Zutrauen, als ob wir einander schon lange gekannt hätten. Sie sagten uns die Namen aller benachbarten Inseln her. Die mit der hohen Klippe hieß Terre fetschea; die andre, deren Anblick wir so malerisch gefunden, nannten sie Tonumea. Beyde lagen uns gegen Osten. Mango-nue und Mango-iti (d. i. Gros- und Klein-Mango,) lagen westlich; und seitwärts derselben in Südwesten lag Namocka-nue und Namocka-iti, d. i. groß und klein Namocka. Die erstere hat Tasmann, nächst ihrem ursprünglichen Namen Anamocka, auch Rotterdam genannt.

Sobald sich Nachmittags der Wind wiederum erhob, seegelten wir nach Namocka, als der größten von allen diesen Inseln, und je näher wir heran kamen, desto größer ward die Anzahl der Canots, die uns bewillkommten; sie eilten von den herumliegenden Inseln mit Früchten, Fischen und Ferken herbey, und vertauschten alles gegen Nägel und alte Lumpen.

Zwischen diesen Inseln war die Tiefe der See überall zu ergründen, und das Senkbley hatte heute anfänglich 45 bis 50, hernach als wir näher kamen, 9, 12, 14 und 20 Faden Tiefe angezeigt. Um 4 Uhr gelangten wir um das südliche Ende von Namocka, an die Westseite dieser Insel, wo ehemals auch Tasmann vor Anker gelegen hatte. Hier mochten wir etwa eine Meile weit vom Ufer seyn. Die Küste ragte in dieser Gegend ohngefähr 15 bis 20 Fuß senkrecht aus dem Wasser empor, und verlief sich oben in eine ganz flache Ebene, die nur in der Mitte eine kleine Erhöhung hatte. Dies steile Ufer sahe fast so aus als die Felsen-Küste von Savage-Eyland, von welcher wir herkamen, der Wald aber war hier größer, und prangte vornemlich mit einer unzähligen Menge Cocos-Palmen, die ihre stolzen Gipfel weit über die andern Bäume hinaus streckten. Indem wir den Anker auswarfen, erhaschte ein Indianer das Senkbley, und riß es mit einem Stück der daran befestigten Leine ab. Man bat ihn, es wieder herauszugeben, er hörte aber nicht auf den Capitain, der ihn durch gütliches Zureden zu gewinnen suchte. Es ward also eine Kugel durch sein Canot geschossen; allein das ließ er sich nicht anfechten, sondern ruderte ganz gelassen auf die andere Seite des Schiffs. Wir wiederholten ihm unser voriges Verlangen; da indessen auch dieses nicht fruchten wollte; so wurde die Forderung etwas nachdrücklicher, nemlich durch eine Ladung Hagel unterstützt. Nun ward er auf einmal folgsam; er ruderte nach dem Vordertheil des Schiffes hin, wo ein Strick über Bord hieng, und an dieses knüpfte er die Leine nebst dem Bley fest. Mit diesem Ersatz waren aber seine besser denkenden Landsleute noch nicht zufrieden; sondern sie warfen ihn zur Strafe aus seinem Canot, so daß er sich mit Schwimmen ans Land retten mußte, und der begangenen Dieberey wegen von den Vortheilen des Tauschhandels ausgeschlossen blieb, welchen die übrigen, nach wie vor, fortsetzten. Die Lebensmittel, welche wir von ihnen bekamen, waren Cocos-Nüsse, vortreffliche Yams, Brodfrucht, Pisangs, Pompelmuße und andre Früchte; auch brachten sie lebendige, purpurfarbige Ried-Hühner (Rallus Porphyrio) imgleichen etliche schon zubereitete Gerichte zum Verkauf, als, einen See-Brachsen (sparus) der, in Blätter gewickelt, unter der Erde gestobt war, und eine eben so zugerichtete Art von fasrigen Wurzeln, deren nahrhaftes, schwammichtes Fleisch so süß schmeckte, als wenn es in Zucker eingemacht gewesen wäre. Alles das ward ihnen mit Nägeln von unterschiedlicher Größe und mit Stücken Zeug bezahlt. Die Canots dieser Indianer, die Leute selbst, ihre Tracht, Gebräuche und Sprache, kurz, was man nur an ihnen fand, war hier eben so beschaffen, als bey den Einwohnern von Tongatabu. Vielleicht mogten auch wir diesen Insulanern schon einigermaaßen bekannt seyn, denn Tongatabu liegt so nahe, daß sie von unserer dortigen Anwesenheit, im October vorigen Jahres, wohl schon etwas gehört haben konnten.

Am folgenden Morgen gieng Capitain Cook in aller Frühe nach eben der sandigten Bucht ans Land, die Tasmann so genau beschrieben hat. Sie ist durch einen Rief eingeschlossen, an dessen Süd-Ende sich eine schmale Durchfahrt für Boote befindet, welche aber, des seichten Wassers halber, allemal die Fluthzeit abwarten müssen, um hindurch zu kommen. Der Capitain erkundigte sich unverzüglich, ob in dieser Gegend Trinkwasser zu finden sey, worauf man ihn, ohnweit des Strandes, nach eben demselben Teiche hinbrachte, aus dem auch Tasmann Wasser eingenommen hatte. Unterwegens kaufte er ein junges Schwein, und hatte zugleich Gelegenheit die Gastfreyheit der Einwohner von einer besonderen Seite kennen zu lernen, indem eines der schönsten Mädchen ihm, zum freundlichen Willkommen, galante Anträge machte. Er verbat sie aber ganz höflich, und eilte, so bald er eine, zu Anfüllung der Wasserfässer bequeme Stelle ausfündig gemacht hatte, nach dem Schiffe zurück. Um dieses hatten sich, in der Zwischenzeit, eine Menge Canots, voller Frauensleute versammlet, die zur nähern Bekanntschaft mit unsern Matrosen, allerseits große Lust bezeigten. Da aber der Capitain auf das strengste verordnet hatte, daß keiner, der mit venerischen Krankheiten behaftet oder erst vor kurzem davon geheilt war, ans Land gehen, auch schlechterdings keine Frauensperson auf das Schiff gelassen werden sollte: So mußten alle diese Dirnen, nachdem sie lange genug vergebens, hin und her gerudert waren, ganz unverrichteter Sachen wieder abziehen. Unmittelbar nach dem Frühstück, gieng der Capitain Cook, Dr. Sparrmann, mein Vater und ich, ans Land, wo die Einwohner große Vorräthe von Pompelmußen und Yamwurzeln zu Markte brachten. Pisangs und Cocos-Nüsse waren sparsamer vorhanden, und Brodfrucht noch seltner, ohnerachtet wir viel dergleichen Bäume antrafen. Die Mannspersonen giengen hier fast gänzlich nackend; ein schmaler Streifen Zeug um die Hüften machte mehrentheils ihre ganze Kleidung aus, nur etliche wenige trugen, so wie durchgehends die Frauenspersonen, eine Art von Weiberrock, nemlich ein Stück gefärbtes, steifes Zeug so von Baumrinde, welches in der Gegend der Hüften einigemal um den Leib herumgeschlagen war und von da bis auf die Füße reichte.

