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TEXTPASSAGEN ÜBER TAHITI & DIE GESELLSCHAFTSINSELN von der 1. Reise

Für die Ausstellung im Original gekürzt von F. Vorpahl, 2023

Erster Teil – Siebentes Hauptstück:
Reise von Neu-Seeland nach O-Tahiti

Nachmittags gelangten wir in Cooks-Straße[1] liefen selbige nach Süden zu herab, und hatten nun den unermeßlichen Ocean vor uns, der unter dem Namen der Süd-See bekannt ist. Dieses große Meer war, demjenigen Theile nach der unter dem glücklichern warmen Himmels-Striche belegen ist, bereits vielfältig durchschifft worden; die kältern Gegenden oder die sogenannten mittlern Breiten hingegen, hatte vor Capitain Cooks erster Reise in der Endeavour, das ist, bis im Jahr 1770, noch kein europäischer Seefahrer zu untersuchen gewagt. Gleichwohl glaubte man durchgehends, daß in selbigen ein großes Land liegen müsse, und die Erdbeschreiber, die es in ihren Landcharten das südliche feste Land (Terra australis) nannten, hielten dafür, daß auf der West-Seite Neu-Seeland, auf der Ost-Seite aber ein Strich Landes, der dem Vorgeben nach gegen Amerika hin sollte entdeckt worden seyn, die Küsten desselben ausmachten. Da aber Capitain Cook auf seiner vorigen Reise gefunden hatte, daß Neu-Seeland nichts mehr als zwey große Inseln wären, und daß auch weder gegen Osten, nach Amerika hin, noch bis zum 40sten Grade gegen Süden herab, Land vorhanden sey; so war das Süd-Land seitdem schon in engere Schranken gebracht; doch waren auch diese immer noch ansehnlich und weitläuftig genug um die Aufmerksamkeit künftiger Seefahrer zu verdienen. Wir sollten nun den noch unerforschten Theil dieser See befahren, und standen jetzo, ohnerachtet es mitten im Winter war, im Begriff, zwischen dem 50 und 40sten Grade südlicher Breite, auf die Entdeckung neuer Länder, nach Osten hin, aus zu gehen. Viele unsrer Mitreisenden unternahmen diese gefährliche Reise mit der gewissen Zuversicht, daß wir die Küsten dieses Süd-Landes bald finden, und daß die Neuheit und Nutzbarkeit seiner Natur-Produkte uns für alle deshalb ausgestandene Mühe und Gefahren, reichlich belohnen würde. Capitain Cook aber und verschiedene andere, die nach dem Erfolge der vorigen Reise und nach dem was sie auf der jetzigen bereits erfahren und beobachtet hatten, urtheilten, machten sich wenig Hoffnung neue Länder zu entdecken, ja sie zweifelten sogar, daß es überhaupt ein solches Süd-Land gäbe.

Am folgenden Morgen um acht Uhr waren wir noch in der Mündung der Straße und hatten die hohen mit Schnee bedeckten Berge der südlichen Insel noch immer im Gesicht. Dieses wintermäßigen Ansehens ohnerachtet war in unsrer niedrigem Atmosphäre das Wetter hell und so gelinde, daß das Thermometer im Schatten auf 51 Grad stand. Große Züge von verschiednen Wallfisch-Arthen giengen beym Schiff vorbey; sie waren mehrentheils ganz schwarz und hatten einen weißen Fleck vor der hintersten Rücken-Finne. Wir feuerten auf sie, und trafen einen so nachdrücklich am Kopf, daß er nicht weiter tauchen konnte, sondern auf der blutgefärbten Oberfläche des Wassers gewaltig um sich zu schlagen anfieng. Er schien ohngefähr neun Fuß lang zu seyn, war schlank von Körper hatte aber einen stumpf geformten Kopf, daher ihn unsre Matrosen botle-nose nannten. Diesen Nahmen führt aber beym Dale ein ganz anderer Fisch, nervlich der Butskopf oder Schnabel-Wallfisch (beaked whale), dessen Nase einem Bouteillen-Halse ähnlich sieht.[2] Weil wir damahls eben so guten Wind hatten, daß wir in einer Stunde drey und eine halbe englische Meile seegelten, so hielt es der Capitain nicht der Mühe wert beylegen zu lassen um den todten Fisch einzunehmen. „ – Als heute zu Mittage der Capitain und Astronomus die Längen-Uhren aufziehen wollten, war niemand vermögend die Spindel an Herrn Arnolds Uhr umzudrehen, und also mußte man sie ablaufen lassen“. –

So bald wir das Land aus dem Gesicht verlohren hatten schwärmte eine unendliche Menge Albatroßen, von drey verschiednen Arten, um uns her. Die gemeinste oder größte Arth war von unterschiedlichen Farben, die wir ihrem verschiednen Alter zuschrieben. Die Ältesten waren fast ganz weiß, die Jüngern etwas mehr braun gesprenkelt, die jüngsten aber ganz braun. Einige unserer Matrosen, die ehemals auf Ostindienfahrern gedient hatten, versicherten ihre Cameraden, daß eine Reise nach Ostindien, in Vergleich der Mühseeligkeiten welche wir auf dieser hier auszustehen hätten, für gar nichts zu rechnen wäre. Sie erzählten hierauf wie gut und bequem sichs unter andern die Capitains auf dergleichen Reisen zu machen pflegten, und nach mancher Anecdote und Spötterey darüber, geriethen sie endlich auf den närrischen Einfall, daß die abgeschiedenen Seelen aller dieser Capitains, zur Strafe für ihre ehemalige üppige Lebensart zur See, hier in diese Albatroße wandern müßten, und nun auf die Süd-See gebannt wären, für die sie sich bey ihren Lebzeiten wohl zu hüten gewußt hätten. Hier müßten sie sich nun, statt ihres vorigen Überflusses, kärglich genug behelfen, und wären nun endlich ein Spiel der Stürme und Wellen, die sie sich sonst in ihren Cajütten nicht viel hätten anfechten lassen. Dieser Einfall ist witzig und poetisch genug, um zu Bestätigung dessen zu dienen, was ich schon weiter oben, von der originellen Laune der Seeleute, gesagt habe.

Die Officiers, denen nach der Neu-Seeländischen frischen Kost das eingesalzne Fleisch noch nicht wieder schmecken wollte, ließen ihren schwarzen Hund, dessen ich oben Seite 131. u. 146. [MS S. 129 u. 144] erwähnt habe, abschlachten, und schickten dem Capitain die Hälfte davon. Wir ließen die Keule braten und speisten solchergestalt heute zum erstenmale Hundefleisch. Es schmeckt vollkommen wie Hammelfleisch, so daß nicht der geringste Unterschied zu bemerken war. In unsern kalten Ländern, wo Fleisch-Speisen so üblich sind, und wo es vielleicht des Menschen Natur oder unumgänglich nöthig ist von Fleisch zu leben, ist es warlich sonderbar, daß man einen jüdischen Abscheu gegen Hundefleisch hat, da doch das Fleisch von dem unreinlichsten aller Thiere, nämlich vom Schweine, ohne Bedenken gegessen wird. In Betracht seiner schnellen und häufigen Vermehrung, scheint die Natur den Hund ausdrücklich dazu geschaffen zu haben, daß er uns zur Speise dienen solle. Man könnte vielleicht besorgen, daß es uns, wegen der natürlichen Fähigkeiten unsrer Hunde, schwer ankommen möchte sie umzubringen und zu essen. Allein in dem Fall bedenkt man nicht, daß ihre großen Fähigkeiten und ihre Anhänglichkeit an uns blos Folgen der Erziehung sind die wir an sie wenden! In Neu-Seeland und, wie ältere Seefahrer melden, auch in den Inseln der Süd-See, zwischen den Wende-Cirkeln, sind die Hunde das dummste und einfältigste Thier das man sich vorstellen kann. Sie scheinen daselbst um nichts klüger und gelehriger zu seyn als unsre Schaafe, die man für Sinnbilder der größten Einfalt und Dummheit gelten läßt. In Neu-Seeland werden sie mit Fischen gefuttert; in den andern Inseln mit Früchten und Kräutern. Vielleicht verändert beydes ihre natürliche Anlage; vielleicht bringt auch die Erziehung neue Instincte hervor. Die Neu-Seeländischen Hunde kriegen was von ihrer Herren Mahlzeiten übrig bleibt, mithin auch andre Hundeknochen abzunagen; und so werden die jungen Hunde, von Klein auf, Cannibalen. Wir hatten einen jungen Neu-Seeländischen Hund an Bord, der, wie wir ihn kauften, wohl noch nichts als Muttermilch geschmekt hatte, gleichwohl fras er von dem heutigen Hundebraten, das Fleisch so gut als die Knochen, mit großer Gierigkeit, dahingegen andre, von europäischer Art, die wir vom Cap mitgenommen, beydes nicht anrühren, geschweige denn fressen mochten.

Bis zum 16ten steuerten wir immer südostwärts und waren stets von Sturmvögeln und Albatroßen, zuweilen auch wohl von einzelnen grauen Möven, (larus catarractes) umgeben, und große Haufen von See-Gras schwommen vielfältig in der See: Allein an alles dies waren wir schon zu sehr gewöhnt, als daß wirs hätten wagen sollen einige Folgerungen daraus herzuleiten. Das Thermometer, dessen Standpunkt allemahl des Morgens um 8 Uhr beobachtet wurde, und welches bey unsrer Abreise von Neu-Seeland 51. Grad angezeigt hatte, fiel, in eben dem Verhältniß als wir gen Süden herab giengen, auf 48. zuweilen auch auf 47. Doch muß ich sagen, daß Wärme und Wetter überhaupt sehr veränderlich waren. Daher kams, daß wir alle Tage, und gemeiniglich des Morgens, Regenbogen oder wenigstens Stücke davon auf dem Horizont zu sehn bekamen. Auch der Wind war bisher immer sehr abwechselnd und lief rund um den Compas von Westen über Norden nach Osten und so weiter, doch kam er die mehreste Zeit aus Osten, welches wir nicht nur keinesweges erwartet hatten, sondern auch übel damit zufrieden waren, weil er uns solchergestalt gerade entgegen blies und überdem gemeiniglich mit Nebel, Regen und hochlaufenden Wellen begleitet zu seyn pflegte. Nachdem wir 46 Grad 17 Minuten südlicher Breite erreicht hatten, steuerten wir, so weit der Wind es gestatten wollte, nach Nord-Ost.

Am 23sten waren Wind und Wetter gelinde. Capitain Furneaux machte sich dieses und die Nachbarschaft beyder Schiffe zu Nutz, um zu uns an Bord zu kommen und mit uns zu speisen. Er berichtete dem Capitain, daß seine Leute sich noch wohl befänden, einen oder zwey Mann ausgenommen, welche von ihrem Umgange mit ungesunden Frauenspersonen ekelhafte Nachwehen ausstehen müßten. Diese Nachricht war uns in so fern unangenehm, weil man daraus abnehmen konnte, daß jene häßliche Krankheit auch Neu-Seeland schon erreicht hatte, denn nirgends sonst konnten die Leute angesteckt worden seyn. In Betracht der schrecklichen Folgen, welche dies verderbliche Übel auf die Neu-Seeländer bringen mußte, hielten wir es der ernsthaftesten Untersuchung werth, ob, und bey welcher Gelegenheit sie es wohl von Europäern bekommen können? Der erste Entdecker des Landes, Abel Janßen Tasman, kam im Jahr 1642. dahin. Er hatte aber mit den Einwohnern nicht den mindesten freundschaftlichen Umgang, ja es ist wahrscheinlich, daß nicht ein einziger von seinen Leuten am Lande gewesen ist. Capitain Cook war der nächste Seefahrer, der nach dieser Zeit Neu-Seeland besuchte, ob er gleich länger als hundert Jahre hernach, nemlich erst in den Jahren 1769. und 1770. an den Küsten desselben anlangte. Er kam damals, in seinem Schiff Endeavour, von O-Tahiti und den Societäts-Inseln, wo verschiedne seiner Leute waren angesteckt worden. Da er aber auf der Überfahrt von diesen Inseln nach Neu-Seeland fast zwey Monath unterwegens blieb, so hatte der Chirurgus Zeit gehabt, die Leute gänzlich zu heilen und bey der Ankunft auf dieser Küste versicherte er den Capitain ausdrücklich, daß bey keinem dieser Kranken die geringste Spur des Übels mehr zu merken sey. Dem ohnerachtet gebrauchte Capitain Cook die Vorsicht, niemanden ans Land gehen zu lassen, der unter der Cur gewesen war, aus Besorgniß, daß er vielleicht noch verborgne Überreste dieses ansteckenden Übels im Cörper haben könnte; ja um alle Möglichkeit abzuschneiden, daß diese Seuche einem schuldlosen Volke mitgetheilt würde, durften auch schlechterdings keine Frauenspersonen an Bord kommen. Der dritte Europäer, welcher Neu-Seeland besuchte, war ein französischer Seefahrer, Herr von Surville. Dieser seegelte in dem Schiffe St. Jean le Baptiste von Pondichery aus, durch die Straße von Malacca; gieng an den Bashee-Inseln vor Anker, steuerte um Manilla herum; entdeckte Südostwärts von Neu-Brittannien, unter der Breite von 10¾ und unterm 158sten Grade östlicher Länge, Land, welchem er den Namen Port Surville gab und kam sodann nach Neu-Seeland. Von da gieng er, um Handlung zu treiben, nach Callao in Süd-Amerika, hatte aber, als er an diesem Orte ans Land gehen wollte, das Unglück im Wasser umzukommen, und da mit ihm zugleich alle seine Empfehlungs-Schreiben verloren gegangen waren, so ward das Schiff fast zwey Jahre lang aufgehalten, nach deren Verlauf aber, mit allen Waaren wieder nach Frankreich zurückgeschickt. Herr von Surville lag am 9ten December 1769. in Doubtles-Bay auf Neu-Seeland und sahe die Endeavour bey sich vorbey seegeln; Capitain Cook hingegen hatte das französische Schiff nicht wahrnehmen können, weil es gerade hinter einem Berge vor Anker lag. Was Herr von Surville daselbst ausgerichtet und wie er mit den Einwohnern gestanden haben mag, weis ich nicht: Allein Doubtles-Bay liegt so weit von Charlotten-Sund, daß die Einwohner dieser beyden Orte wohl schwerlich einigen Umgang mit einander haben, und folglich läßt sich nicht begreifen, wie die Krankheit von dorther schon so weit gegen Süden sollte um sich gegriffen haben, wenn man auch annehmen wollte, daß Herr von Survillens Schiff sie nach Doubtles-Bay gebracht hätte.

Ein gleiches läßt sich von Herrn von Marion und dem Capitain Crozet, jenen beyden französischen Seefahrern sagen, deren Reise vom Jahr 1772. ich oben S. 114. erwähnt habe; [MS S. 111] denn der Umgang den ihr Schiffs-Volk mit den Eingebohrnen hatte, schränkte sich blos auf die Insel-Bay ein, und diese liegt am nördlichsten Ende der nördlichen Insel, mithin ebenfalls äußerst weit von Charlotten-Sund. Unmittelbar nach diesen beyden Schiffen kamen wir nach Neu-Seeland; allein wir hatten nicht die mindeste Ursach zu vermuthen, daß unsere Leute etwas von dem venerischen Übel mit hieher brächten. Es war bereits sechs Monat her, daß wir das Vorgebirge der guten Hoffnung verlassen hatten, und das war der letzte Ort, wo die Matrosen es möglicher weise hätten bekommen können. Seitdem waren sie fünf Monate lang beständig in offner See gewesen, und innerhalb einer solchen Zeit hätte es von Grund aus geheilt werden müssen, es sey denn, daß die Krankheit äußerst bösartig und unheilbar gewesen wäre. Wir hatten aber, ganz im Gegentheil, nicht einen einzigen venerischen Patienten am Bord, und man wird doch wohl nimmermehr vermuthen, daß das Gift diese ganze Zeit über habe verborgen bleiben können, unter Leuten die nichts als eingesalzene Speisen zu essen und nichts als spirituöse Getränke zu trinken hatten, dabey auch Nässe und Kälte nebst allem übrigen Ungemach des südlichen Clima ausstehen mußten? Aus allen diesen Umständen machten wir den Schluß, daß die venerischen Krankheiten in Neu-Seeland zu Hause, und nicht von Europäern herein gebracht sind; wir haben auch im Verfolg unserer Reise, und bis itzt noch, keine Ursach gefunden, unsre Meynung hierüber zu ändern. Sollten jedoch, alles Anscheins ohnerachtet, unsre Vermuthungen irrig seyn, so kömmt alsdenn eine Schandthat mehr auf Rechnung der gesittetern Europäischen Nationen, und das unglückliche Volk, welches sie mit diesem Gifte angesteckt haben, wird und muß ihr Andenken dafür verfluchen. Der Schaden den sie diesem Theile des menschlichen Geschlechts dadurch zugefügt haben, kann nimmermehr und auf keine Weise, weder entschuldigt noch wieder gut gemacht werden. Sie haben zwar die Befriedigung ihrer Lüste erkauft und bezahlet, allein das kann um so weniger für eine Entschädigung des Unrechts gelten, weil selbst der Lohn den sie dafür ausgetheilt, (das Eisenwerk) neue strafbare Folgen veranlaßt, und die moralischen Grundsätze dieses Volks vernichtet hat, indeß die schändliche Krankheit doch nur den Körper schwächt und zu Grunde richtet. Ein Volk, das seiner rohen Wildheit, hitziger Temperaments und grausamen Gewohnheiten ohnerachtet, tapfer edelmüthig, gastfrey und keiner Arglist fähig ist, verdient doppelt Mitleid, wenn unter ihnen selbst die Liebe, der süßesten und glücklichsten Empfindungen Quelle, zur Veranlassung der schrecklichster Geissel des Lebens werden – und ohne ihr Verschulden werden muß. –

 

[1773. Julius.]

 

Bis zum Anfang des Julius blieb der Wind immer so veränderlich, als ich zuvor schon angezeigt habe. Er war wider den Lauf der Sonne mehr als viermal um den ganzen Compas herumgelaufen. Diese ganze Zeit über sahen wir häufig Albatrosse, Sturmvögel und Seekraut. Auch erblickten wir fast alle Morgen Regenbogen; ja einmal sahen wir sogar einen starken Regenbogen des Nachts bey Mondschein.

Am 9ten waren wir ohngefähr in derselbigen Länge, in welcher sich Capitain Cook auf seiner voriger Reise unter dem 40 Grad 22 Minuten südlicher Breite befunden hatte.[3] Diesmal aber waren wir 2¼ Grad weiter gegen Süden. Hier fiel uns ein junger Ziegenbock über Bord, den man zwar wieder auffischte und alles mögliche an ihm versuchte, als Reiben, Tabaks-Clystiere u. d. gl. allein umsonst, er war nicht wieder zum Leben zu bringen.

Am 17. da wir über den 227. Grad östlicher Länge hinaus und ohngefähr im 40. Grade südlicher Breite waren, ließ der Capitain endlich gerade gen Norden hinauf steuern. Bishero hatten wir uns nemlich, zu Aufsuchung des Süd-Landes, mehrentheils gegen Osten und zwar in den Breiten gehalten, wo dieses dem allgemeinen Vorgeben nach, schlechterdings liegen sollte. Auf dieser ganzen Fahrt war uns aber allen die Zeit herzlich lang geworden, denn die Jahreszeit war unangenehm und rauh, der Wind uns mehrentheils zuwider und an keine Art von Abwechslung zu denken, sondern statt derselben hatten wir ein ewiges Einerley von längst bekannten Gegenständen vor uns. Das einzige, was wir damit gewonnen hatten, war die Gewißheit, „daß in den mittlern Breiten der Süd-See kein großes Land zu finden ist.“ In Zeit von fünf Tagen erreichten wir bereits den 3lsten Grad südlicher Breite. Nunmehro verloren sich die Albatrosse und Sturmvögel, das Thermometer stieg auf 61½, und wir konnten jetzt, seit unsrer Abreise vom Cap zum erstenmal, die Winterkleider ablegen. Je näher wir den Wende-Cirkeln kommen, desto bessern Muths ward unser Seevolk. Die Matrosen fingen schon an, sich des Abends auf dem Verdeck mit mancherley Spielen zu belustigen. Die belebende Mildigkeit und Wärme der Luft war uns etwas ganz neues, und behagte uns sowohl, daß wir dem warmen Clima bald vor allen andern den Vorzug einräumten, und es der Natur des Menschen am zuträglichsten hielten. Am 25sten Nachmittags sahen wir einen tropischen Vogel, ein sicheres Zeichen, daß wir in das mildere Clima, über 30 Grad südlicher Breite, heraufgekommen waren. Die untergehende Sonne erleuchtete die Wolken mit den glänzendsten Goldfarben, und bestärkte uns in der Meynung, daß die Luft nirgends so schön, der Himmel nirgends so prächtig sey, als zwischen den Wende-Cirkeln.

Am 28sten war die Adventure so nahe bey uns, daß wir mit den Leuten derselben sprechen konnten. Sie erzählten uns, daß vor drey Tagen ihr Koch gestorben und daß zwanzig Mann am Scorbute krank wären. Diese Nachricht war uns desto unerwarteter, da in unserm Schiff kaum bey einem oder dem andern von unsern Leuten Anzeigen des Scorbuts vorhanden waren, und wir überhaupt auch nur einen einzigen gefährlich Kranken an Bord hatten. Um indessen jenen auszuhelfen, schickte Capitain Cook gleich am folgenden Tage einen seiner Seeleute, mit einer Bestallung als Koch, auf die Adventure; und verschiedne unsrer Herren Mitreisenden bedienten sich dieser Gelegenheit an Bord der Adventure zu gehen und daselbst zu speisen. Sie fanden Capitain Furneaux, nebst andern, mit Gliederreissen, viele seiner Leute aber mit Flüssen geplagt. Unter den scorbutischen Patienten war der Zimmermann am übelsten dran, denn er hatte schon große blaue Flecken auf den Beinen. Dieser Unterschied in den Gesundheits-Umständen unsers beyderseitigen Schiffsvolks rührte vermuthlich daher, daß es auf der Adventure an frischer Luft fehlte. Unser Schiff war höher über dem Wasser, und daher konnten wir, selbst bey ungestümen Wetter, mehr Luftlöcher offen halten, als jene. Überdem aßen unsere Leute häufiger Sauerkraut, brauchten auch mehr Wohrt; vornemlich aber bedienten sie sich der Malzkörner um Umschläge davon auf die scorbutischen Flecke und geschwollnen Glieder zu machen, welches man dagegen in der Adventure nie zu thun pflegte. Bey dieser Gelegenheit wird es nicht unschicklich seyn zu bemerken, daß der Scorbut in warmen Ländern am gefährlichsten und bösartigsten ist. So lange wir uns in höhern und kältern Breiten befanden, zeigte er sich nicht, oder höchsten; doch nur bey einzelnen Personen, die von Natur ungesund und dazu geneigt waren. Allein, kaum hatten wir zehen Tage lang warmes Wetter gehabt, als schon am Bord der Adventure ein Patient daran starb und viel andre von den schlimmsten Symptomen desselben befallen wurden. Die Hitze scheint also die Entzündung und Fäulnis zu befördern; und selbst bey denen, die am Scorbute eben nicht gefährlich krank waren, brachte sie große Mattigkeit und Schwäche hervor.

 

[1773. August.]

 

„ – Am 1sten August waren wir im 25°.1'. südlicher Breite und folglich in der Gegend, wo Capitain Carterets Angabe nach, Pitcairns Insel liegen soll; wir sahen uns deshalb fleißig darnach um, konnten aber nicht das geringste davon entdecken. Zwar vermuthete Capitain Cook, daß sie, Carterets Tagebuch nach zu urtheilen, ohngefähr noch 15 englische See-Meilen weiter gegen Osten liegen müsse: Da sich aber die Mannschaft des andern Schiffs in so mißlichen Gesundheits-Umständen befand; so war es nicht rathsam, mit Aufsuchung dieser Insel Zeit zu verlieren –„

Am 4ten warf eine junge Dachs-Hündin vom Cap, welche von einem Pudel belegt war, zehen Junge, wovon eins todt zur Welt kam. Der junge Neu-Seeländische Hund, dessen ich oben erwähnt und der vom Hundebraten so begierig gefressen, fiel sogleich über diesen jungen Hund her und fras davon mit der größten Gierigkeit. Dies kann, dünkt mich, zu einem Beweise dienen, in wie fern die Erziehung, bey den Thieren, neue Instincte hervorzubringen und fortzupflanzen vermag. Europäische Hunde werden nie mit Hundefleisch gefüttert. Sie scheinen vielmehr einen Abscheu dafür zu haben. Die Neu-Seeländischen hingegen bekommen wahrscheinlicherweise von jung auf die Überbleibsel von ihrer Herren Mahlzeit ohne Unterschied zu fressen, mithin sind sie zu Fisch- Hunde- und Menschen-Fleisch gewöhnt; und was anfänglich, bey einzelnen Hunden, nur Gewohnheit war, ist vielleicht durch Länge der Zeit, allgemeiner Instinct der ganzen Art geworden. Wenigstens war dies augenscheinlich der Fall mit unserm cannibalischen Hunde, denn er kam so jung aufs Schiff, daß er wohl kaum etwas anders als Muttermilch gekostet haben mochte, folglich weder an Hunde- noch weniger aber an Menschen-Fleisch gewöhnt seyn konnte: Gleichwohl fras er, wie vorgesagt, Hundefleisch, gebraten und roh, und als ein Matrose sich in den Finger geschnitten und ihm solchen hin hielt, so war er nicht nur begierig darüber her, das Blut abzulecken, sondern versuchte es auch ohne Umstände ihm hinein zu beißen.

Nachdem wir vielfältig Windstillen gehabt hatten, so stellte sich endlich am 6ten Nachmittags, da wir eben 19½ Grad südlicher Breite erreicht hatten, der östliche Passatwind ein, und fing, nach einigen heftigen Regenschauern, an ganz frisch zu wehen. Von rechtswegen hätten wir ihn ungleich früher, nemlich schon bey unserm Eintritt in die Wende-Cirkel bekommen sollen; denn diese Gegend wird eigentlich für die Gränze desselben angesehen: Vermuthlich aber war blos die Jahreszeit Schuld daran, daß wir ihn erst um so viel später bekamen; weil nemlich die Sonne sich dazumal noch auf der andern Halbkugel befand, oder vielmehr, weil wir auf der südlichen noch Winter hatten.[4] Am aller sonderbarsten aber war uns der Wind von unsrer Abreise aus Charlotten-Sund an bis zu der Zeit vorgekommen, da sich der ächte Passatwind einstellte. Wir hatten nemlich erwartet, daß wir den größten Theil dieser Zeit über, den wir in den mittleren Breiten zwischen dem 50. und 40sten Grade südlich zubrachten, stäte Westwinde haben würden, so wie wir solche im Winter auf der nordlichen Halbkugel zu haben pflegen. Statt dessen aber fanden wir, daß der Wind in zwey oder drey Tagen um den ganzen Compaß herum lief, nirgends als auf östlichen Strichen einigermaßen beständig war und von daher zuweilen sehr heftig blies. Der Name des stillen Meeres womit man sonst die ganze südliche See belegte, paßt also, meinem Bedünken nach, nur allein auf denjenigen Theil desselben, der zwischen den Wendezirkeln gelegen ist, denn da allein ist der Wind beständig, das Wetter gemeiniglich schön und gelinde, und die See weniger unruhig als in den höheren Breiten.

Albekoren, Boniten und Doraden jagten nach fliegenden Fischen, eben so als wir es im atlantischen Meere gesehen hatten; einige große schwarze Vögel aber, mit langen Flügeln und gabelförmigen Schwanze, welche Fregatten (men of war, Pelecanus aquilus Linnæi) genannt werden, und gemeiniglich hoch in der Luft schwebten, schossen zuweilen mit unglaublicher Geschwindigkeit, gleich einem Pfeil auf die Fische, die unter ihnen schwammen, herab, und verfehlten mit ihrem Schnabel der Beute nie. Die Solandgänse der englischen Seen, welche zu eben diesem Geschlecht gehören, wissen die Fische auf gleiche Weise zu erhaschen. Die Fischer sind daher auf den Einfall gerathen, diese Vögel vermittelst eines Pilchards oder Herings zu fangen, den sie auf ein spitziges Messer stecken, welches auf einem kleinen, frey herumschwimmenden Bretchen befestigt ist; wenn nun der Vogel darauf herabschießt, so ist es um ihn geschehen, denn er spießt sich ohnfehlbar.

Am 11ten Morgens erblickten wir, ohngefähr 6 Meilen von uns, gegen Süden, eine niedrige Insel, die 4 Meilen lang und eben so flach wie die See zu seyn schien. Nur hie und da sahe man einzelne, gleichsam aus der See aufgewachsene Gruppen von Bäumen, unter welchen die hohen Gipfel der Cocos-Palme weit über die andern empor ragten. Nach einer so verdrießlichen, langweiligen Fahrt als wir gehabt, war uns schon der bloße Anblick des Landes etwas sehr erfreuliches, ob wir gleich nicht das geringste davon zu gewarten hatten; und ohnerachtet an der ganzen Insel überhaupt nichts besonders Schönes zu sehen war, so gefiel sie dem Auge doch wegen ihres von Natur einfachen Ansehens. Das Thermometer hielt sich beständig zwischen 70 und 80 Graden, gleichwohl war die Hitze nicht übermäßig; denn wir hatten, bey schönem hellen Wetter, einen angenehm kühlenden, starken Passatwind, und unsre auf dem hintern Verdeck aufgeschlagne Zelt-Decken verschaften uns auch Schatten. Die Insel ward Resolution-Eyland genannt, und vermuthlich hat auch Herr von Bougainville, seinem Tagebuch nach zu urtheilen, dieselbe gesehen. Sie liegt unterm 17 Grade 24 Minuten südlicher Breite und unterm 141 Grade 39 Minuten westlicher Länge von Greenwich. Mittags befanden wir uns in 17 Grad 17 Minuten südlicher Breite und steuerten fast gerade nach Osten. Abends um halb 6 Uhr kam uns eine andre Insel von gleicher Art zu Gesicht, die etwa 4 See-Meilen weit entfernt seyn mochte und Doubtful-Eyland genannt wurde. Da die Sonne schon untergegangen war, so hielten wir uns so lange gegen Norden, bis wir ganz bey derselben vorüber waren und nicht mehr besorgen durften, in der Finsterniß auf die Küste zu stoßen. Am folgenden Morgen, vor Tages Anbruch, erschreckte uns das unerwartete Geräusch von Wellen die sich, kaum eine halbe Meile weit vor uns, schäumend in der See brachen. Wir änderten sogleich unsern Lauf, gaben der Adventure durch Signale Nachricht von der Gefahr und steuerten hierauf rechts, längst dem Ryf[5] hin. So bald es hell ward, entdeckten wir an der Stelle, wo sich die Wellen brachen, eine zirkelrunde Insel, und auf derselben ein großes Baßin oder einen großen Teich von Seewasser. An der Nordseite war die Küste mit Palmen und andern Bäumen besetzt, die in mehreren Grupen umher standen und ein ganz zierliches Ansehn hatten; den übrigen Theil der Insel machte aber nur eine schmale Reihe von niedrigen Felsen aus, über welche die See in einer gewaltigen Brandung wegschlug. Der Farbe des Wassers nach zu urtheilen, mußte der Salz-See, inwärts nach uns her, seicht, aber gegen die waldige nördliche Küste hin tiefer seyn, denn an jenem Ende sahe er weißlicht, an diesem hingegen blau aus. Capitain Cook nannte diese Insel Furneaux-Eyland. Sie liegt unterm 17 Grad und 5 Minuten südlicher Breite und unterm 143sten Grad 16 Minuten westlicher Länge. Als wir vor der Süd-Seite des Riefs vorüber waren, erblickte man am nördlichen Ende der Insel ein Canot unter Seegel, und mit Hülfe der Ferngläser ließ sich erkennen, daß es mit sechs bis sieben Leuten bemannt war, davon einer auf dem Vordertheil stand und mit einer Ruder-Schaufel steuerte. Sie schienen indessen nicht unserntwegen in See gegangen zu seyn; denn sie kamen nicht gegen das Schiff herab, sondern blieben oberhalb, dicht an der waldichten Küste der Insel. Wir setzten unsern Lauf, den ganzen Tag über, bey günstigem Winde und schönen Wetter bis gegen Untergang der Sonne fort. So bald es aber anfing dunkel zu werden, legten wir bey, weil die Schiffahrt, der vielen niedrigen Inseln und Klippen wegen, gefährlich ist, die hier überall umher liegen, und gemeiniglich nicht ehe zu sehen sind, bis man schon dicht bey ihnen ist. Früh am folgenden Morgen giengen wir wieder unter Seegel und kamen bey einer andern solchen Insel vorbey, die zur Rechten des Schiffs liegen blieb und Adventure-Eyland genannt wurde. Sie liegt im 17 Grad 4 Minuten südlicher Breite und im 144sten Grade 30 Minuten westlicher Länge. Um eben diese Zeit sprachen wir mit der Adventure, und hörten, daß sie dreyßig Mann auf der Kranken-Liste habe, fast lauter scorbutische Patienten. In unserm Schiff hingegen waren die Leute fast noch immer frey von dieser Krankheit; auch ward alles angewandt, um sie bey so guter Gesundheit zu erhalten. Sie aßen fleißig Sauerkraut, ihre Hangmatten wurden alle Tage gelüftet und das ganze Schiff ward oft mit Pulver und Weineßig ausgeräuchert.

Nachmittags sahen wir eine Insel gerade vor uns, die aus einer Reihe von niedrigen Felsen bestand, vermittelst welcher verschiedne Klumpen von Bäumen zusammen hiengen. Der Lage und dem Ansehen nach zu urtheilen, mußte es eben dieselbe seyn, welche Capitain Cook auf seiner vorigen Reise Chain-Island oder Ketten-Insel genannt hatte.[6] Damit wir diese Nacht nicht, gleich der vorigen, wiederum beylegen und dadurch in unserm Laufe aufgehalten werden mögten, ließ der Capitain ein Boot mit einer Laterne vor dem Schiffe herseegeln, und befahl den Leuten, uns, sobald sie irgendwo eine gefährliche Stelle antreffen sollten, durch Signale Nachricht davon zu geben. Diese Vorsicht war der vielen niedrigen Inseln wegen nöthig, die man, wie ich schon gesagt habe, in der Südsee, zwischen den Wende-Cirkeln antrift und die mehrentheils von ganz sonderbarer Bauart sind. Sie bestehen nemlich aus Felsen, die vom Grunde des Meeres auf, senkrecht, wie die Mauern, empor steigen, aber an den mehresten Stellen kaum über dem Wasser hervorragen, und auch da, wo sie am höchsten sind, doch nicht mehr als etwa 6 Fuß über die Oberfläche der See hervorstehen. Oft sind sie von zirkelförmiger Gestalt und haben in der Mitte ein Baßin von Seewasser, und rings an den Ufern her ist das Meer überall unergründlich. Es muß ohne Zweifel nur wenig Gewächse auf denselben geben, und unter diesen mag der Coco-Nußbaum noch das beste und nutzbarste seyn. Einer so armseligen Beschaffenheit und ihres oft nur geringen Umfangs ohnerachtet, sind manche dennoch bewohnt. Wie sie aber mögen bevölkert worden seyn, ist eben so schwer zu bestimmen, als wie die höhern Inseln der Süd-See mit Einwohnern besetzt worden? Der Commodore, (jetzige Admiral) Byron, und nach ihm Capitain Wallis schickten, als sie auf ihren Reisen um die Welt, hier an diesen niedrigen Inseln vorüber kamen, einige ihrer Leute an die Küste, gegen welche sich die Einwohner scheu und eifersüchtig bewiesen. Scheu sind sie vielleicht ihrer geringen Anzahl wegen, um deren willen sie fürchten müssen, leicht überwältigt zu werden; eyfersüchtig aber, weil sie für sich selbst Mühe genug haben mögen auf ihren kleinen Felsen-Bezirken, den nöthigen Unterhalt zu finden, und folglich die Fremden nicht mit gleichgültigen Augen ansehen können, da diese ihnen denselben zu schmälern drohen. Bey so bewandten Umständen können wir von ihrer Abstammung gar nichts sagen, weil ihre Sprache und Gebräuche uns bis jetzt noch gänzlich unbekannt, und dieses gleichwohl die einzigen Merkmale sind, aus welchen sich das Herkommen solcher Völker errathen läßt, die keine Schriften und Urkunden besitzen.

Früh am 15ten August erblickten wir einen hohen Pik mit einer flachen Spitze. Capitain Wallis entdeckte solchen zuerst und nannte ihn Osnabruck-Eyland. Herr von Bougainville sahe ihn nachher, und in seiner Charte heißt er Pic de la Boudeuse oder le Boudoir. Der Berg schien ziemlich hoch und der Gipfel gleichsam abgebrochen oder wie die Mündung eines Vulcans, der daselbst vor Zeiten gebrannt haben mag, ausgehöhlt zu seyn. Die Insel war beynahe zirkelrund, und der Berg, der an allen Seiten steil empor stieg, hatte die Gestalt eines Kegels. An der Küste war wenig oder gar kein flaches Land zu sehen, wo es aber eine ebene Stelle am Ufer gab, da war das Erdreich, gleich wie überhaupt der ganze Berg, anmuthig grün bewachsen. Indem wir uns an dieser angenehmen Aussicht ergötzten, erzählte uns einer unserer Officiers, der vom Capitain Wallis vormals dicht an die Küste war geschickt worden, daß auf diesen Bäumen die Brodfrucht wüchse, die in Ansons, Byrons, Wallis und Cooks Reisen so sehr gerühmt worden. Er setzte hinzu, die Insel hieße in der Landessprache Mäatea,[7] und die Bewohner derselben wären eben eine solche Gattung von Leuten, als man auf den Societäts-Inseln, oder auf O-Tahiti anträfe; welches letztere nur eine halbe Tagereise von hier entfernt seyn sollte. Dies war alles was wir von dieser Insel erfahren konnten, denn wir blieben wenigstens 4 gute Seemeilen davon, und das mochte vermuthlich auch die Ursach seyn, warum von der Küste her kein Canot zu uns heran kam. Da wir wenig Wind hatten, so ward ein Boot nach der Adventure geschickt, welches den Capitain Furneaux zum Mittagessen zu uns herüber holte. Wir hatten das Vergnügen von ihm zu vernehmen, daß der Durchlauf, der ohnlängst unter seinen Leuten eingerissen war, bereits nachgelassen, und daß auch am Scorbut keiner sehr gefährlich krank sey; wir konnten also, der Nachbarschaft von O-Tahiti wegen hoffen, daß dem Übel durch frische Kräuterkost bald gänzlich würde abzuhelfen seyn. Bey Untergang der Sonne sahe man bereits die Berge dieser erwünschten Insel aus den vergoldeten Wolken über dem Horizont hervorragen. Jedermann an Bord, einen oder zwey ausgenommen, die sich nicht rühren konnten, eilte begierigst aufs vordere Verdeck, um die Augen an dem Anblick dieses Landes zu weiden, von dem man die größten Erwartungen haben mußte, sowohl weil nach dem einstimmigen Zeugniß aller Seefahrer die da gewesen, nicht nur Überfluß an frischen Lebensmitteln vorhanden, sondern weil die Einwohner auch von besonders gutherzigem und gefälligem Character seyn sollten. Aller Wahrscheinlichkeit nach, ist diese Insel von einem Spanier, nemlich von Pedro Fernandez de Quiros zuerst entdeckt worden. Dieser war am 2lsten December 1605. aus Lima in Peru abgeseegelt, und hatte am l0ten Februar 1606. eine Insel gefunden, die er Sagittaria nannte,[8] die aber, nach allen Nebenumständen zu urtheilen, vermuthlich das heutige O-Tahiti gewesen ist. An der Südseite derselben, wo er an die Küste kam, war kein Haven anzutreffen, er begnügte sich also einige seiner Leute, im Boote ans Land zu schicken, und diese wurden freundschaftlich und gütig aufgenommen. Nach ihm fand Capitain Wallis diese Insel am 18ten Junius 1767. und nannte sie Georg des dritten Insel. Eines unglücklichen Mißverständnisses wegen, das bey seiner Ankunft zwischen ihm und den Eingebohrnen entstand, ließ er Feuer auf sie geben, wodurch funfzehen erschossen und eine große Zahl verwundet wurden; die gutartigen Leute vergaßen aber den Verlust und die Wunden ihrer Brüder, machten gleich nachher Friede und versahen ihn mit einem Überflusse von Lebensmitteln, die größtentheils aus allerhand Wurzelwerk, verschiedenen Arten von treflichen Baumfrüchten, Hühnern und Schweinen bestanden. Herr von Bougainville kam am 2ten April 1768. oder ohngefähr zehentehalb Monate nach des Capitain Wallis Abreise auf der östlichen Küste an, und entdeckte den wahren Namen der Insel. Er blieb zehen Tage lang auf derselben, genoß in dieser Zeit von den Einwohnern viel Achtung und Freundschaft, die er treulich erwiederte, und dem liebenswürdigen Character dieses Volks überhaupt Gerechtigkeit wiederfahren ließ. Hierauf langte Capitain Cook mit dem Schiffe Endeavour im April 1769 allhier an, um den Durchgang der Venus zu beobachten. Er hielt sich hieselbst drey Monathe lang auf, nahm, vermittelst eines Bootes, die ganze Insel rund umher in Augenschein, und hatte täglich Gelegenheit, die vorigen Bemerkungen und Nachrichten von diesem Lande zu prüfen und zu bestätigen.

Wir steuerten nun die ganze Nacht über gegen die Küste hin und unterhielten uns, in Erwartung des Morgens, mit den angenehmen Schilderungen, welche unsre Vorgänger von diesem Lande gemacht hatten. Schon fingen wir an, die unter dem rauhen südlichen Himmelsstriche ausgestandne Mühseligkeiten zu vergessen; der trübe Kummer, der bisher unsre Stirne umwölkt hatte, verschwand; die fürchterlichen Vorstellungen von Krankheit und Schrecken des Todes wichen zurück, und alle unsre Sorgen entschliefen.

 

– Somno positi sub nocte silenti

Lenibant curas & corda oblita laborum.

VIRGIL.

Achtes Hauptstück.

 

 

Aufenthalt im Haven O-Aitepieha auf der kleinen Halb-Insel O-Tahiti –

Ankern in Matavai-Bay.

 

Devenere locos laetos & amoena vireta

Fortunatorum nemorum, sedesque beatas.

Largior hic campos aether & lumine vestit

Purpureo.            

VIRGIL

.

Ein Morgen war's, schöner hat ihn schwerlich je ein Dichter beschrieben, an welchem wir die Insel O-Tahiti, 2 Meilen vor uns sahen. Der Ostwind, unser bisheriger Begleiter hatte sich gelegt; ein vom Lande wehendes Lüftchen führte uns die erfrischendsten und herrlichsten Wohlgerüche entgegen und kräuselte die Fläche der See. Waldgekrönte Berge erhoben ihre stolzen Gipfel in mancherley majestätischen Gestalten und glühten bereits im ersten Morgenstrahl der Sonne. Unterhalb derselben erblickte das Auge Reihen von niedrigern, sanft abhängenden Hügeln, die den Bergen gleich, mit Waldung bedeckt, und mit verschiednem anmuthigen Grün und herbstlichen Braun schattirt waren. Vor diesen her lag die Ebene, von tragbaren Brodfrucht-Bäumen und unzählbaren Palmen beschattet, deren königliche Wipfel weit über jene empor ragten. Noch erschien alles im tiefsten Schlaf; kaum tagte der Morgen und stille Schatten schwebten noch auf der Landschaft dahin. Allmählig aber konnte man unter den Bäumen eine Menge von Häusern und Canots unterscheiden, die auf den sandichten Strand heraufgezogen waren. Eine halbe Meile vom Ufer lief eine Reihe niedriger Klippen parallel mit dem Lande hin, und über diese brach sich die See in schäumender Brandung; hinter ihnen aber war das Wasser spiegelglatt und versprach den sichersten Ankerplatz. Nunmehro fing die Sonne an die Ebene zu beleuchten. Die Einwohner erwachten und die Aussicht begonn zu leben.

Kaum bemerkte man die großen Schiffe an der Küste, so eilten einige ohnverzüglich nach dem Strande herab, stießen ihre Canots ins Wasser und ruderten auf uns zu. Es dauerte nicht lange, so waren sie durch die Öffnung des Riefs, und eines kam uns so nahe, daß wir es abrufen konnten. Zwey fast ganz nackte Leute, mit einer Art von Turban auf dem Kopfe und mit einer Scherfe um die Hüften, saßen darinn. Sie schwenkten ein großes grünes Blatt in der Luft und kamen mit einem oft wiederholten lauten Tayo! heran,[9] ein Ausruf, den wir ohne Mühe und ohne Wörterbücher als einen Freundschafts-Gruß auslegen konnten. Das Canot ruderte dicht unter das Hintertheil des Schiffs, und wir ließen ihnen sogleich ein Geschenk von Glas-Corallen, Nägeln und Medaillen herab. Sie hinwiederum reichten uns einen grünen Pisang-Schoß zu, der bey ihnen ein Sinnbild des Friedens ist, und baten solchen dergestalt ans Schiff zu befestigen, daß er einem jeden in die Augen fiele. Dem zufolge ward er an die Wand (das Tauwerk) des Hauptmasts fest gemacht; worauf unsre Freunde sogleich nach dem Lande zurückkehrten. Es währete nicht lange, so sahe man das Ufer mit einer Menge Menschen bedeckt, die nach uns hinguckten, indessen daß andere, voll Zutrauens auf das geschloßne Friedens-Bündniß, ihre Canots ins Wasser stießen und sie mit Landes-Producten beladeten. In weniger als einer Stunde umgaben uns Hunderte von dergleichen Fahrzeugen in deren jedem sich ein, zwey, drey, zuweilen auch vier Mann befanden. Ihr Vertrauen zu uns gieng so weit, daß sie sämmtlich unbewafnet kamen. Von allen Seiten erschallte das willkommne Tayo! und wir erwiederten es mit wahrhaftem und herzlichen Vergnügen über eine so günstige Veränderung unsrer Umstände. Sie brachten uns Coco-Nüsse und Pisangs in Überfluß, nebst Brodfrucht und andern Gewächsen, welche sie sehr eifrig gegen Glas-Corallen und kleine Nägel vertauschten. Stücken Zeug, Fisch-Angeln, steinerne Äxte, und allerhand Arten von Werkzeugen wurden gleichfalls zum Verkauf ausgebothen und leicht angebracht. Die Menge von Canots, welche zwischen uns und der Küste ab- und zu giengen, stellte ein schönes Schauspiel, gewissermaßen eine neue Art von Messe auf dem Wasser dar. Ich fing sogleich an durch die Cajütten-Fenster, um Naturalien zu handeln, und in einer halben Stunde hatte ich schon zwey bis drey Arten unbekannter Vögel und eine große Anzahl neuer Fische beysammen. Die Farben der letztern waren, so lange sie lebten, von ausnehmender Schönheit, daher ich gleich diesen Morgen dazu anwendete, sie zu zeichnen und die hellen Farben anzulegen, ehe sie mit dem Leben verschwanden.