Kaum merkten die Insulaner, daß uns mit Lebensmitteln gedient sey, so drängten sich ganze Schaaren von Verkäufern herbey, und überschrieen einander beym Ausbieten ihrer Waaren dermaaßen, daß wir uns dem Getümmel des Marktplatzes entzogen, und weiter ins Land hinauf zu kommen suchten, dessen fruchtbares Ansehen ungemein viel erwarten ließ. Das Erdreich brachte von selbst eine Menge wilder Kräuter hervor, und die häufig angelegten Baumpflanzungen machten die ganze Insel durchaus einem Garten ähnlich. Die Plantagen waren hier nicht so wie zu Tongatabu, auf allen Seiten, sondern nur allein nach der öffentlichen Straße hin, eingehegt, mithin die Aussicht ungleich freyer. Die inneren Gegenden der Insel sind durch verschiedene, mit Hecken und Gesträuch bepflanzte Hügel verschönert. Der Weg gieng über Wiesengrund, und war zum Theil auf beyden Seiten mit hohen Bäumen besetzt, die ziemlich weit auseinander standen, zum Theil mit blühenden, schattichten und wohlriechenden Gebüschen überwölbet. Zur Rechten und Linken wechselten Baumgärten und wildes Gebüsch miteinander ab. Die Häuser waren höchstens 30 Fuß lang, sieben bis 8 Fuß breit und ohngefähr 9 Fuß hoch; in so fern aber von seltsamer Bauart, daß die aus Rohr geflochtnen Wände, oder Außenseiten, nicht senkrecht standen, sondern unterwärts gegen den Boden enger zusammen liefen, auch selten über 3 bis 4 Fuß Höhe hatten. Das mit Stroh gedeckte Dach ragte unterhalb über die Seitenwände hervor und stieß oberhalb schräg zusammen, daher denn der Durchschnitt eines solchen Hauses die Gestalt eines Fünfecks hatte. In einer von den langen Seitenwänden befand sich, etwa 18 Zoll hoch über der Erde, eine Öffnung, die 2 Fuß ins Gevierte haben mogte, und dies einzige Loch mußte die Stelle der Thür und Fenster vertreten. Es schienen gleichsam lauter Vorrathshäuser zu seyn, denn in jedem fanden wir eine Menge großer Yamwurzeln, worinn die tägliche Kost dieser Insulaner zu bestehen scheint, auf dem Fußboden hingeschüttet. So unbequem dies in aller Absicht für die Bewohner seyn muß; so ließen sie sichs doch nicht anfechten, sondern schliefen sogar auf diesem holperichten Lager ohne andere Zubereitung, als daß ein Paar Matten über die Wurzeln hingebreitet wurden. Gewohnheit vermag alles! Die kleinen schmalen Stühle oder Fußtritte von Holz, welche die Tahitier des Nachts unter den Kopf zu legen pflegen, sind auch hier bekannt, und werden ebenfalls statt Kopfkissen gebraucht. Nächst vorgedachten Wohnhütten gab es noch andre freystehende Dächer, die blos auf Pfählen ruhen, dergleichen wir auch zu Tongatabu angetroffen hatten. Unter diesen schienen sich die Leute blos den Tag über aufzuhalten, doch war in selbigen der Fußboden, so wie in den verschloßnen Hütten, allemal mit Matten ausgelegt. Auf unserm Wege kamen wir bey einer Menge solcher Wohnungen vorbey; fanden aber nur selten Leute darinn, weil die mehresten sich nach dem Marktplatze begeben hatten. Diejenigen aber, die wir antrafen, waren durchgehends sehr höflich; sie pflegten eine Verbeugung mit dem Kopf zu machen, und dabey zu Bezeigung ihrer freundschaftlichen Gesinnung, Lelei woa, (d. i. gut Freund!) oder sonst etwas ähnliches zu sagen. Nach Beschaffenheit der Umstände leisteten sie uns auch würkliche Dienste; sie führten uns als Wegweiser in der Insel herum, kletterten auf die höchsten Bäume, um uns Blüthen zu verschaffen und holten uns die Vögel aus dem Wasser die wir geschossen hatten. Oft wiesen sie uns die schönsten Pflanzen nach, und lehrten uns die Namen derselben. Wenn wir ihnen ein Kraut zeigten, von dessen Gattung wir gern mehr zu haben wünschten, so ließen sie sich die Mühe nicht verdrießen, es selbst aus den entferntesten Gegenden herbeyzuschaffen. Mit Cocosnüssen und Pompelmußen bewirtheten sie uns vielfältig; erboten sich auch oft von freyen Stücken, uns das, was wir einsammelten, nachzutragen, es mogte so viel und so schwer seyn als es wollte, und hielten sich für sehr reichlich belohnt, wenn wir ihnen am Ende einen Nagel, eine Coralle oder ein Stückchen Zeug schenkten. Kurz, sie bewiesen sich bey allen Gelegenheiten überaus dienstfertig gegen uns.

Auf diesem ersten Spatziergange kamen wir unter andern auch an einen großen Salzsee, der nicht weit von dem nördlichen Ende der Insel, und an einer Stelle nur um wenig Schritte vom Meer entfernt lag. Er mogte im Durchschnitt ohngefähr eine Meile breit, hingegen wohl drey Meilen lang seyn, und hatte rund umher sehr anmuthige Ufer; was aber dieses Baßin noch mahlerischer machte, war, daß in der Mitte desselben drey mit Waldung bewachsne kleine Inseln lagen. Wir betrachteten diese herrliche Landschaft von einer Anhöhe her und vergnügten uns an den Schönheiten derselben, die der glatte Wasser-Spiegel zum Theil verdoppelt darstellte.

Keine von allen denen Inseln, die wir bisher besucht, hatte in so einem so geringen Umfang weder so viel angenehme Aussichten, noch eine solche Mannigfaltigkeit schöner und wohlriechender Blumen aufzuweisen gehabt! Der See war voll wilder Endten und an dem waldigten Ufer desselben hielten sich eine Menge Tauben, Papagayen, Riedhühner, (Rallus) und kleine Vögel auf, deren uns die Einwohner sehr viele zum Verkauf brachten.

Gegen Mittag kamen wir wieder nach dem Marktplatze zurück, wo Capitain Cook unterdessen einen großen Vorrath von Früchten und Wurzeln, etliche Hühner und ein Paar Ferken eingekauft hatte. Am Bord des Schiffs waren unsre Leute im Handel eben so glücklich gewesen. Das ganze Hinterverdeck war voller Pompelmuße gepackt, die wir von vortreflichem Geschmack fanden; und an Yams war ein solcher Vorrath beysammen, daß wir statt des gewöhnlichen Schiffs-Zwiebacks etliche Wochen lang genug daran hatten. Auch von Waffen und Hausrath wurden uns, vornämlich durch einige Indianer, die in doppelten Canots von den benachbarten Inseln herbeygeseegelt kamen, ganze Bootsladungen zugeführt. Beym Mittags-Essen bemerkten wir, daß einer von den unsrigen am Ufer zurückgeblieben und von allen Seiten mit Indianern umringt war. Er schien in Verlegenheit zu seyn, denn er gab durch Zeichen zu erkennen, daß ihn ein Boot abhohlen möchte. Gleichwohl nahm sichs niemand zu Herzen, bis endlich nach der Mahlzeit einige von den Matrosen, des Einkaufs wegen, nach dem Lande giengen. Als diese unterwegens bey dem Orte vorüber kamen, wo sich der arme Verlaßne befand, sahen sie, daß es unser Wundarzt Herr Patton war, und nahmen ihn sogleich an Bord. Die Zeit über, daß man ihn ohne den geringsten Beystand am Lande gelassen, hatte er mit Gefahr seines Lebens inne werden müssen, daß es unter diesem sonst gutherzigen, dienstfertigen Volke, eben so gut als unter den gesittetem Nationen, einzelne Bösewichter und Stöhrer der öffentlichen Sicherheit gab. Für ein paar Corallen hatte ihn ein Indianer, vom Landungsplatze aus, auf der Insel herumgeführt, und er war so glücklich gewesen, unterwegens eilf Stück Enten zu schießen, die ihm sein Begleiter getreulich nachtrug. Als er nach dem Marktplatze zurückkam, waren unsre Leute, der Mittagszeit wegen, schon sämmtlich nach dem Schiffe abgegangen, welches ihn einigermaßen beunruhigte. Die Indianer mußten seine Verlegenheit bemerken, denn sie fiengen gleich darauf an, sich um ihn her zu drängen, als ob sie sich seine Lage zu Nutze machen wollten. Er stieg also auf die Felsen-Klippe am Ufer, die dem Schiffe gerade gegen über lag, und eben da war es, wo wir ihn vom Bord aus erblickten. Mittlerweile wollte sein bisheriger Führer unvermerkt einige Enten von sich werfen; als aber Herr Patton sich darnach umsahe, nahm er sie wieder auf. Nunmehr drängten die Indianer immer dichter auf ihn los, und einige droheten ihm sogar mit ihren Speeren; doch hielt der Anblick seines Gewehrs sie noch einigermaaßen in Respect. Um nun durch List zu erlangen was durch offenbare Gewalt nicht thunlich schien; so schickten sie einige Weiber ab, die ihn durch allerhand wollüstige Stellungen und Gebehrden zu zerstreuen und an sich zu locken suchen sollten; seine Lage war aber viel zu gefährlich, als daß mit diesem Kunstgriff nur das geringste wäre auszurichten gewesen. Unter dieser Zeit sahe Herr Patton ein Canot vom Schiffe zurück kommen; er rief also dem Eigenthümer desselben zu, und bot seinen letzten Nagel dafür, wenn jener ihn zu uns an Bord übersetzen wollte. Schon war er im Begriff ins Canot zu treten, als man ihm seine Vogelflinte aus den Händen riß, die Endten selbst bis auf drey Stück abnahm, und das Canot fortschickte. Man kann leicht denken, wie bestürzt und besorgt ihn diese Begegnung machte. Nun blieb ihm nichts anders übrig, als wieder nach der Felsen-Klippe umzukehren, und sich damit zu trösten, daß man ihn dort, vom Schiffe aus, bemerken und zu seiner Befreyung herbeyeilen würde. Da ihn aber die Indianer jetzt gänzlich wehrlos sahen, so hielten sie auch nicht länger zurück, sondern fiengen sogleich an, ihn bey den Kleidern zu zupfen, und ehe er sichs versah, war Halstuch und Schnupftuch fort. Das hätte er gern verschmerzt, aber nun sollte die Reihe auch an den Rock kommen, und einige von den Räubern droheten ihm aufs neue mit ihren Waffen. Er erwartete also jeden Augenblick den Tod als sein unvermeidliches Schicksal, fühlete aber doch in der größten Angst noch in allen Taschen herum, ob ihm nicht ein Messer oder sonst etwas zu seiner Vertheidigung übrig sey; es fand sich aber nichts, als ein elendes Zahnstocher-Etui. Dies machte er auf, und hielt es sogleich als ein Terzerol dem ganzen Trupp entgegen, der sich auch aus Besorgniß vor dem unbekannten Dinge alsbald ein paar Schritte weit zurück zog. Man kann leicht glauben, daß er bey der geringsten Bewegung seiner Feinde gewiß nicht unterlassen haben wird, ihnen dies fürchterliche Mordgewehr jedesmal mit Drohen entgegen zu halten; da er aber keine Anstalten zu seiner Rettung gewahr ward, und sich vor Hitze, Müdigkeit und Abmattung nicht mehr zu lassen wußte, so fieng er bereits, in Verzweiflung auf die fernem Dienste seines getreuen Zahnstocher-Etuis, an, sein Leben aufzugeben, als eine wohlgebildete junge Frauensperson ihn in Schutz nahm. Mit fliegendem Haar trat sie aus dem Gedränge zu ihm. Unschuld, Güte und zärtliches Mitleid waren so deutlich in ihren Mienen zu lesen, daß er sich alles guten zu ihr versehen durfte. Sie reichte ihm ein Stück von einer Pompelmuß; und weil er es mit Begierde und Dank annahm, so gab sie ihm immer mehr, bis er die ganze Frucht verzehret hatte. Endlich stießen die Boote vom Schiffe ab, und so bald die Indianer dies gewahr wurden, stäubten sie eilfertigst auseinander. Nur seine großmüthige Beschützerin und ein alter Mann, ihr Vater, blieben unbekümmert und unbesorgt, in völligem Bewußtseyn ihres guten rechtschaffnen Betragens, bey ihm sitzen. Sie fragte nach seinem Namen, und als er sich, dem tahitischen Dialect gemäß, Patine genannt hatte; so versprach sie ihm, diesen Namen künftig zu führen, veränderte ihn aber in Patsini. Beym Abschiede beschenkte er sie und ihren Vater mit allerhand Kleinigkeiten, die er von den Matrosen zusammen borgte, und damit kehrten die beyden guten Leute höchstvergnügt nach ihrer Heimath zurück. Herr Patton stattete bey seiner Rückkunft dem Capitain Cook sogleich Bericht ab, was ihm, in Ermanglung gehörigen Beystandes, begegnet war; er bekam aber keinen andern Bescheid, als diesen, es sey ihm ganz Recht geschehen, daß er sein Gewehr eingebüßt habe; er hätte den Eingebohrnen nicht trauen, sondern vorsichtiger seyn sollen. Gleichwohl bestand seine ganze Unvorsichtigkeit darinn, daß er sich auf der Jagd etwas verspätet hatte, und das war manchem andern von uns mehr als einmal begegnet, ohne daß etwas darüber gesagt worden wäre. Den Nachmittag giengen wir verschiedentlich am Ufer spatzieren. Mein Vater aber streifte in Begleitung eines einzigen Matrosen überall im Lande herum, ohne von den Indianern im geringsten belästigt zu werden, und kam am Abend mit einer Menge neuer Pflanzen zurück. Es entstand auch sonst keine Klage mehr gegen die Einwohner, ausgenommen, daß sie einige kleine Diebereyen verübt hatten, worinn sie eben so geschickt waren, als ihre Brüder auf Tongatabu und auf den Societäts-Inseln.

Am folgenden Morgen früh entdeckten wir in Nordwest einige Inseln, die wegen des nebligten Wetters bisher nicht zu sehen gewesen waren. Die beyden westlichsten schienen bergigt und spitz; die dritte aber, dem Umfange nach, am größten zu seyn. Von dieser letztern stieg ein dicker Dampf empor; und während der vergangnen Nacht hatten wir in eben derselben Gegend ein Feuer bemerkt. Die Indianer berichteten uns, dies Feuer sey beständig zu sehen; wir vermutheten also, daß es von einem Volcan herrühren müsse. Sie nannten dies Eyland Tofua[5] und die dabey liegende Insel mit dem spitzen Berge, E-Ghao[6]. Nordwärts von diesen beyden Inseln, konnten wir dreyzehn flache Eylande unterscheiden, deren Namen uns die Einwohner, der Reihe nach, herzusagen wußten.