Die Leute, welche uns umgaben, hatten so viel Sanftes in ihren Zügen, als Gefälliges in ihrem Betragen. Sie waren ohngefähr von unsrer Größe, blaß mahogany-braun, hatten schöne schwarze Augen und Haare, und trugen ein Stück Zeug von ihrer eignen Arbeit mitten um den Leib, ein andres aber in mancherley mahlerischen Formen, als einen Turban um den Kopf gewickelt. Die Frauenspersonen, welche sich unter ihnen befanden, waren hübsch genug, um Europäern in die Augen zu fallen, die seit Jahr und Tag nichts von ihren Landsmänninnen gesehen hatten. Die Kleidung derselben bestand in einem Stück Zeug, welches in der Mitte ein Loch hatte um den Kopf durchzustecken und hinten und vornen bis auf die Knie herabhieng. Hierüber trugen sie ein anderes Stück von Zeuge, das so fein als Nesseltuch und auf mannigfaltige, jedoch zierliche Weise, etwas unterhalb der Brust als eine Tunica um den Leib geschlagen war, so daß ein Theil davon, zuweilen mit vieler Grazie, über die Schulter hieng. War diese Tracht gleich nicht vollkommen so schön als jene an den griechischen Statüen bewunderten Draperien, so übertraf sie doch unsre Erwartungen gar sehr und dünkte uns der menschlichen Bildung ungleich vortheilhafter als jede andre, die wir bis jetzt gesehen. Beyde Geschlechter waren durch die von andern Reisenden bereits beschriebenen, sonderbaren, schwarzen Flecke geziert oder vielmehr verstellt, die aus dem Punctiren der Haut und durch nachheriges Einreiben einer schwarzen Farbe in die Stiche entstehen. Bey den gemeinen Leuten, die mehrentheils nackt giengen, waren dergleichen, vornemlich auf den Lenden zu sehen, ein augenscheinlicher Beweis, wie verschieden die Menschen, in Ansehung des äußerlichen Schmukkes denken und wie einmüthig sie gleichwohl alle darauf gefallen sind, ihre persönlichen Vollkommenheiten auf eine oder die andre Weise zu erhöhen. Es dauerte nicht lange, so kamen verschiedne dieser guten Leute an Bord. Das ungewöhnlich sanfte Wesen, welches ein Hauptzug ihres National-Characters ist, leuchtete sogleich aus allen ihren Gebehrden und Handlungen hervor, und gab einem jeden, der das menschliche Herz studierte, zu Betrachtungen Anlaß. Die äußern Merkmahle, durch welche sie uns ihre Zuneigung zu erkennen geben wollten, waren von verschiedener Art; einige ergriffen unsre Hände, andre lehnten sich auf unsre Schultern, noch andre umarmten uns. Zu gleicher Zeit bewunderten sie die weiße Farbe unsrer Haut und schoben uns zuweilen die Kleider von der Brust, als ob sie sich erst überzeugen wollten, daß wir eben so beschaffen wären als sie.

Da sie merkten, daß wir Lust hätten ihre Sprache zu lernen, weil wir uns nach den Benennungen der gewöhnlichsten Gegenstände erkundigten, oder sie aus den Wörterbüchern voriger Reisenden hersagten, so gaben sie sich viel Mühe uns zu unterrichten, und freuten sich, wenn wir die rechte Aussprache eines Wortes treffen konnten. Was mich anlangt, so schien mir keine Sprache leichter als diese. Alle harte und zischende Consonanten sind daraus verbannt, und fast jedes Wort endigt sich mit einem Selbstlauter. Was dazu erfordert ward, war blos ein scharfes Ohr, um die mannichfaltigen Modificationen der Selbstlauter zu unterscheiden, welche natürlicherweise in einer Sprache vorkommen müssen, die auf so wenig Mitlauter eingeschränkt ist, und die, wenn man sie einmal recht gefaßt hat, die Unterredung sehr angenehm und wohlklingend machen. Unter andern Eigenschaften der Sprache bemerkten wir sogleich, daß das O und E, womit sich die mehresten Nennwörter und Namen in Herrn Cooks erster Reise anfangen, nichts als Artickel sind, welche in vielen morgenländischen Sprachen, vor den Nennwörtern herzugehen pflegen, die ich aber im Verfolg dieser Erzählung entweder weglassen oder durch einen Strich von dem Nennwort trennen werde. Ich habe bereits im vorhergehenden angemerkt, daß Herr von Bougainville das Glück hatte, den wahren Namen der Insel, ohne Artikel, sogleich ausfündig zu machen, er hat ihn auch, so weit es die Beschaffenheit der französischen Sprache erlauben will, in der Beschreibung seiner Reise, vermittelst des Worts Taïti, ganz richtig ausgedruckt, doch sprechen es die Indianer mit einer leichten Aspiration, nemlich Tahiti aus.

In dem vor uns liegenden Rief befand sich eine Öfnung, und dies war der Eingang zu dem auf der kleinern Halb-Insel von O-Tahiti gelegenen Haven Whaï-Urua. Wir sandten deshalb ein Boot aus, um beydes, die Einfahrt und den Haven selbst sondiren zu lassen. Die Leute fanden guten Ankergrund und giengen nach dieser Verrichtung vollends bis ans Land, wo sich sogleich eine Menge Einwohner um sie her versammlete. Wir lagen der Küste so nahe, daß wir schon das Quiken junger Ferkel hören konnten, und dieser Ton klang uns damals lieblicher als die herrlichste Music des größten Virtuosen. Indessen waren unsre Leute nicht so glücklich, einige davon zu erhandeln, vielmehr weigerte man sich, sie ihnen zu verkaufen, unter dem Vorwande, daß sie insgesammt dem Aerih oder Könige zugehörten.

Mittlerweile, daß dies am Lande vorgieng, langte beym Schiff ein größeres Canot an, in welchem sich ein schöner wohlgebildeter Mann befand, der ohngefähr 6 Fus groß seyn mochte und drey Frauenspersonen bey sich hatte. Diese kamen allerseits an Bord, und der Mann meldete uns gleich beym Eintritt daß er O-Tai hieße. Er schien in dieser Gegend der Insel von einiger Bedeutung zu seyn und mochte wohl zu der Classe von Vasallen oder Freyen gehören, welche in Capitain Cooks erster Reise Manahunä's genannt werden. Er gesellete sich alsbald zu den Officieren, die auf dem Verdeck beysammen waren, vermuthlich, weil er denken mochte, daß sich diese Gesellschaft und dieser Platz am besten für ihn schickten. Er war um ein merkliches weißer als irgend einer von seinen Landsleuten, so viel wir deren noch gesehen, und gab in diesem Betracht den westindischen Mestizen wenig war: Dabey hatte er würklich schöne und regelmäßige Züge; die Stirn nach hoch, die Augenbrauen gewölbt, die großen schwarzen Augen voll Ausdrucks und die Nase wohl proportionirt. In der Bildung des Mundes lag etwas besonders angenehmes und gefälliges; die Lippen waren zwar etwas dick, aber nicht unangenehm oder aufgeworfen. Der Bart war schwarz und fein gekräuselt und sein pechschwarzes, von Natur lockigtes Haar hieng ihm, der Landesart nach, um den Hals. Da er aber sahe, daß wir unsre Haare im Nacken zusammen gebunden trugen, so war er gleich darüber her diese Mode nachzuahmen und bediente sich hiezu eines schwarzen seidnen Halstuches, welches ihm Herr Clerke geschenkt hatte. Im Ganzen war der Cörper wohlgebildet, jedoch etwas zu dick; und auch die Füße verhältnißweise zu groß. Mit Hülfe unsrer Wörter-Bücher legten wir ihm verschiedne Fragen vor. Eine der ersten war, ob Tutahah[10] noch wohl sey? Wir erhielten zur Antwort: er sey todt und von den Einwohnern auf Teiarrabu oder der kleinen Halbinsel erschlagen; auf welcher letzterer Aheatua e-Ärih oder König sey. Diese Nachricht bestätigte sich bald durch die einstimmige Aussage aller seiner Landesleute. Von den drey Weibern, die er bey sich hatte, war die eine seine Frau, und die beyden andern seine Schwestern. Letztere fanden ein besonderes Vergnügen daran uns zu lehren, wie wir sie bey ihren Namen nennen müßten, die wohlklingend genug waren; die eine hies nemlich Maroya und die andre Maroraï. Sie waren noch heller von Farbe als O-Tai, aber wenigstens um 9 bis 10 Zoll kleiner als er. Letzterwähnte Maroraï war eine graziöse Figur, und besonders am Obertheil des Cörpers, von ungemein schönem und zarten Bau. Sie hatte zwar bey weitem nicht so regelmäßige Züge als ihr Bruder; aber dagegen ein angenehmes rundliches Gesicht, über welches ein unaussprechlich holdes Lächeln verbreitet war. Es schien als wären sie noch, nie auf einem Schiffe gewesen, so sehr bewunderten sie alles was ihnen darauf vorkam; auch ließen sie es nicht dabey bewenden, sich auf dem Verdeck umzusehen; sondern giengen in Begleitung eines unsrer Herren Mitreisenden nach den Officier-Cajütten hinab und besahen auch da alles mit der größten Aufmerksamkeit. Maroraï fand an ein Paar Bett-Tüchern, welche sie auf einem Bette erblickte, besonderen Wohlgefallen, und versuchte es auf allerhand Art und Weise, sie von ihrem Begleiter geschenkt zu bekommen, allein umsonst. Er war zwar nicht abgeneigt, ihr solche zu überlassen, verlangte aber eine besondre Gunstbezeugung dafür, zu welcher sich Maroraï anfänglich nicht verstehen wollte. Als sie indessen sahe, daß kein anders Mittel sey zu ihrem Zweck zu gelangen, so ergab sie sich endlich nach einigem Widerstreben. Schon bereitete sich der Sieger seinen Triumph zu feyern, als das Schiff, zur ungelegensten Zeit von der Welt, gegen einen Felsen stieß, und ihm unglücklicherweise die ganze Freude verdarb. Der erschrockne Liebhaber, der die Gefahr des Schiffs deutlicher einsahe als seine Geliebte, flog nemlich sogleich aufs Verdeck, wohin auch alle übrigen Seeleute, ein jeder an seinen Posten eilte, ohne sich weiter um die indianische Gesellschaft zu bekümmern. Wir fanden bald, daß uns die Fluth, während der gänzlichen Windstille, unvermerkt gegen die Felsen hin getrieben hatte, und daß wir auch würklich schon auf denselben fest saßen, ehe es noch möglich war, den Eingang des Havens zu erreichen, ohngeachtet wir kaum noch einen Steinwurf weit davon entfernt seyn mochten. Mittlerweile schlug das Schiff einmal über das andre auf den Felsen an, so daß es allerdings mißlich um uns aussahe: Zum Glück war die See eben nicht unruhig, mithin auch keine sonderliche Brandung an den Felsen; hätte sich indessen der sonst gewöhnliche Seewind eingestellt, so wäre das Schiff unmöglich zu retten gewesen, allein auch der blieb diesen ganzen Tag über aus. Officier und Passagier, ohne Unterschied, thaten bey dieser Gelegenheit ihr äußerstes. Es ward ungesäumt ein Boot ausgesetzt, auf selbigem nicht weit von uns ein Anker ausgeworfen, und vermittelst dessen das Schiff los gehoben und wiederum flott gemacht. Da die Indianer an Bord sahen, wie sauer wir es uns werden ließen, so legten sie mit Hand an; sie arbeiteten an der Winde, halfen uns die Taue einnehmen und verrichteten andre dergleichen Arbeit mehr. Wären sie im mindesten verrätherisch gesinnt gewesen, so hätten sie jetzt die beste Gelegenheit gehabt, uns in Verlegenheit zu setzen; aber sie bezeigten sich, bey diesem gleich wie bey allen andern Vorfällen, höchstfreundschaftlich und gutherzig. Während dieser mühsamen Arbeit hatten wir eine ausnehmende Hitze auszustehen. Das Thermometer stand im Schatten auf 90 Grad und die Sonne schien brennend heiß, denn am ganzen Horizont war nirgends ein Wölkchen zu sehen, auch nicht das geringste Lüftchen zu spühren. Als uns dieser Unfall begegnete, war die Adventure dicht bey uns, sie entgieng aber der Gefahr dadurch, daß sie eilends die Anker auswarf. Zu den glücklichen Umständen, denen wir unsre Rettung zu danken hatten, gehörte auch der, daß die Felsen, auf welche wir gerathen waren, Absätze hatten, und der Anker folglich irgendwo fassen konnte, welches sonst selten der Fall ist, da die Corallen-Felsen gemeiniglich ganz senkrecht zu seyn pflegen. Es war ohngefähr um 3 Uhr, als wir nach anderthalbstündigem Arbeiten wieder los kamen. Wir nahmen nun eiligst einige Erfrischungen zu uns, und da diese Gegend sehr gefährlich war, im Fall sich ein Ostwind aufgemacht hätte; so bemanneten wir die Boote beyder Schiffe und ließen uns durch dieselben wieder in See boogsiren. Ohngefähr um 5 Uhr kam uns eine leichtwehende Landluft zu Hülfe. Wir entließen daher die Boote sogleich ihres bisherigen Dienstes und schickten sie nach der Adventure hin, um dieser die Anker lichten zu helfen. Die Leute hatten aber dies nicht abgewartet, sondern das Cabel bereits laufen lassen, um den günstigen Wind, ohne allen Aufschub zu nutzen, und uns zu folgen. Wir lavirten hierauf mit beyden Schiffen die ganze Nacht ab und zu, und sahen die gefährlichen Felsen mit einer Menge von Feuern erleuchtet, bey deren Schein die Indianer fischten. Als einer der Officiers schlafen gehen wollte, fand er sein Bett ohne Bett-Tücher, welche vermuthlich von der schönen Maroraï waren mitgenommen worden, als sie sich von ihrem Liebhaber so schleunig verlassen sahe. Sie mußte indessen diese kleine Angelegenheit mit besonderer Geschicklichkeit und in aller Kürze ausgeführt haben, denn sonst würde sie auf dem Verdeck vermißt worden und ihr Außenbleiben gleich verdächtig gewesen seyn.

Am folgenden Morgen näherten wir uns der Küste von neuem und steuerten längst der Nordseite der kleinern Halbinsel hin. Es dauerte nicht lange, so waren wir, wie am vergangenen Tage, wieder mit Canots umgeben, in welchen uns die Eingebohrnen Erfrischungen die Menge, nur kein Fleisch, zubrachten und uns mit ihrem freundschaftlichen Zuruf zuweilen ganz betäubten. Die Fahrzeuge schlugen oft um, aber das war kein großer Unfall für die Leute die darinnen saßen, indem beydes Männer und Weiber vortrefliche Schwimmer sind und die Canots in großer Geschwindigkeit wieder umzukehren wissen. Da sie fanden, daß ich mich nach Pflanzen und andern natürlichen Merkwürdigkeiten erkundigte; so brachten sie mir dergleichen zu; aber oftmals nur die Blätter ohne Blüthen, und umgekehrt zuweilen Blumen ohne Blätter; doch erkannte ich unter denselben, dieser Verstümmelung ohnerachtet, die gemeine Art des schwarzen Nacht-Schattens (black night Shade) und eine schöne Erythrina oder Coral-Blume. Auch bekam ich auf diese Weise allerhand Muscheln, Corallengewächse, Vögel u. d. g.

Um 11 Uhr ankerten wir in einem kleinen Haven O-Aitepieha genannt, der am nördlichen Ende der südlichen oder kleinen Halbinsel von O-Tahiti liegt, die in der Landessprache Teiarrabu heißt. Nunmehro gieng der Zulauf des Volks erst recht an und die Canots kamen von allen Seiten herbey. Die Leute waren auf unsere Corallen, Nägel und Messer so erpicht, daß wir gegen diese Waaren eine unglaubliche Menge ihres Zeuges, ihrer Matten, Körbe und andre Geräthschaften, desgleichen Coco-Nüsse, Brodfrucht, Yams und Pisangfrüchte in großen Überfluß zusammen brachten. Die Verkäufer kamen zum Theil aufs Verdeck und nahmen der Gelegenheit wahr, allerhand Kleinigkeiten wegzustehlen; einige machten es gar so arg, daß sie unsre erhandelten Coco-Nüsse wieder über Bord und ihren Cameraden zu practicirten, und diese verkauften sie unsern Leuten alsdenn zum zweytenmal. Um nicht wieder so betrogen zu werden, wurden die Diebe vom Schiffe gejagt und mit einigen Peitschen-Hieben gezüchtigt, die sie geduldig ertrugen.

Die Hitze war heute eben so groß als gestern. Das Thermometer stand auf 90 im Schatten, wenn der Himmel mit Wolken bedeckt war; und um Mittag ward es wieder windstill. Ob wir gleich bey dieser Hitze heftig schwitzten, so war sie uns übrigens doch gar nicht so empfindlich, oder so zur Last, als man wohl denken möchte. Wir befanden uns im Gegentheil ungleich frischer und muntrer, als es, vornemlich der gestrigen abmattenden Arbeit nach, zu vermuthen war. Diesen Vortheil hatten wir aber ohne Zweifel blos der Nachbarschaft des Landes zu verdanken; die Brodfrucht und die Yams, welche man uns von dorther zubrachte, schmeckten und bekamen uns besser als unser wurmstichigter Zwieback; und die Pisangs, nebst einer Äpfel-Frucht, die von den Einwohnern E-vie genannt wird, gaben einen herrlichen Nachtisch ab. Das einzige, was wir uns an frischen Lebensmitteln noch wünschen konnten, waren Hühner und Schweine, damit wir anstatt des täglichen Pöckelfleisches eine Abwechslung haben mögten.

Nachmittags giengen die Capitains, nebst einigen anderen Herren zum erstenmal ans Land, um den O-Aheatua zu besuchen, den alle Einwohner hiesiger Gegenden für ihren Ärih oder König erkannten. Während dieser Zeit war das Schiff mit einer Menge von Canots umringt, die außer allerhand Kräuterwerk, auch große Quantitäten einländischen Zeugs verhandelten. So gar auf den Verdecken wimmelte es von Indianern, und unter selbigen gab es verschiedne Frauenspersonen, die sich ohne Schwierigkeiten den Wünschen unsrer Matrosen überließen. Einige von denen, die dieses Gewerbe trieben, mochten kaum neun oder zehen Jahr alt seyn und hatten noch nicht das geringste Zeichen der Mannbarkeit an sich. So frühzeitige Ausschweifungen scheinen einen sehr hohen Grad von Wollust anzudeuten und müssen im Ganzen allerdings Einfluß auf die Nation haben. Die natürlichste Folge davon, die mir auch sogleich in die Augen fiel, bestand darinn, daß das gemeine Volk, zu welchem alle diese liederlichen Weibsbilder gehören, durchgehends von kleiner Statur war. Nur wenige einzelne Leute aus demselben, waren von mehr als mittlerer Größe; die übrigen waren alle darunter – ein Beweis, daß die Meynung des Grafen Büffon, über die frühzeitige Vermischung beyder Geschlechter (S. dessen Hist. naturelle) sehr gegründet ist. Sie hatten unregelmäßige, gemeine Gesichtszüge, aber schöne, große Augen, die durchgehends sehr lebhaft waren; nächst diesen ersetzte auch ein ungezwungnes Lächeln und ein beständiges Bemühen zu gefallen, den Mangel der Schönheit so vollkommen, daß unsre Matrosen ganz von ihnen bezaubert waren und auf die leichtsinnigste Weise von der Welt, Hemder und Kleider weggaben, um sich diesen neuen Mätressen gefällig zu bezeigen. Die ungekünstelte Einfalt der Landes-Tracht, die den wohlgebildeten Busen und schöne Arme und Hände unbedeckt ließ, mogte freylich das ihrige beytragen, unsre Leute in Flammen zu setzen; und der Anblick verschiedner solcher Nymphen, davon die eine in dieser, jene in einer andern verführerischen Positur behend um das Schiff herschwammen, so nackt als die Natur sie gebildet hatte, war allerdings mehr denn hinreichend, das bischen Vernunft ganz zu blenden, das ein Matrose zu Beherrschung der Leidenschaften etwa noch übrig haben mag. Eine Kleinigkeit hatte Veranlassung dazu gegeben, daß ihrer so viel neben uns herum schwammen. Einer von den Officiers, welcher seine Freude an einem Knaben von ohngefähr 6 Jahren hatte, der dicht am Schiff in einem Canot war, wollte demselben vom hintern Verdeck herab, eine Schnur Corallen zuwerfen; der Wurf gieng aber fehl und ins Wasser; nun besann sich der Junge nicht lange, sondern plumpte hinter drein, tauchte und brachte die Corallen wieder herauf. Um diese Geschicklichkeit zu belohnen, warfen wir ihm mehrere zu, und das bewog eine Menge von Männern und Weibern, uns ihre Fertigkeit im Wasser ebenfalls zu zeigen. Sie holten nicht nur einzelne Corallen, davon wir mehrere auf einmal ins Wasser warfen, sondern auch große Nägel wieder herauf, ohngeachtet diese, ihrer Schwere wegen, sehr schnell in die Tiefe hinab sunken. Manchmal blieben sie lange unter Wasser; was uns aber am bewundrungswürdigsten dünkte, war die außerordentliche Geschwindigkeit, mit welcher sie gegen den Grund hinabschossen, und die sich bey dem klaren Wasser sehr deutlich bemerken ließ. Da man hier zu Lande gewohnt ist sich vielfältig zu baden, wie bereits Capitain Cook auf seiner vorigen Reise angemerkt hat, so lernen die Leute ohne Zweifel schon von der frühesten Kindheit an schwimmen, und besitzen daher auch eine solche Fertigkeit darinn, daß man sie ihrer Behendigkeit im Wasser und der Biegsamkeit ihrer Glieder nach, fast für Amphibia halten sollte. Nachdem sie diese Schwimmer-Übungen und andere Beschäfftigungen bis zu Untergang der Sonne fortgesetzt hatten, kehrten sie allmählig wieder nach dem Ufer zurück.

Um diese Zeit kamen auch die Capitains mit ihrer Gesellschaft wieder an Bord, ohne den König gesehn zu haben; der sie, wer weis aus was für mißtrauischer Besorgniß, nicht hatte wollen vor sich kommen, sondern ihnen nur versichern lassen, daß er sie am folgenden Tage selbst besuchen würde. Um indessen nicht ganz vergebens am Lande gewesen zu seyn, nahmen sie längst der Küste, nach Osten hin, einen Spatziergang vor. Eine Menge von Einwohnern folgte ihnen überall nach, und als sie unterwegens an einen Bach kamen, bothen sich die Leute um die Wette an, sie auf den Schultern herüber zu tragen. Jenseits desselben zerstreueten sich die Indianer nach und nach, so daß sie endlich nur einen einzigen Mann bey sich hatten. Diesen ließen sie als Wegweiser vorauf gehen, und folgten ihm nach einer unbebaueten Landspitze, welche sich ins Meer erstreckte. Der Ort war mit wild aufgeschoßnen Pflanzen und Stauden verwachsen; und als sie sich durch dieses Buschwerk hindurch gearbeitet hatten, stand ein pyramidenförmiges Gebäude von Steinen vor ihnen, dessen Basis, vorn, ohngefähr zwanzig Schritte (60 Fus) breit seyn mochte. Das ganze Gebäude war aus mehreren Terrassen oder Stufen übereinander aufgeführt, die aber, besonders gegen die Landseite hin, ziemlich verfallen und schon mit Gras und Buschwerk überwachsen waren. Ihr Begleiter sagte ihnen, es sey eine Grabstelle oder ein heiliger Versammlungsplatz, Maraï, und er nannte es, Maraï no-Aheatua, den Begräbnißplatz des Aheatua, der jetzt König auf Teiarrabu ist. Rund um das Gebäude standen funfzehen dünne, fast senkrecht in die Erde gesteckte, hölzerne Pfosten, die zum Theil 18 Fus lang seyn mochten, an deren jeder man sechs bis acht kleine, theils männliche, theils weibliche Menschen-Figuren, ziemlich krüpplicht eingeschnitten fand, die dem Geschlecht nach, ohne Unterschied eine über die andre standen, jedoch so, daß die oberste immer eine männliche war. Durchgehends aber hatten sie das Gesicht gegen die See hingekehrt und dieses sahe den geschnitzten Menschen-Gesichtern ähnlich, die an den Vordertheilen ihrer Canots befindlich zu seyn pflegen und e-tie oder e-tihi genannt werden. Etwas abwärts von dem Maraï, stand eine Art von Strohdach auf vier Pfosten, und vor selbigem war ein Spalierwerk oder Verzäunung von Latten errichtet, und mit Pisangfrüchten, desgleichen mit Cocosnüssen, no t'Etua für die Gottheit behangen. Hier setzten sie sich nieder, um im Schatten dieses Obdachs auszuruhen, und ihr Begleiter both ihnen zur Erfrischung einige von den Pisangfrüchten an, mit der Versicherung, sie wären mâa maitai, gut zu essen. Eine solche Einladung war nicht zu verschmähen, auch trugen sie kein Bedenken, es sich auf Kosten der Götter recht tapfer schmecken zu lassen, zumal da das Obst würklich so gut war als ihr Führer es ihnen angepriesen hatte. Bey einbrechendem Abend, kehrten sie, mit der von diesem gutherzigen Volke genoßnen guten Aufnahme ungemein zufrieden, nach dem Schiff zurück, und brachten uns einige Pflanzen mit, welche wir sogleich für Gewächse erkannten, die nur zwischen den Wende-Cirkeln zu Haus sind. Als wir am folgenden Tage früh aufs Verdeck kamen, um die kühle Morgenluft zu genießen, fanden wir die herrlichste Aussicht vor uns; und der Morgenglanz der Sonne breitete gleichsam doppelte Reitze über die natürlichen Schönheiten der Landschaft aus. Der Haven, in welchem wir lagen, war nur klein, dergestalt, daß unsre beyden Schiffe ihn fast gänzlich ausfüllten; das Wasser aber war in selbigem so klar als ein Crystall, und so glatt als ein Spiegel, indeß sich um uns her, die See an den äußern Felsen in schneeweißschäumenden Wellen brach. Auf der Landseite erblickte das Auge vor den Bergen her, eine schmale Ebene, deren fruchtbares Ansehen, all ihren Bewohnern Überfluß und Glückseligkeit zu gewähren schien. Dem Schiffe gerade gegen über öfnete sich, zwischen den Bergen, ein enges wohlbebauetes Thal, das voller Wohnungen und auf beyden Seiten mit Wald bedeckten Hügeln eingefaßt war, die längst der ganzen weiten Strecke desselben in mannigfaltig gebrochnen Linien hinauf liefen und sich in verschiednen Farben und Entfernungen zeigten. Über diese und das Thal hinaus, ragten aus dem Innern des Landes, mancherley romantisch-geformte, steile Berg-Gipfel hervor, davon besonders der eine auf eine mahlerisch-schöne, aber fürchterliche Weise überhieng und gleichsam den Einsturz drohte. Der Himmel war heiter und die Luft erquickend warm; kurz, alles flößte uns neues Leben und neuen Muth ein. Mittlerweile wurden die Boote beyder Schiffe nach o-Whai-urua geschickt um die Anker zu holen, welche wir daselbst im Grunde hatten sitzen lassen als wir auf den Felsen stießen. Zu gleicher Zeit ward eine Parthey See-Soldaten und Matrosen beordert ans Land zu gehen, um Lebensmittel einzuhandeln, und unsre ledigen Fässer mit frischem Wasser zu füllen. Zu Ausführung dieses Vorhabens faßten sie ohnweit dem Strande in einer verlassenen Wohnung Posto, die ihnen nicht nur Schatten gegen die Sonne, sondern auch, vermittelst der Umzäunung, Sicherheit gegen die Diebereyen des Volks verschaffte. Als wir eben im Begriff waren, mit dem Capitain ans Land zu gehen, bekam dieser einen Besuch von einem angesehenen Manne, der o-Pue hies und seine beyden Söhne bey sich hatte. Sie brachten dem Capitain etwas Zeug und einige andre Kleinigkeiten zum Geschenk, und erhielten dagegen Messer, Nägel, Corallen, und ein Hemde, welches letztere einer von ihnen anlegte, und in diesem Aufzuge begleiteten sie uns ans Land.

So bald wir ausgestiegen waren, eilten wir von dem sandichten Strande, wo in unsrer Wissenschaft keine Entdeckungen zu erwarten waren, weg, und nach den Plantagen hin, die uns vom Schiffe her so reizend ausgesehen hatten, ohnerachtet der späten Jahreszeit wegen Laub und Gras schon durchgehends mit herbstlichem Braun gefärbt war. Wir fanden bald, daß diese Gegenden in der Nähe nichts von ihren Reizen verlören, und daß Herr von Bougainville nicht zu weit gegangen sey, wenn er dies Land als ein Paradies beschrieben. Wir befanden uns in einem Wald von Brodfrucht-Bäumen, auf denen aber bey dieser Jahrszeit keine Früchte mehr waren, und beym Ausgang des Gehölzes sahen wir einen schmalen, von Gras entblößten Fuspfad vor uns, vermittelst dessen wir bald zu verschiednen Wohnungen gelangten, die unter mancherley Buschwerk halb versteckt lagen. Hohe Cocos-Palmen ragten weit über die andren Bäume empor und neigten ihre hängenden Wipfel auf allen Seiten gegen einander hin. Der Pisang prangte mit seinen schönen breiten Blättern und zum Theil auch noch mit einzelnen traubenförmigen Früchten. Eine schattenreiche Art von Bäumen, mit dunkelgrünem Laube, trug goldgelbe Äpfel, die den würzhaften Geschmack und Saft der Ananas hatten. Der Zwischenraum war bald mit jungen chinesischen Maulbeerbäumen (morus papyrifera) bepflanzt, deren Rinde von den Einwohnern zu Verfertigung der hiesigen Zeuge gebraucht wird; bald mit verschiednen Arten von Arum- oder Zehrwurzeln, (Arum oder Eddoes) mit Yams, Zuckerrohr und andern nutzbaren Pflanzen besetzt. Die Wohnungen der Indianer lagen einzeln, jedoch ziemlich dicht neben einander, im Schatten der Brodfrucht-Bäume auf der Ebene umher, und waren mit mancherley wohlriechenden Stauden, als Gardenia, Guettarda und Calophyllum umpflanzt. Die einfache Bauart und die Reinlichkeit derselben stimmte mit der kunstlosen Schönheit des darum her liegenden Waldes überaus gut zusammen. Sie bestanden nemlich mehrentheils nur aus einem Dach, das auf etlichen Pfosten ruhte und pflegten übrigens, an allen Seiten offen, ohne Wände zu seyn. Diese sind auch, bey dem vortreflichen Clima des Landes welches vielleicht eins der glücklichsten auf Erden ist, vollkommen gut zu entbehren; denn Tau und Regen, die einzigen Veränderungen der Witterung gegen welche die Einwohner Schutz nöthig haben, kann in den mehresten Fällen ein bloßes Dach genugsam abhalten. Zu diesen liefert ihnen der Pandang oder Palm-Nußbaum,[11] seine breiten Blätter statt der Ziegel und die Pfeiler werden aus dem Stamm des Brodfrucht-Baums gemacht, der ihnen solchergestalt auf mehr denn einerley Art nutzbar wird. Indessen gab es doch mitunter einige Wohnungen, die vermuthlich nur deswegen, damit man innerhalb verborgner seyn könne, mit einer Art von geflochtnen Rohr-Hürden eingeschlossen waren, welches sie denn einem großen Vogelbauer ziemlich ähnlich machte. In diesem Wandwerk war eine Öffnung zur Thür gelassen, die mit einem Brette zugemacht werden konnte. Vor jeder Hütte sahe man eine kleine Gruppe von Leuten, die sich ins weiche Gras gelagert hatten oder mit kreuzweis übereinandergeschlagnen Beinen beysammen saßen und ihre glücklichen Stunden entweder verplauderten oder ausruheten. Einige standen bey unsrer Annäherung auf und folgten dem Haufen der mit uns gieng; viele aber, besonders Leute von reiferem Alter, blieben unverrückt sitzen und begnügten sich uns im Vorübergehen, ein freundschaftliches Tayo! zuzurufen. Da unsre Begleiter gewahr wurden, daß wir Pflanzen sammleten, so waren sie sehr emsig, dieselbigen Sorten zu pflücken und herbey zu bringen, die sie von uns hatten abbrechen sehen. Es gab auch in der That eine Menge von allerhand wilden Arten in diesen Plantagen, die untereinander in jener schönen Unordnung der Natur aufsproßten, die über das steife Putzwerk künstlicher Gärten immer unendlich erhaben, aber alsdenn zu vollends bewundernswürdig ist, wenn die Kunst ihr am rechten Ort aufzuhelfen weiß. Vornemlich fanden wir verschiedene Grasarten, die ohnerachtet sie dünner als unsre nördliche standen, dennoch, weil sie im Schatten wuchsen, ein sehr frisches Ansehen hatten und einen weichen Rasen ausmachten. Sie dienten zugleich das Erdreich feucht zu erhalten, und solchergestalt den Bäumen Nahrung zu verschaffen, die auch ihrer Seits im vortreflichsten Stande waren. Mancherley kleine Vögel wohnten auf den schattigen Zweigen der Brodfrucht- und andrer Bäume und sungen sehr angenehm, ob man gleich, ich weis nicht warum, in Europa den Wahn hegt, daß es in heißen Ländern den Vögeln an harmonischen Stimmen fehle. In den Gipfeln der höchsten Cocosnuß-Bäume pflegte sich eine Art kleiner, schöner Saphir-blauer Papagayen aufzuhalten, und eine andre grünlichte Art mit rothen Flecken, sahe man unter den Pisang-Bäumen häufig, traf sie auch oft zahm in den Häusern an, wo die Einwohner sie der rothen Federn wegen, sehr gern zu haben schienen. Ein Eisvogel, der von dunkelgrünem Gefieder und rings um die weiße Kehle mit einem ringförmigen Streif von vorgedachter Farbe gezeichnet war [Abb. 5059]; ein großer Kuckuck und verschiedne Arten von Tauben, hüpften fröhlich auf den Zweigen herum, indeß ein bläulichter Reyer gravitätisch am See-Ufer einher trat, um Muscheln, Schnecken und Würmer aufzulesen. Ein schöner Bach, der über ein Bette von Kieseln rollte, kam in schlängelndem Lauf das schmale Thal herab, und füllte beym Ausfluß in die See unsre leeren Fässer mit silberhellem Wasser. Wir giengen längst seinem krummen Ufer eine gute Strecke weit hinauf, bis uns ein großer Haufen Indianer begegnete, der hinter dreyen Leuten herzog, die in verschiedne Stücke ihres rothen und gelben Zeuges gekleidet waren und von eben dergleichen zierliche Turbans auf hatten. Sie trugen lange Stöcke oder Stäbe in der Hand, und einer hatte eine Frauensperson bey sich, welches seine Frau seyn sollte. Wir fragten, was dieser Aufzug zu bedeuten habe, und erhielten zur Antwort: es wären die Te-apunie; da die Indianer aber merkten, daß wir noch nicht genug von ihrer Sprache wüßten, um diesen Ausdruck zu verstehen, so setzten sie hinzu, es wären Tata-no-t' Eatua, das ist: Männer, die der Gottheit und dem Maraï oder Begräbniß- und Versammlungsplatze angehörten. Man mögte sie also wohl Priester nennen dürfen. Wir blieben einige Zeit stehen, um abzuwarten, ob sie etwa eine Art von gottesdienstlicher Handlung oder andre besondre Ceremonie vornehmen würden, da aber nichts dergleichen erfolgte, so kehrten wir nach dem Strande zurück. Um Mittagszeitt gieng Capitian Cook mit uns und den beyden Söhnen des oberwähnten O-Pue (S. 229) wieder an Bord, ohne den Aheatua gesehen zu haben, der aus Ursachen, die kein Mensch errathen konnte, uns noch immer nicht vor sich kommen lassen wollte.

Unsre beyden indianischen Gäste setzten sich mit zu Tische und aßen von unsern Zugemüsen; das Pöckelfleisch aber ließen sie unberührt. Nach Tische nahm einer der Gelegenheit wahr, ein Messer und einen zinnernen Löffel zu mausen, ob ihm gleich der Capitain, ohne alles Gegengeschenk, eine Menge von Sachen gegeben hatte, daran er sich allerdings hätte genügen lassen und die Gesetze der Gastfreyheit nicht auf eine so häßliche Weise übertreten sollen. So bald er sahe, daß die Dieberey entdeckt war, und daß man ihn deshalb vom Verdeck wegjagen wollte, besann er sich nicht lange, sondern sprang über Bord, schwamm nach dem nächsten Canot hin, und setzte sich ruhig in demselben nieder, unsrer Übermacht gleichsam zum Trotze. Capitain Cook konnte sich aus Unwillen über das schändliche Betragen dieses Kerls nicht enthalten, ihm eine Flintenkugel übern Kopf hinzufeuern, allein dies fruchtete nichts mehr, denn daß der Indianer von neuen ins Wasser sprang und das Canot umschlagen machte. Man feuerte zum zweytenmal nach ihm, allein, so bald er das Feuer von der Pfanne aufblitzen sahe, tauchte er unter, und eben so machte ers beym dritten Schuß. Nunmehro bemannte der Capitain sein Boot und ruderte nach dem Canot hin, unter welches sich der Taucher versteckt hatte. Dieser aber wartete so lange nicht, sondern verließ sein Fahrzeug und schwamm nach einem doppelten Canot, das nicht weit von ihm war. Auch dem ward, nachgesetzt. Es entkam aber durch die Brandung auf den Strand, und die Indianer fiengen von daher an mit Steinen nach unsren Leuten zu werfen, so daß diese es für rathsam hielten, sich zurückzuziehen. Endlich ward ein Vierpfünder gegen das Land abgefeuert, und dieser machte dem Handel auf einmal ein Ende, denn er jagte jenen ein solches Schrecken ein, daß unsre Leute zwey doppelte Canots ohne Widerstand wegnehmen und mit sich ans Schiff bringen konnten.

Nachdem dieser Tumult über war, giengen wir ans Land, um ohnweit dem Orte, wo unsre Wasserfässer gefüllt wurden, nach Tische einen Spatziergang zu machen und das Zutrauen des Volks wieder zu gewinnen, welches uns, der eben erzählten Feindseligkeiten wegen, mit einemmal verlassen hatte. Wir wählten einen andern Weg als den wir am Morgen genommen hatten, und fanden auf demselben eine Menge Pisange, Yams, Zehrwurzeln u. d. gl. um die Häuser herumgepflanzt. Die Bewohner waren freundschaftliche, gutherzige Leute, jedoch des Vorgefallnen wegen, etwas scheuer und zurückhaltender als zuvor. Endlich gelangten wir an ein großes mit Rohrwänden versehenes Haus, welches ein artiges Ansehen hatte. Es sollte dem Aheatua angehören, und dieser sich jetzt in einer andern Gegend aufhalten. Wir fanden hier ein Schwein und etliche Hühner, die ersten, welche uns die Einwohner zu Gesicht kommen ließen, indem sie solche bisher sorgfältig versteckt und nie hatten verkaufen wollen, unter dem Vorwande, daß sie dem Ärih oder Könige zugehörten. Sie machten jetzt eben die Entschuldigung, ohnerachtet wir ihnen ein Beil dafür anbothen, welches, ihren Meynungen und Bedürfnissen nach, gleichwohl das höchste war was sie dagegen verlangen konnten. Nach einem kurzen Aufenthalte kehrten wir auf eben dem Wege wieder zurück und brachten eine kleine Parthey neuer Pflanzen mit an Bord. Gegen Untergang der Sonne ward ein Boot vor den Haven hinausgeschickt, um einen See-Soldaten, Namens Isaac Taylor, in der See zu begraben, der nach langem Kränkeln heute Morgen gestorben war. Seitdem wir England verlassen, war er beständig fieberhaft, schwindsüchtig und asthmatisch gewesen. Diese Zufälle hatten je länger je mehr überhand genommen, und sich zuletzt in eine Wassersucht verwandelt, die seinem Leben ein Ende machte. Alle unsre übrigen Leute an Bord waren nun wohl, einen einzigen Mann ausgenommen, der seiner zum Scorbut geneigten Leibesbeschaffenheit wegen, allemal von neuem bettlägerig wurde, so oft wir in See giengen, und mit genauer Noth beym Leben zu erhalten war, ohnerachtet man ihn beständig, die kräftigsten prophylactischen Mittel und Worth gebrauchen ließ. Jedoch auch dieser Mann, sowohl als die am Scorbut kranken Leute von der Adventure, erholten sich außerordentlich geschwind, durch bloßes Spatzierengehen am Ufer und durch den täglichen Genuß von frischer Kräuterkost.

Früh am folgenden Morgen kamen etliche Indianer in einem Canot zu uns und bathen um die Zurückgabe der beyden größern, die man ihnen Tages zuvor weggenommen hatte. Da Capitain Cook inne geworden war, daß der Handel des gestrigen Vorfalls wegen ins Stecken gerathen sey, weil seitdem niemand ans Schif, und auch an den Wasserplatz hin nur wenig Indianer gekommen waren; so ließ er ihnen die Canots alsbald zurück geben, um das gute Vernehmen mit den Eingebohrnen aufs eheste wieder herzustellen. So schleunig als wir es wohl gewünscht hätten, würkte zwar diese Probe von unsrer Billigkeit nicht; doch blieb der Erfolg davon wenigstens nicht aus, denn nach Verlauf zweyer oder dreyer Tage war der Handel wiederum völlig auf den vorigen Fus hergestellt.

Nach diesen Friedens-Vorkehrungen giengen wir aufs Botanisiren ans Land. Ein tüchtiger Regenschauer, der vorige Nacht gefallen, hatte die Luft merklich abgekühlt, und machte unsern Spatziergang sehr angenehm, indem die Sonnenhitze heute nicht so früh als sonst überhand nehmen konnte. Das ganze Land war durch den Regen verschönert. Bäume und Pflanzen waren wie von neuem belebt und in den Wäldern duftete das erfrischte Erdreich einen angenehmen Wohlgeruch aus. Eine Menge von kleinen Vögeln begrüßten uns mit ihrem lieblichen Morgengesang, den wir sonst noch nie so in ganzen Chören gehört hatten, vielleicht, weil wir bisher noch nie so früh ausgegangen, vielleicht auch, weil der Morgen so besonders schön war. Wir mochten kaum etliche hundert Schritte weit gegangen seyn, so entstand im Walde ein lautes Klopfen, als ob Zimmerleute daselbst arbeiteten. Da dieser Schall unsre Neugier erregte, so spürten wir ihm nach und gelangten endlich an einen kleinen Schoppen, unter welchen fünf oder sechs Weibsleute zu beyden Seiten eines langen viereckigten Balkens saßen, auf welchem sie die faserichte Rinde vom Maulbeerbaume klopften, um Zeug daraus zu machen. Das Instrument, dessen sie sich hiezu bedienten, war ein schmales vierseitiges Stück Holz, in welchem der Länge nach überall parallele Furchen eingeschnitten waren, die auf jeder von den vier verschiedenen Seiten des Hammers, immer tiefer wurden[12] und immer dichter neben einander lagen. Sie hielten eine Weile mit Arbeiten inne, damit wir die Rinde, die Hämmer und den Balken betrachten könnten. Auch zeigten sie uns eine Art von Leimwasser in einer Cocos-Nußschaale, mit welchem sie während dem Klopfen die Rinde von Zeit zu Zeit besprengen, um die einzelnen Stücken derselben, in eine zusammenhängende Masse zu bringen. Dieser Leim, der, so viel wir verstehen konnten, vom Hibiscus esculentus gemacht war; ist zur Verfertigung der Arbeit unentbehrlich, weil die Stücken Zeug zuweilen 6 bis 9 Fus breit und gegen 150 Fus lang sind, gleichwohl aber aus lauter kleinen einzelnen Stücken Rinde zusammengeschlagen werden müssen. Es darf keine andre Rinde als von jungen Bäumen dazu genommen werden; daher man auch in ihren Maulbeerpflanzungen nicht einen einzigen alten Stamm findet. So bald sie eines guten Daumens dick, das ist, ohngefähr zwey Jahr alt sind, werden sie abgehauen, ohne daß dieser frühen und häufigen Nutzung wegen Mangel daran zu besorgen wäre; denn kaum ist der Baum abgehauen, so sprossen schon wieder junge Schößlinge aus der Wurzel auf, und ließe man ihn zu Blüthen und Früchten kommen, so würde er, seinem schnellen Wachsthum nach zu urtheilen, sich vielleicht übers ganze Land verbreiten. Sie suchen die Bäume durchgehends so gerade und so hochstämmig als möglich zu ziehen, leiden auch unterhalb der Krone keinen Ast, damit die Rinde desto glätter sey und beym Abschälen recht lange Stücken gebe. Wie diese aber zubereitet werden mag, ehe sie unter den Hammer kommt, war uns noch unbekannt. Die Weiber, welche wir bey dieser Beschäftigung fanden, waren ganz dürftig in alte schmutzige Zeug-Lumpen gekleidet, und daß die Arbeit eben nicht leicht seyn müsse, konnte man daraus schließen, daß ihre Hände eine dicke, hornharte Haut davon bekommen hatten. Wir setzten nun unsern Weg weiter fort und gelangten bald in ein schmales Thal. Ein wohlaussehender Mann, bey dessen Wohnung wir vorüber kamen, lag im Schatten da, und lud uns ein, neben ihm auszuruhen. So bald er sahe, daß wir nicht abgeneigt dazu waren, streute er Pisang-Blätter auf einen mit Steinen gepflasterten Fleck vor dem Hause, und setzte einen kleinen aus Brodbaum-Holz verfertigten Stuhl hin, auf welchen er denjenigen von uns, den er für den Vornehmsten hielt, sich niederzulassen bath. Nachdem auch die übrigen sich ins Gras gelagert hatten, lief er ins Haus, holte eine Menge gebackne Brod-Frucht und setzte uns solche auf den Pisangblättern vor. Nächst diesem brachte er noch einen Mottenkorb voll Vih oder Tahitische Äpfel, welches eine Frucht von der Spondias-Art und im Geschmack der Ananas ähnlich ist, und nunmehro bath er uns, zuzulangen. Es schmeckte uns allen herzlich wohl, der Spatziergang und die frische Morgenluft hatten uns guten Appetit verschaft und überdies waren die Früchte vortreflich. Wir fanden die Tahitische Zubereitung der Brodfrucht (die so wie alle andre Speisen, vermittelst heißer Steine in der Erde gebacken wird) unendlich besser als unsre Art sie zu kochen. Bey dieser Bereitung bleibt aller Saft beysammen und wird durch die Hitze noch mehr verdickt; beym Kochen hingegen saugt sich viel Wasser in die Frucht und vom Geschmack und Saft geht viel verloren. Um das Tractament zu beschließen, brachte der Wirth fünf Coco-Nüsse, die er auf eine sehr ungekünstelte Art öfnete, indem er die äußeren Fäden mit den Zähnen wegriß. Den kühlen hellen Saft derselben goß er in eine reine Schaale einer reifen Coco-Nuß, und reichte sie einem jeden von uns nach der Reihe zu. Die Leute waren hier bey allen Gelegenheiten gutherzig und freundschaftlich gewesen, und hatten uns zuweilen, wenn wir es begehrten, Coco-Nüsse und andre Früchte, für Glas-Corallen verkauft; allein so uneigennützig und wahrhaft gastfrey als dieser Mann, hatte während unsers kurzen Hierseyn, sich noch keiner gegen uns bewiesen. Wir hieltens daher für unsre Pflicht, ihn nach Vermögen zu belohnen, und schenkten ihm das beste, was wir bey uns hatten, eine Menge durchsichtiger Glas-Corallen und Nägel, womit er äußerst vergnügt und zufrieden war.