Nach dem Frühstück eilten wir zu Fortsetzung unserer Untersuchungen von neuem ans Land, blieben aber nicht lange am Strande, wo sich wieder eine Menge von Leuten beyderley Geschlechts versammlet hatte. Die erste Pflanze, welche uns aufsties, war eine schöne Art von Lilien (Crinum asiaticum) und dergleichen schätzbare Blumen trafen wir bald noch mehrere an. Der Weg den wir genommen hatten, brachte uns an den Ort, wo die Wasserfässer gefüllet wurden. Dies geschähe an einem stillstehenden, ohngefähr einhundert, bis hundert und fünfzig Schritte langen, und fünfzig Schritte breiten Teiche. Das Wasser desselben ist von ziemlich salzigem Geschmack, daher es fast scheint, daß dieser Teich, unter der Erde, mit dem nahegelegenen Salz-See Gemeinschaft haben müsse. Lieutenant Clerke, der hier bey den Wasserleuten auf Commando war, erzählte uns im Vorbeygehen, daß ihm ein Indianer, mit großer Behendigkeit, seine Muskete weggeschnappt habe, und damit entronnen sey. Von hier aus botanisirten wir in dem schattenreichen Walde von Mangle-Bäumen, der die Ufer des Salz-Sees einfaßt. Diese Bäume nehmen sehr viel Land ein, und wachsen je länger je mehr in einander. Sie lassen ihren Saamen nicht, wie andre Baum-Arten, ausfallen, sondern die befruchteten Spitzen der Äste neigen sich gegen die Erde herab, schlagen daselbst eine neue Wurzel und werden solchergestalt zu neuen Stämmen, die wiederum frische Zweige treiben. Während daß wir hier nach Kräutern suchten, dünkte es uns, als ob drey Canonen-Schüsse abgefeuert würden; weil indessen der Schall, zwischen den Bäumen, sehr gedämpfet wurde; so dachten wir, es könnten auch wohl nur überladene Flinten-Schüsse seyn, dergleichen, bey der Unerfahrenheit unsrer jungen ungeübten Schützen, eben nichts neues waren. Auf dem Rückwege von diesem Salz-See kamen wir durch einen Baumgarten, wo uns die Indianer, unter freundlicher Begrüßung zum Niedersetzen einluden; wir mochten uns aber nicht aufhalten, sondern eilten der Enten-Jagd wegen nach dem Platz zurück, wo unsre Wasserfässer angefüllet wurden. Dort kam uns der Loots, Herr Gilbert, mit der Nachricht entgegen, daß die drey Canonen-Schüsse, imgleichen eine Salve aus dem kleinen Gewehre, blos als Signale wären abgefeuert worden, dadurch man uns, wegen eines mit den Indianern entstandenen Streits, hätte zurück rufen wollen. Der Capitain stand auch schon, an der Spitze eines Commando See-Soldaten, in der Nachbarschaft, und zween von den Eingebohrnen, die sich seitwärts niedergehuckt hatten, riefen uns ganz schüchtern, einmal über das andre Wòa, d. i. Freund! zu. Anfänglich vermutheten wir, daß die Entwendung von Herrn Clerk's Gewehr zu dieser Mißhelligkeit Anlaß gegeben habe, und wunderten uns, daß man deshalb so fürchterliche Anstalten gemacht hatte: Gleichwohl kam es im Grunde auf eine noch weit unbedeutendere Kleinigkeit an. Unser Böttcher war nemlich, bey Ausbesserung der Wasserfässer, nicht achtsam genug auf sein Handbeil gewesen; also hatte ein Indianer die Gelegenheit ersehen und war damit entlaufen. Um nun dies kostbare Instrument, wovon gleichwohl noch zwölf Stück auf dem Schiffe vorräthig waren, wiederum herbeyzuschaffen, ließ der Capitain, sogleich einige doppelte große Canots in Beschlag nehmen, ohnerachtet diese Fahrzeuge gar nicht einmal hiesigen Insulanern zugehörten, sondern blos des Handels wegen von den benachbarten Inseln herbey gekommen waren, und folglich an dem ganzen Vorfall unschuldig seyn mußten. So befremdend indessen den Indianern dies Verfahren auch vorkommen mogte, so hatte es doch den Nutzen, daß sie Herrn Clerk's Gewehr auf der Stelle zurück brachten. Um nun auch noch das Böttcher-Beil wieder zu bekommen, mußte noch ein Canot confisciret werden. Der Eigenthümer, der selbst in diesem Fahrzeuge und keines Vergehens sich bewußt war, machte Miene, sein angefochtnes Eigenthurn zu vertheidigen, indem er einen Speer ergrif, und damit nach dem Capitain zielte. Dieser legte aber sein Gewehr an, gebot dem Indianer, den Wurfspieß von sich zu werfen, und schoß ihm, weil er nicht gleich Lust dazu bezeigte, ohne weitere Umstände eine Ladung Hagel durch die Faust und durchs dicke Bein, daß er, wegen der geringen Entfernung des Schusses, vor Schmerz zu Boden stürzte. Damit noch nicht zufrieden, ward Befehl gegeben, daß vom Schiffe aus drey Kanonen, eine nach der andern, gegen die höchste Spitze der Insel hin, abgefeuert werden sollten. Nun, dachte man, würden die Indianer sich eiligst entfernen; allein, in vollem Vertrauen auf ihre Unschuld blieben sie zum Theil noch immer am Strande, ja einige Canots ruderten, nach wie vor, um das Schiff herum. Einer von den Indianern betrug sich bey dieser Gelegenheit, vor allen seinen übrigen Landesleuten, ganz besonders stoisch. Er hatte ein kleines Canot, in welchem er den andern Canots, die vom Lande herkamen, immer entgegen fuhr, um aus denselben, für Corallen und Nägel, die er von uns gelöset hatte, das, was ihm am besten anstand, aufzukaufen, und dergleichen ausgesuchte neue Ladungen mit desto größerm Vortheil bey uns anzubringen. Da er nicht leicht ein Canot an das Schiff heran ließ, bevor ers nicht durchsucht hatte, so nannten ihn die Matrosen nur den Zollhaus-Visitator. Dieser Kerl lag eben dicht an der Seite unseres Schiffes und schöpfte das eingedrungene Wasser aus seinem Canot, als die Kanonen, kaum 6 Fuß hoch über seinem Kopfe, abgefeuert wurden. Man hätte also wohl vermuthen können, daß das plötzliche Krachen des Geschützes ihn gewaltig erschreckt, ja gleichsam betäubt haben würde. Allein von alle dem erfolgte nicht das geringste; er sahe nicht einmal darnach in die Höhe, sondern blieb, nach wie vor, bey seinem Wasserschöpfen, und trieb unmittelbar darauf seinen Handel wiederum fort, gleichsam als ob gar nichts vorgefallen wäre.

Wir waren noch nicht lange zu dem Capitain und seinem Commando gestoßen, als die unglückliche Veranlassung alles Unheils, das Böttcher-Beil, wieder abgeliefert wurde. Eine Frauensperson von mittlerm Alter, die einiges Ansehen zu haben schien, hatte etliche ihrer Leute darnach ausgeschickt, und diese schafften nicht nur dies eine Stück, sondern auch eine Patrontasche und Herrn Pattons Vogelflinte wieder herbey, welche, dem Anschein nach, im Wasser versteckt gewesen seyn mußte. Es währete nicht lange, so brachten ein paar Indianer ihren verwundeten Landsmann, der fast keine Besinnung mehr zu haben schien, auf einem Brette zu uns hergetragen. Man schickte deshalb gleich nach dem Wundarzt Herrn Patton, und ließ den armen Schelm unterdessen auf den Boden niedersetzen. Die Eingebohrnen kamen nun nach gerade wieder, und die Frauensleute ließen sichs vorzüglich angelegen seyn, Friede und Ruhe wieder herzustellen; doch schienen ihre schüchternen Blicke uns anzuklagen, daß wir grausam mit ihnen umgegangen wären. Endlich setzten sich ihrer fünfzig oder mehrere auf einen schönen grünen Rasen, und winkten, daß wir neben ihnen Platz nehmen möchten. Jede dieser Schönen hatte ein Paar Pompelmuße mitgebracht, welche sie mit freundlich liebkosender Gebehrde bissenweise unter uns austheilte. Herrn Pattons Freundin, zeichnete sich, durch ihre jugendliche Schönheit, vor allen übrigen Frauenzimmern aus. Sie war von hellerer Farbe als das gemeine Volk, dabey wohl gewachsen von sehr proportionirtem Gliederbau, und von überaus regelmäßiger, gefälliger Gesichtsbildung. Feuer strahlte aus den lebhaften schwarzen Augen, und den schönen Hals umflossen schwarze lockigte Haare. Ihre Kleidung bestand aus einem Stück braunen Zeuges, das unter der Brust dicht an den Leib anschloß, aber von den Hüften herab weiter ward, und dieses ungekünstelte Gewand stand ihr besser als die zierlichste europäische Tracht sie geputzt haben würde.