Ausgeruhet und erquickt schieden wir nunmehro von diesem friedlichen Sitze patriarchialischer Gastfreyheit und giengen noch weiter ins Land hinauf, ohne uns daran zu kehren, daß unter dem großen Haufen von Indianern, die uns begleiteten, viele waren, denen damit eben nicht gedient zu seyn schien. Wir hatten indessen von ihrem Mißvergnügen weiter keinen Schaden als daß sich unser Gefolge verminderte, indem die mehresten, jetzt nach ihren Wohnungen zurückkehrten. Dies ließen wir uns gern gefallen; die wenigen, die noch bey uns blieben, übernahmen es, die Stelle von Wegweisern zu vertreten, und so erreichten wir bald das Ende des Thals. Hier hörten die Hütten und Pflanzungen der Indianer auf, und wir hatten nun die Berge vor uns, zu denen ein stark betretner Fussteig, der hie und da von hohen Bäumen beschattet war, durch wildes Gebüsch hinauf führte. An den verwachsensten Stellen, die wir mit Fleis durchsuchten, fanden sich verschiedne Pflanzen, desgleichen einige Vögel, welche den Naturforschern, bis jetzt, noch unbekannt geblieben waren. Mit diesem kleinen Lohn für unsre Mühe, kehrten wir nach dem Ufer zurück, worüber unsre indianischen Freunde und Begleiter herzlich froh waren. Am Strande trafen wir auf dem Handelsplatze einen großen Zusammenfluß von Landeseinwohnern an, und sahen, daß unsre Leute eine Menge von Zehrwurzeln (eddoes) und andern Gewächsen, an Brodfrüchten hingegen nur wenig zusammengebracht hatten. Dies letztere rührte von der späten Jahreszeit her, in welcher nur auf wenig einzelnen Bäumen hin und wieder noch eine Frucht hieng, die mehresten hingegen schon wieder für die nächste Erndte angesetzt hatten. Die ausnehmende Hitze reitzte uns zum baden, und ein Arm des nahgelegnen Flusses, der einen tiefen Teich von ziemlichen Umfang ausmachte, both uns die bequemste Gelegenheit hiezu an. Nachdem wir uns in diesem kühlen Wasser ganz erfrischt hatten, kehrten wir zum Mittagbrod an das Schiff zurück. Nachmittags ward es sehr regnigt und stürmisch; der Wind trieb die Adventure vom Anker, doch ward sie durch schleunige gute Anstalten ihrer Leute, bald wieder in die vorige Lage gebracht. Da dies schlimme Wetter uns an Bord eingeschlossen hielt; so beschäftigten wir uns diese Zeit über, um die bisher gesammleten Pflanzen und Thiere in Ordnung zu bringen und die unbekannten zu zeichnen. Ohngeachtet wir aber bereits drey Tage lang aufs Botanisiren ausgegangen waren, so belief sich die Anzahl der neuentdeckten Pflanzen doch noch gar nicht hoch, welches, bey einer so blühenden Insel als Tahiti, ein überzeugender Beweis ihrer hohen Cultur ist. Wäre sie weniger angebauet; so würde, dem herrlichen Boden und Clima nach, das Land überall mit hunderterley Arten von Kräutern, wild überwachsen gewesen seyn, anstatt daß jetzt dergleichen kaum hie und da einzeln aufsproßten. Auch von Thieren gab es nur wenige allhier, weil diese Insel nicht allein von geringem Umfange, sondern auch auf allen Seiten gar zu weit vom festen Lande entfernt ist. Außer einer ungeheuren Menge von Ratten, welche die Eingebohrnen aller Orten ungehindert herum laufen ließen, ohne zu Vertilgung oder Verminderung derselben irgend ein Mittel vorzukehren, fanden wir kein andres vierfüßiges Thier allhier, als zahme Schweine und Hunde. Das Geschlecht der Vögel hingegen war schon ungleich zahlreicher, und von Fischen gab es vollends eine so große Menge neuer Arten, daß man fast jedesmal auf Entdeckungen rechnen konnte; so oft den Indianern ein neuer, frischgefangner Vorrath davon abgekauft ward. Die große Mannichfaltigkeit, welche wir in dieser Classe der Geschöpfe fanden, rührt natürlicherweise daher, daß sie aus einem Theile des Oceans so leicht und ungehindert nach dem andern gelangen können, und eben daher kommt es auch, daß man, zumal unter den Wende-Creysen, gewisse Arten derselben rund um die ganze Welt antrifft.

Im Pflanzenreiche sahe es allhier nur allein für die Botanik unangenehm, in aller andern Absicht aber, desto vortheilhafter aus. Von wilden Kräutern, die der Naturforscher in Menge zu finden wünschte, gab es nemlich, wie gesagt, nur wenige, dagegen desto mehr eßbare Gewächse und Früchte, als Yams, Zehrwurzeln, (eddoes) Tahiti-Äpfel, Pisang- und Brodfrüchte, Von allen diesen, besonders von den ersteren drey Arten, als für welche es gerade die rechte Jahreszeit war, brachten uns die Eingebohrnen so große Quantitäten zum Verkauf, daß die gesammte Mannschaft beyder Schiffe damit gespeiset werden konnte. Bey einer so gesunden Kost erholten sich unsre mit dem Scorbut behafteten Kranken gleichsam zusehends; ja wir alle befanden uns, bis auf einen Durchlauf, den die schleunige Veränderung der Nahrungsmittel im Anfang verursachte, ungemein wohl dabey. Das einzige, woran es uns noch fehlte, war frisches Schweinefleisch. Es kam uns desto härter an, desselben zu entbehren, da wir dergleichen Thiere, auf allen unsern Spatziergängen, in Menge antrafen, ob sich gleich die Leute immer Mühe gaben, sie für uns versteckt zu halten. Zu dem Ende sperrten sie solche in kleine Ställe ein, die ganz niedrig gebauet und oben flach mit Brettern belegt waren, so daß eine Art von Platteform daraus entstand, auf welche sie sich selbst setzten oder niederlegten. Wir suchten sie durch alle ersinnliche Mittel dahin zu bewegen, daß sie uns welche ablassen mögten. Wir bothen ihnen Beile, Hemden und andre Waaren an, die hier zu Lande in hohen Werth standen; aber alles war umsonst. Sie blieben dabey, die Schweine gehörten dem Ärih oder König. Anstatt mit dieser Antwort zufrieden zu seyn und dem guten Willen der Leute Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, die uns, wenn gleich nicht mit Schweinen, doch mit andern Lebensmitteln versorgten, denen unsre Kranken ihre Wiederherstellung, und wir alle unsre Erquickung zu verdanken hatten, ward den Capitains von einigen Leuten an Bord der Vorschlag gemacht, mit Gewalt eine hinlängliche Anzahl Schweine zu unserm Gebrauche wegzunehmen, und hernachmals den Einwohnern so viel an europäischen Waaren zu geben, als das geraubte Vieh, dem Gutdünken nach, werth seyn mögte. Da aber ein solches Verfahren ganz und gar tyrannisch, ja auf die niederträchtigste Weise eigennützig gewesen wäre; so ward der Antrag mit aller gebührenden Verachtung und Unwillen verworfen.

Unsre Sammlung von Naturalien war bis jetzt noch immer so unbeträchtlich, daß uns die Zeichnung und Beschreibung derselben wenig zu thun machte, und daß wir Muße genug übrig hatten, täglich von neuem ans Land zu gehen, sowohl um mehrere zu suchen, als auch um den Character, die Sitten und den gegenwärtigen Zustand der Einwohner genau zu beobachten.

Am 20sten nahm ich nebst verschiednen Officiers, um Mittagszeit einen Spatziergang nach der östlichen Landspitze des Havens vor. Auf dem Wege dahin, fanden wir einen Bach vor uns, der zum durchwaden zu tief und zu breit war; wir wagten es also, uns in ein indianisch Canot einzuschiffen, und kamen auch glücklich damit hinüber. Auf dem jenseitigen Ufer schimmerte aus dem Buschwerk ein ziemlich großes Gebäude hervor, und vor demselben fanden wir bey unsrer Annäherung eine Menge des feineren Tahitischen Zeuges, das nach der Indianer Aussage, in dem Fluß gewaschen war, auf dem Grase ausgebreitet liegen. Dicht neben dem Hause hieng auf einer Stange ein Brust-Schild von halb cirkelförmiger Gestalt, der aus Coco-Nußfasern, ohngefähr so wie Korbmacher-Arbeit zusammengeflochten und auf der äußern oder rechten Seite mit den glänzenden blaugrünen Federn einer Taubenart bedeckt, imgleichen mit drey bogenförmigen Reihen von Hayfisch-Zähnen gezieret war. Ich frug, ob diese Rüstung zu verkaufen sey? Es hies aber Nein, und folglich mochte sie vielleicht da hängen um gelüftet zu werden. Ein Mann von mittlern Alter, der in dieser Hütte seiner Ruhe pflegte, nöthigte uns Platz bey ihm zu nehmen, und so bald dieses geschehen, untersuchte er meine Kleidung mit vieler Aufmerksamkeit. Er hatte sehr lange Nägel an den Fingern, worauf er sich nicht wenig zu gut that. Ich merkte auch bald, daß dies ein Ehrenzeichen ist, in so fern nemlich nur solche Leute die nicht arbeiten, die Nägel so lang wachsen lassen können. Eben diese Gewohnheit findet man unter den Chinesern, und auch die sind sehr stolz darauf. Ob aber die Einwohner von Tahiti sie aus China her bekommen, oder ob zufälligerweise beyde Völker, ohne einige Gemeinschaft mit einander zu haben, auf einerley Einfall gerathen seyn mögen? Das dünkt mich selbst für den Scharfsinn eines Needham und des Guignes zu hoch. In verschiednen Winkeln der Hütte saßen, hier die Mannsleute, dort die Frauenspersonen beysammen und nahmen so von einander abgesondert ihr Mittagsmahl zu sich, das in Brodfrucht und Pisangen bestand. Beyde Partheyen schienen, je nachdem wir uns einer oder der andern näherten, zu wünschen, daß wir mit essen mögten. Es ist eine sehr sonderbare Gewohnheit, daß sich hier zu Lande beyde Geschlechte beym Essen von einander trennen müssen; warum dies aber geschiehet, oder was Veranlassung zu diesem Gebrauch gegeben haben mag? konnten wir eben so wenig als Capitain Cook auf seiner vorigen Reise in Erfahrung bringen.

Nachdem wir diese Hütte verlassen, so gelangten wir durch ein wohlriechendes Gebüsch zu einer andern, in der sich O-Tai, nebst seiner Frau und Kindern, imgleichen mit seinen beyden Schwestern, der Maroya und Maroraï befand. Der Officier, welcher seine Bett-Tücher eingebüßt, war bey uns, hielt es aber für vergebliche Mühe darnach zu fragen, und suchte vielmehr seine Schöne durch neue Geschenke zu gewinnen. Corallen, Nägel und andre Kleinigkeiten wurden reichlich dran gewandt. Das Mädchen nahm sie freundlich genug an, blieb aber bey den feurigsten Wünschen ihres Liebhabers unerbittlich. Was ihr so sehr am Herzen gelegen und wofür allein sie sich ihm ergeben haben würde, das mogten die Bett-Tücher gewesen seyn, und die hatte sie vermuthlich weg; nunmehro schien sie folglich durch nichts weiter gereitzt werden zu können, einen Liebhaber zu erhören, den sie doch nur auf kurze Zeit gehabt haben würde. Auf diese Art erklärten wir uns wenigstens ihr Betragen; dazu kam noch, daß sie zu einer angesehenen Familie gehörte, und während Capitain Cook's vorigen langen Aufenthalt auf der Insel, hatte man wenig oder gar keine Beyspiele gefunden, daß Frauenzimmer, von besserem Stande, sich so gemein gemacht haben sollten. Wir konnten uns diesmal nicht lange bey ihnen aufhalten, weil der Tag Abschied zu nehmen anfieng. Es war würklich schon so spät, daß, als wir wieder an den Strand kamen, unsre Boote bereits nach dem Schiffe zurückgekehrt waren. Ich bedachte mich also nicht lange, sondern ward mit einem Indianer einig, daß er mich für eine einzige Glas-Coralle, die mir vom heutigen Spatziergang noch übrig geblieben war, in seinem Canot nach dem Schiffe übersetzen sollte, und so kam ich glücklich an Bord, ohnerachtet das armselige Fahrzeug nicht einmal einen Ausleger (outrigger) hatte.

Bey Anbruch des folgenden Tages, giengen wir wiederum ans Land und von neuem nach Osten hin. Je näher wir der östlichen Spitze des Havens Aitepieha kamen, je breiter ward die Ebene; die Pflanzungen von Brodfrucht- und Coco-Nußbäumen, von Pisangen und andern Gewächsen, an denen man schon durchgehends den Ansatz zur künftigen Erndte sahe, wurden immer ansehnlicher. Auch die Anzahl der Wohnhäuser nahm in dieser Gegend zu, und viele derselben schienen uns reinlicher und neuer zu seyn als beym Ankerplatze. Unter andern erblickten wir in einem dergleichen, welches mit Rohrwänden versehen war, große Ballen von Zeug und eine Menge von Brustschild-Futteralen, die inwendig am Dache hiengen. Alles dieses, so wie das Haus selbst, gehörte dem König, Aheatua zu. Wir spatzierten ohngefähr 2 Meilen weit beständig in den anmuthigsten Wäldern und Pflanzungen von Brodfrucht-Bäumen fort, und sahen, wie die Leute aller Orten wieder an ihr Tagewerk giengen, vornemlich hörten wir die Zeugarbeiter fleißig klopfen. Man muß sich indessen nicht vorstellen, daß die Leute eben durch Noth und Mangel genöthigt werden, so unabläßig zu arbeiten: denn wo wir nur hinkamen, versammlete sich gemeiniglich bald ein großer Haufen um uns her und folgte uns den ganzen Tag über, zum Theil so unermüdet nach, daß mancher das Mittagbrod darüber versäumte. Doch giengen sie nicht so ganz ohne Neben-Absicht mit. Im Ganzen war ihr Betragen allemal gutherzig, freundschaftlich und dienstfertig; aber sie paßten auch jede Gelegenheit ab, eine oder die andre Kleinigkeit zu entwenden und damit wußten sie ausnehmend gut Bescheid. Wenn wir sie freundlich ansahen oder ihnen zulächelten, so hielten manche es für die rechte Zeit, von unserm guten Willen Gebrauch zu machen und in einem bittenden Ton ein: Tayo, poe! hören zu lassen. Das bedeutete so viel als: Freund! ein Coralchen! Wir mogten ihnen hierinn willfahren oder nicht, so brachte es niemals eine Ändrung in ihrem Betragen hervor, sondern sie blieben so aufgeräumt und freundlich als zuvor. Wenn sie mit diesem Anliegen zu häufig kamen, so zogen wir sie auf und wiederholten ihre kindische Betteley im nemlichen Tone, worüber denn unter dem ganzen Haufen immer ein lautes Gelächter entstand. Sie redeten gemeiniglich sehr laut untereinander, und mehrentheils waren wir der Gegenstand ihrer Unterredung. Jedem neu Ankommenden, der die Zahl unsrer Begleiter vermehren half, wurden wir sogleich mit Namen genannt, die nach ihrer Aussprache auf wenige Vocalen und weichere Consonanten reducirt zu seyn pflegten; dann ward einem Jedem erzählt, was wir den ganzen Morgen über gethan oder gesagt hätten. Die erste Bitte bestand gewöhnlich darinn, daß wir ein Gewehr abfeuern mögten; und das thaten wir unter der Bedingung, wenn sie uns einen Vogel zum Ziel zeigen könnten. Doch waren wir dabey mehr als einmal in Verlegenheit, weil sie uns oft Vögel zeigten, die vier bis fünfhundert Schritte weit von uns saßen. Sie wußten nicht, daß die Würkung unsers Gewehrs nur bis auf gewisse Entfernungen reicht; und da es eben nicht rathsam war, sie das Geheimniß zu lehren, so stellten wir uns gemeiniglich als könnten wir den Vogel nicht gewahr werden, bis wir unter diesem Vorwande so nahe heran gekommen, daß er zu erreichen war. Der erste Schuß machte immer großes Schrecken; einige fielen darüber platt zur Erde oder rannten ohngefähr zwanzig Schritt weit zurück, bis wir ihnen durch freundliches Zureden die Furcht benommen, oder ihre herzhafteren Landsleute den geschoßnen Vogel aufgelangt hatten. Sie gewöhnten sich indessen bald besser daran, und wenn sie gleich noch bey jedem neuen Schusse zusammen fuhren, so ließen sie ihre Furcht wenigstens zu keinem weitern Ausbruche kommen.

So freundschaftlich wir nun auch aller Orten aufgenommen wurden, so suchte man gleichwohl überall die Schweine vor uns zu verstecken; und wenn wir darnach frugen, so waren die Leute entweder verlegen, oder sagten, sie hätten keine, oder versicherten, sie gehörten Aheatua'n zu. Wir hielten es also fürs beste, uns gar nicht weiter darum zu bekümmern, und ob wir gleich, fast in jeder Hütte, Schweine genug verborgen fanden, so stellten wir uns doch als merkten wir es nicht, oder als wäre es uns nicht darum zu thun. Dies Betragen machte ihr Vertrauen zu uns desto größer.

Nachdem wir etliche Meilen weit gegangen waren, setzten wir uns auf einige große Steine nieder, die vor einer Hütte eine Art von erhöhtem Pflaster ausmachten, und bathen die Einwohner, daß sie uns, gegen baare Zahlung in Corallen, etwas Brodfrucht und Coco-Nüsse verschaffen mögten. Sie waren sehr willig dazu, brachten herbey was sie hatten und in der Geschwindigkeit stand das Frühstück aufgetischt vor uns. Um es desto ruhiger zu verzehren, ließen wir den ganzen Haufen unsrer Begleiter in einiger Entfernung von uns niedersitzen, damit sie keine Gelegenheit haben mögten, Gewehr oder andre Dinge zu erhaschen, die wir beym Essen von uns legen mußten. Die guten Leute gedachten unsre Collation recht vollständig und schön zu machen; in dieser Absicht brachten sie uns eine Cocosnuß-Schaale voll kleiner Fische, welche sie in Salzwasser eingetunkt, roh zu essen pflegen. Wir kosteten davon und fanden sie gar nicht unangenehm, weil wir aber nicht an rohe Speisen solcher Art gewohnt waren, so vertheilten wir diese Leckerbissen nebst den übriggebliebenen Früchten unter diejenigen von unsren Begleitern, die uns am liebsten waren.

Als wir nach eingenommenem Frühstück weiter gegen die Berge gehen wollten, suchten uns die Indianer zu überreden, daß wir lieber in der Ebne bleiben sollten. Da wir aber augenscheinlich sahen, daß diese Bitte blos aus Trägheit herkam, damit sie nemlich der Mühe überhoben seyn mögten, die bergigten Gegenden zu ersteigen,[13] und es uns um ihre Begleitung eben nicht so sehr zu thun war; so giengen wir ohngeachtet ihres Ungestüms weiter, worauf denn der größte Theil unseres Gefolges hinter uns drein gaffend stehen blieb, die übrigen aber ein jeder seine Straße zog. Nur ein Paar von ihnen, die weniger bequem als die übrigen seyn mochten, blieben bey uns, und erbothen sich zu Wegweisern. Sie führten uns einen Erdriß zwischen zween Bergen hinauf, woselbst wir einige neue wilde Pflanzen und eine Menge kleiner Schwalben antrafen, die über einen Bach hinstrichen, der auf einem Kieselgrunde herabrauschte. Das Ufer, dessen schlängelnder Krümmung wir aufwärts folgten, brachte uns zu einem senkrecht stehenden und mit mancherley wohlriechendem Gebüsch behangenen Felsen, von welchem sich eine Crystallhelle Wasser-Säule in einen glatten klaren Teich herabstürzte, dessen anmuthiges Gestade überall mit bunten Blumen prangte. Dies war eine der schönsten Gegenden die ich in meinem Leben gesehen. Kein Dichter kann sie so schön mahlen. Wir sahen von oben auf die fruchtbare überall angebaute und bewohnte Ebene herab, und jenseits dieser in das weite, blaue Meer hinaus! Die Bäume, welche ihre dickbelaubten Zweige gegen den Teich hin ausbreiteten, gewährten uns kühlen Schatten, und ein angenehmes Lüftchen welches über das Wasser her wehete, milderte die Hitze des Tages noch mehr. Hier legten wir uns auf den weichen Rasen hin, um beym feyerlich einförmigen Geräusch des Wasserfalls, dazwischen dann und wann ein Vogel schlug, die eingesammelten Pflanzen zu beschreiben, ehe sie verwelkten. Unsre Tahitischen Begleiter lagerten sich ebenfalls unter das Gebüsch hin, und sahen uns mit stiller Aufmerksamkeit zu. Wir hätten den ganzen Tag in dieser reizenden Einöde zubringen mögen! allein unser Beruf gestattete keine Unthätigkeit; so bald wir also mit den Beschreibungen fertig waren, begnügten wir uns die romantische Gegend noch einmal zu betrachten, und kehrten alsdenn nach der Ebene zurück. Hier kam uns ein großer Haufen Indianer entgegen, die Herren Hodges und Grindall begleiteten, zu denen auch wir uns geselleten. Herr Hodges hatte einem jungen Burschen von ungemein glücklicher Bildung, der eine besondre Neigung zu ihm bezeigte, sein Zeichnungs-Portefeuille anvertrauet. Keine Gunstbezeigung, glaub ich, hätte diesem jungen Menschen mehr Vergnügen machen können, als dieser öffentliche Beweis des auf ihn gesetzten Vertrauens, wenigstens schien er ganz stolz darauf zu seyn, daß er im Angesicht aller seiner Landesleute mit dem Portefeuille untern Arm neben uns her gehen konnte. Ja auch die andern Indianer thaten heute insgesammt vertraulicher und zudringlicher als sonst, vielleicht weil sie durch den Vorzug, der ihrem Landsmann wiederfuhr, sich alle für geehrt hielten, vielleicht auch weil es ihnen gefallen mochte

Herrn Hodges und Grindall, so unbesorgt unter sich zu sehen, indem diese beyde Herren völlig unbewafnet waren. In diesem friedlichen Aufzuge gelangten wir nun an eine geräumige Hütte, in welcher eine zahlreiche Familie beysammen war. Ein alter Mann, aus dessen Blicken Friede und Ruhe hervorleuchtete, lag auf einer reinen Matte und sein Haupt ruhte auf einem Stuhle, der ihm zum Küssen diente. Es war etwas sehr Ehrwürdiges in seiner Bildung. Sein silbergraues Haar hieng in vollen Locken um das Haupt her, und ein dicker Bart, so weiß als Schnee, lag auf der Brust. In den Augen war Leben, und Gesundheit sas auf den vollen Wangen. Der Runzeln, welche unter uns das Antheil der Greise sind, waren wenig; denn Kummer, Sorgen und Unglück, die uns so frühzeitig alt machen, scheinen diesem glücklichen Volke gänzlich unbekannt zu seyn. Einige Kinder, die wir für seine Gros-Kinder ansahen, der Landesgewohnheit nach ganz nackend, spielten mit dem Alten, dessen Handlungen, Blick und Minen augenscheinlich bewiesen, wie Einfalt des Lebens, die Sinnen bis ins hohe Alter bey vollen Kräften zu erhalten vermag. Einige wohlgebildete Männer und kunstlose Dirnen hatten sich um ihn her gelagert und bey unserm Eintritt schien die ganze Gesellschaft, nach einer ländlich frugalen Mahlzeit, im vertraulichen Gespräch begriffen zu seyn. Sie verlangten, daß wir uns auf die Matten neben sie setzen mögten, wozu wir uns nicht zweymal nöthigen ließen. Es schien, als hätten sie noch keinen Europäer in der Nähe gesehen, wenigstens fiengen sie sogleich an, unsre Kleidungen und Waffen neugierigst zu untersuchen, doch ließ ihr angebohrnes flatterhaftes Wesen nicht zu, länger als einen Augenblick bey einerley Gegenstande zu verweilen. Man bewunderte unsre Farbe, drückte uns die Hände, konnte nicht begreifen, warum keine Puncturen darauf waren und daß wir keine lange Nägel hätten. Man erkundigte sich sorgfältig nach unsern Namen und machte sich eine Freude daraus, sie uns mehrmalen nachzusprechen. Dies kam aber, der indianischen Mundart nach, allemal so verstümmelt heraus, daß selbst Etymologisten von Profeßion Mühe gehabt haben würden, sie wieder zu errathen. Forster ward in Matara verändert; Hodges in Oreo; Grindall in Terino; Sparman in Pamani, und George[14] in Teori. An der Gastfreyheit, die wir in jeder Hütte fanden, fehlte es auch hier nicht; man both uns Cocos-Nüsse und E-vihs an, um den Durst zu löschen, und der Alte ließ uns oben drein eine Probe von den musicalischen Talenten seiner Familie hören. Einer von den jungen Männern blies mit den Nasenlöchern eine Flöte von Bamburohr, die drey Löcher hatte[15] und ein andrer sang dazu. Die ganze Music war, sowohl von Seiten des Flötenspielers als auch des Sängers, nichts anders als eine einförmige Abwechselung von drey bis vier verschiednen Tönen, die weder unsern ganzen, noch den halben Tönen ähnlich klangen, und dem Werth der Noten nach, ein Mittelding zwischen unsern halben und Vierteln seyn mochten. Übrigens war nicht eine Spur von Melodie darinn zu erkennen; eben so wenig ward auch eine Art von Tact beobachtet, und folglich hörte man nichts als ein einschläferndes Summen. Auf diese Weise konnte die Music das Ohr freylich nicht durch falsche Töne beleidigen, aber das war auch das beste dabey, denn lieblich war sie weiter eben nicht zu hören. Es ist sonderbar, daß, da der Geschmack an Music unter alle Völker der Erde so allgemein verbreitet ist, dennoch die Begriffe von Harmonie und Wohlklang bey verschiednen Nationen so verschieden seyn können. - Wir sahen in dieser Hütte das Bild von wahrer Volks-Glückseligkeit realisirt, und Herr Hodges konnte sich nicht enthalten, von einem so seltnen Gemählde verschiedne Zeichnungen zu entwerfen, die der Nachwelt anschauende Begriffe von diesen Scenen geben werden, die sich besser fühlen, denn durch Worte ausdrücken lassen. Aller Indianer Augen waren auf sein Zeichnen geheftet, aber wie groß war ihr Erstaunen und Vergnügen, als sie zwischen seiner Arbeit und den Gesichtszügen einiger ihrer anwesenden Landsleute eine auffallende Änlichkeit gewahr wurden. Ohnerachtet wir uns seit unserm Hierseyn schon viel Mühe gegeben hatten die Sprache zu erlernen, so waren wir doch noch nicht weit darinn gekommen und mußten daher Verzicht auf das Vergnügen thun, welches uns die Unterhaltung mit diesen glücklichen Leuten ohne Zweifel gewähret haben würde. Einzelne Wörter und stumme Pantomime war alles, wodurch wir uns ausdrücken konnten. Aber selbst das war hinreichend, die guten Leute zu vergnügen, und unsre Gelehrigkeit und Bestreben ihnen zu gefallen, war ihnen wenigstens eben so angenehm als ihre Gefälligkeit uns zu dienen und zu unterrichten. Der alte Mann änderte unsertwegen seine Stellung nicht. Ohne sein Haupt von Stuhl zu erheben, that er verschiedne kleine Fragen an uns: Z. E. wie der Erih oder Befehlshaber des Schiffs hieße? wie das Land genannt werde aus dem wir kämen? wie lang wir bleiben würden? ob wir unsre Frauens bey uns hätten? u. d. gl. Er schien zwar von alle dem schon durch seine Landsleute unterrichtet zu seyn, doch mochte er von uns selbst die Bestätigung ihrer Aussage hören, oder durch das Gespräch uns blos unterhalten wollen. Wir beantworteten seine Fragen so gut wir konnten; theilten hierauf einige Corallen, Medaillen und andre Kleinigkeiten unter seine Familie aus, und giengen alsdenn weiter. Auf diese Weise hätten wir zu Fuß um die ganze Insel wandern können. Einerseits ließ uns die Gastfreyheit der Einwohner in jeder Hütte, wo wir hätten einkehren mögen, die nöthigen Erfrischungen hoffen, und auch in Absicht des Weges würde es sich überall haben gut fortkommen lassen, denn die Ebene zwischen den Bergen und der See, läuft um die ganze Insel ohnunterbrochen herum; der Boden ist auf diesem schmalen Landstrich völlig eben und der Weg an vielen Stellen mit feinem Grase bewachsen. Kein einziges schädliches Thier schreckte uns; nicht einmal Mücken oder Muskito-Fliegen summten um uns her. Die Brod-Frucht-Wälder machten selbst gegen die Mittags-Sonne einen angenehmen Schatten und die Hitze ward noch überdies durch eine kühle Seeluft gemäßigt. Da aber die Einwohner gewohnt sind, während den Mittags-Stunden zu ruhen, so verliefen sie sich auch jetzt einer nach dem andern in die Büsche und nur sehr wenige von ihnen blieben noch bey uns. Nachdem wir ohngefähr noch 2 Meilen weiter gen Südost gegangen waren, befanden wir uns an der See, die hier ziemlich weit in die Küste herein reichte und eine kleine Bucht ausmachte. Rings um uns her waren überall Plantagen und mitten auf einem schönen Grasplatz, trafen wir auch ein Marai oder Begräbniß an, das aus drey Reihen oder Stufen von Steinen übereinander erbauet war. Jede Stufe mochte ohngefähr viertehalb Fus hoch seyn, und alle waren mit Gras, Farnkraut und kleinem Strauchwerke bewachsen. Vor dem Marai war an der Landseite hin, eine Mauer von fest übereinander gepackten Steinen aufgeführt, die ohngefähr 3 Fus Höhe hatte, und innerhalb dieser standen nach dem Gebäude zu, zwey bis drey einsam hingepflanzte Cocos-Palmen und verschiedne junge Casuarinen, die mit ihren traurig herabhängenden Zweigen der ganzen Scene ein feyerlich melancholisches Ansehen gaben. Nicht weit von diesem Marai, das mit dickem Buschwerk umgeben war, sahen wir eine kleine Hütte, (Tupapau) und unter dieser lag ein todter Cörper, mit einem Stück weißen Zeuge bedeckt, das auf den Seiten in langen Falten herabhieng. Junge Cocos-Palmen und Pisange sproßten hier aus der Erde und der Drachenbaum blühte umher. Nahebey stand eine andre Hütte, darinn ein Vorrath von Lebensmitteln für die Gottheit (Eatua) befindlich, und ohnweit derselben ein Pfahl aufgerichtet war, an welchen ein in Matten eingewickelter Vogel hieng. In dieser letzteren Hütte, welche auf einer kleinen Anhöhe lag, erblickten wir eine Frauensperson, die in betrübter gedankenvoller Stellung da saß. Bey unsrer Annäherung stand sie auf und winkte, daß wir nicht näher kommen möchten. Wir bothen ihr von fern ein kleines Geschenk, sie wollte es aber nicht annehmen, und wir erfuhren von unsern indianischen Begleitern, daß diese Person zu dem Marai gehöre, daß der todte Cörper eine Frauensperson sey, und daß erstere vermuthlich mit den Trauer-Ceremonien beschäftiget wäre.

Wir ließen sie also ungestört, und so bald Herr Hodges mit einer Zeichnung von diesem Platz fertig war, giengen wir wiederum zurück. Es war etwas Großes in dieser Scene, die in allen Stücken zu Religions-Betrachtungen Anlaß geben konnte. Auf dem Rückwege nach dem Wasserplatz, als woselbst wir gemeiniglich anzulanden und des Abends uns wiederum einzuschiffen pflegten, kamen wir neben einem geräumigen Hause vorbey, das in der angenehmsten Lage unter einem Haufen niedriger Cocos-Palmen erbauet war, die voller Früchte hiengen. Etliche kleine gebratene Fische, die man uns für ein Paar Corallen verkaufte, wurden hier zum Anbiß vorgelegt; Andre von unsrer Gesellschaft, denen es nicht ums Essen zu thun war; badeten unterdessen in der See und erschienen alsdenn, anstatt ihrer gewöhnlichen Kleidung, nach Tahitischer Manier, in Ahaus von hiesigem Zeuge gekleidet, welches den Leuten um uns her zum größter Vergnügen gereichte. Von hier aus führte uns der Weg längst den See-Ufer hin, neben einem andern Marai vorbey, das dem voriger sehr ähnlich war, und jenseits diesem kamen wir zu einem hübscher Hause, in welchem ein sehr fetter Mann ausgestreckt da lag, und in der nachläßigsten Stellung, das Haupt auf ein hölzernes Kopf küssen gelehnt, faullenzte. Vor ihm waren zwey Bediente beschäftigt seinen Nachtisch zu bereiten. Zu dem Ende stießen sie etwas Brodfrucht und Pisange in einem ziemlich großen hölzernen Troge klein, gossen Wasser dazu und mischten etwas von dem gegohrnen, sauren Teige der Brodfrucht darunter, welcher Mahei genannt wird, bis das Gemische so dünn als ein Trank war. Das Instrument, womit sie es durchrieben, war eine Mörser-Keule von einem schwarzen polirten Steine, der eine Basalt-Art zu seyn schien.[16] Inmittelst setzte sich eine Frauensperson neben ihn und stopfte ihm von einem großen gebacknen Fische und von Brodfrüchten jedesmal eine gute Hand voll ins Maul, welches er mit sehr gefräßigem Appetit verschlang. Man sahe offenbar, daß er für nichts als den Bauch sorge, und überhaupt war er ein vollkommnes Bild pflegmatischer Fühllosigkeit. Kaum würdigte er uns eines Seitenblicks und einsylbigte Wörter, die er unterm Kauen zuweilen hören ließ, waren nur eben so viel Befehle an seine Leute, daß sie überm Hergucken nach uns, das Füttern nicht vergessen mögten. Das große Vergnügen, welches wir auf unsern bisherigen Spatziergängen in der Insel, besonders aber heut, empfunden hatten, ward durch den Anblick und durch das Betragen dieses vornehmen Mannes nicht wenig vermindert. Wir hatten uns bis dahin mit der angenehmen Hofnung geschmeichelt, daß wir doch endlich einen kleinen Winkel der Erde ausfündig gemacht, wo eine ganze Nation einen Grad von Civilisation zu erreichen und dabey doch eine gewisse frugale Gleichheit unter sich zu erhalten gewußt habe, dergestalt, daß alle Stände mehr oder minder, gleiche Kost, gleiche Vergnügungen, gleiche Arbeit und Ruhe mit einander gemein hätten. Aber wie verschwand diese schöne Einbildung beym Anblick dieses trägen Wollüstlings, der sein Leben in der üppigsten Unthätigkeit ohne allen Nutzen für die menschliche Gesellschaft, eben so schlecht hinbrachte, als jene privilegirten Schmarotzer in gesitteten Ländern, die sich mit dem Fette und Überflüsse des Landes mästen, indeß der fleißigere Bürger desselben im Schweiß seines Angesichts darben muß. Die träge Üppigkeit dieses Insulaners glich gewissermaßen dem Luxus dieser Art, der in Indien und andern östlichen Ländern unter den Großen so allgemein im Schwange ist, und über den sich Sir John Mandeville, in der Beschreibung seiner asiatischen Reisen, mit gerechtem Unwillen ausläßt. Dieser brave Rittersmann, dessen Denkungsart und Heldenmuth ganz auf den ritterhaften Ton seiner Zeiten gestimmt waren, brachte sein Leben in beständiger Thätigkeit hin, und gerieth in herzlichen Eifer, als er irgendwo ein Ungeheuer von Faulheit antraf, das seine Tage verstreichen ließ, „ohne einziges ritterliches Ebentheuer und so immerfort faullenzte als ein Schwein, das auf dem Stalle gefüttert wird, um gemästet zu werden.“[17]

Nachdem wir diesem Tahitischen Fresser eine Weile zugesehen hatten, trennte sich unsre Gesellschaft. Ich meines Theils blieb bey Herrn Hodges und Grindall, und da diese von dem gutherzigen jungen Burschen der ersterem das Portefeuille trug, gebeten worden waren, mit nach seiner Eltern Hause zu kommen, so begleitete ich sie dahin. Es war 5 Uhr Abends, als wir daselbst ankamen. Die Wohnung war klein, aber niedlich, und das vor demselben befindliche Steinpflaster fanden wir mit frischem Laube bestreuet, auf welchem ein großer Vorrath der besten Coco-Nüsse und wohlbereiteter Brodfrucht in schönster Ordnung aufgetragen war. Zwey ältliche Personen standen dabey und suchten die Ratten von den Speisen abzuhalten; auf diese lief der junge Mensch zu und stellte sie uns, bey unserer Annäherung, als seine Eltern vor. Man konnte es ihnen augenscheinlich ansehen, wie herzlich vergnügt sie darüber waren, die Freunde ihres Sohnes bey sich zu sehen und sie bewirthen zu können. In dieser Absicht bathen sie, daß wir uns zu der veranstalteten Mahlzeit niederlassen mögten. Wir konnten anfänglich nicht begreifen wie es zugehe, daß sie bey unsrer Ankunft schon völlig bereitet war. Es fiel uns aber nachher bey, daß unser junge Begleiter etliche Stunden zuvor einen seiner Cameraden voraus geschickt, und durch diesen hatte er das Gastmahl vermuthlich bestellen lassen. Da dies heute die erste rechte Mahlzeit war, zu der wir uns niederließen, so kann man sich vorstellen, daß wir mit gutem Appetit darüber herfielen, was man sich aber vielleicht nicht so lebhaft wird vorstellen können, war die Freude welche die gastfreyen Alten und ihr gutdenkender Sohn darüber bezeugten, daß uns ihr Mahl so wohl schmeckte. Bey diesem alten ehrwürdigen Paare, das uns bey Tisch bediente, hätten wir auf eine poetische Weise vergessen mögen, daß wir Menschen wären und auf den Gedanken kommen können, daß wir als Götter von Philemon und Baucis bewirthet würden; allein, unser Unvermögen sie zu belohnen, erinnerte uns nur zu sehr an unsre Sterblichkeit. Indessen suchten wir an eisernen Nägeln und Corallen zusammen was wir allerseits noch übrig hatten, und schenkten ihnen diese Kleinigkeiten mehr zum Zeichen unsrer Dankbarkeit, als zur Vergeltung ihres guten Willens. Beym Abschied packte der Knabe alles was wir nicht hatten aufessen können, zusammen, und trug uns solches bis ans Schiff nach. Hier machten ihm seine Freunde ein Beil, ein Hemde und andre Artikel von geringerem Werthe zum Gegengeschenk, durch die er sich für weit reichlicher als er selbst es erwartet haben mochte, belohnt zu halten schien, und noch desselben Abends ganz vergnügt zu seinen Eltern zurück kehrte. Während unsrer Abwesenheit war so wohl bey den Schiffen als am Strande der Tauschhandel wie gewöhnlich fortgeführt worden, und es hatte sich nichts besonders ereignet, außer daß Capitain Cook einen seiner alten Bekannten, den Tuahau wieder angetroffen, der ihn auf der vorigen Reise, als er die ganze Insel mit einem Boot umschiffte, sehr weit begleitet hatte.[18] Bey unsrer Zurückkunft war er nebst zween seiner Landsleute noch am Bord, indem sie allerseits gesonnen waren, die Nacht über bey uns zu bleiben. Während Capitain Cooks erster Anwesenheit, als er in Matavai-Bay vor Anker lag, hatten es die Indianer öfters so gemacht; seit unserm diesmaligen Hierseyn aber hatte es noch keiner wagen wollen. Tuahau dem unsre Lebensart und die Gegenstände im Schiffe schon bekannt waren, überließ es seinen unerfahrneren beyden Landesleuten, solche mit Verwunderung in Augenschein zu nehmen, dahingegen er für seine Person gleich eine sehr lebhafte Unterredung mit uns anfieng. Er fragte nach Tabane, Herrn Banks, Tolano, Dr. Solander, Tupaya und verschiednen andern Personen die er ehemals hier gesehen, und deren Namen er sich erinnerte. Es freute ihn zu hören, daß Herr Banks und Dr. Solander noch wohl wären. Er wiederholte diese Frage oft, als ob sie ihm die angelegentlichste wäre, und er bekam immer dieselbe Antwort darauf. Endlich frug er mit einem Blick, worinn man seine Sehnsucht sie wieder zu sehn lesen konnte, ob sie nicht noch einmal nach Tahiti kommen würden? Als er von Tupaya's Ableben hörte, verlangte er zu wissen, ob derselbe eines gewaltsamen oder natürlichen Todes gestorben sey? und es war ihm angenehm, aus unsern gebrochnen Worten und Zeichen abnehmen zu können, daß Krankheit seinem Leben ein Ende gemacht habe. Wir unsrer Seits fragten auf was für eine Art denn Tutahah, der während Capitain Cooks vorigen Hierseyn die Stelle eines höchsten Befehlshabers zu bekleiden schien, ums Leben gekommen wäre? Davon wußte er nun ein Langes und Breites zu erzählen, welches wir, wenn gleich nicht ganz im Detail, doch wenigstens der Hauptsache nach, deutlich verstanden, die darauf hinaus lief, daß zwischen demselben und dem alten Aheatua,[19] als dem Vater des jetzigen Königs auf Teiarrabu, ein großes See-Treffen vorgefallen sey, welches auf keiner Seite entscheidend gewesen; Tutahah sey nachmals mit seinem Heer über die Land-Enge gegangen, die beyde Halbinseln verbindet, daselbst habe er ein hartnäckiges Gefecht und darinn nebst Tuborai-Tamaide und andern ihm zugethanen Leuten von Stande, das Leben verloren. Bald nach Tutahahs Tode sey mit O-Tu,[20] der zuvor nur den Titel eines Regenten von Tahiti gehabt, nunmehro aber zur würklichen Verwaltung dieser Würde gelangt war, Friede gemacht worden. Der alte Aheatua hatte aber die Früchte seiner Siege nicht lange genossen, indem er wenig Monath nach erfolgtem Frieden gestorben, und nunmehro war ihm sein Sohn gleiches Namens, der bey des Vaters Lebzeiten, der Landesgewohnheit nach, schon den Titel Te-Erih[21] geführt und die damit verbundnen Ehrenbezeugungen genossen hatte, auch in dem wesentlichen Theil der königlichen Würde, der Regierung selbst nachgefolget.

Als Tuahau mit Erzählung dieser Staatsgeschichte fertig war, nahmen wir die Charte von O-Tahiti zur Hand, die zu Capitain Cook's voriger Reisebeschreibung in Kupfer gestochen worden, und legten ihm solche vor, ohne zu sagen was es sey. Er war aber ein viel zu erfahrner Pilote, als daß ers nicht sogleich sollte ausfündig gemacht haben.[22] Voller Freuden eine Abbildung seines Vaterlandes zu sehn, zeigte er uns sogleich mit. der Spitze des Fingers die Lage aller Whennua's oder Districte, und nannte sie in derselben Ordnung her, als sie auf der Charte geschrieben waren. Als er an den District O-Whai-urua gekommen war, der von unsrer jetzigen Ankerstelle etwas südwärts lag, zog er uns beym Arm, um aufmerksam auf die Charte zu sehn, und erzählte uns, daß in dem daselbst befindlichen Haven, vor einiger Zeit, ein Schiff, welches er immer Pahie no Peppe nannte, angekommen und fünf Tage allda vor Anker gelegen habe; die Mannschaft desselben hätte zehen Schweine von den Einländern bekommen; und einer von den Boots-Leuten, der von diesem Schiffe entlaufen sey, halte sich noch jetzt in der Insel auf. Wir vermutheten, daß dies ein spanisches Schiff gewesen seyn müsse, weil es gar nicht unwahrscheinlich war, daß die wiederholte Anwesenheit von englischen Schiffen die Spanier auf diese von ihrer Nation vermuthlich zuerst entdeckte Insel von neuem aufmerksam, und wegen ihrer benachbarten weitläuftigen Besitzungen in Süd-America, vielleicht auch besorgt gemacht haben mögte. So sonderbar es klingt, so bestätigte uns doch selbst der Name Peppe in unsrer Vermuthung. Er ist freylich himmelweit verschieden von Espanna, wovon er nach unsrer Meynung abgeleitet ist. Aber wir wußten schon, daß die Einwohner von Tahiti fremde Namen noch ärger als Engländer und Franzosen zu verstümmeln pflegen. Um indessen mehr Licht in der Sache zu bekommen, legten wir dem Tuahau noch manche Frage wegen dieses Schiffes vor, konnten aber nichts weiter herausbringen, als daß der entlaufne Matrose immer bey Aheatua sey und ihm angerathen habe, uns keine Schweine zukommen zu lassen. Was für eigennützige oder, bigotte, schwärmerische Absichten dieser Mann hiezu auch gehabt haben mag, so scheint es doch warlich der freundschaftlichste und beste Rath gewesen zu seyn, den er seinem Beschützer hätte geben können. Der sicherste Weg die Reichthümer seiner Unterthanen im Lande zu behalten, wozu hier für allen Dingen auch die Schweine gehören, und die beste Methode zu hindern, daß keine neuen Bedürfnisse unter diesem glücklichen Volke entstehen mögten, war ohnfehlbar, uns so bald als möglich zur Abreise zu nöthigen, und hiezu war die Versagung der Erfrischungen, deren wir am mehresten bedurften, das beste Mittel. Es ist würklich im Ernste zu wünschen, daß der Umgang der Europäer mit den Einwohnern der Süd-See-Inseln in Zeiten abgebrochen werden möge, ehe die verderbten Sitten der civilisirtern Völker diese unschuldigen Leute anstecken können, die hier in ihrer Unwissenheit und Einfalt so glücklich leben. Aber es ist eine traurige Wahrheit, daß Menschenliebe und die politischen Systeme von Europa nicht mit einander harmoniren!

Am folgenden Tage brachten einige unsrer Leute, die einen Spatziergang an der Küste gemacht hatten, die Nachricht mit an Bord, daß sie Aheatua angetroffen; und daß er ausdrücklich in diesen District gekommen sey, um uns Audienz zu geben. Sie waren ohne Ceremonie vor ihn gelassen worden, und Se. Majestät hatten, mitten in Dero Hofhaltung, die Hälfte ihres Stuhls einem unsrer Steuermänner, Herrn Smith eingeräumt. Auch hatte er sich gnädigst verlauten lassen, daß es ihm lieb seyn sollte, den Capitain Cook zu sehen, und daß er ihm eine beliebige Anzahl Schweine ablassen wolle, wenn dieser für jegliches ein Beil zu geben gesonnen sey. Das war nun allerdings die erfreulichste Neuigkeit, die wir seit langer Zeit gehört hatten. Unsre Leute wollten bey dieser Gelegenheit auch einen Mann bemerkt haben, der der Farbe und Gesichtsbildung nach, einem Europäer ähnlich gewesen, auf ihre Anrede aber unter dem großen Haufen verschwunden sey. Ob es würklich ein Europäer gewesen, oder ob Tuahau's Erzählung ihnen nur im Kopfe gesteckt? können wir nicht bestimmen. So viel aber ist gewiß, daß keiner von uns ihn jemals nachher zu sehen bekommen hat.

Um von Aheatua's guten Gesinnungen gleich auf frischer That Gebrauch zu machen, begaben sich die Capitains mit verschiednen Officiers, imgleichen Dr. Sparmann, mein Vater und ich, am folgenden Morgen früh ans Land. Opao, einer der Indianer, welche über Nacht am Bord geblieben waren, diente uns zum Führer, und rieth uns an, längst dem Flusse, aus dem die Wasserfässer angefüllet wurden, hinauf zu gehen. Als wir auf diesem Wege ohngefähr eine Meile zurückgelegt haben mochten, trafen wir einen großen Haufen Menschen an, die, so viel wir erkennen konnten, allerseits ihre Ober-Kleider hatten herunter fallen lassen, um die Schultern zu entblößen, welche Ehrenbezeigung nur allein dem Könige wiederfährt. Wir vermutheten daher, daß er in der Nähe seyn müsse, und fanden ihn auch bald mitten unter diesem Haufen, wo er sich auf einen großen, aus festem Holz verfertigten Stuhl niedergesetzt hatte, der ihm bis dahin von einem seiner Leute war nachgetragen worden. Aheatua erinnerte sich Capitain Cooks sobald er ihn ansichtig wurde, und machte auch gleich Raum für ihn auf seinem Sessel, immittelst Capitain Furneaux und wir übrigen uns auf große Steine niederließen. Kaum hatten wir Platz genommen, so drängte sich von allen Seiten eine unzählbare Menge Indianer herbey, und schloß uns in einen sehr engen Zirkel ein, worinn es bald so heiß ward, daß des Königs Bediente die Leute oft mit Schlägen zurücktreiben mußten, um uns Luft zu schaffen.

O-Aheatua, König von O-Tahiti-iti (Klein-Tahiti) sonst Teiarrabu genannt, war ein junger Mann von siebenzehn bis achtzehn Jahren, wohl gebaut, und bereits 5 Fuß 6 Zoll hoch, ohnerachtet er, dem Anschein nach seine völlige Größe noch nicht erreicht hatte. Es war etwas sanftes aber unbedeutendes in seiner Mine; und war ja Bedeutung darin, so drückte sie, wenigstens bey unserm ersten Besuche, nichts als Furcht und Mißtrauen aus, welches freylich zur Majestät nicht paßt, sondern vielmehr oft das Kennzeichen eines bösen Gewissens und unrechtmäßiger Herrschaft ist. Er war heller von Farbe als alle seine Unterthanen, und hatte schlichtes, langes, lichtbraunes Haar, das an den Spitzen ins röthlichtgelbe fiel. Seine ganze Kleidung bestand für diesmal nur in einer breiten Scherfe (Marro) vom feinsten weißen Zeuge, die von den Hüften bis auf die Knie herabreichte. Der Kopf und übrige Theil des Leibes war unbedeckt. Neben ihm saßen zu beyden Seiten einige Befehlshaber und Adliche, die sich durch ihre große und dicke Statur auszeichneten, ein Vorzug, den diese Classe von Leuten ihrer trägen Lebensart und wohlbesetzten Tafel zu verdanken hat. Einer derselben war auf eine sonderbare Weise punctirt, dergleichen wir sonst noch nicht bemerkt; es waren nämlich seine Arme, Beine, Schenkel und Seiten, fast über und über, mit großen schwarzen Flecken von allerhand Gestalt bedeckt. Eben dieser Mann, der E-Tieh hieß, war auch wegen seiner ungeheuren Corpulenz für andern auffallend, und schien überdies beym Könige Erih in besondern Ansehn zu stehen, indem dieser ihn fast bey jedem Vorfalle um Rath frug. So lange der König auf dem Stuhle oder seinem Throne sas, betrug er sich ungleich ernsthafter und steifer, als man es von seiner Jugend wohl hätte erwarten sollen. Es schien aber ein auswendig gelerntes, angenommenes Wesen zu seyn, durch welches unsre Audienz ein desto feyerlicheres Ansehen bekommen sollte. Bey einigen altfränkischen Staatsmännern möchte ihm das vielleicht zum Verdienst gerechnet werden; es war doch aber im Grunde nichts als eine Maskerade von Heucheley und Verstellung, die wir zu Tahiti kaum erwartet hätten.

Nach der ersten Begrüßung überreichte Capitain Cook dem Aheatua ein Stück rothen Boy (baize) ein Bett-Tuch, eine breite Zimmer-Axt, ein Messer, Nägel, Spiegel und Corallen. Mein Vater gab ihm ähnliche Geschenke, und unter andern eine Aigrette von Scharlachroth gefärbten Federn, die an einem gewundenen Drathe oder Zitter-Nadel befestigt waren. Diese schätzten Se. Majestät ungemein hoch und beym Anblick derselben brach die ganze Versammlung in ein lautes Au-wäh aus, welcher Ausruf Erstaunen und Bewundrung andeutet. Der König fragte nunmehro nach Herrn Banks, nach welchen vor ihm nur der einzige Tuahau gefragt hatte. Sodann erkundigte er sich wie lange wir bleiben würden, und gab dabey zu verstehen, daß es ihm lieb seyn sollte, wenn wir fünf Monath verweilen wollten. Cäpitain Cook antwortete, daß er im Gegentheil unverzüglich wieder absegeln müsse, weil nicht Lebensmittel genug zu bekommen wären. Der König schränkte also seine Bitte auf einen Monath, und endlich auf fünf Tage ein. Da aber Capitain Cook immer bey seiner vorigen Erklärung blieb; so versprach Aheatua uns am folgenden Tage Schweine zu schicken. Dergleichen Versprechungen waren uns indessen schon mehr als einmal gemacht worden, ohne daß jedoch etwas darauf erfolget wäre: Wir rechneten also auch jetzt nicht darauf; denn so wenig übrigens Teiarrabu als ein hoch verfeinerter Staat angesehen werden kann, so hatten wir doch längst gefunden, daß sich von der thätigen Gutherzigkeit, welche uns der Mittelstand, durch Gastfreyheit und eine Menge dienstfertiger und edler Handlungen, bezeigte, im geringsten nicht auf die Denkungsart des Hofes und der Hofleute schließen lasse, sondern daß es mit der scheinbaren und glänzenden Höflichkeit derselben blos darauf abgesehen sey, unsre Hoffnungen durch leere Versprechungen zu nähren und von einer Zeit zur andern aufzuhalten.

Während dieser Unterredung mit dem Könige ward das umherstehende gemeine Volk, welches aus wenigstens fünfhundert Menschen bestand, zuweilen so überlaut, daß man sein eigen Wort nicht hören konnte. Des Königs Bediente mußten daher auch mehrmalen mit durchdringender Stimme Mamu! (still!) ausrufen und diesem Befehl mit tüchtigen Stockschlägen Nachdruck geben. Als der Erih sahe, daß Capitain Cook die Zeit seines Hierbleibens schlechterdings nicht verlängern wollte, stand er auf und sagte, er würde uns nach dem Strande hinab begleiten, wohin ihm seine Bedienten den Stuhl und die empfangenen Geschenke nachtragen mußten. Nunmehro legte er die während der Audienz angenommene Ernsthaftigkeit bey Seite, und unterhielt sich auf dem Wege mit unsern gemeinsten Matrosen ganz vertraut. Mich bat er, daß ich ihm alle diejenigen bey Namen nennen möchte, die von beyden Schiffen am Lande waren; auch verlangte er zu wissen, ob sie ihre Weiber am Bord hätten? und als ich mit Nein darauf antwortete, rieth ihnen Se. Majestät in einem Ausbruch guter Laune, sie möchten unter den Töchtern des Landes wählen; man sahe aber diese Einladung für ein bloßes Compliment an. Als wir bald nachher bey einem Hause mit Rohrwänden vorbey kamen, setzte er sich im Schatten desselben nieder, und wir suchten innerhalb demselben Schutz für der Sonne, die bis jetzt hinter Gewölken verborgen gewesen war. Er forderte einige Coco-Nüsse und fieng an von Pahie no Peppe oder dem Spanischen Schiffe zu sprechen, wovon uns Tuahau die erste Nachricht gegeben hatte. Nach seiner Erzählung war das Schif fünf Monathe vorher zu Whai-Urua gewesen, und hatte sich daselbst zehn Tage lang aufgehalten. Er setzte hinzu, der Capitain habe viere von seinen Schiffsleuten aufhängen lassen, ein fünfter aber sey dieser Strafe entlaufen. Wir fragten eine lange Weile nach diesem Europäer, den sie O-Pahutu nannten, konnten aber nichts von ihm herausbringen, und da endlich die Hofschranzen Sr. Majestät merkten, daß wir uns so genau und ängstlich nach diesem Mann erkundigten, versicherten sie uns, er sey todt. Wir haben nachher erfahren, daß um dieselbige Zeit, welche die Indianer angaben, Don Juan de Langara y Huarte, von Callao in Peru, ausgeschickt worden, und Tahiti besucht habe; von den besonderen Umständen seiner Reise aber ist bis itzt noch nichts kund geworden. Während daß wir uns in diesem Hause allerseits ausruhten, fragte E-Tie (Eti) der dicke Mann, den wir für den vornehmsten Rath des Königs ansahen, ob wir in unserm Lande einen Gott (Eatua) hätten, und ob wir ihn anbetheten? (Epuhre?) Als wir ihm antworteten, daß wir einen Gott erkennten, der alles erschaffen habe, aber unsichtbar sey, und daß wir auch gewohnt wären, unsre Bitten und Gebethe an ihn zu richten, schien er höchlich darüber erfreuet und wiederholte es mit einigen, vermuthlich erläuternden, Zusätzen gegen verschiedene von seinen Landesleuten, die zunächst um ihn saßen. Hierauf wandte er sich wieder gegen uns und sagte, so viel wir verstehen konnten, daß seiner Landsleute Begriffe mit den unsrigen in diesem Stück übereinstimmten. Und in der That läßt sich aus mehreren Umständen abnehmen, daß dieser einfache und einzige richtige Begriff von der Gottheit, in allen Zeiten und Ländern bekannt gewesen ist, und daß, jene verwickelten Lehrgebäude von ungereimter Vielgötterey, die man fast bey allen Völkern der Erden angetroffen hat, nur der Kunstgriff einiger verschlagenen Köpfe gewesen, die ihr Interesse dabey fanden dergleichen Irrthümer allgemein zu machen. Herrschsucht, Wollust und Faulheit scheinen dem zahlreichen Haufen der heidnischen Pfaffen den teuflischen Gedanken eingegeben zu haben, den Geist der Völker durch Aberglauben zu fesseln und zu blenden. Es ist ihnen auch nicht schwer geworden, diesen Entwurf durchzusetzen, weil der Mensch von Natur so sehr zum Wunderbaren geneigt ist, und eben diese Neigung ist Schuld daran, daß jene damit übereinstimmende Vorurtheile sich so fest und so tief in die Systeme menschlicher Kenntniß hineingeschlungen hatten, daß sie bis auf diesen Augenblick noch in Ehren gehalten werden, und daß der größte Theil des menschlichen Geschlechts sich in dem Punkt noch immer auf die gröbste Weise blindlings hintergehen läßt.

Immittelst E-Tie von Religions-Sachen sprach, spielte König Aheatua mit Capitain Cooks Taschen-Uhr. Er betrachtete die Bewegung der Räder, die sich von selbst zu bewegen schienen, mit großer Aufmerksamkeit. Erstaunt über ihr Geräusch, welches er nicht begreifen und ausdrücken konnte, gab er sie zurück mit der Äußerung „sie spräche“ (parau) und fragte dabey wozu das Ding gut sey? Mit vieler Schwierigkeit machte man ihm begreiflich, daß wir sie gebrauchten um die Tageszeit daran zu erkennen, welche er und seine Landsleute, aus dem Fortrücken der Sonne am Horizont, zu schätzen gewohnt wären. Nach dieser Erklärung nannte ers eine kleine Sonne, um damit anzudeuten, daß er uns völlig verstanden.

Wir waren eben im Begriff nach dem Strande zurück zu kehren, als ein Mann mit einem Schweine ankam, welches der König dem Capitain unter der Versicherung schenkte, daß er noch eins bekommen solle. Mit diesem kleinen Anfange waren wir vor der Hand zufrieden und beurlaubten uns nunmehro von Se. Majestät, zwar ohne langweilige Ceremonie, blos mit einem herzlichen Tayo (Freund); doch war in diesem einzigen Ausdruck gewiß mehr Bedeutung als in mancher künstlichen Rede.

Nachmittags giengen die Capitains abermals mit uns zum Könige. Wir fanden ihn noch auf eben dem Platze, wo wir ihn beym Abschiede verlassen hatten, und er bat uns bey diesem Besuch von neuen, daß wir wenigstens noch ein paar Tage länger bleiben mögten. Man gab ihm aber eben die Antwort als zuvor, und sagte gerade heraus, daß wir blos deswegen abreisen würden, weil er uns nicht mit lebendigem Vieh versehen wollte. Hierauf ließ er sogleich zwey Schweine herbey bringen und schenkte jedem Capitain eins, welche Freygebigkeit durch allerhand Eisen-Geräthschaften erwiedert ward. Zu Unterhaltung Sr. Majestät ließen wir einen unsrer See-Soldaten, einen Bergschotten, auf dem Dudelsack spielen; und obgleich seine rauhe Musik unsern Ohren fast unausstehlich war, so fanden doch der König und die ganze indianische Versammlung ein so ausnehmendes Vergnügen daran, als man sich nicht vorstellen sollte. Das Mißtrauen, welches er bey unsrer ersten Unterredung hatte blicken lassen, war nun verschwunden; und wären wir länger geblieben, so mögte es sich vielleicht in ein unbeschränktes Vertrauen verwandelt haben, wenigstens schien er seiner Jugend und gutherzigen Gemüthsart nach, von Natur geneigt dazu zu seyn. Das studierte und gezwungen-gravitätische Wesen ward ganz bey Seite gesetzt, ja einige seiner Beschäftigungen kamen beynahe kindisch heraus. Um nur ein Beyspiel davon anzuführen: so fanden Se. Majestät ein hohes Wohlgefallen daran, mit einem unsrer Beile kleine Stöcke zu zerhacken und junge Pisang-Pflanzungen abzuhauen. Ohnerachtet wir aber seines nunmehrigen vertraulichen Betragens wegen gewissermaßen hoffen konnten, daß er im Ernste Anstalt machen würde, uns mit einem Vorrath von Schweinen zu versorgen; so wollten wir es doch nicht auf den bloßen Anschein wagen, länger hier zu bleiben. In dieser Absicht nahmen wir gegen Abend förmlichen Abschied von ihm, giengen an Bord zurück und lichteten die größere Anker noch ehe es Nacht ward.

Da die Einwohner am folgenden Morgen sahen, daß wir die Seegel in Ordnung brachten und andre ernsthafte Anstalten zur Abreise vorkehrten, so kamen sie haufenweise mit kleinen Canots voll Coco-Nüsse und andrer Gewächse an die Schiffe, und verkauften alles zu sehr geringen Preisen, damit sie nur die Gelegenheit europäische Waaren zu bekommen nicht ungenutzt mögten vorbey streichen lassen. Der Geschmack an Kleinigkeiten und Spielzeug, der auf eine so unbegreifliche Weise, mehr oder minder, über die ganze Welt verbreitet ist, gieng hier so weit, daß die Leute ein Dutzend der schönsten Coco-Nüsse für eine einzige Glas-Coralle hingaben, und auf diesen unbedeutenden Schmuck bisweilen einen höheren Werth legten als auf einen Nagel, der doch einigen Nutzen haben konnte. Wir fanden, daß die Insulaner jetzt weit ehrlicher zu Werk giengen als bey unsrer Ankunft. Vielleicht besorgten sie, daß die geringste Betrügerey dem Handel alsbald ein Ende machen würde, der ihnen seitdem erst recht am Herzen liegen mochte, seitdem sie sahen, daß er überhaupt nicht lange mehr dauern würde. Um die Vortheile desselben noch so lange als möglich zu genießen, begleiteten sie uns bis ein paar Meilen außerhalb des Rifs und kehrten dann erst zum Strande zurück, woselbst wir den Lieutenant Pickersgill mit einem Boot zurückgelassen hatten, um auch unsrer Seits von der Neigung, welche das Volk jetzt zum Handel blicken ließ, noch einigen Gebrauch zu machen.

Nunmehro, da wir gleichsam von neuem wieder uns selbst überlassen waren, konnte man sich ein wenig erholen und einmal wieder zu Athem kommen, welches sich während des kurzen Aufenthalts auf der Insel, bey der Menge von neuen Gegenständen, kaum hatte thun lassen wollen. Diese Ruhe war uns um so willkommner, da sie uns Zeit gab, den mancherley Betrachtungen nachzuhängen, zu denen wir während unsers Hierseyns so vielfältigen Stof gesammelt hatten. Nach allem, was wir auf dieser Insel gesehen und erfahren, dünkte sie uns, im Ganzen genommen, einer der glücklichsten Winkel der Erde. Zwar waren uns ehemals, nachdem wir lange Zeit vorher nichts als See, Eis und Luft vor uns gesehen hatten, auch die öden Felsen von Neu-Seeland so vortheilhaft ins Gesicht gefallen, daß wir anfänglich ebenfalls sehr günstige Urtheile darüber fällten: Allein diese ersten Eindrücke waren auch bald wieder verschwunden, und wir hatten in der Folge täglich mehr Gelegenheit gefunden, uns zu überzeugen, daß sich dieses Land allerdings noch in einem wilden chaotischen Zustande befände. Bey O-Tahiti hingegen verhielt es sich ganz umgekehrt. Die Insel sahe nicht nur schon fern reizend aus, sondern je näher wir derselben kamen, desto schöner wurden auch die Prospecte, ja selbst bey jedem Spatziergang entdeckten wir neue Annehmlichkeiten. Je länger wir blieben, je mehr wurden die Eindrücke des ersten Anblicks bestätigt, ohngeachtet wir hier wegen der Erfrischungen schlimmer daran waren als auf Neu-Seeland, woselbst es größern Überfluß an Fischen und Vögeln gab, anstatt daß man sich hier mit eingesalznen Speisen behelfen mußte. Die Jahreszeit, welche mit unserm Februar übereinstimmt, hatte natürlicherweise einen Mangel an Baumfrüchten verursacht; denn obgleich hier zu Lande der Winter nicht in kalter Witterung bestehet, als in Ländern die weit von den Wende-Cirkeln liegen, so ist er dennoch hier so gut als überall die Jahrszeit, in welcher das ganze Pflanzenreich die Säfte zu einer neuen Erndte bereitet. Daher hatten einige Bäume ihre Blätter ganz verlohren, verschiedene Pflanzen waren bis auf die Wurzeln abgestorben, und die übrigen alle, sahen ganz vertrocknet aus, weil nemlich der Regen sich erst alsdenn einstellt, wenn die Sonne wieder im südlichen Hemispherio ist. Bey so bewandten Umständen hatten Laub und Kraut auf dem flachen Lande, überall eine dunkelbraune Farbe bekommen. Ein lebhafteres Grün fand man nur allein noch in den Wäldern, welche die höheren Berg-Gipfel krönen, denn diese sind fast beständig in Wolken verhüllt, und folglich ist es dort immer feucht. Von daher brachten uns die Einwohner unter andern auch eine Menge wilder Pisange, Vehie (Wehi) und das wohlriechende Holz e-ahaï womit sie ihrem Coconuß-Öle einen so starken Geruch geben. Die häufigen Erdrisse und die zerrüttete Form, der höheren Bergspitzen, rühren allem Anschein nach, von ehemaligen Erdbeben her; und die Laven, woraus die Berge zum Theil bestehen und wovon die Einwohner allerhand Werkzeuge machen, überzeugten uns noch mehr, daß vor Zeiten brennende Berge auf der Insel gewesen seyn müssen. Eben dies beweisen auch der fruchtbare Boden in der Ebne, der aus recht fetter Garten-Erde besteht und mit den Überbleibseln volcanischer Ausbrüche vermischt ist, imgleichen der schwarze Eisen-Sand, der sich oft am Fuße der Berge findet. Unter der vordersten Reihe von Bergen giebt es mehrere, die ganz unfruchtbar sind und aus gelben, mit Eisen-Ocher vermischten Thon bestehen; andre hingegen haben gutes fruchtbares Erdreich und diese sind, gleich den dahinter liegenden, höheren Bergen, mit Waldung bewachsen. An manchen Orten findet man Quarz-Stücke; von edlen Metallen gab es aber weiter keine Spuren, als daß man in den Laven hie und da Eisentheilchen entdeckte. Indessen mögen die Berge dennoch wohl schmelzwürdiges Eisen-Erz enthalten. Was aber das Stück Salpeter, so groß als ein Ey betrift, welches, laut Capitain Wallis Zeugniß, hier auf der Insel soll gefunden worden seyn,[23] so muß ich, mit aller Achtung für seine Kenntniß vom Seewesen, an der Richtigkeit der Sache selbst zweifeln, weil man bis jetzt noch keinen gediegnen Salpeter in Klumpen gefunden hat, wie solches mit mehrerem aus Cronstedts Mineralogie zu ersehen ist.

Zu vorstehenden wenigen Anmerkungen über die Foßilien von Tahiti, bewog uns der Anblick dieser Insel an deren Küste wir nun nordwärts hinseegelten und noch immer nach der Gegend hinsahen, die uns sowohl gefallen und zu so mancher Untersuchung Stoff gegeben hatte. Mitten in diesen Betrachtungen wurden wir zu Tische gerufen, wo ein Gericht frisches Schweinefleisch unsrer erwartete. Die Eilfertigkeit, mit welcher wir uns dahin begaben, und der gute Appetit, den wir bey dieser Schüssel bewiesen, zeigten deutlich, daß uns lange genug darnach verlangt hatte. Es wunderte uns, daß dies Fleisch im mindesten nichts von dem geilen Geschmack hatte, den es wohl in Europa zu haben pflegt. Das Fett war mit Mark zu vergleichen und das Magre schmeckte fast so zart als Kalbfleisch. Dieser Unterschied rührt vermuthlich daher, daß die Tahitischen Schweine mit nichts als Früchten gefuttert werden, und vielleicht hat diese Nahrung auch einen Einfluß auf den Instinct dieser Thiere. Sie sind von der kleinen sogenannten chinesischen Art, und haben keine hängende lappichte Ohren, die Graf Büffon als Kennzeichen der Sclaverey unter den Thieren ansieht. Auch waren sie reinlicher, und müssen sich folglich wohl nicht so im Schlamm herum zu wälzen pflegen als unsre europäischen Schweine. Dieses Vieh gehört zwar zu den würklichen Reichthümern von Tahiti, doch darf man sie deshalb nicht für einen Hauptartickel des Unterhalts halten; denn in dem Betracht könnte diese ganze Thierart ausgerottet werden, ohne daß die Nation im Ganzen dabey verlöre, weil sie nemlich den Großen des Landes allein und ausschließenderweise zugehören. Man schlachtet nur selten welche, ja vielleicht nie anders als bey feyerlichen Gelegenheiten; aber denn verschlingen die Vornehmen das Fleisch auch mit eben so viel Gierigkeit, als gewisse Leute in England (Aldermen of London) bey einem guten Schildkröten-Schmause bezeigen sollen. Der gemeine Mann kriegt äußerst selten davon zu kosten, und es bleibt ein Leckerbissen für ihn, ohngeachtet gerade diese Classe des Volks die Mühe allein auf sich hat, sie zu warten und zu mästen.

Gegen Abend fiel eine Windstille ein, die fast bis zum Morgen anhielt; alsdenn aber bekamen wir Süd-Ostwind, und mit dessen Hülfe bald den nördlichen Theil von O-Tahiti, imgleichen die dabey liegende Insel Eimeo, zu Gesichte. Die Berge machten hier größere Massen und fielen daher schöner ins Auge als zu Aitepieha. Die niedrigern Berge waren nicht so steil, aber gleichwohl allenthalben ohne Bäume und Grün: auch die Ebene, vom Ufer an bis zu den ersten Bergen hin, war weitläuftiger, und schien an manchen Orten über eine Meile breit zu seyn. Gegen 10 Uhr hatten wir das Vergnügen, verschiedne Canots vom Lande gegen uns heran kommen zu sehen. Ihre langen schmalen Seegel, die aus zusammengenähten Matten bestanden, ihre Feder-Wimpel und die treflichen Coco-Nüsse und Pisang-Früchte, davon hochaufgethürmte Haufen aus den Booten hervorragten, machten zusammen genommen einen schönen mahlerischen Anblick aus. Sie überließen uns ihre Ladungen für wenige Corallen und Nägel, und kehrten alsdenn gleich wieder nach dem Ufer zurück, um mehrere zu holen. Gegen Mittag kam auch unser Boot mit dem Lieutenant Pickersgill wieder an. Er war in seinem Einkauf zu Aitepieha sehr glücklich gewesen und brachte neun Schweine nebst vielen Früchten von daher mit. Des Königs Aheatua Majestät, waren die ganze Zeit über auf dem Marktplatze geblieben, hatten sich neben den Eisen-Waaren hingesetzt, und sichs ausgebeten, für uns mit ihren Unterthanen zu handeln; waren auch dabey sehr billig zu Werk gegangen, indem sie für größere und kleinere Schweine, auch größere und kleinere Beile gegeben hatten. Zwischen durch aber hatten sich Hochdieselben, wie Abends zuvor, wieder die Veränderung gemacht, kleine Stöcke zu zerhacken, zum großen Vergnügen unsrer Matrosen, die bey der Gelegenheit nach ihrer Art, sehr feine Anmerkungen über königlichen und kindischen Zeitvertreib gemacht hatten. So bald Herr Pickersgill alle seine Waaren los geworden war, gieng er Nachmittags von Aitepieha ab und kam den Abend nach Hiddia, in den District des O-Rettie (Ereti), wo Herr von Bougainville im Jahr 1768. vor Anker lag. Er ward daselbst von dem würdigen Alten sehr gastfrey aufgenommen, dessen Character und Betragen der galante französische Seemann so viel Gerechtigkeit hat wiederfahren lassen. Am folgenden Morgen kam der Bruder desselben, Tarurie, zu Herrn Pickersgill, und bat diesen, daß er ihn in seinem Boote mit nach den Schiffen nehmen möchte, die man von da aus unter Seegel sähe. Als er an Bord kam, bemerkten wir, daß er einen Fehler an der Aussprache hatte und den Buchstaben T. allemal wie ein K. aussprach; eben diesen Fehler fanden wir in der Folge auch bey mehreren von seinen Landsleuten. Unterdessen war aus vorgedachtem District schon zuvor ein andrer Mann, Namens O-Wahau, in seinem Canot an Bord gekommen, und dieser sowohl als Tarurie speißten beyde mit uns zu Mittage. Mein Vater hatte dem erstem, zum freundlichen Willkommen, ein Paar Corallen und einen kleinen Nagel geschenkt. Der ehrliche Insulaner erwiederte dies Geschenk sogleich mit einer schön gearbeiteten Fischangel von Perlmutter. Dieser Beweis seiner Gutherzigkeit ward durch einen größern Nagel belohnt, und kaum hatte er solchen empfangen, als er einen Knaben in seinem Canot nach dem Lande abfertigte, der um 4 Uhr von daher zurück kam, und seinen Bruder, nebst einem Geschenke von Cocos-Nüssen, Pisangen und Matten an Bord brachte. Dieses Betragen O-Wahau's hatte etwas so edles an sich, und dünkte uns über die gewöhnlichen Begriffe von Tausch und eigennütziger Abmessung eines Gegenwerthes so weit erhaben, daß wir eine recht hohe Meynung und Achtung für ihn bekamen. Er erhielt nun auch ein weit ansehnlicheres Geschenk von uns, mehr um ihn in seiner edlen Denkungsart zu bestärken als um seine Gaben dadurch zu bezahlen. Hiemit gieng er des Abends von uns und war so voller Freuden als hätte er ein ganz unerwartetes Glück gemacht.

Mit Beyhülfe einer gelind wehenden Landluft näherten wir uns nun allgemach dem Ufer, und betrachteten die Schönheiten der Landschaft, die vom blendenden Glanz der Sonne, gleichsam vergoldet, vor uns lag. Schon konnten wir jene weit hervorragende Landspitze unterscheiden, die wegen der ehemals darauf gemachten Beobachtungen Point Venus genannt war; und es kostete uns keine Schwierigkeit, denen die bereits vor uns hier gewesen waren, auf ihr Wort zu glauben, daß dies der schönste Theil der Insel sey. Der District von Matavai, dem wir nunmehro gegenüber kamen, zeigte uns eine ungleich weitläuftigere Ebne als wir erwartet hatten; und das holzreiche Thal, das zwischen den Bergen herauf lief, sähe, in Vergleichung mit den kleinen engen Klüften und Berg-Rissen von Teiarrabu, als ein beträchtlich großer Wald aus.[24] Es mogte ohngefähr 3 Uhr des Nachmittags seyn, als wir um vorgedachte Landspitze herum kamen. Das Ufer derselben war überall voller Menschen, die uns mit der schärfsten Aufmerksamkeit betrachteten, aber, dem größten Theil nach über Hals und Kopf davon liefen, so bald sie sahen, daß wir in der Bay vor Anker giengen. Sie rannten längst dem Strande, über den One Tree-hill weg, und nach O-Parre, dem nächsten gen Westen belegnen Districte hin, als ob sie vor uns flüchteten. Unter dem ganzen Haufen erblickten wir nur einen einzigen Mann, der nach hiesiger Landesart vollständig gekleidet war, und unsers Freundes O-Wahaus Aussage nach, sollte dies O-Tu selbst, der König von O-Tahiti-Nue oder von Gros-Tahiti seyn. Er war sehr groß und wohlgebauet, lief aber gleich einem großen Theil seiner Unterthanen sehr eilfertig davon, welches die Indianer an Bord so ausdeuteten, daß er sich für uns fürchtete.

Obgleich die Sonne beynahe untergehen wollte als wir die Anker warfen, so waren doch unsre Verdecke gar bald mit Indianern von verschiednem Alter und Stande angefüllt. Viele derselben erkannten ihre alten Freunde unter den Officiers und Matrosen, mit einer gegenseitigen Freude, die sich nicht leicht beschreiben läßt. Unter diesen war auch der alte ehrwürdige O-Whaa, dessen friedfertiger Character und Freundschafts-Dienste in Herrn Cooks erster Reise, besonders bey Gelegenheit eines unangenehmen Vorfalls, da nemlich die Seesoldaten einen Indianer erschossen hatten, rühmlichst erwähnt worden sind.[25] So bald er Herrn Pickersgill sahe, erinnerte er sich seiner augenblicklich, nannte ihn bey seinem Tahitischen Namen Petrodero, und rechnete ihm an den Fingern her, es sey nun das drittemahl, daß er auf die Insel komme; Herr Pickersgill war auch würklich, sowohl bey des Capitain Wallis, als bey des Capitain Cooks erster Reise, bereits hier gewesen. Ein vornehmer Mann, Namens Maratata[26] besuchte Capitain Cook mit seiner Gemahlinn (Tedua)-Erararie, welches eine hübsche junge Person war. Man schenkte ihr und ihrem Manne eine Menge von Sachen, die sie jedoch schon deswegen eben nicht verdienten, weil sie beyderseits blos in dieser eigennützigen Absicht an Bord gekommen zu seyn schienen. Eben so begünstigte auch das Glück Maratata’s Schwiegervater, einen großen dicken Mann, der mit zu ihrer Gesellschaft gehörte und sich auf eine recht unverschämte Weise von jedermann etwas erbettelte. Zum Zeichen der Freundschaft verwechselten sie ihre Namen mit den unsrigen, ein jeder von ihnen wählte sich nemlich einen Freund, dem er besonders zugethan war. Diese Gewohnheit hatten wir auf unserm vorigen Ankerplatze nicht bemerkt, denn da waren die Einwohner zurückhaltender und mißtrauischer. Um 7 Uhr verließen sie größtentheils das Schiff, versprachen aber folgenden Morgen wieder zu kommen, woran wir auch wegen ihrer guten Aufnahme nicht zweifeln durften.

Der Mond schien die ganze Nacht sehr hell. Kein Wölkchen war zu sehn. Die glatte Fläche der See glänzte wie Silber, und die vor uns liegende Landschaft sähe so reizend aus, daß man sich kaum überreden konnte, sie sey etwas mehr als das schöpferische Werk einer fruchtbaren lachenden Fantasie. Sanfte Stille herrschte rund um uns her, nur hie und da hörte man einen Indianer plaudern, deren etliche an Bord geblieben waren, um den schönen Abend bey ihren alten Freunden und Bekannten zuzubringen. Sie hatten sich an den Seiten des Schiffes herum gesetzt, sprachen von allerhand Dingen und machten sich durch Zeichen verständlicher, wenn es mit Worten nicht gelingen wollte. Wir hörten zu, und fanden, daß sie zum Theil frugen, wie es unsern Leuten seit ihrer letzten Abreise von hier ergangen sey, zum Theil auch das traurige Schicksal Tutahah's und seiner Freunde erzählten. Gibson, ein See-Soldat, dem die Insel so wohl gefallen, daß er es ehemals bey Capitain Cooks voriger Reise, gar darauf anlegte hier zu bleiben,[27] hatte den mehresten Antheil an der Unterredung, denn er verstand von der Landessprache mehr als irgend sonst einer von uns, weshalb ihn die Einwohner auch besonders hoch schätzten. Die guten Leute bezeigten hier noch ungleich mehr Zutrauen und Freymüthigkeit gegen uns als zu Aitepieha, und dies gereichte ihnen in unsern Augen zu desto größerer Ehre, weil sich daraus deutlich genug abnehmen ließ, daß sie die ehemaligen Beleidigungen edelmüthig vergessen hatten, und daß ihr gutes unverderbtes Herz auch nicht eines Gedanken von Rachsucht oder Bitterkeit fähig sey. Für ein empfindsames Gemüthe ist aber das warlich ein tröstlicher Gedanke, daß Menschenliebe dem Menschen natürlich sey und daß die wilden Begriffe von Mißtrauen, Bosheit und Rachsucht, nur Folgen einer allmähligen Verderbniß der Sitten sind. Man findet auch in der That nur wenig Beyspiele vom Gegentheil, daß nemlich Völker, welche nicht ganz bis zur Barbarey herabgesunken, der Liebe zum Frieden, diesem allgemeinen Grundtriebe des Menschen, zuwider gehandelt haben sollten. Was Columbus, Cortez und Pizarro bey ihren Entdeckungen in America, und was Mendanna, Quiros, Schauten, Tasman[28] und Wallis in der Süd-See hierüber erfahren haben, das stimmt mit unsrer Behauptung vollkommen überein. Selbst der Angriff, den die Tahitier ehemals auf den Dolphin wagten, widerspricht derselben nicht. Es dünkt mir nemlich höchstwahrscheinlich, daß unsere Leute, wenn sie sich dessen gleich nicht bewußt seyn mögen, durch irgend eine Beleidigung Gelegenheit dazu gegeben haben müssen. Gesetzt aber auch, das wäre nicht; so ist doch Selbsterhaltung das erste Gesetz der Natur, und der Anschein berechtigte die Einwohner allerdings unsre Leute für ungebetne Gäste und für den angreifenden Theil zu halten, ja was mehr als das alles ist, sie hatten Ursach für ihre Freiheit besorgt zu seyn. Als sie endlich die traurigen Würkungen der europäischen Obermacht empfunden und man ihnen zu verstehen gegeben hatte, daß das Schif nur einige Erfrischungen einnehmen, auch nur eine kurze Zeit hier bleiben wolle, kurz, so bald sie selbst einsahen, daß die Fremden nicht ganz unmenschlich und unbillig, und daß Britten wenigstens nicht wilder und barbarischer wären als sie selbst, so waren sie auch gleich bereit, die Fremdlinge mit offnen Armen zu empfangen, das vorgefallne Misverständnis zu vergessen, und sie freygebig an den Naturgütern der Insel Theil nehmen zu lassen. Einer übertraf den ändern an Gastfreyheit und Freundschaft, vom geringsten Unterthanen an bis zur Königinn, damit ihre Gäste beym Abschied von dem freundschaftlichen Lande berechtigt seyn mögten zu sagen:

 

 Invitus, regina, tuo de littore cessi.

 VIRGIL.

 

Neuntes Hauptstück.

 

 

Aufenthalt in Matavai-Bay.

 

 

Capitain Cook hatte schon bey seiner ehemaligen Anwesenheit auf dieser Insel bemerkt, daß, wenn man hier in Matavai-Bay, ohne  Gewalt zu gebrauchen und die blutigen Auftritte vergangner Zeiten zu wiederholen, einen hinlänglichen Vorrath von Lebensmitteln erhalten wollte, es unumgänglich nöthig sey, sich das Wohlwollen des Königs zu erwerben. Um in dieser Angelegenheit noch heute den ersten Schritt zu thun, machte er so gleich Anstalt nach O-Parre abzugehen, woselbst König O-Tu sich aufhalten sollte. Doch wartete er mit der Abreise dahin, bis Maratata und seine Frau ihrem Versprechen gemäs an Bord gekommen waren. Diese brachten ihm für die gestern erhaltenen Geschenke einige Stücke ihres besten Zeuges, und bildeten sich nicht wenig darauf ein, daß sie in die große Cajütte kommen durften, immittelst ihre übrigen Landsleute draußen bleiben mußten. So bald hierauf auch Capitain Furneaux von der Adventure angelangt war, begab sich Capitain Cook nebst ihm, dem Dr. Sparrmann, meinen Vater und mir in die Pinnasse. Maratata und seine Frau kamen ohne Ceremonie auch mit herein und nahmen sogleich die beste Stelle auf dem Hintertheil ein. Eine Menge andrer Indianer folgten ihrem Beyspiel bis das Boot so voll war, daß sich die Matrosen mit den Rudern nicht rühren konnten. Der größte Theil dieser ungebetnen Gäste mußte also, zu ihrem nicht geringen Leidwesen, wieder aussteigen. Jedermann schien sich nemlich eine Ehre und ein Vergnügen daraus zu machen, wenn er in unserm Boote sitzen durfte. Hiezu mogte das gute Ansehen desselben nicht wenig beytragen, denn es war eben neu angemahlt und mit einem grünen Sonnen-Schirme oder Zeltdecke versehen, die angenehmen Schatten machte. Wir ruderten nunmehro queer über die Bay und näherten uns dem Ufer bey einer Landspitze, auf welcher aus dickem Gebüsch ein steinernes Marai hervorragte, dergleichen wir schon zu Aitepiha gesehn hatten. Capitain Cook kannte diesen Begräbniß- und Versammlungs-Platz unter dem Namen von Tutaha's Marai; als er ihn aber also benannte, fiel ihm Maratata in die Rede, um ihm zu sagen, daß es Tutahah nach seinem Tode nicht mehr gehöre, sondern jetzt O-Tu’s Marai genannt werde. Eine herrliche Moral für Fürsten und Könige, sie an die Sterblichkeit zu erinnern und ihnen zu lehren, daß nach ihrem Tode nicht einmal der Ruheplatz ihres Cörpers ihnen eigen bleibt! Maratata und seine Frau entblößten im Vorbeyfahren ihre Schultern – eine Ehre, welche alle Einwohner, ohne Unterschied des Standes, dem Marai bezeigen, und woraus sich abnehmen läßt, daß sie diese Plätze für besonders heilig ansehen müssen. Vielleicht halten sie dafür, daß die Gottheit an solchen Stellen unmittelbar gegenwärtig sey, wie denn von jeher, ein jedes Volk etwas ähnliches von seinen heiligen Versammlungs-Örtern geglaubt hat.

Wir kamen auf dieser Fahrt an einem der schönsten Districte von O-Tahiti vorbey. Die Ebenen schienen hier von beträchtlichem Umfange zu seyn; die Berge hatten durchgehends sanfte Anhöhen und verloren sich auf der Ebene in ziemlich weit hervorragenden, gewölbten Spitzen. Das Ufer, welches mit dem schönsten Rasen bewachsen und, bis an den Strand herab, von Palmen beschattet war, stand voller Menschen, die, so bald wir aus dem Boot stiegen, ein lautes Freuden-Geschrey erhoben. Man führte uns ohnverzüglich nach einigen Häusern, die unter Brodfrucht-Bäumen versteckt lagen und vor einem der größten Häuser trafen wir einen Platz von zwanzig bis dreyßig Schritte im Gevierte an, der mit einem ohngefähr 18 Zoll hohen Gitterwerk von Rohr umzäunt war. Mitten auf diesem Platze saß der König, mit kreuzweis übereinander geschlagnen Beinen, auf der Erde. Um ihn her stand ein großer Kreis von Leuten beyderley Geschlechts, die ihrer Statur, Farbe und Betragen nach, zu den Vornehmsten des Landes gehören mußten. Sobald die Matrosen unsre Geschenke, als welche Capitain Cook's Creditiv ausmachten, vor dem Könige auf die Erde niedergelegt hatten, traten wir alle näher, und wurden gebeten, uns um Se. Majestät herum zu setzen. Ohnerachtet das Volk im Äußern viel Achtung für seinen Beherrscher zu haben scheint, wie sich zum Theil schon daraus abnehmen läßt, daß in seiner Gegenwart jedermann, ohne Ausnahme, die Schultern entblößen muß; so reichte solche doch nicht so weit, daß man sich nicht von allen Seiten her mit der ungestümsten Neugierde auf uns zugedrängt haben sollte, und da die Menge der Menschen, mithin auch das Gedränge hier ungleich größer waren als während unsrer Audienz bey Aheatua; so mußten sichs die auf die Ecken des umzäunten Platzes gestellten königlichen Bedienten rechtschaffen; sauer werden lassen, um die Leute nur einigermaßen in Schranken zu halten. Einer insbesondre, der auf dem Wege Platz für uns machen sollte, schlug ganz unbarmherzig drauf los und mehr denn einen Stock auf den Köpfen entzwey, welches ohnfehlbar Löcher und Blut gesetzt haben muß

 

Menava quellet mazza fra la gente

Ch' un imbriaco Svizzero paria

Di quei, che con villan modo insolente,

Sogliono innanzi 'l Papa il dì di festa

Rompere a chi le braccia, a chi la lesta.

TASSONE.