Unterdessen war Herr Patton mit den nöthigen Instrumenten angelangt, und verband nun den verwundeten Indianer. Als er mit der Bandage fertig war, schlugen die Eingebornen noch Pisangblätter darüber her, und so überließen wir ihn ihrer eigenen Curmethode; doch ward dem Kranken eine Flasche Brandtewein, mit der Vorschrift, gegeben, daß er von Zeit zu Zeit die Wunden damit mögte waschen lassen. Der arme Kerl mußte viel Schmerzen ausgestanden haben, denn da der Schuß nur in einer Entfernung von wenig Schritt auf ihn abgefeuert worden, so waren die Theile, wo das Schroot eingedrungen, gleichsam zerschmettert; sonst hatte es eben keine Gefahr, weil die Wunden nur im dicken Fleische waren. Um die Sache vollends wieder gut zu machen, theilten wir eine Menge Corallen unter die Leute aus, und kehrten alsdann, mit gegenseitigen Freundschaftsversicherungen, wieder nach dem Schiffe zurück. Das Volk war auf dieser Insel eben so friedfertig, und dabey eben so gewinnsüchtig, als auf Tongatabu. Sie trugen uns unsre Übereilung nicht nach, sondern fuhren ungestört fort, am Schiffe Handel zu treiben. Die ganze Nation schien zur Kaufmannschaft gebohren zu seyn, denn ein jeder ließ sichs eyfrigst angelegen seyn, etwas von unsern Waaren oder Merkwürdigkeiten einzutauschen. Unter andern fanden sie ein besonderes Wohlgefallen an jungen Hunden, davon wir auf den Societäts-Eylanden eine große Anzahl an Bord genommen hatten, um sie allenfalls auf denen Inseln einzuführen, wo diese Art von Thieren noch nicht vorhanden seyn würde. Zwey Paare davon überließen wir den hiesigen Einwohnern, und sie versprachen uns sorgfältig damit umzugehen. Zu den cörperlichen Geschicklichkeiten dieser Insulaner gehört vornemlich, daß sie ihre Canots sehr gut zu regieren, und auch vortreflich zu schwimmen wissen. Die gewöhnlichen Fahrzeuge, darinn sie Waaren an das Schiff brachten, waren nur klein, aber sauber gearbeitet und sehr gut abgeglättet, wie ich weiter oben schon angemerkt habe. Diejenigen Canots hingegen, die von den benachbarten Inseln her zu uns kamen, waren ansehnlicher, und je zwey derselben durch eine Anzahl Queerbalken zusammengekoppelt, so, daß in manchem wohl fünfzig Mann Platz hatten. In der Mitte war gemeiniglich eine Hütte aufgerichtet, damit die Leute im Schatten seyn und ihre Waaren, Waffen, und andere nöthige Geräthschaften im Trocknen aufbewahren konnten. In dem Fußboden dieser Hütte, der aus den queer über die Canots gelegten Brettern bestand, waren Öfnungen gelassen, vermittelst deren man in den Bauch der Canots herabstieg. Die Mäste bestanden aus starken Bäumen, die nach Gefallen niedergelegt werden konnten. Die Seegel waren groß und dreyeckigt, taugten aber nicht gut zum Laviren. Ihr Tauwerk hingegen war vortreflich; und statt der Anker hatten sie an dem untern Ende eines starken Kabel-Taues etliche große Steine befestigt, die vermöge ihrer Schwere das Schiff anhielten.

Da der Capitain schon am folgenden Tage von hier abseegeln wollte, so giengen wir, gleich nach Tische wieder ans Land, um die noch übrige Zeit so gut als möglich zu nutzen. In dieser Absicht strichen wir durch Felder und Gebüsche, und sammleten eine Menge schätzbarer Pflanzen. Auch kauften wir einen Vorrath von Keulen, Speeren und allerhand Hausrath, als: kleine Stühle, große hölzerne Schüsseln und Schaalen, imgleichen etliche irdene Töpfe, die lange im Gebrauch gewesen zu seyn schienen. Wozu die Leute eine solche Menge Waffen haben? ist bey ihrem gutherzigen und verträglichen Charakter nicht leicht abzusehen. Zwar könnten sie wohl, so gut als die Tahitier, mit ihren Nachbaren in Uneinigkeit leben; allein, die Streit-Kolben waren so sehr mit Schnitzwerk und andern Zierrathen ausgeschmückt, daß sie, allem Anschein nach, nicht oft Gebrauch davon machen müssen.

Am folgenden Morgen lichteten wir bey Anbruch des Tages die Anker, und steuerten nach dem Eyland Tofua hin, auf welchem wir, auch in dieser Nacht, das Feuer des Volcans wiederum wahrgenommen hatten. Eine ganze Flotte von Canots begleitete uns etliche Meilen weit, um noch Kleider, Hausrath und Putzwerk anzubringen. Einige führten uns auch, als Proviant-Boote, mancherley Fische nach, die hier durchgehends von sehr wohlschmeckender Art waren.

Die Insel Namocka, auf welcher wir uns nur zween Tage verweilt hatten, liegt unter 20°. 10'. südlicher Breite, im 174° 32'. Westlicher Länge, und hält nicht über fünfzehn Meilen im Umkreise, ist aber ungemein volkreich. Sie schien die ansehnlichste unter allen umliegenden Inseln, welche überhaupt häufig bewohnt und an Pflanzen und Gewächsen ausnehmend fruchtbar sind. Sie liegen allesammt auf einer Art von Bank, wo das Meer von neun, bis zu sechzig und siebenzig Faden Tiefe hat. Der Boden ist auf diesen Inseln vermuthlich durchgehends von einerley Beschaffenheit. Namocka besteht, gleich Tongatabu, aus einem Corall-Felsen, der mit einer Schicht von sehr fettem und allerhand Pflanzen hervorbringendem Erdreich bedeckt ist. Aus Mangel genugsamer Zeit konnten wir den mitten auf der Insel befindlichen Hügel nicht gehörig untersuchen; sonst wäre es freylich der Mühe werth gewesen, nachzuspüren, ob er nicht etwa andern Ursprungs, als der Rest des Landes, und, wenn gleich itzt mit Gesträuch bewachsen, dennoch wohl durch einen feuerspeyenden Berg hervorgebracht seyn möchte, indeß der übrige Theil der Insel aus Corall-Felsen besteht. Daß die hiesigen Einwohner, vermittelst des Teiches, Überfluß an süßem Wasser haben, ist ein großer Vortheil, und sind sie in dem Stück weit besser dran, als die Bewohner von Tongatabu. Demohngeachtet scheinet das Baden hier nicht so all gemein eingeführt, als zu Tahiti; aber freylich badet sichs in dem dortigen fließenden Wasser besser und angenehmer, als hier in dem stillstehenden See. Übrigens wissen sie vollkommen, was gutes Trinkwasser für eine schätzbare Sache sey, denn sie brachten uns, wie auch zu Tasmanns Zeiten geschehen war, ganze Calebassen voll ans Schiff, als ob es ein ordentlicher Handelsartikel wäre. Nächst der Güte des Erdreichs ist dieser Überfluß an Wasser ohne Zweifel Ursach, daß Brodfrucht und Pompelmuß-Bäume hier häufiger, und überhaupt alle Pflanzen weit besser in die Höhe wachsen, als zu Tongatabu. Die Fruchtbarkeit erleichtert ihnen den Feldbau in manchen Stücken; sie brauchen z. B. nicht so viel Verzäunungen zu machen, als ihre Nachbarn, doch sind solche deshalb nicht gänzlich abgeschaft. Die langen Alleen von Brodfruchtbäumen, und der vortrefliche grüne Käsen unter denselben, kommen den fruchtbarsten Gegenden auf Ea-Uwhe oder der Insel Middelburg, an Schönheit gleich.[7] Die hochranckenden Pflanzen, welche sich an manchen Stellen wie die dicksten Lauben über die Fußsteige hergewölbt hatten, trugen zum Theil schöne, wohlriechende Blumen. Hin und wieder ein anmuthiger Hügel, wechselsweise eine Gruppe von Häusern oder Bäumen, und an manchen Stellen ein Landsee, – machten, zusammengenommen, ungemein schöne Prospecte aus, die durch den äußeren überall sichtbaren Wohlstand der Einwohner, noch mehr erheitert und belebt wurden. Bey den Häusern liefen Hühner und Schweine umher. Pompelmuße waren so häufig, daß sie niemand einsammlete, ohnerachtet fast unter jedem Baume eine beträchtliche Anzahl, aus Überreife abgefallen, auf dem Boden lag. Die Hütten waren durchgehends mit Yam-Wurzeln angefüllet, kurz, wo man nur hinsahe, da fanden sich Spuren des Überflusses, vor dessen erfreulichem Anblick Kummer und Sorgen entfliehen. Für uns hatten dergleichen angenehme Scenen auch deshalb einen besondern Werth, weil wir sie gemeiniglich erst durch die Beschwerlichkeiten der Seefahrt erkaufen mußten; je unangenehmer diese gewesen waren, desto schöner kamen uns natürlicherweise jene vor. Man wird mirs daher auch zu gut halten, wenn ich nicht müde werde, den Eindruck, den der Anblick einer solchen Gegend in mir hervorbrachte, jedesmal von neuem zu beschreiben. Wer spricht nicht gern und oft von Gegenständen, die ihm Wohlgefallen? Herr Hodges hat eine Aussicht auf dieser Insel abgezeichnet, die zum Behuf von Capitain Cook's Reise in Kupfer gestochen ist, und einen Bauerhof, nebst der umliegenden Gegend, sehr richtig abbildet.