 

Dem ohnerachtet drängten sie sich eben so hartnäckig wieder herbey als der ärgste englische Pöbel nur thun kann, jedoch mit dem Unterschiede, daß sie die Insolenz der königlichen Bedienten ein gut Theil geduldiger zu ertragen schienen. Der König von O-Tahiti hatte, während Capitain Cook's erster Anwesenheit allhier, unsre Leute nie zu sehen bekommen, vermuthlich aus politischen Absichten seines Oncles Tutahah, der damals die ganze Regierung in Händen hatte, und vielleicht besorgen mogte, an seinem Ansehn bey den Europäern zu verlieren, wenn sie erfahren hätten, daß er nicht der erste und größte Mann auf der Insel sey. Es ist nicht wohl auszumachen, ob Tutahah's Ansehn und Gewalt usurpiri war oder nicht. Das scheint jedoch wieder ihn zu seyn, daß O-Tu (der jetzige König) schon vier bis fünf und zwanzig Jahr alt, und gleichwohl erst kürzlich zur Regierung gelangt war. Nicht nur als Regent, sondern auch der Statur nach war er, wenigstens so viel wir sahen, der größte Mann auf der Insel, denn er mas völlige 6 Fus 3 Zoll. Er hatte starke und wohlproportionierte Gliedmaßen, war überhaupt wohl gemacht, und hatte auch vor der Hand noch keinen Ansatz zu übermäßiger Corpulenz. Ohnerachtet etwas finsteres, und vielleicht schüchternes in seinem Ansehen war, so leuchtete doch übrigens Majestät und Verstand daraus hervor, gleichwie auch in seinen lebhaften schwarzen Augen viel Ausdruck war. Er hatte einen starken Knebel-Bart, der gleich dem Unterbart und dem starken lockigten Haupt-Haar pechschwarz war. Sein Portrait ist, nach einer Zeichnung von Herrn Hodges, zu Capitain Cooks Nachricht von dieser Reise in Kupfer gestochen. Durch eine ähnliche Leibesgestalt und gleichen Haarwuchs, der, wie eine überall gleich-dick-gekräuselte Parücke, gerade aufwärts um den Kopf stand, zeichneten sich seine Brüder und Schwestern aus. Von ersteren mochte der ältere ohngefähr sechzehen und der jüngste etwa zehen Jahr alt seyn. Seine älteste Schwester aber, welche diesmal nur allein gegenwärtig war, schien fünf bis sechs und zwanzig Jahr alt zu seyn. Da die Frauenspersonen hier zu Lande das Haar gemeiniglich kurz abgeschnitten zu tragen pflegen; so war der Haarputz dieser Dame als etwas Außerordentliches anzusehen und mogte vielleicht ein besonders Vorrecht der königlichen Familie seyn. Ihr hoher Rang befreyte sie jedoch nicht von der allgemeinen Etiquette die Schultern in Gegenwart des Königs zu entblößen, ein Brauch, der dem Frauenzimmer auf unzählige Art Gelegenheit gab, ihre zierliche Bildung ungemein vortheilhaft sichtbar zu machen. Ihr ganzes Gewand bestehet aus einem langen Stück von weißem Zeuge, so dünn als Mußlin, das auf hundert verschiedne ungekünstelte Weise um den Cörper geschlagen wird, je nachdem es der Bequemlichkeit, dem Talente und dem guten Geschmack einer jeden Schöne am zuträglichsten scheint. Sie wissen nichts von allgemeinen Moden, die mehrentheils nur einigen wenigen Personen gut stehen und die übrigen mehr verstellen als putzen; sondern angebohrne Freyheit gilt hier auch beym Anzuge und natürliche Grazie verschönert die edle Einfalt ihrer Tracht und Bildung. – Die einzige Person, welche die Schultern nicht zu entblößen brauchte, war des Königs Hoa[29] ein Hofbedienter, der sich am besten mit einem Cammerherrn vergleichen läßt und deren der König zwölfe haben soll, welche nach der Reihe die Aufwartung haben. Zu diesen gehörten die Leute, welche vorher so schweizermäßig aufs Volk geprügelt und Platz gemacht hatten. Wir saßen zwischen den Oncles, Tanten, Vettern und andern Verwandten des Königs. Alle diese Standespersonen wetteiferten mit einander uns freundlich und zärtlich anzublicken, Freundschafts-Versicherungen zu geben und – um Corallen und Nägel zu bitten. Die Art und Weise aber, wie sie diese Kleinigkeiten zu erhalten suchten, war sehr verschieden, und fiel deshalb auch nicht immer gleich glücklich für sie aus. Wenn wir zum Beyspiel unter eine oder die andere Art von Leuten Corallen austheilten, so drängten sich bisweilen junge unverschämte Bursche herbey und hielten die Hände auch her, als hätten auch sie Anspruch oder Recht auf unsre Freygebigkeit. Unter solchen Umständen bekamen sie aber allemal eine abschlägige Antwort. Schon schwerer war es, alten ehrwürdigen Männern eine Gabe zu versagen, wenn sie mit bebender Hand die unsrigen ergriffen, sie herzlich druckten und in vollkommnen Vertrauen auf unsre Güte uns ihr Anliegen ins Ohr wisperten. Die älteren Damen halfen sich mit etwas Kunst und Schmeicheley. Sie frugen gemeiniglich wie wir hießen, nahmen uns an Kindesstatt an, und machten uns mit ihren Verwandten bekannt, die auf diese Weise auch die unsrigen wurden. Nach andern kleinen Schmeicheleyen kam denn im bittenden Ton, mit liebäugelnden Minen, ein: Aima poe ihti no te tayo mettua? heraus, welches so viel ist, als: „Ist denn kein Coralchen für das liebe Mütterchen da?“ Das hieß nun unsre kindliche Liebe mit ins Spiel ziehen, und wenn das geschahe, so hatten die guten Alten fast allemal gewonnen. Eine solche Einkleidung ihres Anliegens mußte uns nemlich von dem National-Character dieses Volks ungemein vortheilhafte Begriffe machen, denn gute Gesinnungen von andern zu erwarten, wenn man sie selbst nicht hat, ist eine Verfeinerung der Sitten, die blos ganz civilisirten Völkern eigen ist. Unsre jüngere Verwandtinnen, die in der Blüthe der Jugend standen, hatten wieder andre Kunstgriffe zu Gebote. Außerdem daß sie gemeiniglich auf eine oder die andre Art hübsch waren, gieng auch ihr ganzes Tichten und Trachten dahin, uns zu gefallen, und da sie sich noch überdies auf die zärtlichste Art von der Welt unsre Schwestern nannten; so durften sie, aus mehr denn einer Ursach, in ihren Anliegen nicht leicht eine abschlägige Antwort besorgen, denn wer hätte so hübschen jungen und gefälligen Mädchen widerstehen können? Mittlerweile, daß wir den Damen und Herren vom Hofe allerhand Geschenke austheilten, hatten die ersteren ihre Bedienten (Tautaus) abgeschickt, und große Stücke ihres besten Zeuges, Scharlach, Rosenroth oder Blasgelb gefärbt und mit dem feinsten wohlriechenden Öl parfumirt, holen lassen, um uns Gegenpräsente damit zu machen. Sie legten uns solche über unsre Kleidungen an und beladeten uns so sehr damit, daß wir uns kaum zu rühren im Stande waren. Mancherley Fragen Tabane, (Herrn Banks,) Tolano, (Dr. Solander,) und andre Bekannte betreffend, folgten dem wichtigern Geschäfte Geschenke zu empfangen; aber nach Tupaya (Tupeia) oder Parua, wie er gemeiniglich genannt ward, fragten nur einige einzelne Personen, die auch die Nachricht von seinem Tode mit ziemlicher Gleichgültigkeit anhörten, ohnerachtet die weitläuftige Kenntniß dieses Mannes, ihn unsrem Bedünken nach, seinen Landsleuten werth und angenehm hätte machen sollen. Während dieser Unterredung spielte unser Bergschotte einige Stücke auf dem Dudelsack, zu unendlichem Vergnügen der Zuhörer, die über seine Music voll Verwundrung und Entzücken waren. König O-Tu insbesondre war mit seiner Kunst, die warlich sehr unbedeutend war, so ausnehmend zufrieden, daß er ihm ein großes Stück des gröbern Zeuges zur Belohnung reichen ließ.

Da dies nur eine Ceremonien-Visite war, so wollten wir uns nicht lange aufhalten, und waren eben im Begriff Abschied zu nehmen, als wir durch die Ankunft von E-Happaï,[30] den Vater des Königs, noch eine Weile aufgehalten wurden. Er war ein langer, magrer Mann mit grauem Barte und grauem Kopfe, schien aber, seines hohen Alters ohnerachtet, noch nicht abgelebt zu seyn. Was ihm die Capitains schenkten, nahm er mit jener kalten Gleichgültigkeit an, die alten Leuten wohl eigen zu seyn pflegt. Wir waren zwar schon durch die vorigen Reisebeschreibungen von der sonderbaren Verfassung unterrichtet, vermöge welcher der Sohn noch bey Lebzeiten des Vaters die Regierung annimmt:[31] doch wunderte es uns daß der alte Happai sich überdies noch der Landesgewohnheit unterwerfen, und in Gegenwart seines Sohns die Schultern so gut als jeder andre entblößen, mußte. Der Begriff von Blutsverwandtschaft ist also hier ganz aus den Augen gesetzt, um der königlichen Würde desto mehr Ansehen zu verschaffen, und eine solche Verläugnung der natürlichen Verhältnisse, zeigt meines Erachtens einen höhern Grad von Cultur und Einsicht an, als andre Reisende den Einwohnern von Tahiti zugestanden haben. Ohnerachtet aber Happai die oberste Herrschaft nicht mehr in Händen hatte, so lies ihm das gemeine Volk, seiner Geburt und Standes wegen, dennoch große Ehre wiederfahren, und auch der König hatte ihn mit einem anständigen Unterhalt versorgt. Der District oder die Provinz O-Parre stand nemlich unmittelbar unter seinen Befehlen, und aus dieser zog er für sich und seine Bedienten was er nöthig hatte. Wir hielten uns dieses alten Herrn wegen nur um ein weniges länger auf als wir zuvor willens gewesen waren, beurlaubten uns sodann vom Vater und Sohne und kehrten wieder nach der Pinnasse zurück, welche Maratata die ganze Zeit über nicht verlassen hatte, vermuthlich, um sich dadurch bey seinen Landsleuten das Ansehen zu geben als ob er in besondern Credit bey uns stände. Während unsrer Abwesenheit waren auf (der Landspitze) Point Venus für die Holzhauer, die Wasserträger und die Kranken der Adventure etliche Zelte aufgeschlagen worden. Auch hatten die Astronomen beyder Schiffe ihre Sternwarten ohngefähr auf eben dem Flecke errichtet, wo von Herrn Green und Capitain Cook auf der vorigen Reise der Durchgang der Venus beobachtet worden war. Bey unserer Rückkunft an Bord fanden wir das Schiff voller Indianer und unter denselben auch verschiedne Personen von höherem Range. Diese hatten ihres Standes wegen im ganzen Schiff überall freyen Zutritt, aber eben deshalb war man auch, für ihrer Betteley um Glas-Corallen und andre Kleinigkeiten, in keinem Winkel sicher. Um dieser unerträglichen Unverschämtheit zu entgehen, verfügten sich die Capitains bald wieder nach den Zelten zurück, und wir begleiteten sie dahin, um zu sehen, was für natürliche Merkwürdigkeiten das Land hervorbringe. In gleicher Absicht machten wir auch nach Tische einen neuen Spatziergang; da wir aber beydemal nicht weit hatten kommen können, so bestanden unsre Entdeckungen nur aus wenigen Pflanzen und Vögeln, dergleichen wir zu Aitepiha noch nicht gesehen hatten.

Am folgenden Morgen, sehr frühe, kam eine Menge Canots von Parre ans Schiff und in einem der kleinsten befand sich der König, der seine Gegengeschenke dem Capitain Cook in eigner Person überbringen wollte. Es waren allerhand Lebensmittel, nemlich ein lebendiges Schwein, etliche große Fische, als eine Stuhr-Makrele (Cavalha, Scomber hippos,) imgleichen eine weiße Makrele, (Albecore) ohngefähr 4 Fus lang und völlig zugerichtet, und endlich eine Menge von Körben mit Brodfrucht und Bananen; dies alles ward eins nach dem andern aufs Schiff gereicht. Capitain Cook stand auf dem Bord des Schiffs und bat Se. Majestät herauf zu kommen; Dieselben blieben aber unverrückt sitzen, bis sich der Capitain, der Tahitischen Etiquette gemäß, in eine unglaubliche Menge des besten hiesigen Zeuges hatte einkleiden lassen, und auf die Art zu einer ungeheuer dicken Figur geworden war. Sobald dieser Punkt des Ceremoniels beobachtet war, wagte sich O-Tu aufs Verdeck des Hintertheils und umarmte den Capitain, schien aber noch sehr besorgt, ohnerachtet man ihn durch das freundschaftlichste Betragen zu überzeugen suchte, daß er nicht Ursach habe es zu seyn. Weil das Verdeck von des Königs Verwandten und Angehörigen, überall gedrängt voll war, so bat man ihn in die Cajütte zu kommen; allein auf einer Treppe, zwischen den Verdecken darnach hinab zu steigen? das dünkte ihm, ohne nähere Untersuchung, ein wenig zu gefährlich. Er schickte also seinen Bruder, einen hübschen Jüngling von sechzehen Jahren der völliges Vertrauen in uns setzte, vorauf. Diesem gefiel die Cajütte, und er stattete einen so vortheilhaften Bericht davon ab, daß der König sich nun gleich hinunter wagte. Hier überreichte man ihm von neuem allerhand kostbare Geschenke. Das hohe Gefolge Sr. Majestät, drängte sich jetzt dermaßen nach der Cajütte, daß wir uns kaum darinn rühren konnten. Capitain Cook war hiebey am übelsten dran, denn dem wards unter der Last seines Tahitischen Ceremonien-Kleides, ohnehin schon zu warm. Ein jeder von diesen Indianern, wählte sich, wie schon erwähnt, einen besondern Freund unter uns, und gegenseitige Geschenke bestätigten gemeiniglich die neugeschloßne Freundschaft. Unter dieser Zeit war auch Capitain Furneaux an Bord gekommen, und wir setzten uns nunmehro zum Frühstück hin. Unsre Gäste waren bey diesem für sie neuen Auftritt sehr ruhig und hatten sich bereden lassen, auf Stühlen Platz zu nehmen, die ihnen etwas ganz fremdes und ungemein bequem zu seyn schienen. Der König war auf unser Frühstück, welches für diesmal halb aus englischen und halb aus Tahitischen Gerichten bestand vorzüglich aufmerksam, und staunte uns nicht wenig an, daß wir heiß Wasser (Thee) tranken und Brodfrucht mit Öl (Butter) aßen. Er selbst war nicht zum Mitessen zu bewegen; einige von seinem Gefolge hingegen, waren nicht so übermäßig vorsichtig, sondern aßen und tranken nach Herzenslust was ihnen vorgesetzt ward. Nach dem Frühstück fiel O-Tu meines Vaters Pudel in die Augen, der sonst gut genug, damals aber ziemlich schmutzig aussahe, indem er mit Theer und Pech, recht Matrosenmäßig besudelt war. Dem ohnerachtet wünschten Se. Majestät ihn zu besitzen und thaten auch keine Fehlbitte. Hocherfreut darüber, beorderten sie sogleich einen ihrer Cammerherren oder Hoas, den Hund in Verwahrung zu nehmen, und ließen sich solchen auch nachher von demselben überall nachtragen. Es währte nicht lange, so äußerte er gegen Capitain Cook, daß er wieder am Lande zu seyn wünsche, und stieg zu dem Ende mit seinem ganzen Gefolge und allen erhaltnen Geschenken aufs Verdeck. Capitain Furneaux schenkte ihm hier noch einen Bock und eine Ziege, welche er in dieser Absicht von seinem Schiff gebracht hatte. Es kostete uns wenig Mühe, dem Könige die Nutzbarkeit dieser Thiere und wie sie gehalten werden müßten, begreiflich zu machen; denn er versprach sogleich, sie nicht zu schlachten, nicht zu trennen und die Jungen in Acht zu nehmen. Die Pinasse war nun fertig, und der König nebst den Capitains und anderen Herren giengen in selbiger nach O-Parre ab, woselbst Se. Majestät damals residirten. Auf der Überfahrt war O-Tu ungemein vergnügt, that mancherley Fragen und schien seine vorige mißtrauische Furcht ganz abgelegt zu haben. Die Ziegen hatten sich seiner Aufmerksamkeit dermaßen bemächtigt, daß er fast von nichts anderm redete, und es schien als könnte ers nicht oft genug hören, wie sie gefüttert und gehalten werden müßten. Sobald wir ans Land kamen, ward ihm ein schöner Grasplatz, der von Brodfrucht-Bäumen beschattet war, mit dem Bedeuten angezeigt, daß er die Ziegen stets an solchen Stellen weiden lassen mögte. Das ganze Ufer war von Indianern bedeckt, die ihren König beym Aussteigen aus dem Boote mit lautem Freudengeschrey empfiengen. Unter dem Haufen befand sich auch Tutahah's Mutter, eine ehrwürdige graue Matrone, die, sobald sie den Capitain Cook gewahr ward, ihm entgegen lief und als den Freund ihres Sohns umarmte. Sie erinnerte sich bey dieser Gelegenheit ihres Verlustes so lebhaft, daß sie zu unsrer nicht geringen Rührung, überlaut zu weinen anfieng. Eine so zärtliche Empfindlichkeit zeugt offenbar von der ursprünglichen Güte des menschlichen Herzens, und nimmt uns immer zum Vortheil derjenigen ein, an denen wir sie gewahr werden.

Wir eilten von hier nach unsern Zelten auf Point-Venus, wo die Eingebohrnen einen ordentlichen Markt errichtet hatten, auf welchem alle Arten von Früchten, und zwar sehr wohlfeil zu haben waren, indem ein Korb voll Brodfrucht oder Coco-Nüsse nicht mehr als eine einzige Coralle galt. Mein Vater traf hier seinen Freund O-Wahau an, der ihm abermals einen großen Vorrath Früchte, einige Fische, etwas feines Zeug, imgleichen ein Paar Angelhaken von Perlmutter schenkte. Wir wollten seine Freygebigkeit erwiedern, allein der edelmüthige Mann schlug es rund ab, das geringste dafür anzunehmen, und sagte: er hätte meinem Vater jene Kleinigkeiten als ein Freund geschenkt, ohne Absicht dabey zu gewinnen. Solchergestalt schien es als wollte sich heute alles vereinigen, uns von diesem liebenswürdigen Volke vortheilhafte Begriffe zu geben.

Gegen Mittagszeit kehrten wir an Bord zurück und beschäftigten uns nach Tische, die bisher gesammelten Naturalien zu zeichnen und zu beschreiben. Der Verdecke waren immittelst beständig mit Indianern beyderley Geschlechts angefüllt, die alle Winkel durchstörten, und maußten, so oft sie Gelegenheit fanden. Abends erlebten wir einen Auftritt, der uns neu und sonderbar, denen aber etwas Bekanntes war, die schon zuvor auf Tahiti gewesen waren. Unsre Matrosen hatten nemlich eine Menge Weibsleute vom niedrigsten Stande aufs Schiff eingeladen, die nicht nur sehr bereitwillig gekommen waren, sondern auch, wie alle ihre Landsleute zurückkehrten, nach Untergang der Sonne noch an Bord blieben. Wir wußten zwar schon, von unserm vorigen Ankerplatze her, wie feil die Tahitischen Mädchens sind; doch hatten sie dort ihre Ausschweifungen nur bey Tage getrieben, des Nachts hingegen sich nie gewagt auf dem Schiff zu bleiben. Hier aber, zu Matavai, hatte man den englischen Seemann schon besser ausstudirt, und die Mädchen mußten ohne Zweifel wissen, daß man sich demselben sicher anvertrauen könne, ja, daß dies die herrlichste Gelegenheit von der Welt sey, ihm an Corallen, Nägeln, Beilen oder Hemden alles rein abzulocken. Es gieng also heute Abend zwischen den Verdecken vollkommen so ausschweifend lustig zu, als ob wir nicht zu Tahiti, sondern zu Spithead vor Anker gelegen hätten. Ehe es ganz dunkel ward, versammleten sich die Mädchen auf dem Verdeck des Vordertheils. Eine von ihnen blies die Nasen-Flöte; die übrigen tanzten allerhand Tänze, worunter verschiedne waren, die mit unsern Begriffen von Zucht und Ehrbarkeit eben nicht sonderlich übereinstimten. Wenn man aber bedenkt, daß ein großer Theil dessen, was nach unsern Gebräuchen tadelnswerth zu nennen wäre, hier, wegen der Einfalt der Erziehung und Tracht, würklich für unschuldig gelten kann; so sind die Tahitischen Buhlerinnen im Grunde minder frech und ausschweifend als die gesittetern Huren in Europa. Sobald es dunkel ward, verloren sie sich zwischen den Verdecken und konnten ihnen ihre Liebhaber frisch Schweinefleisch vorsetzen, so aßen sie davon ohne Maas und Ziel, ob sie gleich zuvor, in Gegenwart ihrer Landsleute, nichts hatten anrühren wollen, weil, einer hier eingeführten Gewohnheit zufolge, von welcher sich kein Grund angeben läßt, Manns- u. Frauenspersonen nicht mit einander speisen dürfen. Es war erstaunend, was für eine Menge von Fleisch diese Mädchen verschlingen konnten, und ihre Gierigkeit dünkte uns ein deutlicher Beweis, daß ihnen dergleichen, zu Hause, selten oder niemals vorkommen mogte. Die zärtliche Wehmuth von Tutahahs Mutter, die edle Gutherzigkeit unsers Freundes O-Wahau, und die vortheilhaften Begriffe von den Tahitiern überhaupt, waren in so frischem Andenken bey uns, daß der Anblick und die Aufführung dieser Creaturen um desto auffallender seyn mußte, die alle Pflichten des gesellschaftlichen Lebens hintan setzten und sich lediglich viehischen Trieben überließen. Die menschliche Natur muß freylich sehr unvollkommen seyn, daß eine sonst so gute, einfältige und glückliche Nation zu solchem Verderbniß und zu solcher Sittenlosigkeit hat herabsinken können; und es ist allerdings herzlich zu bejammern, daß die reichlichsten und besten Geschenke eines gütigen Schöpfers am leichtesten gemißbraucht werden und daß Irren so menschlich ist!

Am folgenden Morgen kam O-Tu, nebst seiner Schwester Tedua-Tauraï und verschiednen seiner Verwandten früh ans Schiff, und ließ uns ein Schwein und eine große Albecore an Bord reichen, sie selbst aber wollten nicht aufs Schiff kommen. Er hatte eben dergleichen Geschenke für Capitain Furneaux mitgebracht, getraute sich aber nicht nach der Adventure hin, bis mein Vater sich erbot, ihn zu begleiten. Auch da mußte die Ceremonie, den Capitain in Tahitisches Zeug einzuwickeln, wiederum vorgenommen werden, ehe sich Se. Majestät an Bord wagen wollten. Sobald dies aber geschehen war, dünkte er sich vollkommen sicher, und kam aufs Verdeck, wo Capitain Furneaux seine Geschenke erwiederte. Unterdessen daß O-Tu hier verweilte, hatte sich seine Schwester Tedua-Tauraï bewegen lassen, auf des Capitain Cooks Schiff zu steigen, und man bemerkte bey dieser Gelegenheit, daß alle anwesende Frauenspersonen ihr durch Entblößung der Schultern dieselbige Ehre bezeigten, welche die ganze Nation dem Könige schuldig ist. Der muntere Jüngling Watau, der seinen Bruder den König begleitete, genoß diese Ehre ebenfalls und ward T'Erih Watau genannt; es scheint folglich, daß der Titel Erih, ob er gleich allen Befehlshabern der Districte und dem Adel überhaupt beygelegt wird, doch eigentlich und in vorzüglichem Maaße den Personen von der königlichen Familie zukomme. Nach einem kurzen Aufenthalt langte O-Tu von der Adventure wieder auf der Resolution an, holte seine Schwester ab und ward, in Gesellschaft derselben, von beyden Capitains nach O-Parre begleitet.

Am 29. ließen wir, gleich bey Anbruch des Tages, unsre Zelte an Land schaffen und giengen aus um die natürliche Beschaffenheit der Insel näher zu untersuchen. Es war die Nacht über ein starker Thau gefallen, der alle Pflanzen erfrischt hatte, und dieses, nebst der angenehmen Kühle des Morgens, machte unser Spaziergang sehr angenehm. Bey den Zelten fanden wir nur wenig Indianer, doch begleiteten uns einige derselben nach dem Flusse, den wir zu paßiren hatten, weil es bey dieser Gelegenheit gemeiniglich etwas zu verdienen gab; sie pflegten uns nemlich für eine einzige Glascoralle auf den Schultern hinüber zu tragen, ohne daß wir einen Fus naß machen durften. Die mehresten Einwohner waren eben aufgestanden, und badeten zum Theil noch im Matavai-Fluß, welches sie des Morgens allemal ihr erstes Geschäft seyn lassen. In diesem warmen Lande muß es auch sehr nöthig und zuträglich seyn, sich öfters zu baden, besonders des Morgens, da das Wasser kühl und frisch, mithin im Stande ist die Nerven zu stärken, die bey der beständigen Hitze sonst erschlaffen würden. Ausserdem ist die körperliche Reinlichkeit, welche daraus entsteht, nicht nur eins der besten Verwahrungsmittel gegen faulende Krankheiten; sondern sie befördert zugleich die Geselligkeit unter dem Volk: Dahingegen andre uncivilisirte Nationen, die nicht viel aufs Baden halten, gemeiniglich so unreinlich zu seyn pflegen, daß, schon deswegen ihrer nicht viel beysammen wohnen und, des Gestanks wegen, auch kein Fremder lange bey ihnen ausdauern kann. Wir giengen nunmehro nach einer kleinen Hütte, in welcher eine arme Witwe mit ihrer zahlreichen Familie lebte. Ihr ältester Sohn Nuna, ein lebhafter, castanienbrauner Knabe von zwölf Jahren und ungemein glücklicher, einnehmender Bildung, hatte jederzeit besondre Neigung zu den Europäern blicken lassen. Dabey hatte er viel Fähigkeiten, wir durften zum Beyspiel nur ein halbes Wort sagen, so begrif er was wir damit meynten, besser als seine Landsleute, bey denen wir es oft mit unsrer ganzen Stärke in der Pantomime und mit Hülfe aller Wörterbücher nicht so weit bringen konnten. Mit diesem Burschen waren wir gestern Abend eins geworden, daß er für heute unser Wegweiser seyn solle. Als wir ankamen, hatte seine Mutter Cocosnüsse und andre Lebensmittel für uns angeschaft und saß auf den Steinen vor der Hütte, mit ihren Kindern um sich her. Das jüngste davon dünkte uns etwa vier Jahr alt. Sie schien zwar noch munter genug zu seyn, hatte aber doch schon so viel Runzeln im Gesicht, daß wir sie, in einem Lande wo die Mädchen so früh mannbar werden als hier, nicht füglich mehr für die Mutter so kleiner Kinder halten konnten. Mittlerweile kam eine jüngere wohlgestalte Person von drey bis vier und zwanzig Jahren herbey, die, wie wir erfuhren, Nuna's älteste Schwester war. Nach dem Alter dieses Mädchens zu urtheilen, mogte also die Mutter nahe an vierzig Jahre seyn, daß sie aber ungleich älter aussahe, ist in so fern nicht zu verwundern, weil das andre Geschlecht bekanntermaßen in heißen Ländern durchgehends früher aufhört hübsch zu seyn als in kalten Gegenden. Hingegen ist das zu verwundern, daß die hiesigen Weiber, ihrer frühen Mannbarkeit ohnerachtet, gleichwohl zwanzig und mehr Jahre hinter einander fruchtbar bleiben? Diesen Vorzug haben sie indessen, allem Anschein nach, der glücklichen Einfalt zu verdanken, in welcher sie ihr Leben mit Sorgen und Mangel unbekannt zubringen, und eben dies ist ohne Zweifel auch die nächste Ursach der hiesigen starken Bevölkerung.

Wir wurden mit einem starken Kerl eins, daß er uns die Lebensmittel, welche die gastfreye alte Frau für uns angeschaft hatte, unterwegens nachtragen sollte. Zu dem Ende hieng er sie, zu gleichen Theilen, an die Enden einer 4 Fus langen Stange und legte diese auf die Schulter. Nuna und sein kleiner Bruder Toparri, der ohngefähr vier Jahr alt war, begleiteten uns lustig und guter Dinge, nachdem wir die ganze Familie beym Abschiede mit Corallen, Nägeln, Spiegeln und Messern beschenkt hatten.

Eines Berges wegen, den wir ersteigen mußten, war der Anfang unsers Marsches etwas beschwerlich, und dennoch blieb unsre Mühe hier unbelohnt, denn auf dem ganzen Berge fanden wir, außer ein Paar kleinen, zwergichten Büschen und etwas trocknem Farnkraut auch nicht eine einzige Pflanze. Dagegen sahen wir, zu unsrer nicht geringen Verwunderung, von dieser trocknen, unfruchtbaren Höhe, eine Flucht wilder Endten vor uns aufsteigen. Was diese aus ihrem gewöhnlichen Lager im Rohre und von den morastigen Fluß-Ufern hieher gebracht haben konnte? läßt sich so leicht nicht begreifen. Kurz nachher kamen wir über einen andern Berg, auf welchem das Farnkraut und übrige Buschwerk erst ohnlängst mußte abgebrannt worden seyn, denn unsre Kleider wurden im Anstreifen noch über und über schwarz davon. Im Herabsteigen gelangten wir endlich in ein fruchtbares Thal, durch welches ein hübscher Bach gegen die See hinaus lief. Die Einwohner hatten ihn hin und wieder mit Steinen aufgedämmt, um dadurch das Wasser auf die Felder zu bringen, die mit Zehrwurzeln (Arum esculentum) bepflanzt waren, weil diese Pflanze einen morastigen und überschwemmten Boden erfordert. Es gab hier zwey Arten davon; die eine hatte große glänzende Blätter und die Wurzel war wohl 4 Schuh lang, aber sehr grob fasericht, die zweyte Art hingegen, hatte kleine sammetartige Blätter und an dieser war die Wurzel feiner und wohlschmeckender. Doch sind beyde von scharfen und beißendem Geschmack, bis sie verschiedenemal in Wasser abgekocht worden; die Schweine fressen sie indessen auch ohne Widerwillen und ohne Schaden roh. Je weiter wir dem Bache folgten, je enger ward das Thal und die Berge zu beyden Seiten immer steiler und waldichter. Wo aber der Boden nur einigermaßen eben war, da standen überall Coco-Nußbäume, Pisang, Maulbeerbäume und mancherley Wurzelwerk; auch fehlte es nicht an einer Menge wohl- und nahe bey einander gelegenen Häuser. An verschiednen Stellen fanden wir große Betten loser Kiesel, welche von den Bergen herabgeschwemmt zu seyn schienen und durch die beständige Bewegung des Wassers allerhand runde Formen bekommen hatten. An den Bergen samleten wir verschiedne neue Pflanzen, liefen aber mehr als einmal Gefahr die Hälse darüber zu brechen, denn die Felsenstücken rollten uns zuweilen unter den Füßen weg. Eine große Menge Indianer versammlete sich um uns her und brachten Coconüsse, Brodfrucht und Äpfel in großem Überfluß zum Verkauf. Wir versorgten uns daher mit einem hinlänglichen Vorrath und mietheten einige Leute um uns das Eingekaufte nachtragen zu lassen. Nachdem wir ohngefähr fünf englische Meilen weit gegangen waren, setzten wir uns auf einen schönen Rasen unter den Bäumen nieder, um Mittag zu halten. Nächst den unterwegens angeschaften Früchten bestand unsre Mahlzeit aus etwas Schweinefleisch und Fischen, welche wir vom Bord mitgenommen hatten. Die Tahitier machten einen Creis um uns her, unsern Wegweisern und Helfern aber gaben wir Erlaubniß, sich neben uns zu setzen. Sie ließen sich's herzlich gut schmecken, wunderten sich aber, daß wir jeden Bissen in ein weißes Pulver tunkten, das ihnen gänzlich unbekannt war. Wir hatten nemlich vom Schiffe aus etwas Salz mitgenommen und aßen es zu allen Speisen, so gar zur Brodfrucht. Verschiedene von ihnen wünschten es zu kosten, und fanden zum Theil Geschmack daran, der ihnen auch nicht fremd seyn konnte, weil sie bey ihren Fisch- und Fleischspeisen Seewasser als eine Brühe zu gebrauchen pflegen.[32]

Um 4 Uhr Nachmittags dünkte es uns Zeit an den Rückweg zu denken. Wir sahen jetzt eine Menge Indianer, mit wilden Plantanen beladen, über die Berge herkommen, woselbst diese Frucht ohne Wartung wächst, aber auch von ungleich schlechterer Art ist als jene die in den Ebenen ordentlich gehegt wird. Sie wollten diesen Vorrath, nach den Gezelten, zu Markte bringen, und da unser Weg ebenfalls dahin gieng, so folgten wir ihnen den Bach herab. An einer Stelle desselben hatten die herbeygelaufnen Kinder kleine Krebse (prawns) zwischen den Steinen aufgesucht und bothen uns solche an. Als ein Beytrag zur Naturgeschichte dieser Insel waren sie uns ganz willkommen, und wir schenkten den Kindern eine Kleinigkeit von Corallen dafür; kaum aber sahen dies die Alten als ihrer mehr denn funfzig, theils Männer, theils Weiber in den Bach wadeten, und uns eine solche Menge von dergleichen Krebsen brachten, daß wir ihre Mühe bald verbitten und unbelohnt lassen mußten. In Zeit von zwey Stunden langten wir endlich bey unsern Zelten auf Point-Venus wiederum an, und fanden den ehrlichen O-Wahau daselbst, der meinem Vater abermals ein Geschenk von Früchten machte. Wir hatten auf unserm heutigen Spatziergange bemerkt, daß es hier mehr müßige Leute als zu Aitepieha gab; auch schienen die Häuser und Pflanzungen hier verfallner und vernachläßigter zu seyn als dort, und statt freundschaftlicher Einladungen, kriegten wir nichts als unbescheidne Bitten um Corallen und Nägel zu hören. Doch hatten wir im Ganzen noch immer Ursach mit den Einwohnern zufrieden zu seyn; denn sie ließen uns in ihrem herrlichen Lande wenigstens überall ungestört herum streifen. Daß sie zu allerhand kleinen Diebereyen ungemein geneigt wären, hatten wir zwar ebenfalls verschiedentlich erfahren, doch niemals etwas von einigem Werthe dadurch eingebüßt; denn in den Taschen, denen am leichtesten beyzukommen war, führten wir gemeiniglich nichts als das Schnupftuch, und dieses bestand noch dazu nur in einem Stück dünnen Tahitischen Zeuges, daher sie sich bey allem Glücke und Geschicklichkeit unsre Taschen auszuleeren, hintergangen fanden und ihre Beute gemeiniglich lächelnd wieder brachten. Meiner Meynung nach, ist diese Neigung bey den Tahitiern minder strafbar als bey uns; denn ein Volk, dessen Bedürfnisse so leicht zu befriedigen, und dessen Lebensart so gleichförmig ist, kann würklich unter sich nur wenig Veranlassungen zur Dieberey haben. Ihre offenen Häuser, ohne Thür und Riegel, beweisen auch zur Gnüge, daß in dieser Absicht keiner von dem andern etwas zu besorgen hat. Wir sind also an dieser ihrer Untugend in so fern selbst schuld, weil wir die erste Veranlassung dazu gegeben, und sie mit Dingen bekannt gemacht haben, deren verführerischem Reiz, sie nicht widerstehen können. Überdies halten sie selbst, dem Anschein nach, ihre Diebereyen eben für so strafbar nicht, weil sie vermuthlich glauben, daß uns dadurch doch kein sonderlicher Schaden zugefügt werde.

In unsrer Abwesenheit hatten die Capitains den König zu Parre besucht, und es war ihnen zu Ehren ein dramatischer Tanz aufgeführt worden, worinn Ihro Königl. Hoheit Tauraï die Hauptrolle spielte. Sie erschien eben so gekleidet, und ihre Pantomime war eben so beschaffen als in Capitain Cooks voriger Reise beschrieben ist.[33] Zwey Mannspersonen tanzten in den Zwischenzeiten, wenn sich die Prinzeßinn ausruhte, und sungen oder sprachen alsdenn auch, mit sonderlich verzerrten Grimassen, einige Worte her, die sich allem Anschein nach auf den Gegenstand des Tanzes bezogen, unsern Leuten aber unverständlich waren. Die ganze Vorstellung dauerte ohngefähr anderthalb Stunden und Tedua Tauraï zeigte dabey eine bewundrungswürdige Geschicklichkeit, die alles übertraf, was man in dieser Art auf der vorigen Reise zu Ulietea gesehn hatte.

Am folgenden Morgen sandte Capitain Cook den Lieutenant Pickersgill in aller Frühe nach dem südwestlichen Theil der Insel, um frische Lebensmittel, besonders aber einige Schweine einzukaufen, weil wir bis jetzt von dem Könige nur zwey Stücke erhalten hatten. Wir unsers Theils blieben diesen ganzen Tag über am Bord, um die gestern eingesammleten Pflanzen zu beschreiben. Abends um 10 Uhr, entstand auf dem Strande, dem Schiffe gegenüber, ein gewaltiger Lärmen; die Capitains vermutheten sogleich, daß solches auf eine oder die andre Weise von unsern Leuten herrühren müsse und sandten deshalb ohnverzüglich etliche Boote mit den erforderlichen Officiers dahin, die denn auch die Thäter bald an Bord brachten. Es waren verschiedne See-Soldaten und ein Matrose, welche sich von dem befehlhabenden Officier bey den Zelten Erlaubniß ausgebeten, spatzieren zu gehen, aber über die Zeit ausgeblieben waren und einen Indianer geprügelt hatten. Der Capitain ließ sie sogleich in Ketten legen, weil es von der äußersten Wichtigkeit war, ihr Vergehen exemplarisch zu bestrafen, um mit den Einwohnern in gutem Vernehmen zu bleiben. O-Tu hatte versprochen, am folgenden Morgen mit seinem Vater an Bord zu kommen; dieser Lerm aber, wovon er eine halbe Stunde nachher sogleich Nachricht erhalten, machte ihn mißtrauisch gegen uns. Er schickte also einen seiner vornehmsten Hofbedienten, Namens E-Ti, als Bothen oder Gesandten (Whanno no t' Eri)[34] ab, um sich wegen seines Außenbleibens entschuldigen zu lassen. Ehe dieser aber ans Schiff kam, waren Dr. Sparrmann und ich schon wieder nach dem Lande und zwar nach dem Platze hingegangen, wo gestern Abend der Lerm vorgefallen war, von da wir weiter ins Innere des Landes zu gehen gedachten. Der alte O-Whaa,[35] der immer so friedfertige Gesinnungen geäußert, kam uns am Strande entgegen, und gab über den gestrigen Vorfall sein Mißvergnügen zu erkennen. Wir versicherten ihn dagegen, daß es uns nicht minder unangenehm sey, daß aber die Verbrecher schon in Eisen wären und scharf bestraft werden würden, und dies stellte ihn völlig zufrieden. Da wir vom Schiffe niemand mit uns genommen hatten, so bathen wir O-Whaa uns Jemanden zu schaffen, dem wir unser Geräthe etc. zu tragen anvertrauen könnten. Es bothen sich verschiedne dazu an, er wählte aber nach seinem eignen Gefallen einen starken tüchtigen Kerl, dem denn auch gleich ein Sack für die Pflanzen und einige Körbe mit Tahitischen Äpfeln eingehändigt wurden, welche wir hier so eben erhandelt hatten. In diesem Aufzuge wanderten wir nunmehro mit unserm Begleiter über One-Tree-hill weg und gelangten in eins der vordersten Thäler von O-Parre. Hier begünstigte uns das Glück mit einer botanischen Entdeckung. Wir fanden nemlich einen neuen Baum, der das prächtigste Ansehen von der Welt hatte. Er prangte mit einer Menge schöner Blüthen, die so weiß als Lilien, aber größer und mit einer Menge Staubfäden versehen waren, welche an den Spitzen eine glänzende Carmosinrothe Farbe hatten. Es waren ihrer bereits so viele abgefallen, daß der ganze Boden voll davon lag. Diesen schönen Baum nannten wir Barringtonia, in der Landessprache aber heißt er Huddu (huddoo,) [Abb. 6262] und die Einwohner versicherten, daß wenn die nußartige Frucht desselben zerstoßen, und, mit dem Fleisch der Muscheln vermischt, ins Meer geworfen wird, die Fische auf einige Zeit so betäubt davon würden, daß sie oben aufs Wasser kämen und sich mit den Händen fangen ließen. Es ist sonderbar, daß verschiedne Seepflanzen zwischen den Wendezirkeln eben diese Eigenschaft haben; dergleichen sind vornemlich die Kuckels-Körner (cocculiindici,) die in Ostindien bekannt sind und zu gleicher Absicht gebraucht werden. Wir waren über unsern botanischen Fund viel zu sehr erfreut, als daß wir mit der näheren Untersuchung desselben, bis zur Rückkunft ans Schiff hätten warten können. In dieser Absicht sprachen wir ohne Umstände in ein hübsches Haus von Rohr ein, um welches wohlriechende Stauden und einige Coco-Nuß-Bäume gepflanzt waren. Vermöge der so oft belobten Gastfreyheit des Landes, ließ der Eigenthümer desselben, gleich bey unserm Eintritt, einen Knaben auf eine der höchsten Palmen steigen, um Nüsse für uns zu holen, und der junge Bursche richtete seinen Auftrag mit wunderbarer Geschicklichkeit aus. Er befestigte nemlich ein Stück von der zähen Pisang-Rinde an beyde Füße. Es war just so lang, daß es rings um den Stamm reichte, und diente ihm als ein Tritt oder fester Punct, immittelst er sich mit den Händen höher hob. Die natürliche Bildung der Coco-Palme, die alle Jahr einen dicken Ring um den Stamm ansetzt, erleichterte ihm zwar diese Art des Aufsteigens; doch blieb die Geschwindigkeit und Leichtigkeit, mit welcher er dabey zu Werke gieng, immer sehr bewundrungswürdig. Wir würden dieser Güte und Aufmerksamkeit unwerth gewesen seyn, wenn wir dem Wirth beym Abschied nicht ein klein Geschenk gemacht und den Knaben für seine Geschicklichkeit nicht belohnt hätten.

Von hier aus giengen wir das Thal weiter hinauf, welches wieder die gewöhnliche Art, in der Mitte keinen Bach hatte, und gegen die Berge zu in die Höhe lief. Zur Linken war es von einem Berge eingeschlossen, den wir, so steil er auch war, zu besteigen gedachten. Es ward uns aber herzlich sauer, und unser Tahitischer Begleiter lachte uns aus, daß wir für Müdigkeit alle Augenblick niedersitzen mußten, um wieder zu Athem zu kommen. Wir hörten wie er hinter uns, zwar sehr langsam, aber mit ofnem Munde, sehr stark schnaubte. Wir versuchten also nachzumachen, was vermuthlich die Natur ihm gelehrt hatte, und fanden diese Methode auch würklich besser als das öftere kurze Athemholen, bey welchem es uns zuvor immer an Luft fehlte. Endlich erreichten wir den Gipfel des Berges, wo der Weg wieder eben wurde, und noch überdies ein angenehmes Lüftchen uns ungemein erfrischte. Nachdem wir aber auf dieser hohen Fläche eine Strecke weiter gegangen waren, nöthigte uns die vom dürren Boden zurückprallende brennende Sonnenhitze, im Schatten eines einsam stehenden Pandangs oder Palm-Nußbaums[36] niederzusitzen, wodurch selbst unserm Begleiter ein großer Dienst geschahe. Die Aussicht war von hier aus vortreflich. Wir sahen tief auf die Ebne von Matavai herab, die alle ihre Reize gleichsam zu unsern Füßen ausbreitete; vor derselben lag die Bay mit den Schiffen, von einer Menge Canots bedeckt und mit dem Ryf eingeschlossen, welches O-Tahiti umgiebt. Die Mittagssonne warf ein stätes, ruhiges und gleichförmiges Licht auf den ganzen Prospect, und in einer Entfernung von ohngefähr 6 starken englischen See-Meilen (leagues,) erblickte man die niedrige Insel Tedhuroa. Sie bestand aus einem kleinen Zirkel von Felsen, die mit einigen Palmen besetzt waren, und jenseits derselben verlor sich die Aussicht in das weite Meer hinaus. Von den übrigen benachbarten Inseln, die wir nicht sehen konnten, zeigte unser Begleiter uns wenigstens die Lage, und erzählte dabey, ob und was daselbst wachse? ob die Inseln bergigt oder flach, bewohnt oder unbewohnt, oder nur dann und wann besucht würden? Tedhuroa gehörte zu der letztern Art, und es kamen eben zwey Canots mit aufgesetzten Segeln von daher zurück. Der Tahitier sagte: sie würden vermuthlich auf den Fischfang aus gewesen seyn, der in dem dortigen beschloßnen See sehr ergiebig wäre. Nachdem wir uns auf dieser Stelle ein Weilchen ausgeruht hatten, giengs wieder fort und auf die im Innern der Insel gelegenen Berge los. Sie lockten uns nicht nur durch den schönen Anblick ihrer noch reich belaubten Wälder, in denen wir manche neue Pflanze zu finden hoffen konnten, sondern auch durch ihre anscheinende Nachbarschaft. Hievon wurden wir indessen bald das Gegentheil gewahr; es waren nemlich von hier aus, noch eine Menge dürrer Berge und Thäler zu paßiren, die uns keine Hoffnung übrig ließen, noch heute dahin zu kommen. Wir gedachten deshalb die Nacht unterwegens zuzubringen, allein bey näherer Überlegung war das keinesweges rathsam, weil wir nicht wußten, wenn unsre Schiffe abgehen würden, und weil wir auch keine Lebensmittel bey uns hatten. Überdies sagte uns unser Begleiter, wir würden auf den Bergen weder Menschen, noch Wohnungen, noch Lebensmittel finden; und daher besser thun, wieder nach dem Thal von Matavai zurückzukehren, dahin man, vermittelst eines schmalen Fussteiges, den er uns anzeigte, geraden Weges hinab kommen könne. Wir folgten also seinem Rath, fanden aber das Heruntersteigen auf diesem Wege gefährlicher als das Heraufsteigen von jener Seite gewesen war. Wir strauchelten alle Augenblick, und an manchen Stellen mußten wir uns gar niedersetzen und herabrutschen. Unsre Schuhe waren von dem trocknen Grase, worauf wir gegangen, so glatt, daß wir in dieser Absicht weit übler dran waren als unser Indianer, der barfus, und deshalb ungleich sichrer gieng. Wir gaben ihm unsre Vogel-Flinten, damit wir auch von den Händen Gebrauch machen könnten; endlich nahmen wir sie aber wieder, ließen ihn vorauf gehen und lehnten uns, an den gefährlichsten Stellen, auf seine Arme. Als wir ohngefähr halb herunter waren, rief er einigen Leuten im Thal zu; wir glaubten aber daß sie ihn, wegen der Entfernung, nicht gehört haben würden, zumal da er keine Antwort bekam. Es währete indessen nicht lange, so sahen wir etliche derselben sehr geschwind den Berg herauf kommen und in weniger denn einer halben Stunde waren sie bey uns. Sie brachten drey frische CocosNüsse mit, die uns ungleich besser schmeckten, denn irgend eine, welche wir je gekostet hatten. Ob dem würklich also seyn, oder ob es uns der damaligen Ermüdung wegen nur so vorkommen mochte? will ich nicht entscheiden. Sie bestanden darauf, daß wir ein wenig ausruhen möchten; und vertrösteten uns auf eine ganze Parthey CocosNüsse, welche sie etwas weiter herab in Bereitschaft gelegt hätten, und vor erst nur etliche wenige herauf bringen wollen, damit wir nicht zu eilig trinken mögten. Ihre Vorsorge verdiente in aller Absicht Dank, allein wir waren so durstig, daß wir's kaum erwarten konnten, bis sie uns erlauben wollten weiter zu gehen. Endlich machten wir uns wieder auf den Weg und kamen, auf einem flachen Grunde, in ein herrliches kleines Gebüsch, wo wir uns aufs frische Gras niederließen und den kühlen Nectar genossen, welchen unsre Freunde herbey geschaft hatten. Durch diese Erfrischung fühlten wir uns ganz gestärkt und giengen mit neuen Kräften vollends nach dem Thal herab. Hier versammlete sich alsbald eine Menge Indianer, die uns allerseits über die Ebne nach der See hin begleiten wollten. Mittlerweile, daß sie Anstalt dazu machten, kam ein wohl aussehender Nlann, nebst seiner Tochter, einem jungen Mädchen von sechzehen Jahren, herbey, und bat uns, in seinem Hause, welches etwas weiter aufwärts lag, eine Mahlzeit einzunehmen. Ob wir gleich so herzlich müde waren, daß wir diese Ehre gern verbeten hätten; so wollten wir seine Höflichkeit doch nicht gern verschmähen und folgten ihm also. Der Weg gieng ohngefähr 2 Meilen weit, an den herrlichen Ufern des Matavai-Flusses, überall durch schöne Pflanzungen von Cocos-Brodfrucht-Äpfel- und Maulbeer-Bäumen, die mit Feldern von Pisang- und Arum-Wurzeln abwechselten. Der Fluß schlängelte sich in dem Thale von Seite zu Seite, und unser Führer, nebst seinen Bedienten, bestunden immer darauf, uns auf dem Rücken hinüberzutragen. Endlich kamen wir bey unsres Wirthes Hause an, das auf einem kleinen Hügel lag, neben welchem der Fluß über ein Kieselbette sanft vorbey rauschte. Die Anstalten zur Mahlzeit waren bald gemacht; in einer Ecke des Hauses breitete man eine schöne Matte auf die Erde und die Verwandten unsers Freundes setzten sich neben derselben um uns her. Seine Tochter übertraf an zierlicher Bildung, heller Farbe und angenehmen Gesichtszügen, fast alle Tahitischen Schönheiten, die wir bisher gesehn, und sie sowohl als andre ihrer jungen Gespielen ließen es gewiß an nichts fehlen, sich beliebt zu machen. Das thätigste Mittel, welches sie außer ihrem gewöhnlichen Lächeln anwandten, unsre schläfrige Müdigkeit zu vertreiben, bestand darinn, daß sie uns mit ihren weichen Händen die Arme und die Schenkel gelinde rieben und dabey die Muskeln zwischen den Fingern sanft zusammen drückten. Diese Operation bekam uns vortreflich. Ob sie den Umlauf des Bluts in den feinern Gefäßen befördern, oder den erschlaften, müden Muskeln ihre vorige Elasticität unmittelbar wieder geben mochte? will ich nicht entscheiden; genug, wir wurden nach derselben ganz munter und spürten in kurzer Zeit nicht mehr das geringste von unsrer vorigen Ermüdung. Capitain Wallis gedenkt dieses hier eingeführten Verfahrens ebenfalls und rühmt die wohlthätige Würkung desselben aus eigner Erfahrung.[37] Osbeck sagt in der Beschreibung seiner Reise nach China, daß diese Operation daselbst sehr gewöhnlich sey, und daß besonders die Chinesischen Barbierer ausnehmend gut damit umzugehen wüßten.[38] Endlich, so findet man auch in Grose's ostindischer Reisebeschreibung umständliche Nachricht von einer Kunst, die bey den Ostindianern Tschamping genannt wird, und nichts anders als eine wollüstige Verfeinerung eben dieses Stärkungsmittels zu seyn scheint.[39] Es verdient angemerkt zu werden, daß letzterer Stellen aus dem Martial und Seneca anführt, aus denen sich mit Wahrscheinlichkeit schließen läßt, daß auch den Römern dieser Handgrif bekannt gewesen seyn müsse:

 

Percurrit agili corpus arte tractatrix

Manumque doctam spargit omnibus membris.