Die Bewohner dieses reizenden Aufenthalts schienen mir in keinem Stück von den Einwohnern der Inseln Tongatabu und Ea-Uwhe unterschieden zu seyn. Sie sind von mittlerer Größe, sehr wohl proportionirt, fleischig, aber keinesweges schwerfällig, und von castanienbrauner Farbe. Ihre Sprache, die Fahrzeuge, Waffen, Hausrath, Kleidung, Puncturen, die Art den Bart zu stutzen, das Einpudern des Haares; kurz, ihr ganzes Wesen und alle ihre Gebräuche stimmten so mit dem, was wir hievon auf Tongatabu gesehen hatten, genau überein. Nur konnten wir, in der kurzen Zeit unsers Hierseyns, keine Art von Subordination unter ihnen gewahr werden, welche hingegen zu Tongatabu sehr auffallend war, und, in den Ehrenbezeugungen für den König, fast bis zur äußersten Sclaverey gieng. Hier auf Namocka fanden wir Niemand, der ein ausdrückliches Ansehn oder Herrschaft über die andern gehabt hätte, es müßte denn der Mann gewesen seyn, den unsre Matrosen den Zollhaus-Visitator nannten, in so fern dieser alle an Bord kommende Canots durchsuchte. Die Frau, welche nach den gestohlnen Sachen schickte, mochte auch wohl etwas zu sagen haben. Herrn Pattons wohlthätige Beschützerin war, unseres Wissens, auf der ganzen Insel die einzige Frauensperson, welche das Haar nicht gestutzt trug; und da wir durchgehends bemerkt zu haben glauben, daß es, in den Inseln der Süd-See, nur Frauenzimmern von gewissem Range als ein besonderes Vorrecht gestattet wird, die Haare wachsen zu lassen[8], so könnte, auch diese hier, wohl zu einer vornehmern Classe gehört haben, welches ihr äußerer Anstand ohnehin zu verrathen schien. Indessen will ich dadurch, daß wir den Unterschied der Stände hier nicht recht gewahr wurden, keinesweges zu verstehen geben, als ob diese Insulaner keine bestimmte Regierungsform unter sich hätten; im Gegentheil läßt sich aus der Ähnlichkeit mit ihren Nachbaren, welche durchgehends unter einer monarchischen Verfassung leben, ja aus dem Beyspiel aller bisher bekannt gewordnen Südsee-Inseln, schließen, daß eine gleiche Regierungsart auch hier statt finden müsse. Ihre ungemeine Ähnlichkeit mit den Einwohnern auf Tongatabu ist beynahe Bürge dafür, daß sie gleichen Ursprung, vielleicht auch gleiche Religions-Begriffe mit jenen haben; obschon weder ich, noch meine Reise-Gesellschafter, auf allen unsern Spatziergängen in dieser Insel, nirgends ein Fayetuka, noch sonst einen Fleck antrafen, der die mindeste Ähnlichkeit mit einem Begräbnißplatz gehabt hätte, dergleichen man doch auf Tongatabu verschiedene findet[9].

Die Nachrichten älterer Reisenden bezeugen, daß zwischen dem 170 und 180sten Grad östlicher Länge von Greenwich, und innerhalb des 10ten bis zum 22sten Grade südlicher Breite, eine große Menge Inseln liegen. So viel wir bis jetzt von denselben wissen, scheinen sie allesammt durch einerley Art von Leuten bewohnt zu seyn, die den selbigen Dialect der Südsee-Sprache reden, alle in gleichem Grade gesellig und alle zum Handel geneigt sind. Diese Eylande könnte man also insgesammt zu den sogenannten freundschaftlichen Inseln rechnen. Sie sind durchgehends sehr stark bewohnt, vornehmlich diejenigen, die wir besucht haben. Tongatabu ist gleichsam von einem Ende zum andern als ein einziger großer Garten anzusehen. Ea-Uwhe, Namocka und die zunächst gelegnen Inseln, gehören ebenfalls zu den fruchtbarsten Landflecken der ganzen Südsee. Wir können also ohne Unwahrscheinlichkeit annehmen, daß die Zahl der Einwohner auf allen diesen Inseln sich wenigstens gegen 200,000 erstrecken müsse. Das gesunde Clima und die vortreflichen Früchte desselben, machen, daß sie von den mannigfaltigen Krankheiten, die uns Europäer so leicht hinwegraffen, gar nichts wissen; und die Einfalt ihrer Begriffe steht mit dem geringen Maaß ihrer Bedürfnisse in vollkomnem Gleichgewicht. In den Künsten haben sie es weiter gebracht, als andre Völker der Südsee; die Schnitzkunst und andre nützliche Handarbeiten machen ihren Zeitvertreib aus, dem eine wohlklingende Music noch mehrern Reiz giebt. Die größere Ausbildung ihres Geschmacks bringt ihnen auch noch den Vortheil zuwege, daß sie mehr Begriff und Gefühl vom Werth der körperlichen Schönheit haben, und eben dieses Gefühl ist es, welches die zärtlichsten Verbindungen in der menschlichen Gesellschaft, die gegenseitige Neigung beyder Geschlechter, so angenehm als dauerhaft macht. Überhaupt genommen sind sie arbeitsam; ihr Betragen gegen die Fremden aber dünkte uns mehr höflich, als aufrichtig zu seyn, so wie auch der allgemeine Hang zum Wucher, die wahre Herzensfreundschaft bey der Nation überhaupt verdrungen, und an deren statt eine steife Höflichkeit hervorgebracht zu haben scheint. Dies alles ist dem Character der Tahitier gerade entgegen gesetzt, denn diese finden am unthätigen Leben Wohlgefallen; sind aber viel zu aufrichtig, als daß sie sich bey ihrem Betragen um den äußern Schein gewisser Manieren bewerben sollten. Dagegen giebt es auf Tahiti und den Societäts-Inseln viele in Wollust versunkne Errioys, deren moralischer Character etwas abgewürdigt zu seyn scheint; indeß auf den freundschaftlichen Inseln alle jene Laster, die der übermäßige Reichthum zu veranlassen pflegt, dem Ansehen nach, noch ziemlich unbekannt sind.

Gegen Mittag verließen uns die Canots, welche von Namocka aus, unsre Begleitung ausgemacht hatten, und kehrten wieder nach den unterschiedenen niedrigen Inseln zurück, die hier in der Nachbarschaft und insgesammt als eben so viel fruchtbare und schöne Gärten umher lagen. Nachmittags ließ der Wind nach und drehete sich, so daß wir mehr rück- als vorwärts kamen. Dies machten sich unterschiedne Indianer zu Nutze und ruderten von neuem herbey; denn sie ließen sich keine Mühe verdrießen, um eiserne Nägel, und Stücken von Zeug einzuhandeln. Gegen Abend hatte die Anzahl der Canots so zugenommen, daß sie, wie heute Morgen, eine kleine Flotte ausmachten und der Tauschhandel von beyden Seiten so lebhaft, als je, betrieben ward.

Am folgenden Morgen fanden sich die Canots von neuem und zwar schon bey Anbruch des Tages ein; es war ein Vergnügen, sie aus allen Gegenden hin und her seegeln zu sehen. Wenn sie den Wind hinter sich hatten, so gieng es sehr schnell, denn dazu waren die Fahrzeuge recht gut eingerichtet; und die großen dreyeckigten Seegel gaben ihnen, zumal in einer gewissen Entfernung, ein schönes mahlerisches Ansehen. Es währete indessen nicht lange; so erhob sich der Wind und machte dem Handel ein Ende, denn nun verließen wir sie und seegelten nach den beyden hohen Inseln, die wir von unserm vorigen Ankerplatz aus entdeckt hatten. Nachmittags holten uns abermals drey Canots ein; das eine derselben war mit fünfzig Mann besetzt, und verkaufte uns, während daß wir den engen Canal zwischen beyden Inseln paßirten, allerhand Waaren. Die größere dieser beyden Inseln, hatten wir gegen Süden. In der Landessprache heißt sie Tofua, und scheint bewohnt zu seyn. Einige Indianer, die bey uns an Bord waren, erzählten, daß süßes Wasser, Cocos-Nüsse, Pisang- und Brodfruchtbäume häufig darauf zu finden wären. Man konnte auch schon von weitem eine Anzahl Palmen und eine große Menge Casuarina-Bäume unterscheiden. Im Ganzen genommen, schien das Land zwar sehr steil und bergigt zu seyn; doch fehlte es auch nicht an fruchtbaren Stellen, die mit allerhand Kräutern und Gebüsch bewachsen waren. An der See, besonders nach jener Insel hin, sahen die Felsen Lavenartig und das Ufer wie mit schwarzem Sande bedeckt aus. Wir steuerten zwar bis auf Cabels-Länge heran, konnten aber dennoch nirgends einen Ankerplatz finden, weil das Wasser überall, achtzig und mehr Faden tief war. Die Durchfahrt mochte kaum eine Meile breit seyn, und das felsige Ufer der Insel, welches man jenseits derselben erblickte, war voller Löcher und Höhlen, an manchen Stellen auch, wenn gleich auf eine ziemlich unförmliche Art, Säulen-ähnlich gestaltet. Des neblichten Wetters wegen konnte man den eigentlichen Gipfel der Insel nicht deutlich erkennen; doch sahe man einen beträchtlichen Dampf davon empor steigen. Dieseits des Canals oder der Durchfahrt, schien es, als ob dieser Rauch auf der anderen Seite des Berges ausbräche; jenseits aber dünkte es uns hinwiederum, als ob er von der Seite herkäme, auf welcher wir zuvor gewesen waren! Aus diesem Blendwerk ließ sich abnehmen, daß die Spitze des Berges hohl seyn oder einen Crater ausmachen, und aus diesem der Dampf hervorkommen müsse. An der Nordwest-Seite des Gipfels fand sich, unterhalb der rauchenden Stelle, ein Fleck, der nicht längst erst vom Feuer verheeret seyn mochte, wenigstens sahe man daselbst nicht das geringste Grün, dahingegen die übrigen Seiten des Berges mit allerhand Kräutern bewachsen waren. Als wir uns in dem Striche befanden, nach welchem der Wind den Rauch hintrieb, fiel ein Regenschauer ein, und verschiedene unter uns bemerkten, daß das Wasser, wenn es ihnen in die Augen kam, beißend und scharf war. Vermuthlich hatten sich mit diesem Regen einige Theilchen vermischt, die der Volkan ausgeworfen oder ausgedunstet hatte. Der Süd-Süd-Ostwind, der ziemlich frisch zu wehen anfieng, führte uns so schnell von dieser Insel weg, daß wir, in Ermangelung eines gehörigen Ankerplatzes, auch nicht von fern her, mehrere Beobachtungen über den Volkan anstellen konnten. Dies war aber um desto mehr zu bedauern, weil eben dieses Phönomen auf die Oberfläche der Erde und ihre Veränderung großen Einfluß hat.

 

[1774. Julius.]

 

Nun seegelten wir nach W. S. W. Auf diesem Striche entdeckten wir des folgenden Tages, als den 1sten Julius, ohngefähr um Mittagszeit Land, welches nach der Richtung unsers Laufes zu urtheilen, noch von keinem Seefahrer bemerkt worden war. Desto begieriger steuerten wir also darnach hin, und kamen auch vor Einbruch der Nacht ziemlich nahe heran; mußten aber, der vor uns befindlichen Brandung wegen, die ganze Nacht über gegen den Wind laviren, um nicht in Gefahr zu gerathen. Kaum war es dunkel geworden, als wir unterschiedene Lichter am Lande wahrnahmen, ein untrügliches Zeichen, daß die Insel bewohnt sey.

Am folgenden Morgen näherten wir uns der Küste wieder, und kamen um die östliche Ecke herum. Das Land schien ohngefähr eine Seemeile lang, und enthielt zwey sanft anlaufende Hügel, die, gleich so der ganzen übrigen Insel, mit Holz bewachsen waren. Ein Ende dehnte sich in eine flache Landspitze aus, und auf dieser bemerkten wir ein angenehmes Gehölz von Cocos-Palmen und Brodfruchtbäumen, in deren Schatten Häuser lagen. Ein sandiger Strand machte die äußerste Seeküste aus, und diese war an der Ostseite von einem Coral Rief gedeckt, der eine halbe Meile vor dem Ufer herablief, an beyden Enden aber fast zwey Meilen weit in die See hinaus reichte. Es währete nicht lange, so kamen auf dem Riefe fünf schwarzbraune Männer zum Vorschein, die, mit Keulen bewaffnet, scharf nach uns hin sahen. Als wir aber ein Boot aussetzten, um durch unsern Lootsen die Einfahrt in den Rief untersuchen zu lassen, so ruderten sie in ihrem Canot eilfertig nach der Insel zurück. Indessen paßirte der Loots die Durchfahrt, und folgte den Indianern nach der Küste hin, wo ohngefähr ihrer dreyßig beysammen seyn mochten. Zehn oder zwölfe derselben waren mit Speeren bewaffnet; dennoch zogen sie ihr kleines Fahrzeug, aus Vorsorge, in den Wald hinein, und sobald der Loots an Land stieg, liefen sie alle davon. Er legte ihnen etliche Nägel, ein Messer und ein paar Medaillen auf den Strand hin, und kam hierauf mit dem Berichte ans Schiff zurück, daß, in der Durchfahrt des Riefs, die See unergründlich tief, innerhalb aber allzu seicht sey. In dem Haven hatte er mehr denn ein Dutzend große Schildkröten herum schwimmen gesehen; da es ihm aber an Harpunen und anderem nöthigen Geräthe fehlte, so konnte er nicht eine einzige davon habhaft werden. Solchergestalt mußten wir das Boot wieder einnehmen, und alle Hofnung fahren lassen, auf dieser Insel botanisiren zu gehen. Bey der Abfahrt bemerkten wir auf dem Riefe unterschiedene große Corallen-Felsen, die ohngefähr fünfzehn Fuß über Wasser standen, unten spitz, oberhalb aber breit waren. Ob ein Erdbeben sie so weit über die See empor gebracht, (in deren Schoos sie doch entstanden seyn müssen,) oder ob dies besondere Phönomen einer andern Ursache zuzuschreiben sey? kann ich nicht entscheiden.