MARTIAL.

 

Wir hatten nun nicht länger Ursach über Mangel von Appetit zu klagen, woran es uns zuvor, blos der Müdigkeit wegen, gefehlt hatte; denn sobald das Essen aufgetragen ward, welches, der ländlichen Genügsamkeit der Einwohner gemäs, aus nichts als Früchten und Wurzelwerk bestand, so fielen wir ganz herzhaft darüber her und fanden uns, nach eingenommener Mahlzeit wiederum so munter, als wir am frühen Morgen kaum gewesen waren. Nachdem wir auf solche Art wohl zwey Stunden bey dieser gastfreyen Familie zugebracht hatten, so beschenkten wir unsern gütigen Wirth, imgleichen seine schöne Tochter nebst ihren Freundinnen, deren Sorgfalt wir die geschwindere Herstellung unsrer Kräfte hauptsächlich zu verdanken hatten, so reichlich es unser Vorrath von Corallen, Nägeln und Messern zulassen wollte, und schieden alsdenn ohngefähr um 3 Uhr von ihnen.

Auf dem Rückwege kamen wir bey vielen Häusern vorbey, deren Bewohner sich im Schatten ihrer Fruchtbäume truppweise hingelagert hatten und den schönen Nachmittag gemeinschaftlich mit einander genossen. In einem dieser Häuser sahen wir einen Mann mit der Zubereitung einer rothen Farbe beschäftigt, welche sie zu dem aus der Staude des Chinesischen Maulbeerbaums verfertigten Zeuge gebrauchen. Wir fanden zu unsrer großen Verwundrung, daß der gelbe Saft einer kleinen Feigen-Art, hier Mattih genannt, und der grüne Saft eines Farren- oder andern Krautes, die einzigen Ingredienzien dieser Farbe ausmachten. Durch bloße Mischung derselben, entstand ein hohes Carmosin-Roth, welches die Frauen mit den Händen über das Stück herrieben, wenn es durchaus gleich gefärbt werden sollte: Wollten sie es aber nur gesprenkelt oder nach besondern Mustern aufgetragen haben; so bedienten sie sich eines Bambu-Rohrs dazu, das in den Saft eingetunkt, und bald in dieser, bald in jener Richtung aufgedruckt wurde. Diese Farbe ist aber ungemein zart; außerdem daß sie keine Art von Nässe, nicht einmal Regen vertragen kann, verschießt sie auch, blos von der Luft, sehr bald und bekommt alsdenn ein schmutziges Ansehen. Dem ohnerachtet stehet das damit gefärbte oder vielmehr gemahlte Zeug bey den Tahitiern in sehr hohen Werth, und wird nur von den vornehmern Leuten getragen. Für Nägel und Corallen kauften wir etliche Stücke desselben von verschiednen Arten, und kehrten darauf nach unsern Gezelten, die von dem Orte wo wir gespeißt hatten, wenigstens 5 Meilen entfernt waren zurück. Hier verabschiedeten und belohnten wir unsern ehrlichen Gefährten, den uns O-Wahau empfohlen und der uns mit größerer Treue und Redlichkeit gedient hatte, als man bey der herrschenden Neigung des Volks zum Diebstahl hätte erwarten sollen. Sein Betragen war um so verdienstlicher, da er während dieser Tagereise mehr denn einmal Gelegenheit gehabt hatte, mit allen unsern Nägeln und Flinten ohngehindert davon zu laufen , eine Versuchung, der zu widerstehen, warlich, ein hier zu Lande ungewöhnlicher Grad von Rechtschaffenheit erfordert ward. Für ein Paar Corallen ließen wir uns sodann in einem Canot nach dem Schiffe über setzen.

Der Capitain und mein Vater, die in unsrer Abwesenheit einen Spatziergang gen Westen vorgenommen hatten, waren eben erst wieder an Bord zurück gelangt. Sie erzählten uns, daß gleich nachdem wir sie heute früh verlassen hätten, E-ti, als Gesandter des Königs, zu ihnen gekommen sey, und dem Capitain ein Schwein, imgleichen Früchte zum Geschenk überbracht, aber dabey gemeldet habe, daß O-Tuh, des gestrigen Vorfalls wegen, matau, das heißt, in Furcht gesetzt und zugleich übel auf uns zu sprechen sey. Um ihn nun zu überführen, daß wir selbst die Ausschweifungen unsrer Leute nicht gut hießen, wurden die Verbrecher aufs Verdeck gebracht und bekamen in seiner Gegenwart, zum Schrecken aller anwesenden Tahitier, ein jeder zwölf Streiche. Nach dieser Execution ließ Capitain Cook drey Schaafe, als so viel ihrer von denen am Cap eingekauften, noch übrig waren, ins Boot schaffen, und gieng in Begleitung Capitain Furneaux und meines Vaters, ans Land, um das Vertrauen des Königs wieder zu gewinnen, ohne welches im ganzen, Lande keine Lebensmittel zu erhalten waren. Als sie nach Parre kamen, sagte man ihnen, der König sey von hier nach Westen aufgebrochen; sie folgten ihm also 4 bis 5 Meilen weiter und landeten endlich in einem District, Tittahah genannt, wo sie einige Stunden auf ihn warten mußten. Aus Furcht für uns, hatte er sich würklich, in aller Eil, 9 Meilen weit von Matavai-Bay entfernt. Eine so schnelle und durch eine solche Kleinigkeit veranlaßte Flucht, verrieth freylich von seiner Seite ungemein viel Feigherzigkeit; doch ist sie ihm zu vergeben, wenn man bedenkt, auf was für eine fürchterliche und blutige Weise die Europäer diesem Volke ihre Gewalt und Übermacht ehemals gezeigt hatten. Es ward 3 Uhr Nachmittags, ehe er mit seiner Mutter bey den Capitains ankam, Er voll Furcht und Mißtrauen und Sie mit Thränen in den Augen. Sobald ihm aber E-Ti Bericht abgestattet hatte, daß die Verbrecher in seiner Gegenwart wären abgestraft worden, ward er ruhiger, und der Anblick einer neuen Art von Thieren, die ihm Capitain Cook unter wiederholten Freundschaftsversicherungen schenkte, stellt das gute Vernehmen bald wieder gänzlich her. Auf Sr. Majestät Verlangen mußte nun auch unser Bergschotte wieder auf dem Dudelsack spielen, und die geringfügige Kunst dieses Virtuosen war hier so würksam als Davids Harfe, deren harmonischere Töne Sauls Schwermuth zu vertreiben pflegten. Die gute Würkung der Music zeigte sich bald thätig. Der König ließ ein Schwein kommen, und schenkte es dem Capit. Cook; und bald nachher ließ er noch ein zweytes für Capitain Furneaux bringen. Da diese Herren bald von der Insel abzusegeln gedachten, und daher glaubten, dies sey die letzte Gelegenheit, Geschenke von Sr. Majestät zu erhalten, so verlangten sie, daß Er für Matara, oder meinen Vater, auch eins hergeben mögte. Dies geschah, es war aber nur ein kleines Ferken. Als unsre Leute über diesen Unterschied einiges Mißvergnügen zu erkennen gaben, trat sogleich einer von des Königs Verwandten in aufsteigender Linie, die alle Medua (Vater) genannt werden, aus dem Gedränge hervor, redete, unter gewaltigen Gesticulationen, den König mit lauter Stimme an, und zeigte bald auf unsre Leute, bald auf die erhaltnen Schaafe und bald auf das kleine Ferken. Kaum hatte der Redner zu sprechen aufgehört, als letzteres wieder weggenommen und an dessen Statt ein großes Schwein herbeygebracht wurde. Man belohnte diese Bereitwilligkeit durch freygebige Austheilung von allerhand Eisengeräthschaften und andern Kleinigkeiten. Die Indianer erwiederten solches durch mancherley Ahau's oder Stücken von hiesigen Zeuge, in welche sie unsre Leute einkleideten, worauf diese sich vom ganzen Hofe beurlaubten und ohngefähr um 5 Uhr an die Schiffe zurückkamen.

 

[1773. September.]

 

Da der Capitain am folgenden Tag die Insel gänzlich zu verlassen gedachte; so wurden Vorkehrungen zur Abreise gemacht. Beym Anblick dieser Zurüstungen, deren Bedeutung die Indianer schon von ehemals her kannten, kamen sie zu guter letzt mit Fischen, Muscheln, Früchten und Zeuge noch haufenweise herbey, und wurden alles los. Der Lieutenant Pickersgill, der seit vorgestern vom Schiffe abwesend war um Lebensmittel einzuhandeln, kam heute gegen 3 Uhr Nachmittags von dieser Expedition zurück. Er war noch jenseits der fruchtbaren Ebnen von Paparra gewesen, wo O-Ammo,[40] der ehemals als König über ganz Tahiti geherrscht hatte, mit seinem Sohn dem jungen T'Eri Derre[41] sich aufhielt. Die erste Nacht hatte er auf der Gränze eines kleinen Districts zugebracht, der gegenwärtig der bekannten Königinn O-Purea (Oberea) zugehörte. So bald ihr die Nachricht von seiner Ankunft war hinterbracht worden, kam und bewillkommte sie ihn, als einen ihrer alten Bekannten mit den lebhaftesten Freundschaftsbezeugungen. Indessen hatte sie sich, nicht lange nach des Capitain Wallis Abreise, von ihrem Gemahl[42] getrennt und war nunmehro von jener Größe, die ihren Namen in der Geschichte dieses Landes und unter den Europäern ehemals so berühmt gemacht hatte, gänzlich herabgesunken.[43] Hieran waren vornemlich die innerlichen Kriege zwischen den beyden Halbinseln schuld, denn durch diese war Sie, und der ganze District Paparra, in großen Verfall gerathen. Sie klagte gegen den Lieutenant, daß sie tihtih (arm) sey, und ihren Freunden, den Europäern, nicht einmal ein Schwein zu schenken vermögte. Da auf solche Weise von ihr nichts zu erwarten war, so gieng er am folgenden Morgen nach Paparra zurück, und besuchte daselbst den vorigen Gemahl, der O-Purea, Namens Ammo, der seitdem eine der hübschesten jungen Mädchen im Lande genommen hatte, für seine Person aber alt und unthätig geworden war. Seine Schöne schenkte unsern Leuten ein Schwein, und gesellte sich, als sie abreisen wollten, nebst einigen ihrer weiblichen Bedienten zu ihnen, fuhr auch den ganzen Tag über getrost mit in unserm Boote; indeß ihr eignes Canot neben her ging, um sie wieder zurückzubringen. Sie schien ungemein neugierig zu seyn und mußte wohl nie Europäer gesehen haben; denn unter andern zweifelte sie ob solche in allen Stücken, wie ihre Landsleute beschaffen wären, bis ihr der Zweifel ganz förmlich, durch klaren Augenschein, benommen ward. Mit dieser ihrer Begleiterin landeten sie endlich zu Attahuru, woselbst ein angesehener Befehlshaber, Namens Potatau[44] sie gut aufnahm und in seinem Hause die zweyte Nacht über beherbergte. Auch dieser hatte sich von seiner Frau Polatehera geschieden und eine jüngere genommen, immittelst jene sich ebenfalls einen neuen Liebhaber oder Mann zugelegt hatte; doch lebten beyde Theile, dieser Familien-Veränderung ohngeachtet, so friedlich als je, noch immer unter einem Dache. Am folgenden Morgen ließ sich Potatau gegen Herrn Pickersgill verlauten, daß er ihn gern nach Matavai begleiten würde, um Capitain Cook zu besuchen, wenn er nur gewiß wäre, von diesem gut aufgenommen zu werden? Das konnte ihm Herr Pickersgill allerdings gewiß versprechen; Potatau aber zog, mehrerer Sicherheit wegen, ein Paar gelbe Federn hervor, band sie in einen kleinen Busch zusammen, und bath Herrn Pickersgill, solchen in der Hand zu halten und dabey zu versprechen, „daß Tute (Capitain Cook) Potatau's Freund seyn wolle.“ So bald dies geschehen war, wickelte er die Federn sorgfältig in ein Stückgen Tahitisches Zeug und steckte sie in seinen Turban. Daß die Einwohner dieser Insel dergleichen rothe und gelbe Federn bey ihren Gebeten zu gebrauchen pflegen, war uns schon aus den Nachrichten unsrer Vorgänger bekannt; daß sie solche aber auch, nach Maasgabe vorbeschriebner Ceremonie, zu feyerlichen Betheurungen anwenden, und folglich gewisse Begriffe vom Eyde unter sich haben? das dünkte uns eine ganz neue Bemerkung zu seyn. Potatau mußte das größte Vertrauen in diese Ceremonie setzen und nach derselben von der Redlichkeit seiner Freunde vollkommen überzeugt seyn, denn er machte sich unmittelbar darauf, in Begleitung seiner Gemahlinnen und verschiedner Bedienten, die ein Paar Schweine und eine Menge Zeug mitnehmen mußten, nach Herrn Pickersgills Boote hin, auf den Weg. Allein kaum war er unter einem großen Gedränge von Volk bis ans Ufer gekommen, als ihn die Leute insgesammt bathen, sich nicht unter uns zu wagen. Einige fielen ihm so gar zu Füßen und umfaßten seine Knie um ihn zurück zu halten. Verschiedne Frauenspersonen schrien mit thränenden Augen, mehr als einmal, Tute würde ihn umbringen, so bald er an Bord käme! und ein bejahrter Mann, der in Potataus Hause wohnte und ein alter treuer Diener der Familie zu seyn schien, zog ihn bey den Kleidern zurück. Potatau war gerührt; ließ auf etliche Augenblicke lang einige Besorgniß blicken, ermannte sich jedoch bald wieder, sties den warnenden Alten auf die Seite und rief mit entschloßner Stimme: Tute aipa matte te tayo, d. i. Cook wird seinen Freund nicht umbringen! Bey diesen Worten sprang er ins Boot, mit einer stolzen, ihres eignen Werths sich bewußten Dreistigkeit, die unsere Engländer mit einer Art von Ehrfurcht bewunderten. So bald er bey uns auf dem Schiffe ankam, eilte er nebst seiner Gemahlin Whainie-au, imgleichen mit seiner vorigen Gemahlin und derselben Liebhaber alsbald nach der Cajütte herab, um dem Capitain Cook seine Geschenke zu überreichen. Potatau war einer der größesten Männer, die wir auf der Insel gesehen hatten; dabey waren seine Gesichtszüge so voller Sanftmuth, Schönheit und Majestät, daß Herr Hodges sich gleich daran machte, nach ihm, als einem der edelsten Modelle in der Natur zu zeichnen. Man findet dies Portrait in Capitain Cooks Beschreibung gegenwärtiger Reise. Der ganze Cörper dieses Mannes war ungemein ansehnlich und besonders stark von Gliedern; sein Schenkel war zum Beyspiel vollkommen so dick als unser stärkster Matrose im Leibe. Seine weitläuftigen Kleidungen und sein zierlicher weisser Turban schickten sich sehr gut zu dieser Figur; und sein edles freymüthiges Betragen gefiel uns, besonders in Vergleichung mit O-Tuhs mistrauischem Wesen, über alle Maaße. Polatehera, seine erste Gemahlin, war ihm an Größe und Corpulenz vollkommen ähnlich, und in diesem Betracht dünkte sie uns allen, die sonderbarste Figur von einer Frauensperson zu seyn die wir je gesehen hatten. Beydes, ihr Anblick und ihr Betragen, waren ungemein männlich, und der Begriff von Gewalt und Herrschaft schien in ihrer Gestalt personificirt zu seyn. Als das Schiff Endeavour hier vor Anker lag, hatte sie einen überzeugenden Beweis davon gegeben. Sie nannte sich damals des Capitain Cooks Schwester[45] Tuaheine no Tute, und als man sie, dieses Nahmens ohnerachtet, eines Tages nicht ins Fort auf Point Venus hatte hineinlassen wollen, schlug sie die Schildwache, welche es ihr zu wehren suchte, zu Boden, und klagte darauf ihrem adoptirten Bruder die schimpfliche Begegnung welche ihr wiederfahren wäre. Sie waren noch nicht lange bey uns gewesen, als sie erfuhren, daß wir so gleich unter Seegel gehen würden. Sie fragten uns daher mit allen ersinnlichen Freundschafts-Bezeugungen und mit Thränen in den Augen, ob wir jemahls wieder nach Tahiti kommen würden? Capitain Cook versprach, in sieben Monaten wiederum hier zu seyn. Dies stellte sie völlig zufrieden; sie beurlaubten sich ganz gelassen, und giengen sodann in ihren Booten, die ihnen bis ans Schiff gefolgt waren, westwärts, nach der Gegend ihres Wohnsitzes zurück. Mittlerweile kam ein junger Tahitier vom geringsten Stande, der wohlgebildet und ohngefähr siebenzehn Jahr alt war, mit seinem Vater ans Schiff. Er hatte schon vor einigen Tagen gegen den Capitain gesagt, daß er mitgehn wolle, no te whennua tei Bretane d. i., „nach dem Lande Britannien.“ Seine ganze Equipage bestand aus einem schmalen Stück Zeug, das um die Hüften geschürzt war; und in diesem ganz wehrlosen, hülfsbedürftigen Zustande überließ er sich unsrer Vorsorge und unserm Schutze gänzlich unbesorgt. Sein Vater war ein Mann von mittlern Alter; diesem gab Capitain Cook ein Beil und einige andre Sachen von mindern Werthe zum Geschenk, worauf er sehr gefaßt und ruhig wieder in sein Canot hinab stieg, ohne bey der Trennung von seinem Sohn die geringste Betrübniß spühren zu lassen. Kaum waren wir aber zum Rief hinaus, als ein Canot mit zwey oder drey Indianern nachkam, die den Burschen, in des Königs O-Tuh Namen, zurückfoderten, und einige Stücke Zeug bey sich hatten, welche sie dem Capitain dafür zum Geschenk überbringen sollten. Weil sie aber das Eisenwerk nicht vorzeigen konnten, welches wegen des armen Schelmen war verwandt worden, so mußten sie unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der Bursche, dessen Name Porea war, sprach, vom Hintertheil des Schiffes aus, lange mit ihnen, und sie ließen es gewiß an nichts fehlen, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, denn, so viel wir verstehen konnten, prophezeyten sie ihm den Tod, wenn er bey uns bleiben würde. Alle diese Drohungen machten ihn zwar nicht wankend, als aber das Canot wieder nach der Insel zurückkehrte, konnte er sich doch nicht enthalten, seinen Landsleuten noch lange mit sehnsuchtsvollen Blicken nachzusehen, und endlich ward er so wehmüthig, daß er sich durch einen Strohm von Thränen Luft schaffen mußte. Um diese traurige Stimmung zu unterbrechen, ließen wir ihn in die Cajütte kommen, wo er uns höchst betrübt vorklagte, daß er nun ganz gewiß sterben müsse, und daß sein Vater seinen Verlust schmerzlich beweinen werde. Capitain Cook und mein Vater trösteten ihn, und versprachen, daß sie Vaters Stelle an ihm vertreten wollten. Auf diese Versicherung fiel er ihnen um den Hals, küßte und drückte sie und gerieth mit einem male aus der äußersten Verzweiflung in einen hohen Grad von Freude und Lustigkeit. Beym Untergang der Sonne aß er sein Abendbrod und legte sich alsdenn auf den Boden der Cajüte nieder; da er aber sahe daß wir uns noch nicht zur Ruhe begaben, so stand er wieder auf und blieb bey uns bis wir ebenfalls zu Nacht gegessen hatten.

Es that uns ungemein leid, diese herrliche Insel jetzt schon zu verlassen, weil wir mit den glücklichen Bewohnern derselben eben erst recht bekannt zu werden anfiengen. Unser Aufenthalt hatte in allem nur vierzehn Tage gedauert, und davon waren zween, auf der Reise von einem Haven zum andern, gleichsam verlohren gegangen. Überdem hatten wir uns während dieser allzu kurzen Zeit in einem beständigen Taumel von Beschäftigungen befunden, und folglich nur wenig Augenblicke dazu erübrigen können, die Natur der Einwohner zu studieren. An diesen fanden wir, in Absicht ihrer Haushaltung, ihrer Sitten und Gebräuche, so viel neues und merkwürdiges, daß unsre Aufmerksamkeit, durch die Menge von Gegenständen beym ersten Anblick gleichsam betäubt wurde; in der Folge aber zeigte sich, daß das mehreste schon von unsern Vorgängern war beobachtet worden. Um also die Nachsicht der Leser nicht zu misbrauchen, habe ich meine gleichstimmigen Bemerkungen über diese Artikel weggelassen, und verweise sie wegen der Wohnungen, Kleidungen, Speisen, häuslichen Beschäftigungen, Schiffarth, Krankheiten, Religion und Beerdigungs-Gebräuchen, imgleichen wegen der Waffen, Kriege und Regierungs-Verfassung dieser Insulaner auf Capitain Cooks vorige Reise in dem Schiff Endeavour, welche Dr. Hawkesworth, nebst mehrern, zum Druck befördert hat. Solchergestalt wird man vorstehende Nachrichten von Tahiti nur als eine Nachlese und als Erläuterung dessen ansehen müssen, was bereits vor mir davon bekannt gewesen ist. Ich hoffe indessen, daß gegenwärtige Erzählung demohnerachtet unterhaltend genug seyn soll, und daß die besonderen, eigenthümlichen Gesichtspunkte, aus welchen ich verschiedene schon bekannte Gegenstände betrachtet habe, in manchen Fällen auch zu neuen und wichtigen Betrachtungen Gelegenheit geben werden.

„Capitain Cook bemerket in seiner Reisebeschreibung, (1 B. S. 188) daß der Hafen O-Aetipieha auf der kleinern Halbinsel, in 17'46'28" Südlicher Breite und 149°13'24" westlicher Länge von Greenwich gelegen sey. Hieraus schließt er, daß die Größe der ganzen Insel, welche er in der ersten Reise auf 30 See-Meilen angegeben hatte,[46] um ein Merkliches zu geringe sey. Die Beobachtungen wegen der Lage der Landspitze Venus, kamen auf dieser Reise mit jenen, die der verstorbene Herr Green ehemals allhier gemacht hatte bis auf ein paar Secunden überein.“

Der Wind, mit welchem wir absegelten, war so schwach, daß wir die Insel den ganzen Abend hindurch noch nahe im Gesicht behielten, und die überschwenglich schöne Aussicht auf die Ebene vor uns hatten, welche, selbst bey dieser todten Winter-Jahrszeit, den schönsten Landschaften in andern Gegenden der Welt noch immer zur Seite gesetzt werden konnte. Der fruchtbare Boden und das wohlthätige Clima bringen von selbst so vielerley Arten nahrhafter Gewächse hervor, daß die Einwohner in dieser Absicht wohl auf eine ungestörte sorgenfreye Glückseligkeit rechnen können und in so fern unterm Monde nirgends etwas vollkommnes, Glückseligkeit immer nur ein relativer Begriff ist, in so fern, dürften, im Ganzen genommen, schwerlich mehrere Völker der Erden sich einer so erwünschten Lage rühmen können! Da nun alle Lebensmittel leicht zu haben, und die Bedürfnisse dieses Volks sehr eingeschränkt sind, so ist, natürlicherweise, auch der große Endzweck unseres körperlichen Daseyns, die Hervorbringung vernünftiger Creaturen, hier nicht mit so vielen drückenden Lasten überhäuft und beschweret, als in civilisirtern Ländern, wo Noth und Kummer den Ehestand oft so mühselig und sauer machen. Die guten Leute folgen hier dem Triebe der Natur ganz ohngehindert, und daraus entsteht eine Bevölkerung, die im Verhältniß zu dem angebauten, nur kleinen Theile der Insel sehr groß ist. Bis jetzt sind nur allein die Ebenen und die Thäler bewohnt, obgleich, der Beschaffenheit des Erdreichs nach, auch viele von den Bergen angebauet werden, und noch eine ungeheure Menge von Einwohnern ernähren könnten. Sollte also die Bevölkerung in langer Zeit durch nichts gestört werden, so dürften die Einwohner auch wohl jene Gegenden zu bauen anfangen, die gegenwärtig ganz ungenutzt, und, so zu sagen, überflüßig sind. Das Volk lebt in einer Verfassung, die sich gewissermaaßen mit dem alten europäischen Feudal-System vergleichen läßt; es stehet nemlich unter einem allgemeinen Oberherrn, und ist in die drey Classen von Erihs, Manahauna's und Tautaus getheilt. Ohnerachtet zwischen diesen dreyen Classen ein wesentlicher Unterschied vorhanden ist; so wird die Glückseligkeit des Volks, im Ganzen genommen, doch ungleich weniger dadurch beeinträchtiget, als man glauben sollte, denn die Lebensart der Nation ist überhaupt zu einfach, als daß die Verschiedenheit des Standes einen merklichen Unterschied in selbige zulassen könnte. Wo Clima und Landessitte es nicht schlechterdings erfordern, daß man sich von Kopf bis zu Fuß kleide; wo man auf dem Felde überall Materialien findet, aus denen sich eine anständige und eingeführte Kleidung verfertigen läßt; und wo endlich alle Bedürfnisse des Lebens einem Jeden fast ohne Mühe und Handanlegung zuwachsen: Da müssen Ehrgeiz und Neid, natürlicherweise, beynahe gänzlich unbekannt seyn. Zwar sind die Vornehmern hier fast ausschließungsweise im Besitz von Schweinen, Fischen, Hühnern und Kleidungszeuge: allein, der unbefriedigte Wunsch den Geschmack mit ein Paar Leckerbissen zu kitzeln, kann höchstens nur einzelne Menschen, nicht aber ganze Nationen unglücklich machen. Dies kann nur gänzlicher Mangel an den unentbehrlichsten Nothwendigkeiten, und gerade dieser pflegt in civilisirten Staaten das Loos des gemeinen Mannes, so wie eine Folge der Üppigkeit des Großen zu seyn. Zu O-Tahiti hingegen, ist zwischen dem Höchsten und Niedrigsten, im Ganzen genommen, nicht einmal ein solcher Unterschied, als sich in England zwischen der Lebensart eines Handwerksmannes und eines Tagelöhners findet. Das gemeine Volk in Tahiti ließ bey allen Gelegenheiten gegen die Vornehmern der Nation so viel Liebe blicken, daß es schien, als sehen sie sich insgesammt nur für eine einzige Familie, und die Befehlshaber gleichsam nur als ihre älteren Brüder an, denen nach dem Recht der Erstgeburt, Vorzug gebühre. Vielleicht war auch ihre Regierungsverfassung ursprünglich ganz patriarchalisch, dergestalt, daß man den allgemeinen Regenten nur „als den Vater des ganzen Volks“ achtete, so lange, bis diese einfache Regierungsform sich nach und nach in die jetzige abänderte. Aber auch jetzt noch finden sich, in der Vertraulichkeit zwischen dem König und seinen Unterthanen, Spuren jenes ehemaligen patriarchalischen Verhältnisses. Der geringste Mann kann so frey mit dem Könige sprechen, als mit seines gleichen; und ihn so oft sehen als er will. Dies würde schon mehrern Schwierigkeiten unterworfen seyn, so bald der Despotismus Grund fassen sollte. Auch beschäftigt sich der König zu Zeiten auf eben die Art als seine Unterthanen; noch unverdorben von den falschen Begriffen eitler Ehre und leerer Prärogative rechnet er sichs keinesweges zur Schande, nach Maaßgabe der Umstände, in seinem Canot selbst Hand ans Ruder zu legen. Wie lange aber diese glückliche Gleichheit noch dauern mögte? kann man wohl nicht füglich bestimmen; doch scheint die Faulheit der Vornehmen, ihr eben nicht die längste Dauer zu versprechen. Vor der Hand ist zwar die Feld- und Landarbeit den Tautaus, welche sie verrichten müssen, noch nicht lästig; allein, da die ganz arbeitlosen Vornehmen sich in einem ungleich stärkern Verhältnisse vermehren müssen, als jene; so wird die dienstbare Classe künftig immer mehr mit Arbeit beschwert werden, und von dem Übermaaß derselben allerhand üble Folgen zu gewarten haben. Das gemeine Volk wird davon ungestalt, und ihre Knochen kraftlos werden; die Nothwendigkeit mehr in der brennenden Sonne zu seyn, wird ihre Haut schwärzen, und sie werden durch die häufigen und frühen Ausschweifungen ihrer Töchter mit den Großen des Landes, endlich zu zwergigten kleinen Gestalten ausarten, indeß jene vornehmen Müßiggänger die Vorzüge einer großen Leibesgestalt, einer schönen Bildung und einer hellern Farbe ausschließungsweise beybehalten werden, weil sie allein ihrem gefräßigen Appetit ohne Einschränkung folgen, und stets in sorgloser Unthätigkeit leben können. Endlich wird das gemeine Volk diesen Druck empfinden, und die Ursachen desselben gewahr werden, alsdenn aber wird auch das Gefühl der gekränkten Rechte der Menschheit in ihnen erwachen, und eine Revolution veranlassen. Dies ist der gewöhnliche Cirkel aller Staaten. Vor der Hand steht freylich für Tahiti noch lange keine solche Veränderung zu befürchten; ob aber die Einführung des fremden Luxus die Ankunft dieser unglücklichen Periode nicht beschleunigen werde? das muß man den Europäern zur ernstlichen Erwägung anheim stellen. Warlich! wenn die Wissenschaft und Gelehrsamkeit einzelner Menschen auf Kosten der Glückseligkeit ganzer Nationen erkauft werden muß; so wär' es, für die Entdecker und Entdeckten, besser, daß die Südsee den unruhigen Europäern ewig unbekannt geblieben wäre!

Zehntes Hauptstück.

 

 

Nachricht von unserm Aufenthalt auf den Societäts-Inseln.

 

Der Wind, mit welchem wir von Tahiti seegelten, ward nach Untergang der Sonne frischer und beschleunigte unsre Entfernung von dieser glücklichen Insel, die wir jedoch beym Mondenlicht noch immer sehen konnten.

Am folgenden Tage, den 2ten September, um 11 Uhr, erblickten wir die Insel Huaheine, die ohngefähr 31 See-Meilen von Tahiti entfernt liegt und vom Capitain Cook am 11ten Jul. 1769 entdeckt wurde. Viele unsrer Leute empfanden nunmehro schon die Folgen ihres liederlichen Umgangs mit den Frauenspersonen in Matavai-Bay, doch hatten alle dergleichen Patienten die Krankheit nur in einem sehr gelinden und gutartigen Grade. Man hat darüber gestritten, ob dies Übel durch französische oder durch englische Seefahrer nach Tahiti gebracht worden sey? ohne daran zu denken, daß zum Vortheil beyder streitenden Partheyen noch ein dritter Fall möglich sey. Warum sollte man nicht annehmen dürfen, daß diese Krankheit bereits auf der Insel vorhanden war, ehe noch irgend ein Europäer dahin kam? Der Umstand, daß keiner von des Capitain Wallis Leuten hier angesteckt worden, ist dieser Hypothese wenigstens nicht entgegen, denn er beweiset nur so viel, daß gerade die Frauensleute rein gewesen sind mit denen jene zu thun gehabt. Es kann ja leicht seyn, daß die Einwohner alle mit dieser Seuche behaftete Weibspersonen damals ausdrücklich von den Europäern zurückgehalten haben, weil sie den Zorn der mächtigen Fremdlinge auf sich zu laden fürchteten, wenn sie denselben ein so häßliches Übel zubrächten.[47] Wir hörten zwar von einer andern Krankheit, welche sie O-päh-no-Peppe (das Geschwür von Peppe) nannten, und vorgaben, daß ihnen solche von dem eben so genannten Schiffe zugeführet worden sey, welches zwey, oder wie andre wollten, drey, ja gar fünf Monathe vor uns, hier vor Anker gelegen hatte: Allein, nach der Beschreibung der Symptomen zu urtheilen, war diese Krankheit wohl nichts anders als eine Art von Aussatz; und an der Ausbreitung derselben, können die Spanier oder die Fremden in diesem Schiffe, noch überdies ganz unschuldig seyn. Die Krankheit brauchte nur auszubrechen, als das Schiff ankam, und zwischen den Kranken und der Equipage desselben einige, selbst entfernte Verbindung statt gefunden haben, so war das zu Veranlassung jenes Irrthums schon genug. Dies ist um so wahrscheinlicher, da die Einwohner ohnedem mit verschiednen Arten von Aussatz behaftet sind. Man findet nemlich die Elephantiasis, die den Yaws ähnlich ist; imgleichen einen Aussatz über die ganze Haut, und endlich ein ungeheures, faulendes Geschwür unter ihnen, das abscheulich anzusehen ist. Doch sind alle diese Gattungen ungemein selten anzutreffen, vornemlich die letzte Art, welches ohne Zweifel dem treflichen Clima und der einfachen unschuldigen Kost dieser Insulaner zuzuschreiben ist; ein Vorzug ihrer Lebensart, der nie genug angerühmt und mit Recht als die Hauptursach angesehn werden kann, daß jene Zufälle so selten ja überhaupt fast keine gefährliche und tödtliche Krankheiten in Tahiti anzutreffen sind.

Bey Untergang der Sonnen legten wir, 2 See-Meilen von Huaheine, bey; giengen am folgenden Morgen um 4 Uhr um das Nord-Ende dieser Insel herum, und steuerten sodann dem Haven O-Wharre zu. Huaheine wird durch einen tiefen See-Arm in 2 Halb-Inseln getheilt, die vermittelst einer niedrigen Landenge zusammenhängen, welche zur Fluthzeit gänzlich unter Wasser stehet. Die Berge sind nicht so hoch als auf Tahiti, und scheinen, dem äußern Ansehen nach, ehemals Volcane gewesen zu seyn. Der Gipfel des höchsten war so geformt als es der Schlund eines feuerspeyenden Berges zu seyn pflegt, und an einer Seite gab es einen schwarzen schwammichten Fels, der ungemein Laven-artig aussahe. Bey Aufgang der Sonne erblickten wir noch etliche andre, zu den Societäts-Inseln gehörige Eylande, als O-Raietea[48], O-Taha und Borabora[49]. Lezteres bestehet, gleich der Insel Mäatea, aus einem einzigen hohen Berge, der aber ungleich ansehnlicher ist als jenes. Die oberste Spitze dieses Berges hatte ebenfalls die Form eines volcanischen Schlundes. Es giebt zwo Einfahrten in den Haven O-Wharre, in deren südlichste wir einzulaufen gedachten, und da uns eben ein starker Wind vom Lande her entgegen blies, so hatten unsre Seeleute Gelegenheit ihre Kunst zu versuchen, um sich dagegen hineinzuarbeiten. Der Eingang ist ohngefähr 9 bis 12 hundert Fus lang, und zwischen den beyden Felsen-Rieffs kaum drey hundert Faden breit; gleichwohl machte unser Schiffs-Volk, in dieser engen und gefährlichen Durchfahrt, mit bewundrungswürdiger Geschicklichkeit, sechs bis sieben Seitenwendungen, deren jede nur ohngefähr 2 oder 3 Minuten dauerte. Wir waren noch nicht ganz hindurch als die Adventure, die hinter uns her seegelte, beym Umwenden dem einen Rieffe zu nahe kam, und unglücklicherweise mit der Seite an dem Coral-Felsen sitzen blieb. Wir hatten in diesem Augenblick alle Hände voll zu thun, um unser eigenes Schiff glücklich durchzubringen, und konnten ihr also nicht gleich Hülfe leisten. So bald wir aber vor Anker gekommen waren, welches nicht lange anstand, schickten wir ihr unsre Boote zu, und ließen sie in den Haven hereinboogsieren. Sie hatte keinen Schaden gelitten, sondern war so gut davon gekommen als unser Schiff bey Teiarrabu, woselbst es ehemals auch auf den Grund gerathen war. (S. Seite 223. [MS S. 221])

Das Land sahe hier eben so aus als zu Tahiti, nur waren die Gegenden und Aussichten alle nach einem kleinern Maasstabe als dort, denn die ganze Insel hat nur ohngefähr 6 bis 8 See-Meilen im Umkreise. Es giebt folglich nirgends große Ebenen, auch nur selten dergleichen kleine sanfte Anhöhen als man zu Tahiti vor den höheren, landeinwärts gelegenen Bergen findet, welche letzteren hier, zu Huaheine, unmittelbar bis auf die Ebenen reichen. Im Ganzen fehlt es indessen keineswegs an schönen Stellen, nur daß sie durchgängig von geringem Umfange sind. Außerhalb des Rieffs kam uns nicht ein einziges Canot entgegen; wir waren aber kaum vor Anker gegangen, als sich verschiedene, mit Coconüssen, Brodfrucht und großen Hünern, einfanden. Der Anblick von Hünern war uns besonders angenehm, denn zu Tahiti hatten wir nur ein einziges Paar auftreiben können, so sehr war diese Insel durch die vorigen Seefahrer davon entblößet worden. Einer von den Indianern, die zu uns an Bord kamen, hatte einen ungeheuren Hodenbruch, doch mußte ihm solcher wohl nicht viel Unbequemlichkeit verursachen, wenigstens stieg er die äußere Schiffsleiter ganz schnell und leicht herauf. Das Volk sprach dieselbige Sprache, war eben so gebildet und auch eben so gekleidet als die Leute auf Tahiti, aber von Frauenspersonen kam nicht eine einzige zum Vorschein. Im Handel giengen sie sehr ehrlich zu Werke, und in kurzer Zeit hatten wir für Nägel und Corallen ein Dutzend großer Hähne von vortreflichem Gefieder eingekauft. Gegen 11 Uhr giengen die Capitains ans Land und nach einem Wetterdache hin, das bis auf die Erde herabreichte, um ein großes doppeltes Canot zu schützen, welches unter demselben aufs trockne gezogen war. Hier stellten sie Jemanden an um mit den Einwohnern Handel zu treiben, und dieser gieng so gut von statten, daß wir, noch ehe es Abend war, schon zwanzig Schweine und ohngefähr ein Dutzend Hunde gegen große Nägel und kleine Beile beysammen hatten. Die Hunde waren das dummste Vieh ihrer Art, wurden aber von den Einwohnern, unter allem Fleischwerk, für das schmackhafteste gehalten. Beym ersten Ausgange stießen uns zwey Pflanzen auf, die wir noch nie gesehen hatten; auch fanden wir, daß die Brodfrucht-Bäume hier schon junge Früchte, so groß als kleine Äpfel, angesetzt hatten, doch gehörten nach Aussage der Einwohner wohl noch vier Monathe Zeit dazu bis sie reif wurden. Der Gegend, wo wir landeten, schien es ganz an Pisang zu fehlen, allein aus einem andern Distrikt brachten uns die Einwohner etliche Büschel von dergleichen Frucht, und folglich müssen sie ihre Obstbäume so zu behandeln wissen, daß die einen früher, die andern später tragen. Diese späten Früchte können aber, wie leicht zu erachten, eben nicht in Menge gezogen werden, und mögen wohl nur für die Tafeln der Großen bestimmt seyn.

Zum Mittags-Essen kehrten wir an Bord zurück, giengen aber gleich nach Tische wiederum ans Land, und erfuhren bey dieser Gelegenheit, daß die Befehlshaber der Insel am folgenden Tage zum Vorschein kommen würden. Beym Spatzierengehen hatten wir hier weder so viele, noch so lästige Begleiter, als in Tahiti. Wenn ich den Ort neben dem Wetterdach, wo Markt gehalten wurde, und andre dergleichen allgemeine Sammelplätze ausnehme, so waren selten mehr als 15 bis 20 Personen um uns. Dieser Unterschied rührte wohl hauptsächlich daher, daß Huaheine ungleich kleiner, mithin auch nicht so volkreich ist als Tahiti; außerdem waren die hiesigen Einwohner auch noch nicht bekannt genug mit uns, um vom Mitlauffen Vortheil zu erwarten; und überhaupt fanden wir sie weder so neugierig, noch so furchtsam als die Tahitier, die hinreichende Ursach hatten unsre Güte zu ehren und die Übermacht unsers Feuergewehrs zu fürchten.

Unser Tahitischer Reise-Gefährte Porea gieng, in einem linnenen Oberrock und ein Paar Schifferhosen, mit ans Land. Er trug Capitain Cooks Pulver-Horn und Hagel-Beutel, und wünschte daß man ihn hier für einen von unsern Leuten ansehen möchte. Zu dem Ende redete er seine Muttersprache nie; sondern murmelte allerhand unverständliche Töne her, wodurch sich das hiesige Volk auch wirklich hintergehen ließ. Um diesen Betrug noch mehr zu begünstigen, wollte er auch nicht länger bey seinem Tahitischen Namen Porea genannt seyn, sondern einen Englischen haben. Die Matrosen nannten ihn daher Tom, womit er sehr wohl zufrieden war; auch lernte er bald die gewöhnliche Antwort: Sir! die er aber Dsjorro aussprach. Wir konnten nicht absehen, was er mit dieser Masquerade vorhabe, vermuthlich aber glaubte er in der Gestalt eines englischen Matrosen mehr zu bedeuten als ein Tahitischer Tautau.

Am folgenden Tage begleitete mein Vater die Capitains nach dem Markt-Platze, von da sie sich wieder einschifften und bis an das Nord-Ende des Havens hinauf fuhren. Hier landeten sie bey einem nahe am Ufer gelegenen Hause, vor welchem der Befehlshaber Ori, (der im Namen seines Neffen des eigentlichen Königes Tehritäria[50] die Regierung der ganzen Insel verwaltete,) unter einer Menge seiner Bedienten im Grase saß. Bey diesem Anblick wollten sie eiligst aus dem Boote steigen, zwey Indianer aber, die sich am Marktplatze mit eingeschifft hatten, baten sie, noch sitzen zu bleiben, bis man ihnen einige junge Pisangstämme zum Zeichen des Friedens und der Freundschaft würde überreicht haben. Ehe dieses erfolgte, brachten die Indianer zwey dergleichen kleine Bäume herbey, die von unsrer Seite überreicht und zu dem Ende mit Nägeln, Spiegeln, Medaillen und andern Kleinigkeiten mehr behangen werden sollten. So bald dies geschehen war, trugen sie solche vor einem Theil unsrer Mannschaft her, ans Land, und überreichten sie daselbst in ihrem Beyseyn dem Ort. Bey Darreichung des ersten bathen sie zu sagen: No t' Eatua! d. i. für die Gottheit; und bey dem zweyten: na te tayo O-Tute no Ori d. i. vom Freunde Cook an Ori. Dagegen wurden, von Seiten der Insulaner, unsern Leuten fünf andre Plantan-Zweige, einer nach dem andern, mit folgenden Umständen überliefert:

Der erste ward, nebst einem Schweine, mit den Worten no t' Erih d. i. „von Seiten des Königs“ überreicht. Unter dem Könige ward T' Erih Täria ein Kind von sieben bis acht Jahren verstanden.

Der zweyte, ebenfalls mit einem Schweine, no t' Eatua „für die Gottheit.“

Der dritte, no te Toimoi. Dies verstanden wir damals nicht, in der Folge aber zeigte sich daß es so viel als: „zum Willkommen!“ bedeute.

Der vierte mit einem Hunde, no te Taura, „vom Strick.“ Ob wir gleich das Wort verstanden, so war uns doch die Bedeutung davon noch dunkler als die vorhergehende, und was das schlimmste ist, so haben wir auch nie dahinter kommen können.

Der letzte ward wiederum mit einem Schweine, no te tayo Ori no Tute, „von Freund Ori an Cook“ überliefert.

Beym Schlusse der Ceremonie, zog der Mann, der alle diese Dinge gebracht hatte, noch ein rothes Beutelchen hervor, worinn ein Rechenpfennig und eine Zinnplatte verwahrt wurde, auf welcher sich folgende Inschrift fand:

His Britannic Majesty's Ship Endeavour. Lieutenant Cook commander. 16. July 1769. Huahine.

d. i. Seiner Königlich-Großbrittannischen Majestät Schiff Endeavour, unter dem Befehl des Lieutenant Cook, am 16. Jul. 1769. zu Huaheine.[51] Dies Zeugnis von Capitain Cooks ersten Besuch der Insel Huaheine, hatte letzterer dem Orih ehemals mit dem Bedeuten eingehändigt, daß ers nie aus seiner Verwahrung kommen lassen müsse; und dieser ließ es ihm also jetzt vermuthlich deshalb wiederum vorlegen, damit er sehen sollte, daß seine Vorschrift genau befolgt worden sey. So bald der Capitain alle diese Sachen in Empfang genommen hatte, stieg er mit seinem ganzen Gefolge ans Land, und umarmte den Orih, der ein alter, magerer, triefäugiger Mann, zwischen 50 und 60 Jahren war. Er nahm unsre Leute als gute Bekannte und Freunde auf, und schenkte dem Capitain noch überdies etliche große Ballen Zeug. Es währete nicht lange, so fanden sich die Einwohner haufenweise bey der Wohnung ihres Befehlshabers ein, und brachten Hüner, Schweine und Hunde in Menge zum Verkauf, die wir auch gegen Nägel, Messer und kleine Beile sehr bald einhandelten.