Einige Meilen westwärts von dieser Insel fanden wir ein großes zirkelförmiges Corallen-Rief, und innerhalb desselben einen See. Die Aussage des Lootsen, daß er an jener Insel so viel Schildkröten angetroffen habe, brachte uns auf die Vermuthung, daß sich vielleicht auch hier dergleichen aufhalten möchten; es wurden also Nachmittags zwey Boote auf den Schildkrötenfang ausgeschickt, der aber ganz fruchtlos ablief, weil man auch nicht eine zu Gesicht bekommen hatte. Die Boote wurden folglich unverrichteter Sache wiederum eingehoben, und wir verließen dies neuentdeckte Land noch vor Abends wieder. Es ward Turtle-Eyland von uns genannt, und liegt im 19°, 48'. südlicher Breite und dem 178°, 2'. westlicher Länge. Von hier aus steuerten wir, bey einem frischen Passat-Winde, des Tages unabläßig West-Süd-West, des Nachts aber legten wir bey. Auf diesem Striche blieb unsre sonst gewöhnliche Begleitung von Vögeln aus; nur dann und wann ließ sich ein Tölpel (Booby) oder ein Fregatten-Vogel sehen. Das schöne Wetter, die Yams von Namocka, und die Hofnung, in diesem unbefahrnen Theile der Süd-See neue Entdeckungen zu machen, erhielten uns indessen munter und vergnügt.

Am 9ten Julius, da wir ohngefähr 176°. östlicher Länge im 20sten Grad Südlicher Breite erreicht hatten, änderten wir unsern Lauf und steuerten nach Nord-West. Bis zum 12ten dauerte der frische, gute Wind ohne Abänderung fort; am 13ten aber, da er etwas nachzulassen anfieng, fielen, sowohl Morgens als Abends, einzelne Regentropfen. Es waren heute gerade zwey Jahr, seit unserer Abreise aus England, verflossen; die Matrosen unterließen daher nicht diesen Tag, nach ihrer gewöhnlichen Art, das heißt, bey vollen Gläsern zu feyern. Zu dem Ende hatten sie von ihrem täglichen Deputat an Brandtwein ausdrücklich etwas gespart, und sichs vorgenommen, allen Kummer und Verdruß in Grog, dem wahren Lethe des Seemanns, zu ersäufen. Einer von ihnen, der ein halber Schwärmer war, hatte, wie im vorigen Jahr, also auch diesmal wieder, ein geistliches Lied auf diesen Tag gemacht, und hielt nach Absingung desselben seinen Cameraden eine ernstliche Buspredigt; alsdenn aber setzte er sich auch zu ihnen hin, und ließ sich die Flasche eben so kräftig, als die Buße empfohlen seyn; indessen gieng es ihm dabey, wie den andern mit der Sünde, sie überwältigte ihn.

Die beyden folgenden Tage bekamen wir frischen Wind, am dritten aber, neblichtes und mit Regengüssen begleitetes Wetter. Eine Calabasse, die am 16ten neben dem Schiff in der See vorbey trieb, schien uns anzukündigen, daß wir nicht mehr weit von einer Küste seyn könnten, und wenige Stunden darauf, Nachmittages um 2 Uhr, sahen wir auch würklich eine hohe Insel von ziemlichen Umfange vor uns. Gegen die Nacht verstärkte sich der Wind, und die Wellen warfen das Schiff von einer Seite zur andern. Unglücklicherweise regnete es dabey so heftig, daß der Regen durchs Verdeck in unsre Cajütten eindrang, und Bücher, Kleider und Betten dermaßen naß machte, daß an keine Ruhe noch Schlaf zu denken war. Dieser heftige Sturm sowohl, als auch die unfreundliche Witterung, hielten den ganzen folgenden Tag an, und der Dunstkreis war dermaaßen mit Wolken angefüllt, daß wir das Land kaum dafür unterscheiden konnten, mithin nur ab- und zu laviren mußten. Dies Wetter war desto unangenehmer, weil wir es in dieser Gegend der See, welche immer das stille Meer genannt worden ist, gar nicht erwartet hatten. Man siehet hieraus, wie wenig dergleichen allgemeinen Benennungen zu trauen sey, und daß wenn Stürme und Orcane in diesem Meer gleich selten, sie dennoch nichts ganz ungewöhnliches oder gar unerhörtes sind. Vornemlich scheinen in dem westlichen Theil desselben heftige Winde zu herrschen. Als Capitain Pedro Fernandez de Quiros seine Tierra del Espiritu Santo verließ; als Herr von Bougainville auf der Küste von Luisiada war, und Capitain Cook in der Endeavour die östliche Küste von Neu-Holland untersuchte, fanden sie alle stürmisches Wetter. Vielleicht rührt solches von den großen Ländern her, welche in dieser Gegend des Oceans liegen; so viel ist wenigstens gewiß, daß, in der Nachbarschaft irgend eines bergigten und großen Landes, sogar die Passatwinde, die im heißen Himmelstrich unverrückt nach einerley Richtung wehen, diese Eigenschaft verlieren, unbeständig und veränderlich werden. Am folgenden Tage klärte sich das Wetter in so weit auf, daß wirs wagen durften, nach der Küste hinzusteuern. Man konnte nunmehro zwo Inseln unterscheiden; es waren die Pfingst- und die Aurora-Insel des Herrn von Bougainville, und wir liefen auf das Nord-Ende der letztern zu.

Nachdem wir solchergestalt zween Jahre damit zugebracht hatten, lauter schon entdeckte Inseln aufzusuchen, die mancherley Fehler unsrer Vorgänger zu berichtigen und alte Irrthümer zu wiederlegen; so fiengen wir nun das dritte, mit Untersuchung eines Archipelagus von Inseln an, welche der französische Seefahrer, wegen unzulänglicher Ausrüstung seiner Schiffe und bey gänzlichem Mangel an Proviant, kaum flüchtig hatte ansehen können. Diesem letztern Jahr unsrer Reise war das Glück vorbehalten, an neuen Entdeckungen besonders fruchtbar zu seyn, und uns für die beyden ersteren Jahre zu entschädigen. Zwar durften wir uns, auch in Absicht dieser, nicht beschweren, denn bey den mehresten Ländern, die wir bisher besucht, hatten unsere Vorgänger uns noch allerhand neues zu sagen übrig gelassen, und an Menschen und Sitten, als worauf der vornehmste Endzweck eines jeden philosophischen Reisenden vorzüglich gerichtet seyn soll, noch immer manches übersehen. Da aber das Neue gemeiniglich am mehresten geschätzt zu werden pflegt; so dürfte denn auch die folgende Geschichte von dem letzteren Theil unsrer Reise, in diesem Betracht, die angenehmste und unterhaltendste für den Leser seyn.

0:00