Immittelst daß dieses vorgieng, marschirte ich nebst D. Sparmann vom Marktplatze aus, zu Lande hieher, nach Ori's Wohnhause. Unterwegens sahen wir aller Orten viel Schweine, Hunde und Hüner. Letztere liefen frey in den Wäldern umher, und saßen auf den Brodfruchtbäumen. Auch die Schweine hatten Freyheit herum zu laufen, doch bekamen sie ihr abgemessenes Futter, welches ihnen gemeiniglich von alten Weibern gegeben ward. Vorzüglich sahen wir wie eine alte Frau ein kleines Ferken auf besondere Art mit dem gesäuerten Brodfrucht-Teige (Mahei) fütterte. Sie hielt das Thier mit einer Hand, und mit der andern hielt sie ihm ein Stück Schweinefell vor. So bald es nun das Maul öfnete, um darnach zu schnappen, fuhr sie ihm mit einer Handvoll des sauren Teiges hinein, den es ohne diesen Kunstgriff nicht mochte. Die Hunde waren ihrer abscheulichen Dummheit ohnerachtet bey dem hiesigen Frauenzimmer in hohen Gnaden. Keine europäische Dame nach der Mode hätte die Sorgfalt für ihr Schoßhündchen weiter treiben und sich lächerlicher dabey geberden können. Unter andern reichte eine Frau von mittlerm Alter einem jungen Hunde ihre volle Brust hin. In der Meynung daß dieses bloß aus übertriebener Zärtlichkeit für das Thier geschähe; konnten wir uns nicht enthalten, ihr diesen Misbrauch zu verweisen, allein sie lachte nur dazu, und sagte, daß sie sich zuweilen auch von kleinen Ferken saugen lasse. Indessen erfuhren wir bey weiterer Nachfrage, daß sie ohnlängst ein säugendes Kind verlohren habe, und folglich hatten wir ihr durch unsre Vermuthung zu viel gethan, denn in dergleichen Fällen ist es ein ganz erlaubtes und selbst in Europa vor Zeiten üblich gewesenes Mittel, sich von einem Hunde saugen zu lassen.[52] Die Hunde dieser Inseln sind kurz von Leibe, und von sehr verschiedener Größe, vom Schooshunde an, bis zum größten Pudel. Der Kopf ist dick; die Schnautze spitzig; die Augen sind sehr klein; die Ohren stehen aufrecht und das Haar ist lang, schlicht, hart und von allerhand Farben, gemeiniglich aber weiß und braun. Sie bellten fast niemals; dagegen heulten sie zuweilen, und gegen Fremde waren sie ausnehmend scheu.

Wir trafen hier unterschiedliche Vögel an, dergleichen wir auch auf Tahiti gefunden hatten; außer diesen aber noch einen blauen weisbäuchigten Eisvogel und einen grauen Reiher. Als wir von letztern beyden Gattungen etliche schossen, zeigte sich, daß verschiedene Leute eine Art von religiöser Ehrerbiethung dafür hegten, und sie Eatua's nannten, ein Name den sie sonst nur der Gottheit beyzulegen pflegen. Doch gab es auch wieder eben so viel wo nicht noch mehr andre, die uns dergleichen Vögel von freyen Stücken aufsuchen halfen und todt zu schießen baten; auch bezeigte von der Gegenpartey niemand ausdrücklichen Unwillen, wenn wir einen solchen Vogel erlegt hatten. Für Götter sehen sie dieselben nicht an, denn nach ihren Religions-Begriffen sind die Götter unsichtbar; allein die Benennung Eatua scheint doch einen höhern Grad von Achtung anzudeuten, als man in unsern Ländern wohl gegen Schwalben, Störche und andere dergleichen Vögel bezeigt, die man für den Verfolgungsgeist muthwilliger Jungens sicher zu stellen wünscht. In diesem und andern die Religion und Landes-Verfassung betreffenden Umständen, sind wir aber nicht im Stande hinlängliche Auskunft zu geben; denn wegen der Kürze unsers Aufenthalts und mangelhaften Kenntniß ihrer Sprache wars nicht möglich von allem gehörigen Unterricht zu erlangen.

Mittlerweile waren wir immer weiter gegen die Nord-Seite des Havens fortgegangen, wo Herr Smith die Aufsicht über die Matrosen hatte, die unsre leeren Wasserfässer anfüllen mußten. Wir trafen eine Menge Indianer bey ihm an, die so viel Schweine zu Kaufe brachten, daß wir nun reichlichen Vorrath an frischem Fleisch hatten, und alle Leute auf beyden Schiffen damit speisen konnten. Früchte und grünes Kräuterwerk hingegen war so selten, daß wir fast gar keine Pisange, Brodfrüchte, oder Coconüsse zu sehen bekamen, und uns mit Yamwurzeln begnügen mußten, die wenn sie abgekocht waren, statt Brodtes zum Fleisch gegessen wurden. Nachdem wir von den Wasserträgern vollends längst dem Strande hingegangen waren, der aus feinem weißen Muschel-Sande bestand, und von niedrigen Cocos-Palmen nebst allerhand anderm Gebüsch beschattet wurden; so langten wir endlich um Mittagszeit bey Orihs Wohnung an, und fuhren von da aus mit dem Capitain Cook und der übrigen Gesellschaft an Bord zurück. Letzterer war im Handel mit den Eingebohrnen noch glücklicher gewesen als alle die andern dazu bestellten Leute, so daß wir für der Menge des Eingekauften kaum Platz im Boote hatten. Nachmittags giengen wir wieder nach Ori's Hause und fanden ihn von einer Menge der vornehmsten Insulaner umgeben. Wir hatten also Gelegenheit eine Menge von Leuten allerhand Standes beysammen zu sehen, fanden sie aber durchgehends den Tahitiern so ähnlich, daß uns zwischen beyden Völkern, im Äußern, kein Unterschied zu seyn dünkte; auch konnten wir nicht absehen, daß die Frauenspersonen hier heller von Farbe und schöner als auf den übrigen Inseln wären,[53] wie andre Reisende wollen angemerkt gemerkt haben. Indessen können auch hierinn die Umstände oft den Schein ändern, und das mag bey unsern Vorgängern der Fall gewesen seyn. Wodurch sich aber die hiesigen Frauenzimmer von den Tahitierinnen würklich unterschieden, war, daß sie um Corallen und andre solche Geschenke nicht so sehr bettelten, desgleichen mit ihren Gunstbezeigungen nicht so freygebig waren als jene. Etliche Frauensleute nahmen zwar, sowohl bey unsrer Landung als auch bey unsrer Rückkehr nach dem Boote eine unanständige Ceremonie vor, dergleichen in Capitain Cooks voriger Reise von einer Tahitierinn, Namens Urätua erzählet wird; allein es waren nur Personen vom niedrigsten Volke, auch machten sie nie solche Vorbereitungen dazu als jene.[54] In ihrem Betragen waren aber beyde Nationen schon merklicher von einander verschieden. Über einen allzu hohen Grad von Gastfreyheit, hatten wir uns zum Exempel hier in Huaheine eben nicht zu beschweren, auch war es hier gar nicht, wie wohl in Tahiti, Mode, von freyen Stücken Geschenke oder wenigstens Gegengeschenke zu machen. Dagegen fielen uns die Leute, wenn wir spatzieren giengen, auf keine Weise zur Last, waren auch, im Ganzen genommen, viel gleichgültiger und dabey weder so furchtsam noch so besorgt als die Tahitier, weshalb sie auch beym Losbrennen unseres Schießgewehres weder Schreck noch Verwunderung bezeigten. Jedoch, alles das war augenscheinlich blos eine Folge der verschiednen Begegnung, welche die Einwohner beyder Inseln von den Europäern ehemals erfahren hatten. In Absicht der Gastfreyheit muß ich noch anzeigen, daß es auch hier nicht an einzelnen Beyspielen fehlte. Unter andern bat ein Befehlshaber, Namens Taunua, meinen Vater nach seinem Hause, welches in der Mitte der Ebne lag; er ward daselbst sehr wohl bewirthet und hatte außerdem noch Gelegenheit ein solches Brustschild einzukaufen, deren weiter oben, in der Geschichte unsers Aufenthalts zu O-Tahiti gedacht worden ist.

Ori kam am folgenden Morgen frühe mit seinen Söhnen an Bord. Der älteste, ein hübscher Knabe von ohngefähr 11 Jahren, nahm unsre Geschenke mit großer Gleichgültigkeit an; dagegen fand er, so wie alle übrigen Bewohner dieser Insel, großen Wohlgefallen am Dudelsack, und bat, daß beständig darauf gespielt werden mögte. Bey der ehemaligen Anwesenheit des Capitain Cooks,[55] hatte Ori den Namen Cuki angenommen, und ließ sich, auch noch jetzt, beständig also nennen. Nachdem dieser vornehme Gast eine Zeitlang an Bord gewesen war, gingen wir mit ihm ans Land zurück, und theilten uns in verschiedne Partheyen, um Pflanzen und andre Merkwürdigkeiten aufzusuchen. Als wir Abends wieder zusammen stießen, erzählte uns Dr. Sparrmann, der ganz allein bis an das nördliche Ende der Insel gegangen war, daß er einen großen Salz-See angetroffen, der einige Meilen lang, und mit dem See-Ufer parallel, aber rings umher von faulem Schlamm umgeben wäre, welches einen unerträglichen Gestank verursache. Er hatte daselbst verschiedne Pflanzen gefunden, die in Ostindien häufig genug, in den übrigen Süd-See-Inseln aber nicht so gemein sind. Der Indianer, durch welchen er sich seinen Vorrath von eingesammelten Pflanzen nachtragen ließ, war ihm außerordentlich treu gewesen. Wenn er sich niedersetzte, um Pflanzen zu beschreiben, so setzte sich der Indianer hinter ihn und hielt die Schöße seines Kleides in beyden Händen fest, um, wie er sagte, die Taschen für den Dieben in Acht zu nehmen. Vermittelst dieser Vorsicht war dem Doctor auch nicht das geringste entwandt worden; einige Indianer aber hatten ihn ausgeschimpft und schiefe Gesichter zu gemacht, vermuthlich in der Meynung, daß sie nichts dabey wagten, weil er so allein war.

Am folgenden Tage gieng er von neuem, ohne alle Begleitung, spatzieren, indeß wir und Capitain Cook auf dem Marktplatze blieben. Ehe wir es uns versahen, drängte sich ein Indianer, Namens Tubai, der in verschiedne große Stücke rothgefärbten Zeuges gekleidet war und einige Bündel Vogelfedern am Gürtel hängen hatte, aus dem großen Haufen hervor, und verbot dem Volk, uns weder Schweine noch Brodfrucht zu verkaufen; zu gleicher Zeit bemächtigte er sich eines Beutels mit Nägeln, den der Schiff-Schreiber in der Hand hielt: als aber dieser um Hülfe rief, ließ er ihn wieder fahren, und nahm dagegen einem unsrer jüngern Mitreisenden, der eben um ein großes Huhn handelte, mit Gewalt einen Nagel ab, unter der Bedrohung, ihn zu Boden zu schlagen, wenn er sich widersetzen würde. Capitain Cook, der schon im Begriff war, sich nach dem Schiffe übersetzen zu lassen, hörte kaum von diesem Vorfalle, als er sogleich umkehrte und darauf bestand, daß Tubai, den Marktplatz augenblicklich verlassen sollte, und da dieser keine Lust dazu bezeigte, gieng er ihm sogleich zu Leibe und bemächtigte sich zweyer großen Keulen, die jener in Händen hatte. Er sträubte sich zwar dagegen, so bald aber der Capitain den Hirschfänger zog, lief er davon. Die Keulen, welche von Casuarina-Holz waren, wurden hierauf nach des Capitains Vorschrift zerbrochen und in die See geworfen. Die Einwohner mußten von diesem Auftritt schlimme Folgen befürchten, denn sie fiengen an sich gleich von dem Marktplatz zu entfernen; man rief sie aber wieder zurück, und alle gestanden, Tubai sey: tata-ihno (ein böser Mann.) Sie schienen folglich überzeugt zu seyn, daß das Recht auf unsrer Seite sey; gleichwohl hatte sich Capitain Cook kaum ins Boot gesetzt, um zur Sicherheit des Marktplatzes ein Commando See-Soldaten vom Schiffe zu holen, als der ganze Haufen mit einemmale von uns fortrannte. Wir konnten nicht begreifen, was hieran schuld sey; allein es währete nicht ein Paar Minuten, so klärte sich das Rätzel von selbst auf, indem Dr. Sparrman fast ganz nackend und mit sichtbaren Merkmalen einiger harten Schläge zu uns hergelaufen kam. Es hatten sich zwey Indianer zu ihm gesellet und ihn unter steten Freundschafts-Versicherungen und mit vielfältigem Tayo! gebeten weiter ins Land heraufzugehen; allein, ehe er sichs versahe, rissen sie ihm den Hirschfänger, welches sein einziges Gewehr war, von der Seite, und als er sich hierauf bückte, um nach einem Steine zu greifen, gaben sie ihm einen Schlag über den Kopf, daß er zu Boden fiel. Nun rissen sie ihm die Weste und andre Kleidungsstücke, die sich abstreifen ließen, vom Leibe. Er machte sich zwar wieder los von ihnen und rannte gegen den Strand herab; allein unglücklicherweise blieb er während dem. Laufen in dem kleinern Strauchwerk hängen, worauf sie ihn wieder einholten und mit Schlägen mißhandelten, davon verschiedene in die Schläfe trafen. Von diesen letztern betäubt, zogen sie ihm das Hemd über den Kopf, und da es durch die Knöpfe fest gehalten ward, so waren sie schon im Begriff, ihm die Hände abzuhacken, als er zum großen Glück wieder zu sich kam, und die Ermel mit den Zähnen aufbiß, da denn die Räuber mit ihrer Beute davon liefen. Kaum hundert Schritt weit von dem Ort, wo dieses vorgegangen war, saßen einige Indianer bey ihrer Mittagsmalzeit, die ihn im Vorbeylaufen baten, sich bey ihnen niederzulassen; allein er eilte was er konnte nach dem Marktplatze zu. Etwas weiter traf er zwey Indianer an, die, als sie ihn nackend sahen, sogleich ihre eigne Ahaus (Kleider) auszogen, ihn darinn hülleten und nach dem Marktplatze hin begleiteten. Nachdem man diese rechtschaffne Leute aufs Beste belohnt hatte, eilten wir alle an Bord, in der Absicht mit stärkerer Mannschaft wieder nach dem Lande zurückzukehren. Dr. Sparrman zog andre Kleider an und verfügte sich sodann mit uns nach Orihs Wohnung, wo wir unsre Klage anbrachten. Der gute Alte war gleich bereit mit Capitain Cook gemeinschaftliche Sache zu machen und die Diebe aufzusuchen; ohnerachtet dieser Entschluß alle seine Verwandten in Furcht und Schrecken setzte. Mehr als funfzig anwesende Personen, Männer und Weiber, fiengen an bitterlich zu weinen, als sie sahen, daß er mit uns ins Boot stieg. Einige suchten, in den rührendsten Stellungen, ihn davon abzurathen; Andre umarmten und hielten ihn zurück. Allein er ließ sich nichts anfechten und äußerte im Mitgehen, er habe nichts zu fürchten, weil er sich nichts vorzuwerfen habe. Mein Vater erbot sich zu ihrer Beruhigung als Geißel bey ihnen zu bleiben, allein Orih wollte es nicht zugeben, und nahm, von allen seinen Verwandten, nur einen einzigen mit an Bord. Wir ruderten nunmehro in eine, den Schiffen gerade gegenüber liegende, tiefe Bucht, als in welcher Gegend die Räuberey vorgegangen war. Von hieraus marschirten wir tief ins Land hinein, jedoch ohne Erfolg, weil die Leute, welche Ori zu Ergreifung der Räuber abgeschickt, ihre Schuldigkeit nicht gethan hatten. Wir mußten also unbefriedigt wieder um- und nach dem Schiffe zurückkehren, wohin uns auch Orih begleitete, ohne sich durch die Thränen einer alten Frau und ihrer schönen Tochter davon abhalten zu lassen. Als die junge Person sahe, daß ihr Weinen nichts helfen wollte, ergrif sie in einer Art von Verzweiflung etliche Muschel-Schaalen, und ritzte sich damit am Kopf, daß das Blut darnach floß, die Mutter entriß ihr solche aber und begleitete uns, sowohl als Ori, nach dem Schiffe. Dieser ließ sichs sehr gut bey uns schmecken; die Frau hingegen wollte, der Landesgewohnheit nach, von unsern Speisen nichts anrühren. Nach Tische brachten wir ihn wieder nach seinem Hause zurück, woselbst sich die vornehmsten Familien der Insel versammlet hatten und in großer Betrübniß, zum Theil weinend, auf der Erde saßen. Wir setzten uns ganz gerührt zu ihnen und boten unsre ganze Tahitische Beredsamkeit auf, um sie wieder vergnügt und guten Muths zu machen. Die Frauenspersonen waren vorzüglich niedergeschlagen und konnten sich in langer Zeit nicht wieder zufrieden geben. Die Betrübniß dieser Insulaner war in gegenwärtigem Fall ein so augenscheinlicher Beweis von der Güte ihrer Herzen, daß wir uns nicht enthalten konnten, aufrichtigen Antheil an derselben zu nehmen, und da sie sahen, daß es uns ein Ernst sey ihnen Trost zuzusprechen; so beruhigten sie sich endlich und gewannen wiederum neues Zutrauen. Unter den Bemerkungen, welche wir auf dieser Reise zu machen Gelegenheit fanden, ist das würklich eine der angenehmsten, daß statt die Einwohner dieser Inseln ganz in Sinnlichkeit versunken zu finden, wie sie von andren Reisenden irriger Weise dargestellt worden, wir vielmehr die edelsten und schätzbarsten Gesinnungen bey ihnen angetroffen haben, welche der Menschheit Ehre machen. Lasterhafte Gemüthsarten giebts unter allen Völkern; aber einem Bösewichte in diesen Inseln könnten wir in England oder andern civilisirten Ländern fünfzig entgegen stellen.

Nunmehro gieng der Handel, der durch jenen Vorfall auf eine Zeitlang war unterbrochen worden, wiederum von neuem an, und zwar so lebhaft als zuvor; es glückte uns auch, einen ziemlichen Vorrath von Früchten und Wurzelwerk einzukaufen. Gegen Abend kamen zween von Orih's Bothen mit Dr. Sparrmanns Hirschfänger und einem Stück von seiner Weste zurück, welches uns beydes zugestellt wurde, worauf wir wieder an Bord giengen.

Des folgenden Morgens verfügten sich die Capitains, bey anbrechendem Tage, abermals nach Orih's Hause und gaben ihm die zinnerne Platte wieder, auf welcher die Anzeige von der ersten Entdeckung dieser Insel eingegraben war; ferner stellten sie ihm noch eine kleine kupferne Platte zu, mit der Inschrift: His Britannick Majesty's ships Resolution and Adventure. September. 1773.[56] und schenkten ihm zugleich eine Anzahl Medaillen, mit dem Bedeuten, daß er alles dieses den Fremden vorzeigen mögte, die etwa nach uns hieher kommen dürften. So bald sie an Bord zurückgelangt waren, wurden die Anker gelichtet und wir giengen nebst der Adventure wieder unter Seegel. Während unsers dreytägigen Aufenthalts allhier, hatten wir einen großen Vorrath von lebendigen Schweinen und Hühnern eingehandelt; ein deutlicher Beweis, in wie hohen Werth bey diesen Insulanern das Eisenwerk stand. Unser Schiff hatte allein 209 Schweine, 30 Hunde und ohngefähr 50 Hühner an Bord, und das andre, die Adventure, nicht viel weniger. Wir waren kaum unter Seegel, als Orih in einem kleinen Canot ans Schiff und an Bord kam, um uns die Nachricht zu bringen, daß er sowohl die Diebe als den Rest der geraubten Sachen wieder bekommen habe, und daß beyde Capitains, imgleichen der Dr. Sparrmann, mit ihm ans Land gehen mögten, um Zeugen von der Bestrafung zu seyn. Allein, zum Unglück verstand man ihn nicht recht und also verfehlten wir die Gelegenheit, zu sehen, wie ihre Strafen beschaffen sind. Capitain Cook glaubte, daß Orih einige von seinen Unterthanen zurückfordere, die sich wider seinen Willen auf der Adventure eingeschifft hätten; in dieser Meynung schickte er gleich ein Boot ab, um sie von jenem Schiffe abholen zu lassen. Da aber dieses weit voraus war, und auch wir, des guten Windes wegen, sehr geschwind in die See hinaus trieben; so wollte Ori nicht länger warten, sondern nahm herzlich Abschied von uns allen, und kehrte in seinem kleinen Canot, in welchem er nur einen einzigen Gehülfen hatte, wieder nach dem Lande um. Bald nachher kam unser Boot von der Adventure zurück und brachte uns den O-Maï an Bord, welches der einzige Indianer war der sich hier eingeschifft hatte, um mit nach England zu gehen. Capitain Cook behielt ihn auf unserm Schiffe bis wir Raietea erreichten, wohin unser Lauf gerichtet war; sobald wir aber dort anlangten, ward er wieder auf die Adventure gebracht, in welcher er auch nach England gekommen, und daselbst eine Zeitlang der Gegenstand der allgemeinen Neugierde gewesen ist. Während seiner Anwesenheit bey uns lernten wir ihn als einen Menschen vom geringsten Stande kennen. Er hatte auch damals nicht Ehrgeiz genug, mit dem Capitain umzugehn, sondern hielt sich zu dem Büchsenschmidt und andern gemeinen See-Leuten: Als er aber ans Vorgebirge der guten Hoffnung kam, wo ihn der Capitain Fourneaux in seiner eigenthümlichen Tracht auftreten lies, und in die besten Gesellschaften brachte, gab er vor, er sey kein Tautau, oder gemeiner Mensch, sondern ein Hoa, d. i. ein königlicher Cammerherr oder Begleiter des Königs. Man hat das Publicum verschiedentlich mit allerhand fabelhaften Nachrichten von diesem Indianer unterhalten, dahin gehört unter andern das lächerliche Vorgeben, daß er ein Priester der Sonne sey, dergleichen es doch in seinem Vaterlande nirgends giebt. Er war lang von Statur, aber sehr schlank, und hatte besonders feine und zierlich gebildete Hände. Aus seinen Gesichtszügen hingegen konnte man sich im geringsten keinen richtigen Begriff von der Schönheit machen, die den Einwohnern auf Tahiti eigenthümlich ist; wir thun ihm im Gegentheil kein Unrecht, wenn wir behaupten, daß uns auf Tahiti und allen Societäts-Inseln nur wenig so mittelmäßige Gesichter vorgekommen sind, als das seinige. Dabey war er von so schwarzer Farbe als wir sie kaum unter dem gemeinsten Volke angetroffen hatten, und am allerwenigsten stimmte solche mit dem Range überein, den er hernachmals annahm. Es war würklich unglücklich, daß man gerade diesen Menschen zur Probe eines Volks auswählte, welches alle Seefahrer als schön von Bildung und hell von Farbe beschrieben hatten. Sein Herz und Verstand waren so wie beydes unter seinen Landsleuten gewöhnlich zu seyn pflegt. Er war kein außerordentliches Genie als Tupaia; aber er hatte ein gefühlvolles Herz, und einen offnen Kopf, der bald etwas begriff, daneben war er dankbar, mitleidig und lebhaft, aber auch flüchtig. Mehrere Nachrichten von diesem O-Maï werden meine Leser in der Vorrede gefunden haben, wo von seinem Aufenthalt in England, von dem Unterricht den er daselbst genossen, und von seiner Zurückreise verschiedenes angeführt ist.

Nachdem wir Huaheine verlassen, richteten wir unsern Lauf gen Westen, und segelten um das Süd-Ende einer Insel, die Capitain Cook im Jahr 1769 entdeckt, und in seinen Charten unter dem Namen Ulietea[57] angezeigt hat, da sie doch bey den Tahitiern und übrigen Einwohnern der Societäts-Inseln eigentlich O-Raietea heißt. Am folgenden Morgen ankerten wir an derselben in einer Öffnung des Riefs und brauchten den ganzen Tag dazu, uns in den Haven Hamaneno einbugsieren zu lassen. Diese Insel hatte dem äußern Ansehn nach viel Ähnlichkeit mit Tahiti; denn da sie ohngefähr dreymal größer ist als Huaheine, waren die Ebenen und die Berge hier beynahe so groß als auf ersterer. Die Einwohner umringten uns bald in einer Menge von Canots und brachten Schweine zum Verkauf; weil wir aber in Huaheine sehr reichlich damit waren versorgt worden, so machten sich unsre Leute nicht viel daraus und boten nur wenig dafür. In einem der Canots fand sich ein Befehlshaber mit Namen Oruwherra; der von der benachbarten Insel Borabora (Bolabola) gebürtig war. Dieser Mann war von einer würklich athletischen Bildung, hatte aber nur sehr kleine Hände und war auf den Armen mit sonderbaren viereckigen Flecken, über die Brust, den Bauch und den Rücken mit langen, schwarzen Streifen, an den Hüften und Lenden aber durchaus schwarz punctirt. Er brachte einige grüne Zweige und ein kleines Ferken, welches er meinem Vater schenkte, indem sich sonst niemand um ihn bekümmerte. Nachdem er ein Gegengeschenk von Eisengeräthe bekommen hatte, gieng er sogleich wieder in seinem Canot ans Land zurück. Bald darauf schickte er an seinen neuen Freund ein zweytes Canot mit Coco-Nüssen und Bananen, für welche seine Leute schlechterdings kein Gegengeschenk annehmen wollten. Man kann sich vorstellen, wie sehr uns eine so uneigennützige Gutherzigkeit gefallen haben müsse, denn für einen Menschenfreund kann es wohl kein größeres Vergnügen geben, als wenn er an seines gleichen gute und liebenswürdige Eigenschaften findet.

Nachmittags besuchte uns ein anderer Befehlshaber, der auch von Borabora gebürtig war und meines Vaters Namen annahm, dagegen mein Vater den seinigen annehmen mußte. Er hies Herea, und war so dick als wir sonst niemanden in der Süd-See gesehen hatten. Um den Bauch mas er 54 Zoll, und jeder seiner Schenkel hatte 31 und ¾ Zoll im Umfange. Auch sein Haar war merkwürdig; es hieng ihm in langen, schwarzen, wellenförmig-geschlängelten Flechten bis auf die Hüften herab, und war so stark, daß sein Kopf davon noch einmal so dick zu seyn schien als von Natur. Corpulenz, Farbe und Puncturen waren bey ihm, so wie beym Oruwherra, Unterscheidungszeichen seines Ranges, welcher ihn, gleich den Großen auf Tahiti, zum Faullenzen und zur Schwelgerey berechtigte. Es wird vielleicht nicht unrecht seyn, wenn ich bey dieser Gelegenheit anzeige wie es zugieng, daß diese aus Borabora gebürtigen Befehlshaber, hier in Raietea Ansehen und Eigenthum hatten. Aus Capitain Cooks voriger Reisebeschreibung wird man sich noch erinnern, daß O-Puni, König von Borabora, nicht nur Raietea und O-Taha, welche beyde Inseln innerhalb eines Felsen-Rieffes eingeschlossen sind; sondern auch, fünfzehn Seemeilen weiter gegen Westen, die Insel Maurua erobert hatte.[58] Von diesen eroberten Ländereyen hatte er einen beträchtlichen Theil unter seine Krieger und andere von seinen Unterthanen zur Belohnung ausgetheilt. Den überwundnen König von Raietea, Namens U-Uru, ließ er zwar Tittel und Würde, schränkte aber die Herrschaft desselben blos auf den District Opoa ein, und nach Taha schickte er einen seiner Anverwandten, Namens Boba, zum Vice-Könige. Zur Zeit dieser Revolution waren aus jenen Inseln viele Einwohner nach Huaheine und Tahiti geflüchtet, in der Hoffnung ihr Vaterland dereinst wieder in Freyheit zu setzen. Auch Tupaia und O-Maï, die beyderseits aus Raietea gebürtig waren und auf englischen Schiffen von hier giengen, scheinen, bey ihrer Reise, die Befreyung ihres unterdrückten Vaterlandes zur Absicht gehabt zu haben, denn sie schmeichelten sich, in England Feuer-Gewehr in Menge zu erhalten. Wäre Tupaia am Leben geblieben, so hätte er vielleicht diesen Plan ausgeführt; O-Maï aber war nicht scharfsichtig und von genugsam aufgeklärten Verstande, um sich von unserer Kriegskunst einen Begriff zu machen, und sie hernachrnals auf die besondre Lage seiner Landsleute anzuwenden. Demohnerachtet war er des Gedankens, sein Vaterland in Freyheit zu setzen, so voll, daß er sich in England mehrmalen hat verlauten lassen, wenn ihm Capitain Cook zu Ausführung seines Vorhabens nicht behülflich wäre; so wolle er schon dafür sorgen, daß ihm seine Landsleute keine Lebensmittel zukommen lassen sollten. Er blieb auch unwandelbar bey diesem Vorsatz, bis gegen seine Abreise, da er endlich auf vieles Zureden friedfertigere Gesinnungen anzunehmen schien. Wir konnten nicht absehen was einen Bewohner dieser Inseln, gleich dem Könige O-Puni, bewogen haben konnte, ein Eroberer zu werden? Nach der Aussage aller von Borabora gebürtigen Leute, war ihre Insel nicht minder fruchtbar und angenehm als jene, welche sie sich mit gewaffneter Hand unterworfen hatten. Sie können also durch nichts als Ehrgeiz dazu angetrieben worden seyn, so wenig auch dieser sich mit der Einfalt und dem edlen Character des Volks zusammen reimen läßt. Es ist folglich ein neuer trauriger Beweis, daß selbst unter den besten Gesellschaften von Menschen große Unvollkommenheiten und Schwachheiten statt finden!

Am zweyten Tage unsers Hierseyns begleiteten wir die Capitains nach einem großen Hause das dicht am Wasser stand, und in welchem Orea, der Befehlshaber dieses Districts wohnte. Er saß in selbigem nebst seiner Familie und vielen Leuten von Stande auf der Erde. Kaum hatten wir neben ihnen Platz genommen, als sich unverzüglich ein großer Schwarm von Einwohnern um uns her versammelte, so daß es von dem starken Gedränge entsetzlich heiß wurde. Orea war ein dicker Mann von mittler Statur, mit einem dünnen röthlichbraunen Bart. Er hatte einen ungemeinen lebhaften verständigen Blick, und scherzte und lachte recht herzlich mit uns, ohne steife Ceremonie oder dergleichen geziertes Wesen zu fordern. Seine Frau war eine ältliche Person; der Sohn und die Tochter aber erst zwölf bis vierzehn Jahr alt. Letztere hatte eine ungemein weiße Farbe, auch in ihren Gesichtszügen überhaupt nur wenig von dem National-Charakter dieses Volks; die Nase war vorzüglich schön gebildet, und den Augen nach hätte man sie für eine Chineserinn halten mögen. Sie war zwar nicht groß; allein von zierlichem und gut proportionnirten Gliederbau; vornemlich waren die Hände unbeschreiblich schön, Füße und Beine hingegen etwas zu dick; auch kleidete es sie nicht gut, daß das Haar kurz abgeschnitten war. Sonst hatte sie etwas sehr Gefälliges in ihrem Wesen, und gleich den mehresten ihrer Landsmänninnen, eine sanfte angenehme Stimme. Es war nicht möglich ihr etwas abzuschlagen, wenn sie um Corallen oder andre dergleichen Kleinigkeiten bath. Weil wir indessen keinesweges ans Land gekommen waren, um hier in einem Hause zu bleiben, so standen wir bald wieder auf und spazierten unter die Bäume hin, um Vögel zu schießen und Pflanzen zu suchen. Zu unserer wahren Freude trafen wir hier unter dem gemeinen Volk, was wir bey den Leuten in Huaheine vermißt hatten, jenes Zutrauen und die zudringliche Vertraulichkeit, der Tahitier, ohne das unerträgliche Betteln dieser letztern. Nach Tische machten wir abermals einen Spatziergang und schossen verschiedne Eisvögel. Bey der Rückkehr von der Jagd begegneten wir Orea nebst seiner Familie und Capitain Cook, die in der Ebene mit einander spatzieren giengen. Orea bekümmerte sich nicht um den geschoßnen Vogel den wir in Händen hatten, seine schöne Tochter hingegen beklagte den Tod ihres Eatua und lief von uns weg, wenn wir sie damit berühren wollten. Ihre Mutter und die übrigen Frauensleute schienen über diesen Zufall nicht minder betrübt zu seyn; und als wir wieder nach dem Schiffe zurück fahren wollten, bat uns Orea in einem ganz ernstlichen Tone, keine Eisvögel und Reyher mehr auf seiner Insel zu tödten; andre Vögel mögten wir so viel schießen als uns beliebte. Wir unterließen zwar nicht auch bey dieser Gelegenheit nachzufragen, was die Ursach von der Verehrung dieser beyden Vogel-Gattungen seyn mögte, konnten aber so wenig Auskunft darüber erlangen als zuvor.

Am folgenden Tage erstiegen wir einen von den nahe gelegnen Bergen, und trafen auf dem Wege dahin, in den Thälern, verschiedne neue Pflanzen an. Der Gipfel des Berges bestand aus einer Art von gelblichem Thonstein, und im Heraufgehen fanden wir hin und wieder einzelne Feuersteine, imgleichen Stücke von einer löcherichten, schwammichten, weißfarbigen Lava, worinn sich einige Spuhren von Eisen zeigten. Dies so allgemein brauchbare und nützliche Metall, welches fast in allen Gegenden des ganzen Erdbodens zu finden ist, mag vielleicht auch in diesen Bergen in Menge vorhanden seyn. Die Lava bestätigte unsre Muthmaßung, daß diese Insel, gleich den übrigen Eylanden die wir bisher gesehn, ehemals durch den Ausbruch eines unterirdischen Feuers müsse entstanden seyn. Ein Indianer, der uns begleitet und eine kleine Provision von Lebensmitteln nachgetragen hatte, zeigte uns von diesem Berg Gipfel aus verschiedne Gegenden in der See, wo seiner Aussage nach, ebenfalls Inseln liegen sollten, doch waren solche außerhalb des Gesichtskreises. Gegen Westen, sagte er, läge die Insel Mopiha, und ohngefähr in Süd-West eine andre, Namens Whennua-aurah. Er setzte hinzu, daß beyde nur aus zirkelförmigen, hin und wieder mit Palmen bewachsenen Coral-Rieffen beständen, aber unbewohnt wären, deshalb sie auch, so wohl von hier als andern Inseln aus, nur dann und wann besucht würden. Wahrscheinlicher Weise sind es eben dieselben, die Capitain Wallis entdeckte, und sie Lord Howe's und Scilly-Eyland nannte. Als wir am Mittage wieder vom Berge herab kamen, waren die Capitains eben an Bord zurückgekehrt, nachdem sie zuvor einen großen dramatischen Tanz mit angesehen hatten, der von den vornehmsten Frauenzimmern auf der Insel war aufgeführt worden. Da das Wetter überaus heiß war; so eilten auch wir vom Lande an Bord und fanden beyde Schiffe von einer Menge Canots umgeben, in welchen verschiedne Leuthe von Stande waren, die eine Menge Zeug von Maulbeer-Rinde bey sich hatten und solches gegen kleine Nägel zum Verkauf ausbothen. Unsre Corallen standen bey den Damen, als Putzwerk betrachtet, in hohem Werth; als Handlungswaare aber waren sie bey weiten nicht so gut zu gebrauchen als Nägel, denn man wollte uns kaum Früchte dafür geben, ohngeachtet diese das wohlfeilste und geringste aller Producte zu seyn pflegten. In Tahiti gelten dergleichen Spielwerke ungleich mehr. Sollte die dortige vorzügliche Neigung zu solchen Kleinigkeiten und Flitterstaat, nicht einen höhern Grad von allgemeinen Wohlstand anzeigen und durch denselben veranlaßt werden? Reichthum pflegt wenigstens sonst immer zur Verschwendung zu leiten. –

Die Hitze hielt den ganzen Überrest des Tages dermaßen an, daß wir erst bey Untergang der Sonne wieder ans Land gehen konnten. Wir stiegen an dem Wasser-Platze aus, allwo ein kleines Tupapau, oder Obdach befindlich war, unter welchem auf einem Gerüste ein todter Körper hingelegt Dieser Begräbniß-Ort lag mitten in einem dichten Haine schattenreicher Bäume. Ich hatte bisher weder hier noch auf den vorigen Inseln dergleichen todte Cörper auf eine so sorglose Weise der Verwesung und andern Zufällen überlassen gefunden, und wunderte mich daher nicht wenig, daß der ganze Boden umher überall voller Todten-Köpfe und Todten-Knochen lag. Ich hätte mich gern mit einem Indianer darüber besprechen mögen, konnte aber in dieser Gegend nirgends einen ansichtig werden. Ich strich eine ganze Zeitlang umher, ohne jemand anzutreffen, denn wie ich nachher erfuhr, so hatten sich die Einwohner dieses Districts sämmtlich bey der Wohnung ihres Befehlshabers versammlet, allwo durch die Trommeln das Zeichen zu einem abermaligen Hiva oder öffentlichen Tanze war gegeben worden. Sie halten viel auf diesen Zeitvertreib und laufen demselben zu Gefallen aus weit entfernten Gegenden zusammen. Der stille Abend und die Schönheit des Landes machten mir diesen Spatziergang überaus angenehm; und die Entfernung der Einwohner brachte eine so einsame Stille zuwege, daß ich beynahe in einer bezauberten Insel zu seyn glaubte. Endlich begegneten uns, noch disseits des Strandes, etliche Indianer, davon der eine ein sehr verständiger Mann zu seyn schien. Diesen fragten wir unter andern, ob, und was für Inseln hier in der Nachbarschaft umher lägen, worauf er uns ihrer neune mit Namen angab: Mopiha; Whennua-Aurah; Adiha; Tautihpa; Wauwau; Uborruh; Tabuai; Auhäiau und Rorotoa. Von den beyden ersten hatten wir, heute Morgen schon, durch unsern indianischen Begleiter etwas erfahren und von den sieben andern versicherte uns unser jetziger Gesellschafter, sie wären sämmtlich bewohnt, bis auf Adiha, welches nur dann und wann besucht würde. Uborruh sollte nach seinem Bericht ein Whennua oder hohes Land, alle übrigen hingegen Motuh, d. i. dergleichen flache Inseln seyn, die nur aus Coral-Rieffen bestehen.

Diese Nachrichten waren aber für unsre Neugierde nichts weniger als befriedigend. Wir wandten uns also, näherer Auskunft wegen, an Orea, der am folgenden Morgen, nebst seinem Sohn Tehazura und verschiednen andern Befehlshabern, an Bord kam. Die Aussage dieser Leute stimmte jedoch, mit dem Bericht unsers gestrigen Führers, nur zum Theil überein; denn von allen neun Inseln, deren jener gedacht hatte, nannten sie uns nicht mehr als die erste, zweyte, siebente und neunte; behaupteten auch, die zweyte sey allerdings bewohnt. Dagegen sprachen sie noch von Worio oder Woriea, einer großen Insel, imgleichen von einer andern, Orimatarra genannt, die beyde beständig bewohnt wären; wo aber diese Inseln eigentlich liegen sollten, und wie weit von hier, darinn waren sie gar nicht einig. Auch war von allen denen, die wir darum befragten, keiner selbst da gewesen. So unbestimmt indessen diese Berichte lauten; so läßt sich aus denselben doch abnehmen, daß die Schifffahrt dieser Völker vordem ziemlich ausgebreitet gewesen seyn müsse, wenn sie es gleich jetzt nicht mehr seyn mag. Der bekannte Tupaia, der sich ehemals, von Tahiti aus, auf der Endeavour einschiffte, hatte eine ungleich größere Anzahl von Inseln nahmhaft gemacht, und solche, ihrer Größe und Lage nach, auf eine Charte gezeichnet, von welcher mir der Lieutenant Pickersgill eine Copey mitgetheilt hat. Diese schien in gewisser Absicht glaubwürdig genug zu seyn, denn wir fanden alle vorerwähnte Namen, nur allein Uborruh und Tubuaï nicht, auf derselben angezeigt; dagegen konnten die Größen und Lagen der Inseln unmöglich richtig angegeben seyn, denn wenn sie das gewesen wären, so hätten wir, auf unsrer nachmaligen Fahrt, schlechterdings mehrere derselben berühren müssen, welches gleichwohl nicht geschahe. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß Tupaia um sich das Ansehn einer größern Einsicht und Wissenschaft zu geben, diese Charte der Süd-See blos aus der Fantasie entworfen und vielleicht manche Namen erdichtet habe, denn er hatte deren mehr als funfzig angezeigt.

Orea und sein Sohn frühstückten mit uns und giengen, nach reichlicher Erwiederung ihrer Geschenke, ans Land zurück. Wir folgten bald nachher und wurden von ihm eingeladen, einem dramatischen Tanze oder Hiwa beyzuwohnen, welches uns desto lieber war, da wir dergleichen noch nicht gesehen hatten. Der Schauplatz bestand aus einem ebnen Wiesengrunde, der zwischen zweyen parallel liegenden Häusern mitten inne, ohngefähr 75 Fus lang und 15 Fus breit war. Das größere dieser beyden Häuser konnte eine Menge Zuschauer fassen; das andre, welches auf einer Reihe Pfosten stand, war nur eine enge Hütte und gegen den Schauplatz hin offen, sonst aber überall zugehangen. Innerhalb derselben hatte man durch Gitterwerk und Matten, eine Scheidewand gemacht, hinter welcher sich die Schauspieler ankleideten. Der Fusboden war mit drey großen, schön gearbeiteten, und auf den Ecken schwarz gestreiften Matten belegt. An der offnen Seite der kleinern Hütte standen drey, aus hartem Holze geschnitzte und mit Hayfisch-Fell überzogene Trommeln, davon die größte ohngefähr 3 Fuß hoch seyn und 12 Zoll im Durchschnitt halten mogte. Diese wurden von vier oder fünf Leuten blos mit den Fingern, aber mit unglaublicher Geschwindigkeit, geschlagen. Nachdem wir eine ganze Weile in dem gegenüber liegenden Hause, unter den vornehmsten Damen des Landes, gesessen hatten, erschienen endlich die Actrizen. Eine derselben war Poyadua, Orea's schöne Tochter, und die zwote eine lange wohlgebildete Frau, schön von Gesicht und Farbe. Die Kleidung dieser Tänzerinnen wich von ihrer sonst gewöhnlichen Tracht merklich ab. Sie hatten ein Stück einländischen braunen Zeuges, manche auch ein Stück blauen europäischen Tuches, dicht um die Brust zusammengeschlagen, welches unsern glatt anliegenden Damens-Kleidern nicht ungleich sahe. Um die Hüften war ein Wulst von vier, übereinander liegenden, Reihen ihres einheimischen Zeuges, wechselsweise von rother und weißer Farbe, mit einem Stricke festgegürtet. Von da hieng eine Menge weißen Zeuges, bis auf die Füße herab, und machte eine Art von Rock, der so lang und weit war, daß wir fürchteten, er würde ihnen im Tanzen hinderlich seyn. Hals, Schultern und Arme blieben nackend; auf dem Kopf aber trugen sie eine Menge Flechten von Menschenhaaren, Tamau genannt, die zirkelförmig übereinander aufgethürmt lagen und einen ohngefähr 8 Zoll hohen Turban ausmachten, der unten enger als oben, innerhalb hohl, und mit wohlriechenden Blüthen des Cap-Jasmins (Gardenia,) angefüllt war. An der Vorder-Seite dieses Turbans sahe man drey bis vier Reihen von kleinen, weißen Blumen, die sternförmig eingesteckt waren und auf dem pechschwarzen Haar des Kopfputzes einen so schönen Effect machten als Perlen. Die Tänzerinnen bewegten sich nunmehro nach dem Schall der Trommel, und, wie es schien, unter Anführung eines alten Mannes, der mit tanzte und einige Worte hören ließ, die wir, dem Ton nach, für eine Art von Gesang hielten. Sie machten verschiedne Stellungen und allerhand mannichfaltige Bewegungen mit den Händen, darunter manche wohl etwas frey, jedoch bey weiten nicht so unanständig waren als ein und andres, was die keuschen Augen der englischen Damen nach der Mode, in den Opern,[59] nur durch den Fächer zu sehen, gezwungen sind. In ihrer Art die Arme zu bewegen, ist warlich viel Grazie und in dem beständigen Spiel ihrer Finger ebenfalls etwas ungemein zierliches. Das einzige, was mit unsern Begriffen von Schönheit, Anstand und Harmonie nicht übereinstimt, war die häßliche Gewohnheit, den Mund auf eine so abscheuliche Art zu verzerren, daß es ihnen keiner von uns gleich thun konnte. Sie zogen den Mund seitwärts, in eine herabhängende Linie, und brachten zu gleicher Zeit die Lippen in eine wellenförmig-convulsivische Bewegung, als ob ihnen, aus langer Gewohnheit, der Krampf gleichsam zu Gebote stände. Nachdem sie ohngefähr 10 Minuten lang getanzt, begaben sie sich in den Theil der Hütte, den ich zuvor das Kleidezimmer genannt habe, und fünf in Matten gehüllte Mannspersonen traten dagegen auf, um eine Art von Drama vorzustellen. Dieses bestand wechselsweise in unanständigem Tanzen und einer Unterredung, die nach einem abgemeßnen Sylbenmaaß abgefaßt zu seyn schien, und in welcher sie zuweilen einige Worte insgesammt überlaut ausschrien. Ihre Stellungen kamen, dem Ansehen nach, mit dem Innhalt genau überein. Einer kniete nieder und ließ sich von einem andern schlagen und beym Barte zupfen, der diese Possen noch an zween andern versuchte, davon aber der letzte unrecht verstand, und ihn mit einem Stocke durchprügelte. Hierauf giengen sie ab, und die Trommeln kündigten den zweyten Act des Tanzes an, der von zwey Frauenspersonen, ohngefähr so wie der erste, aufgeführt ward; alsdenn traten die Mannspersonen abermals auf; und endlich beschlossen die Tänzerinnen das Schauspiel mit einem vierten Tanz-Acte. Nach Endigung dieses letztern, setzten sie sich ganz abgemattet und in heftiger Transpiration nieder. Eine Tänzerinn insbesondre, die etwas stark war, hatte von der Erhitzung eine sichtbare Röthe im Gesicht bekommen, woraus man abnehmen kann, wie fein und weiß ihre Haut gewesen seyn müsse. Orea's Tochter hatte ihre Rolle bewundrungswürdig schön gemacht, ohnerachtet sie sich erst gestern, zweymal, in einem solchen Hiwa hatte sehen lassen. Die Officiers beyder Schiffe, und auch wir überhäuften die Tänzerinnen, zur wohlverdienten Belohnung ihrer Geschicklichkeit, mit Corallen und anderm Putzwerk.

Nachmittags kam U-Uru, der König von Raietea, nebst Orea und verschiednen Damen ans Schiff, um Capitain Cook zu besuchen. Er brachte ein Schwein zum Geschenk mit und erhielt dagegen allerhand europäische Waaren. Unter den Frauenzimmern, die ihn begleiteten, war auch die Tänzerinn, deren schöne Farbe wir so sehr bewundert hatten. Sie hieß Teina oder Teinamai, und die gewöhnliche Kleidung, in welcher sie jetzt erschien, stand ihr ungleich besser als der schwerfällige theatralische Habit. Ihr langes unverschnittnes Haar war mit einem schmalen Streif weißen Zeuges nachläßig durchflochten und fiel in natürliche Locken, schöner als die Fantasie eines Mahlers solche je geformt hat. Ihre Augen blickten voll Feuer und Ausdruck aus dem rundlichen Gesicht hervor, über welches ein angenehmes Lächeln verbreitet war. Herr Hodges suchte sie bey dieser Gelegenheit abzuzeichnen, ihre Lebhaftigkeit und Flüchtigkeit aber machten es ihm ungemein schwer, ja fast ohnmöglich. Dies ist auch wahrscheinlicherweise Ursach, weshalb es ihm mit diesem Bildniß, welches sich in Capitain Cooks eigner Nachricht von gegenwärtiger Reise befindet, nicht so gut als sonst, hat glücken wollen. So meisterhaft dasselbe auch von Herrn Sherwin in Kupfer gestochen ist; so bleibt es dennoch unendlich weit unter der Delicatesse des reizenden Originals. Fehlt ihm indessen gleich die Ähnlichkeit mit der Person die es eigentlich vorstellen soll; so kann man es doch als eine Probe von der gewöhnlichen Gesichtsbildung dieser und der benachbarten Insulaner gelten lassen, und sich, nach demselben, einen ziemlich richtigen Begriff von einem zehnjährigen Tahitischen Knaben machen. Gegen Untergang der Sonne giengen unsre vornehmen Gäste, mit der genoßnen Aufnahme ungemein zufrieden, allerseits wieder ans Land; von dem gemeinen Volk hingegen, blieb eine Menge Frauenspersonen im Schiffe und bezeigte sich gegen die Matrosen eben so gefällig als die Tahitisehen Mädchen.

Es war sonderbar, daß selbst diese Gattung von Frauensleuten einen gewissen Grad von Eitelkeit besaß; denn sie nannten sich untereinander nicht anders als Tedua, (Madame) ein Tittel, der hier zu Lande nur den adelichen Damen zukommt, ja eigentlich vorzugsweise nur den Prinzeßinnen gebühret. Dies wußten wir von Tahiti aus; wenn z. E. dort des Königs Schwester irgendwo vorüber kam, so pflegte derjenige Indianer, der sie zuerst erblickte, überlaut auszurufen: Tedua harremai, Madame kommt! damit seine Landsleute ihre Schuldigkeit beobachten und die Schultern entblößen möchten; oft sagten sie in dergleichen Fällen auch blos Eri, welches dann jederzeit eine Person von königlichem Geblüte andeutete. - Unsre Matrosen aber, welche die hiesige Sprache nicht verstanden, glaubten steif und fest, daß ihre Dulcineen hier alle einerley Namen hätten, welches denn oft lustige Auftritte veranlaßte.

Die beyden folgenden Tage brachten wir damit hin, längst der Küste botanisch- und physicalische Untersuchungen anzustellen. Gegen das Nord-Ende der Insel fanden wir viel tiefe Buchten, die sich mit Morast endigten, in welchen es wilde Endten und Schnepfen die Menge gab. Dieses Wildpret war aber scheuer als wir erwarteten; denn wie sich nach der Hand auswies, so halten es die Einwohner, so gut als wir, für Leckerbissen und jagen darnach. Am Sonntage gab man uns noch einen Hiwa oder dramatischen Tanz zum besten; er ward durch eben die Personen aufgeführt, und war eben so beschaffen, als der zuvor erwähnte, nur dauerte er nicht so lange.

Am 14ten, bey Anbruch des Tages, sandten Capitain Cook und Fourneaux, jeder ein Boot nach der Insel O-Taha, die 2 bis 3 See-Meilen von hier und innerhalb desselben Felsen-Rieffs liegt als Raietea. Sie hofften dort einen Vorrath von Früchten zu bekommen, die auf letzterer Insel, wo wir vor Anker lagen, selten waren. Zu dem Ende nahm sowohl der Lieutenant Pickersgill, als auch Herr Rowe, einen Vorrath von Corallen und Nägeln mit sich. Dr. Sparrmann und mein Vater wollten die Gelegenheit jene Insel zu untersuchen, nicht aus den Händen lassen, und giengen also auch mit.

Während ihrer Abwesenheit bat Orea, der in dem District der Insel, wo wir vor Anker lagen, Befehlshaber war, uns zu Gaste. Es verfügten sich daher die Capitains beyder Schiffe, nebst verschiednen Officiers und Passagiers, unter welchen auch ich war, zu Mittage ans Land, wohl versehen, mit Pfeffer, Salz, Messern, Gabeln und etlichen Flaschen Wein. Bey der Ankunft in unsers Wirthes Hause fanden wir den Boden größtentheils mit Blättern bestreuet, die statt Tischtuchs dienten. Rund um diesen Bezirk nahmen wir und die Vornehmsten des Landes unsre Plätze ein. Wir hatten nicht lange gesessen, als ein gemeiner Indianer herein kam, der ein gebratenes Schwein, in Pisang-Blätter gewickelt, auf den Schultern hatte, und solches auf die Erde, mitten vor uns, hinwarf. Ein zweyter brachte ein kleineres Schwein auf gleiche Weise; und diesen folgten verschiedne andre mit Körben voll Brodfrucht, Bananen, und gegohrnem Brodfrucht-Teige Mahei genannt. Der Wirth bat, wir mögten uns selbst bedienen, worauf denn in kurzer Zeit beyde Schweine zerlegt waren. Nun drängten sich die Leute rechtschaffen herbey; die Frauenspersonen und überhaupt alles gemeine Volk bath in bettelndem Tone, um Schweinebraten, doch theilte jeder der etwas bekam, seinen Nachbarn redlich davon mit, ja sie reichten es, von Hand zu Hand, bis ans äußerste Ende des Haufens, von woher die Leute, des Gedränges wegen, nicht herbey kommen konnten. Die Männer verzehrten ihren Antheil mit großem Appetit; die Frauensleuthe hingegen wickelten ihre Portionen in Blätter und verwahrten sie bis sie allein seyn würden. Sowohl die Gierigkeit mit der sie uns plagten und ihre Bitten unablässig wiederhohlten, als auch die neidischen Blicke der Vornehmern, wenn wir den Bittenden etwas mittheilten, überzeugten uns, daß der gemeine Mann in dieser Insel kein Recht und keine Ansprüche auf dergleichen Leckerbissen hat. Das Schweinefleisch schmeckte nach hiesiger Zubereitung, uns allen, ungleich besser als nach irgend einer europäischen Methode. Es war saftiger als unser gekochtes und auf alle Weise zärter als unser gebratnes. Vermittelst der gleichförmigen Hitze, worinn es unter der Erde gehalten wird, bleibt Saft und Kraft durchaus beysammen. Das Fett hatte im geringsten keinen geilen oder widrigen Geschmack, und die Haut, die an unsern Schweine-Braten gemeiniglich steinhart zu seyn pflegt, war hier so zart als alles übrige Fleisch. Beym Schluß der Mahlzeit kamen unsre Weinflaschen dran, und Freund Orea ließ sich sein Gläschen schmecken ohne ein Auge zu verdrehen, worüber wir uns um so mehr wunderten, als die Einwohner dieser Inseln sonst überall einen Widerwillen gegen unsre starken Getränke bezeigt hatten. Die Tugend der Nüchternheit ist auch würklich fast allgemein unter ihnen, besonders unter dem gemeinen Volk. Doch haben sie ein berauschendes Getränk, auf welches vorzüglich einige alte Oberhäupter sehr viel halten. Es wird aus dem Saft einer Pfeffer-Baum-Wurzel, hier zu Lande Awa genannt, auf eine höchst ekelhafte Weise verfertigt, wie ich an einem der ersten Tage nach unserer Ankunft selbst mit angesehen habe. Nachdem die Wurzel in Stücken geschnitten ist, wird sie von etlichen Leuten vollends klein gekauet und die mit Speichel wohl durchweichte Masse, in ein großes Gefäß voll Wasser oder Coco-Nuß-Milch gespuckt. Dieser ungemein appetitliche Brey wird hierauf durch Coco-Nuß-Fasern geseiget, und die gekaueten Klumpen sorgfältig ausgedruckt, damit der zurückgebliebne Saft sich vollends mit der Coco-Nuß-Milch vermischen möge. Zuletzt wird der Trank in eine andre große Schaale abgeklärt, und ist alsdenn zum Gebrauch fertig. Dies häßliche Gemansch verschlucken sie mit ungemeiner Gierigkeit: und einige alte Säuffer thun sich nicht wenig darauf zu gut, daß sie viel Schaalen davon leer machen können. Unser Passagier Porea, der hier nicht so zurückhaltend als auf Huaheine war, brachte eines Tages einen seiner neuen Bekannten in die Cajütte des Capitains, und setzte sich sogleich mit ihm nieder, um jene Schmiererey nachzumachen. Als sie damit zu Stande gekommen waren, trank er ohngefähr ein Nößel, ward aber, in weniger denn einer Viertelstunde, so besoffen davon, daß man ihn ohne Bewegung auf dem Boden liegend fand. Sein Gesicht war feuerroth und die Augen standen ihm gleichsam zum Kopf heraus. In diesem Zustand schlief er einige Stunden ohne von seinen Sinnen zu wissen, als er aber wieder zu sich kam, schämte er sich dieser Ausschweifung. Die Völlerey bleibt indessen, gleich jeder andren Ausschweifung, auch hier nicht ungestraft. Die Alten, welche diesem Laster nachhängen, sind dürr und mager, haben eine schuppichte, schäbige Haut, rothe Augen, und rothe Flecken über den ganzen Leib. Alles dieses sind, ihrem eignen Geständniß nach, unmittelbare Folgen des Soffes und folglich müssen die Bestandtheile der Pfefferpflanze wohl die eigenthümliche Eigenschaft haben, den Aussatz hervorzubringen. Außerdem gilt aber diese Wurzel, bey den Einwohnern aller dieser Inseln, auch für ein Sinnbild des Friedens, vielleicht weil Trunkenheit gute Cameradschaft macht.

Sobald wir abgespeißt hatten, machten sich unsre Matrosen und Bedienten mit den übriggebliebenen Brocken lustig; und die Indianer, welche sich vorher bey unsrer Freygebigkeit so wohl befunden hatten, machten ihnen nun die Cour. Die Matrosen waren aber nur allein gegen die hübschen Mädchen gefällig; und verlangten, vermöge ihres natürlichen Hanges zur groben Sinnlichkeit, für jeden Bissen Fleisch, bald diese, bald jene Unanständigkeit.

Um die Freuden dieses Tages vollkommen zu machen, befahl Orea, daß abermals ein Hiwa aufgeführt werden sollte. Bey diesem wurden wir in die Coulissen oder ins Kleide-Zimmer gelassen, damit wir sehen sollten wie sich die Tänzerinnen ankleiden würden. Diese Erlaubniß brachte ihnen manches kleine Geschenk zuwege; so geriethen wir z. E. auf den Einfall ihren Kopfschmuck durch verschiedene Schnuren von Corallen zu verschönern, welches sie ganz wohl zufrieden waren. Unter den Zuschauern befanden sich einige der größten Schönheiten des Landes; vornemlich war eine Frauensperson viel weißer von Farbe als wir bis jezt in allen diesen Inseln je eine gefunden hatten. Ihre Haut war als weißes etwas fahlgraues Wachs anzusehen, ohne daß etwa eine Krankheit daran schuld gewesen wäre, die dergleichen Farbe sonst wohl anzudeuten pflegt. Ihre schönen schwarzen Augen und Haare contrastirten damit vortreflich, und zogen ihr unsre einstimmige Bewunderung zu. Man huldigte ihrer Schönheit auch bald durch allerhand kleine Geschenke; allein, statt sich an diesen genügen zu lassen, ward ihre Liebe zu Putz und Flitterwerk nur desto mehr erregt, und sie plagte einen jeden von uns, so lange sie nur vermuthen konnte, daß wir noch eine einzige Coralle in der Tasche hätten. Einer von unsrer Gesellschaft hielt zufälligerweise ein kleines Vorhängeschloß in Händen. Kaum fiel ihr dieses in die Augen, so verlangte sie es zu haben. Der Besitzer schlugs ihr anfänglich ab, da sie aber nicht aufhörte darum zu betteln, ließ er sich endlich erweichen, war aber so leichtfertig es ihr ins Ohr zu hängen mit der Versicherung, daß es dahin gehöre und daran getragen werden müsse. Eine Zeitlang wußte sie sich was rechts damit, und war von diesem neuen Putz ungemein zufrieden: Allein es währete nicht lange; so fand sie, daß es zu schwer und schmerzhaft sey, bat also daß man es wieder los machen möchte. Nun warf er den Schlüssel weg, und gab ihr zu verstehen, sie habe es ausdrücklich von ihm begehrt, und wenn sie es beschwerlich finde, so mögte sie es immerhin zur Strafe ihres ungestümen Bettlens im Ohre behalten. Darüber war sie untröstlich, weinte ihre bittersten Thränen, und bat einen nach dem andern ihr von dem Schlosse zu helfen; allein, so gern auch mancher gewollt hätte, so gieng es doch nicht an, weil kein Schlüssel dazu war. Sie wandte sich also an den Befehlshaber, und dieser legte, nebst seiner Frau, Sohn und Tochter, ein Vorwort für das Mädchen ein; ja sie bothen sogar Zeug, Räucherholz und Schweine zum Lösegeld; aber alles umsonst. Endlich fand man doch einen Schlüssel, der zum Schlosse paßte, und damit ward dem Wehklagen des armen Mädchens ein Ende gemacht, und Ruhe und Freude unter ihren Gespielen wieder hergestellt. Dieser Zufall hatte indessen die gute Würkung, daß sie und andre ihrer Landsmänninnen von der Gewohnheit zu Betteln abließen. Vermittelst der gastfreyen Aufnahme unsers Wirthes und dem guten Betragen des übrigen Volks war dieser Tag ganz vergnügt vergangen; so daß wir gegen Abend sehr zufrieden an Bord zurückkehrten. Desto mehr befremdete es uns aber, daß sich am folgenden Morgen, ganz wieder die Gewohnheit der Insulaner, nicht ein einziges Canot bey dem Schiffe sehen ließ. Um die Ursach einer so schleunigen Veränderung zu erfahren, eilten wir nach Orea's Hause, fanden es aber zu unserer noch größeren Verwunderung von ihm und seiner ganzen Familie verlassen. Endlich erfuhren wir durch etliche Indianer, die auch ihrer Seits überaus schüchtern thaten, Orea habe sich nach dem Nord-Ende der Insel begeben, aus Furcht wir würden ihn gefangen nehmen. Je weniger wir begreifen konnten, was diese ungegründete Besorgniß mögte veranlaßt haben, desto mehr eilten wir ihm solche zu benehmen und unsrer Freundschaft aufs neue zu versichern. In dieser Absicht fuhren wir einige Meilen längst der Küste bis nach dem Orte hin, wohin er geflüchtet war. Hier fanden wir alles um ihn her in Thränen und mußten allerhand Schmeicheleyen anwenden, um das vorige Zutrauen wieder zu gewinnen. Corallen, Nägel und Beile leisteten uns hiebey die besten Dienste. Orea's Anverwandten klagten uns, Capitain Cook würde sie gefangen nehmen, um ihre Landsleute dadurch zu zwingen, daß sie unsre nach O-Taha entlaufnen Matrosen wieder herbeybringen sollten. Nun sahen wir ihren Irrthum ein, und versicherten ihnen, diese Leute wären keinesweges entlaufen, sondern würden ganz gewiß noch heute wieder kommen. Orea war aber damit noch nicht zufrieden, sondern nannte jede Hauptperson in beyden Booten bey Namen, und frug bey einem jeden insbesondre, ob auch der wiederkommen würde? Da ihm aber durchaus mit Ja geantwortet wurde, so gab er sich endlich zufrieden. Indem wir also mit Orea's Familie in einem Cirkel beysammen saßen, kam Porea unser Tahitier, der mit nach England gehen wollte, eiligst zum Capitain gelaufen, händigte ihm das Pulverhorn ein, welches er bis dahin beständig in Verwahrung gehabt hatte, und sagte mit wenig Worten, er würde sogleich wieder kommen. Wir warteten eine lange Weile vergebens und mußten endlich ohne ihn ans Schif zurückkehren, bekamen ihn auch nachher nie wieder zu Gesicht. Von den Einwohnern wußte uns niemand zu sagen wo er hingekommen sey, und damit kein neuer Allarm unter ihnen entstehen mögte, wollte der Capitain auch eben nicht gar zu scharfe Nachfrage halten. Nach Tische begleitete ich den Capitain abermals um dem Orea einen Besuch abzustatten. Bey dieser Gelegenheit wandte sich ein schöner junger Mensch an mich, und bat, daß wir ihn mit nach England nehmen möchten. Er hieß O-Hedidi, war ohngefehr siebenzehen Jahr alt und schien, der Farbe und Kleidung nach, von gutem Herkommen zu seyn. Ich wollte anfänglich nicht glauben, daß er das bequeme Leben der vornehmern Leute auf diesen Inseln zu verlassen geneigt sey, und erzählte ihm mit lächelndem Munde was für Unannehmlichkeiten er sich durch seinen Entschluß aussetzen würde. Aber alle meine Vorstellungen, daß er rauhe Witterung antreffen, und mit ungewohnter schlechter Kost würde vorlieb nehmen müssen, das alles vermogte nichts. Er blieb bey seinemVorsatz, und endlich stimmten auch viele seiner Freunde in den Wunsch ein, daß man ihn mitnehmen mögte. Ich stellte ihn also dem Capitain Cook vor, der ohne Schwierigkeit in sein Verlangen willigte. Hierauf kehrten wir alle an Bord zurück, und noch vor Sonnen-Untergang trafen auch die nach O-Taha abgeschickten Boote, mit einer dort aufgekauften Ladung Bananen und Coco-Nüssen, imgleichen mit einigen Schweinen, wieder bey dem Schiffe ein. Sie waren an eben dem Tage, da sie von uns gegangen, des Morgens bey guter Zeit, an der östlichen Seite einer schönen Bay, O-Hamane genannt, vor Anker gelangt. Ihrer Beschreibung nach, war sowohl das Land als die Einwohner dieser Insel, von eben solcher Beschaffenheit als in den übrigen Inseln dieses Archipelagus. – Und würklich sind Gewächse und Thiere hier überall von einerley Art, nur daß man in einer Insel diese, in anderen jene Gattung seltner oder häufiger antrifft. So war zum Exempel der Baum, den unsre Seeleute einen Apfelbaum nannten (Spondias) sehr häufig auf Tahiti, hingegen sehr selten auf Raietea und Huaheine, und auf Taha ebenfalls nicht gemein. Hühner fanden wir auf Tahiti fast gar nicht: Dagegen gab es deren auf den Societäts-Inseln die Menge. Ratten, welche Tahiti bey tausenden plagten, waren nicht so zahlreich auf O-Taha, noch seltner auf Raietea, und auf Huaheine bekam man dergleichen kaum zu sehen.

Nachdem unsre Leute im Haven O-Hamane zu Mittage gespeißt hatten, begaben sie sich nach der zunächst gegen Norden gelegnen Bucht, um dem dortigen Befehlshaber O-Tah, einen Besuch abzustatten, bey dessen Hause auch ein Hiwa oder öffentlicher Tanz angestellt werden sollte. Auf dem Wege dahin erblickten sie von fern eine Frauensperson, die ganz sonderbar gekleidet und über und über schwarz gemacht war. Es hieß, sie traure und sey eben mit den Beerdigungs-Ceremonien beschäftigt. Je näher sie der Wohnung des Befehlshabers kamen, desto größer ward, sowohl um ihrer, als um des Hiwa's willen, das Gedränge. Endlich langten sie bey dem Hause an; der Erih war ein ältlicher Mann und sas auf einem hölzernen Stuhle, wovon er, gleich bey Erblickung der Fremden, meinem Vater die Hälfte zum Sitz einräumte. Es währete nicht lange, so eröffneten drey junge Mädchen den Tanz. Die ältere war nicht über zehn, und die jüngste nicht völlig fünf Jahr. Die Music bestand, wie gewöhnlich, aus drey Trommeln; und zwischen den Acten führten drey Mannsleute ein pantomimisches Drama auf, in welchem schlafende Reisende vorgestellt wurden, denen einige Diebe mit großer Geschicklichkeit die Bagage wegstohlen, ohnerachtet sich jene, größerer Sicherheit wegen, rund um dieselbe herum gelegt hatten. Während dieser Vorstellung mußte das Volk für einige Leute Platz machen, die sich dem Hause Paar-weise näherten, aber an der Thür stehen blieben. Es waren theils erwachsne Personen, theils Kinder, die am obern Theil des Cörpers gänzlich nackend giengen und mit Cocos-Öl eingesalbt waren, um die Hüften aber Scherffen von rothem Zeuge, imgleichen Tamau, oder Schnüre von geflochtnen Haar, um den Kopf trugen. O-Tah nannte sie die O-Da-widdi,[60] welches nach Maasgabe der Zeichen die er dabey machte, so viel als Leidtragende zu bedeuten schien. Als sich diese Leute dem Hause näherten, ward der Platz vor selbigem mit Zeug belegt, solches aber bald wieder aufgerollt und an die Trommelschläger ausgetheilt. Einer von diesen gerieth mit einem andern Indianer in Wortwechsel, und ehe man sichs versahe, wurden sie handgemein und zerrten einander bey den Haaren herum: Damit aber das Fest nicht unterbrochen würde, stellte man gleich einen andern an die Trommel und jagte die beyden Zänker zum Hause hinaus. Gegen das Ende des Tanzes, mußten die Zuschauer nochmals Platz machen, weil die O-Da-widdi von neuem wieder zum Vorschein kamen; doch blieben sie, wie zuvor, an dem Eingange des Hauses stehen, ohne irgend eine besondre Ceremonie vorzunehmen.

Vor des Befehlshabers Wohnung waren viele Canots aufs Ufer gezogen, und in einem derselben, welches ein Dach oder Decke hatte, lag der Leichnam des Verstorbenen, für den obgedachte Trauer-Ceremonien angestellt wurden. Dieses Umstands wegen mußten unsre Reisenden ihre Boote etwas weiter hin vor Anker bringen, doch fand sich zum Glück auch dort ein Haus, unter dessen Obdach sie die regnigte und stürmische Nacht über guten Schutz hatten.

Am folgenden Morgen machte ihnen O-Tah seinen Gegenbesuch, und erbot sich, sie überall zu begleiten. Sie nahmen ihn also mit ins Boot, und seegelten um das Nord-Ende der Insel herum, an welchem, innerhalb des Riefs, eine Menge langer und flacher Inseln liegen, die mit Palmen und andern Bäumen besetzt sind. In dieser Gegend kauften sie einen guten Vorrath von Bananen, und speißten hierauf, etwas weiter gen Süden, bey dem Hause des obersten Befehlshabers Boba, den der König von Borabora, Opuni, zum Statthalter allhier eingesetzt hatte. Sie lernten ihn jedoch nicht persönlich kennen, denn er war damals eben verreiset. Nach Tische fand sich, daß man ihnen während der Mahlzeit den ganzen Rest ihrer Handelswaaren, der in einem Beutel mit Nägeln, Spiegeln und Corallen bestand, gestohlen hatte. In dieser Verlegenheit hielten es die Officiers für das sicherste, wenn man den Einwohnern eine Parthey Vieh und andre Habseligkeiten wegnähme, und so lange an sich behielte, bis jene sich bequemten, das Geraubte wieder herbey zu schaffen. Mit diesem Zwangsmittel ward gleich auf dem Marktplatz der Anfang gemacht; man nahm daselbst ein Schwein, einige Perlmutter-Schaalen und etliche Ballen Zeug in Beschlag, welches die Einwohner jedoch nicht anders, als auf ernstliche Bedrohung mit dem Feuergewehr, geschehen ließen. Hierauf theilten sich unsre Leute; einige mußten die Boote, andre die confiscirten Waaren bewachen, und die übrigen giengen unter Anführung des Lieutenants weiter, um die Execution fortzusetzen. Der alte Befehlshaber O-Tah begleitete sie, doch schien ihm bey dem ganzen Handel nicht um ein Haar besser zu Muthe zu seyn als den Hunden in der Fabel (S. Phädri Fab.). Überall wo sie hinkamen, flohen die Einwohner und trieben ihr Vieh ins Gebürge. Um zu versuchen, was das Schießgewehr für Würkung auf sie machen würde, ließ der Officier drey Musqueten in die Luft feuern; auf diesen Schreckschuß kehrte einer von den Flüchtlingen, ein vornehmer Mann, der von der Elephantiasis einen ungeheuer dick geschwollnen Fus und Schenkel hatte, um, und überlieferte seine Schweine, nebst etlichen Packen Zeug. Hiernächst bemächtigten sich unsre Leute, in Boba's Wohnung, noch zweyer Brustschilder und einer Trommel, und kehrten darauf mit ihrer Beute nach dem zum Sammelplatz bestimmten Hause zurück. Gegen Abend schied O-Tah von ihnen, kam aber bald nachher mit dem gestohlnen Beutel wieder, in welchem noch ohngefähr die Hälfte der Nägel, Corallen u. d. g. befindlich war, und blieb sodann die Nacht über bey ihnen. Am folgenden Morgen ward den Eigenthümern der in Beschlag genommnen Effecten bekannt gemacht, daß ihnen alles zurück gegeben werden sollte, wenn sie die entwandten Corallen und Nägel wieder herbey schaften. Unter der Zeit, daß diese Anstalt dazu machten, wanderten unsre Leute nach O-Herurua, einer an der südwestlichen Seite der Insel gelegnen Bay. Sie waren noch nicht weit gekommen als O-Tah und der andre Befehlshaber, der mit seinem geschwollnen Beine so gut als ein andrer zu Fus war, den größten Theil des fehlenden Eisenwerks etc. schon herbey brachten, mit dem Bedeuten, daß solches hin und wieder im Buschwerk versteckt gewesen sey. Hierauf gaben auch unsre Leute das Zeug, die Schweine, die Brustschilder und alles übrige zurück, was sie bisher an sich behalten hatten. Auch belohnten sie den Mann, in dessen Hütte sie die Nacht zugebracht; imgleichen den alten Befehlshaber, weil sich beyde ungemein treu und willfährig gegen sie bewiesen hatten. Vermittelst der zurückerhaltnen Corallen, waren sie im Stande, in dem District Herurua und in der Bay A-Poto-Poto (oder der runden Bay) eine Parthie Bananen aufzukaufen. An letzterm Orte befand sich ein ungleich größeres Haus als sie in den übrigen Societäts-Inseln je gesehen hatten. Es war voller Einwohner, und verschiedne wohnten mit ihrer ganzen Familie in demselben. Es schien ein öffentliches Gebäude und, gleich den Caravanserais in der Levante, für Reisende bestimmt zu seyn. Nachdem unsre Leute den Rest von Nägeln und Corallen gänzlich losgeworden waren, auch Mittagbrod gegessen hatten, kehrten sie nach den Schiffen zurück, und langten endlich, ohngefähr um 4 Uhr Nachmittags, von den Wellen, die unterwegens in die Boote hereingeschlagen, ganz durchgenetzt, bey uns an.

Am folgenden Morgen kam Orea nebst seiner Familie, und eine Menge anderer Personen, um Abschied zu nehmen. Der größte Theil dieses Zuspruchs galt unserm neuen Reisegefährten O-Hedidi, der gestern mit an Bord gegangen war. Alle seine Freunde und Bekannten drängten sich nun noch herbey und brachten ihm eine Menge Zeug, imgleichen eine gute Provision gegohrnen Brodfrucht-Teig zum Unterhalt auf die Reise. Dieser Teig ist eins der besten Nahrungsmittel. Orea's Tochter, die es bisher nie gewagt hatte uns zu besuchen, kam bey dieser Gelegenheit ebenfalls an Bord, um sich von dem Capitain die grüne Zeltdecke unsers Bootes auszubitten, welche ihr besonders wohl mußte gefallen haben. Sie erhielt eine Menge Geschenke; in der Hauptsache aber konnte ihr der Capitain nicht willfahren. Die Indianer ließen sich zu guter letzt den Handel noch recht angelegen seyn, und verkauften uns viel von ihrem Handwerkszeug, Hausrath, u. d. g. Als wir endlich unter Seegel giengen, verließen uns die guten Leute mit großer Betrübniß. Ihre Thränengüsse schienen manchem von uns vorzuwerfen, daß er unempfindlich sey; und in der That scheint man bey unsrer Erziehung den natürlichen Bewegungen des Herzens zu viel Einhalt zu thun; man will, daß wir uns derselben in den mehresten Fällen schämen sollen, und darüber werden sie endlich unglücklicherweise ganz unterdrückt. Auf diesen Inseln hingegen, lassen die unverdorbnen Kinder der Natur allen ihren Empfindungen freyen Lauf und freuen sich ihrer Neigung für den Nebenmenschen:

 

Mollissima corda

Humano generi dare se natura fatetur

Quae lacrymas dedit; haec nostri pars optima sensus.

IUVENAL.

 

[1] Die Besitzer von Hawkesworth Geschichte der englischen See-Reisen werden bey dieser und ähnlichen Stellen die in mehrgedachtem Werk befindlichen Charten mit Nutzen zu Rathe ziehen können.

[2] Pennant's British Zoology. B. III, p. 53. der neuen vermehrten Edition in Quarto, von 1776.

[3] Siehe Hawkesworths Sammlung der engl. See-Reisen etc.

[4] Mit dieser Bemerkung stimmt überein, was wir im August 1772 zu Madera erfuhren, denn auch da schon hatten wir den Passat-Wind, ob diese Insel gleich unterm 33sten Grade nordlicher Breite belegen ist.

[5] Ryf oder Rief heißet in vielen nördlichen, von der deutschen abstammenden Sprachen, eine Bank oder Strecke von Felsen, oder sonst eine seichte Stelle in der See, die entweder etwas unter Wasser stehet, so daß man noch, wenn gleich nicht mit großen Schiffen, darüber wegfahren kann, oder auch wohl so seicht ist, daß die See darüber wegbricht und Brandungen verursachet.

[6] Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen, in 8. B. II. S. 333.

 

[7] In Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 8. B. II. S. 333, steht fälschlich Maitea.

[8] S. Historical collection of the several voyages and discoveries in the south pacific Ocean by Alex. Dalrymple Esq. Vol. . pag. 109-119.

[9] Bougainvilles Reisen.

[10] In Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 8. zweyter Band, pag. 342. ist dieser Name, der engl. Schreibart nach, Tootahah ortographirt, welches Tutahah ausgesprochen wird. Dieser Mann war damals Regent, oder doch Administrator der Landes-Regierung. S. ebendas. Seite 371. 392.

[11] Athrodactylis. Char. Gen. nov. Forster. London. 1776. Bromelia sylvestris Linn. Flora Ceyl. Keura. Forskal Flor. Arab. Pandanus, Rumph. Amboin.

[12] S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 8. B. III. 18tes Hauptstück, pag. 518.

[13] Dies erklärt einen ähnlichen Vorfall, der einige Seiten zuvor pag. 237 erzählt worden.

[14] Der jüngere Herr Forster ließ sich, zum Unterschied von seinem Herrn Vater bey diesem Vornahmen nennen. A. d. V.

[15] Siehe Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 8. 2ter Band, pag. 360.

[16] S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 8. dritter Band, pag. 504.

[17] Die Stelle ist im Alt-Englischen ungemein naif und fängt sich also an: „From that lond in returnynge be ten jorneys thorge out the lond of the grete Chane, is another gode yle and a grete Kyngdom, where the Kyng is fulle riche and myghty etc." Wir wollen sie aber dem deutschen Leser zu gefallen lieber deutsch geben. „Von dem Lande zehen Tagereisen rückwärts durchs Land des großen Kans ist ein andres gutes Eyland und ein großes Königreich, dessen König sehr reich und mächtig ist. Und unter den Großen des Landes ist ein überschwenglich reicher Mann, der nicht Prinz, nicht Herzog, nicht Graf ist; aber er hat mehr Vasallen, die Land und Herrschaften von ihm zu Lehen tragen, denn er ist reicher als Prinzen, Herzoge und Grafen seyn mögen. Hat jedes Jahr an Renten 300000 Rosse mit Korn verschiedner Art und mit Reis beladen. Lebt nach Landes-Brauch als ein rechter Edelmann und köstlich. Hat jeden Tag funfzig schöne Mägdlein, die Jungfrauen sind, ihm aufzuwarten bey Tisch, und bey ihm zu liegen des Nachts und zu thun mit ihnen was ihm wohlgefällt. Und wenn er bey Tische ist, so bringen sie die Speisen je fünf und fünf; und singen dabey ein Liedlein, und zerlegen denn das Essen und steckens ihm ins Maul, denn er rührt nichts an und thut nichts mit den Händen, die er immer vor sich hält auf dem Tische, weil er so lange Nägel an den Fingern hat, daß er dafür nichts anrühren oder anfassen kann, und das Kennzeichen des Adels in diesem Lande besteht in langen Nägeln, so lang sie nur wachsen wollen. – Und die Mägdlein singen so lang der reiche Mann isset; und wenn er vom ersten Gange nicht mehr essen mag, so bringen fünf und fünf andre hübsche Jungfrauen den zweyten Gang und singen wie bevor, bis das Mahl zu Ende ist. Und so bringt er sein Leben hin, und so verlebtens seine Väter, und so werdens diejenigen verleben, die aus seinen Lenden entsprossen sind." S. The Voyage and Travayle of Sir Iohn Maundevile, Knight, which treateth of the way to Hierusalem & of Marvayles of Inde, with other Ilaunds and Countryes. From an original MS. in the Cotton library. 8vo 1727. p. 376.

 

[18] S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen, in 8. zweyter Band, pag. 445 und 449.

[19] Waheatua genannt, in Hawkesworths Gesch. B. II. p. 442.

[20] Outou genannt, im Hawkesworth.

[21] Beym Hawkesworth wird dieser Titel stets für seinen Namen ausgegeben.

[22] In so fern ihm nemlich die Gestalt jeder Landspitze, Bay und anderer Theile der Küste, als einem alten Schiffsmann genau bekannt seyn mußte, in so fern konnte er sie an ihrer Form auf dem Papier leicht erkennen. A. d. V.

[23] S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen, in 8. erster Theil, pag. 322.

[24] In Capitain Cook's engl. Reisebeschreibung ist eine überaus mahlerische Abbildung dieser herrlichen Gegend in Kupfer gestochen.

[25] S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 8. erster Band, pag. 309 und folgende S. woselbst seiner überall nur unter dem Namen des Greises gedacht wird. — zweyter Band, pag. 337. Owhah etc. und namentlich pag. 350. etc.

[26] Ebendaselbst S. 442. Maraitata.

[27] S.. Hawkesworths Geschichte der engl, See-Reisen, in 8. zweyter Band, pag. 469.

[28] Die Wilden von Neu-Seeland machen eine Ausnahme.

[29] S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 8. dritter Band, wo pag. 561. stehet: eowa no l earee, welches aber heißen soll: e-hoa no te erih (das ist: Freund des Königs.)

[30] In Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 8. zweyter Band, pag. 438. wo er Whappai genannt wird.

[31] S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 8. dritter Band, pag. 561.

[32] S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 8. dritter Band, pag. 500 und 503.

[33] S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen, in 8. dritter Band, pag. 24. u. folg.

[34] S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 8. dritter Band, pag. 561.

[35] S. oben pag. 266. und Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, zweyter Band, in 8. pag. 337. 350. etc.

[36] Pandanus Rumph. Herb. Amb. Athrodactylis Forster. Nov. Gen. Plantarum – Keura. Forskal.

[37] S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen, in 8. erster Band, pag. 331.

[38] Osbecks und Toreens Reisen nach China.

[39] Grose's Voyage englische Ausgabe, Vol. I p.113

[40] S. in Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen, in 8. zweyter Band, pag. 436. woselbst dieser Name Oamo ortographirt ist.

[41] S. Ebendaselbst pag. 438. allwo dieser Name in Terridirri entstellt ist.

[42] S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, zweyter Band, pag. 438.

[43] S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 8, erster Band, pag. 328, u. folg. Imgleichen zweyter Band, pag. 370. u.f.

[44] Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 8. zweyter Band, pag. 461.

[45] Capitain Cook ist ein ungemein langer aber hagerer Mann.

[46] S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 8. zweyter Band, pag. 460.

[47] S. Bougainville's Reisen und Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 8. dritter Band, pag. 546. Herr von B. zweifelt, ob die Krankheit vor seiner Ankunft zu Tahiti gewesen sey; der Engländer ist positiver in seiner Meynung.

[48] In Hawkesworth Geschichte der engl. Seereisen in 8. Dritter Band p. 12. wird diese Insel unrichtiger Weise Ulietea genannt.

[49] Siehe ebendaselbst – – p. 13. wo diese Insel irriger Weise Bolabola heißt.

[50] Tittel und Name scheinen hier in der Aussprache zusammen gezogen zu seyn, vermuthlich sollte es heißen T"-Erih-Täria.

[51] S. Hawkesworth Geschichte der engl. See-Reisen in 8. dritter Band, p. 9.

[52] Die eingebohrnen Americanerinnen bedienen sich eben dieses Mittels. Siehe Pauw Recherches philosophiques sur les Americains. Vol. 1. p. 55.

[53] S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 8. dritter Band, pag. 11.

[54] S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 8. zweyter Band, pag. 3

Siebentes Hauptstück.

 

Reise von Neu-Seeland nach O-Tahiti

   

 

Nachmittags gelangten wir in Cooks-Straße[1] liefen selbige nach Süden zu herab, und hatten nun den unermeßlichen Ocean vor uns, der unter dem Namen der Süd-See bekannt ist. Dieses große Meer war, demjenigen Theile nach der unter dem glücklichern warmen Himmels-Striche belegen ist, bereits vielfältig durchschifft worden; die kältern Gegenden oder die sogenannten mittlern Breiten hingegen, hatte vor Capitain Cooks erster Reise in der Endeavour, das ist, bis im Jahr 1770, noch kein europäischer Seefahrer zu untersuchen gewagt. Gleichwohl glaubte man durchgehends, daß in selbigen ein großes Land liegen müsse, und die Erdbeschreiber, die es in ihren Landcharten das südliche feste Land (Terra australis) nannten, hielten dafür, daß auf der West-Seite Neu-Seeland, auf der Ost-Seite aber ein Strich Landes, der dem Vorgeben nach gegen Amerika hin sollte entdeckt worden seyn, die Küsten desselben ausmachten. Da aber Capitain Cook auf seiner vorigen Reise gefunden hatte, daß Neu-Seeland nichts mehr als zwey große Inseln wären, und daß auch weder gegen Osten, nach Amerika hin, noch bis zum 40sten Grade gegen Süden herab, Land vorhanden sey; so war das Süd-Land seitdem schon in engere Schranken gebracht; doch waren auch diese immer noch ansehnlich und weitläuftig genug um die Aufmerksamkeit künftiger Seefahrer zu verdienen. Wir sollten nun den noch unerforschten Theil dieser See befahren, und standen jetzo, ohnerachtet es mitten im Winter war, im Begriff, zwischen dem 50 und 40sten Grade südlicher Breite, auf die Entdeckung neuer Länder, nach Osten hin, aus zu gehen. Viele unsrer Mitreisenden unternahmen diese gefährliche Reise mit der gewissen Zuversicht, daß wir die Küsten dieses Süd-Landes bald finden, und daß die Neuheit und Nutzbarkeit seiner Natur-Produkte uns für alle deshalb ausgestandene Mühe und Gefahren, reichlich belohnen würde. Capitain Cook aber und verschiedene andere, die nach dem Erfolge der vorigen Reise und nach dem was sie auf der jetzigen bereits erfahren und beobachtet hatten, urtheilten, machten sich wenig Hoffnung neue Länder zu entdecken, ja sie zweifelten sogar, daß es überhaupt ein solches Süd-Land gäbe.

Am folgenden Morgen um acht Uhr waren wir noch in der Mündung der Straße und hatten die hohen mit Schnee bedeckten Berge der südlichen Insel noch immer im Gesicht. Dieses wintermäßigen Ansehens ohnerachtet war in unsrer niedrigem Atmosphäre das Wetter hell und so gelinde, daß das Thermometer im Schatten auf 51 Grad stand. Große Züge von verschiednen Wallfisch-Arthen giengen beym Schiff vorbey; sie waren mehrentheils ganz schwarz und hatten einen weißen Fleck vor der hintersten Rücken-Finne. Wir feuerten auf sie, und trafen einen so nachdrücklich am Kopf, daß er nicht weiter tauchen konnte, sondern auf der blutgefärbten Oberfläche des Wassers gewaltig um sich zu schlagen anfieng. Er schien ohngefähr neun Fuß lang zu seyn, war schlank von Körper hatte aber einen stumpf geformten Kopf, daher ihn unsre Matrosen botle-nose nannten. Diesen Nahmen führt aber beym Dale ein ganz anderer Fisch, nervlich der Butskopf oder Schnabel-Wallfisch (beaked whale), dessen Nase einem Bouteillen-Halse ähnlich sieht.[2] Weil wir damahls eben so guten Wind hatten, daß wir in einer Stunde drey und eine halbe englische Meile seegelten, so hielt es der Capitain nicht der Mühe wert beylegen zu lassen um den todten Fisch einzunehmen. „ – Als heute zu Mittage der Capitain und Astronomus die Längen-Uhren aufziehen wollten, war niemand vermögend die Spindel an Herrn Arnolds Uhr umzudrehen, und also mußte man sie ablaufen lassen“. –

So bald wir das Land aus dem Gesicht verlohren hatten schwärmte eine unendliche Menge Albatroßen, von drey verschiednen Arten, um uns her. Die gemeinste oder größte Arth war von unterschiedlichen Farben, die wir ihrem verschiednen Alter zuschrieben. Die Ältesten waren fast ganz weiß, die Jüngern etwas mehr braun gesprenkelt, die jüngsten aber ganz braun. Einige unserer Matrosen, die ehemals auf Ostindienfahrern gedient hatten, versicherten ihre Cameraden, daß eine Reise nach Ostindien, in Vergleich der Mühseeligkeiten welche wir auf dieser hier auszustehen hätten, für gar nichts zu rechnen wäre. Sie erzählten hierauf wie gut und bequem sichs unter andern die Capitains auf dergleichen Reisen zu machen pflegten, und nach mancher Anecdote und Spötterey darüber, geriethen sie endlich auf den närrischen Einfall, daß die abgeschiedenen Seelen aller dieser Capitains, zur Strafe für ihre ehemalige üppige Lebensart zur See, hier in diese Albatroße wandern müßten, und nun auf die Süd-See gebannt wären, für die sie sich bey ihren Lebzeiten wohl zu hüten gewußt hätten. Hier müßten sie sich nun, statt ihres vorigen Überflusses, kärglich genug behelfen, und wären nun endlich ein Spiel der Stürme und Wellen, die sie sich sonst in ihren Cajütten nicht viel hätten anfechten lassen. Dieser Einfall ist witzig und poetisch genug, um zu Bestätigung dessen zu dienen, was ich schon weiter oben, von der originellen Laune der Seeleute, gesagt habe.

Die Officiers, denen nach der Neu-Seeländischen frischen Kost das eingesalzne Fleisch noch nicht wieder schmecken wollte, ließen ihren schwarzen Hund, dessen ich oben Seite 131. u. 146. [MS S. 129 u. 144] erwähnt habe, abschlachten, und schickten dem Capitain die Hälfte davon. Wir ließen die Keule braten und speisten solchergestalt heute zum erstenmale Hundefleisch. Es schmeckt vollkommen wie Hammelfleisch, so daß nicht der geringste Unterschied zu bemerken war. In unsern kalten Ländern, wo Fleisch-Speisen so üblich sind, und wo es vielleicht des Menschen Natur oder unumgänglich nöthig ist von Fleisch zu leben, ist es warlich sonderbar, daß man einen jüdischen Abscheu gegen Hundefleisch hat, da doch das Fleisch von dem unreinlichsten aller Thiere, nämlich vom Schweine, ohne Bedenken gegessen wird. In Betracht seiner schnellen und häufigen Vermehrung, scheint die Natur den Hund ausdrücklich dazu geschaffen zu haben, daß er uns zur Speise dienen solle. Man könnte vielleicht besorgen, daß es uns, wegen der natürlichen Fähigkeiten unsrer Hunde, schwer ankommen möchte sie umzubringen und zu essen. Allein in dem Fall bedenkt man nicht, daß ihre großen Fähigkeiten und ihre Anhänglichkeit an uns blos Folgen der Erziehung sind die wir an sie wenden! In Neu-Seeland und, wie ältere Seefahrer melden, auch in den Inseln der Süd-See, zwischen den Wende-Cirkeln, sind die Hunde das dummste und einfältigste Thier das man sich vorstellen kann. Sie scheinen daselbst um nichts klüger und gelehriger zu seyn als unsre Schaafe, die man für Sinnbilder der größten Einfalt und Dummheit gelten läßt. In Neu-Seeland werden sie mit Fischen gefuttert; in den andern Inseln mit Früchten und Kräutern. Vielleicht verändert beydes ihre natürliche Anlage; vielleicht bringt auch die Erziehung neue Instincte hervor. Die Neu-Seeländischen Hunde kriegen was von ihrer Herren Mahlzeiten übrig bleibt, mithin auch andre Hundeknochen abzunagen; und so werden die jungen Hunde, von Klein auf, Cannibalen. Wir hatten einen jungen Neu-Seeländischen Hund an Bord, der, wie wir ihn kauften, wohl noch nichts als Muttermilch geschmekt hatte, gleichwohl fras er von dem heutigen Hundebraten, das Fleisch so gut als die Knochen, mit großer Gierigkeit, dahingegen andre, von europäischer Art, die wir vom Cap mitgenommen, beydes nicht anrühren, geschweige denn fressen mochten.

Bis zum 16ten steuerten wir immer südostwärts und waren stets von Sturmvögeln und Albatroßen, zuweilen auch wohl von einzelnen grauen Möven, (larus catarractes) umgeben, und große Haufen von See-Gras schwommen vielfältig in der See: Allein an alles dies waren wir schon zu sehr gewöhnt, als daß wirs hätten wagen sollen einige Folgerungen daraus herzuleiten. Das Thermometer, dessen Standpunkt allemahl des Morgens um 8 Uhr beobachtet wurde, und welches bey unsrer Abreise von Neu-Seeland 51. Grad angezeigt hatte, fiel, in eben dem Verhältniß als wir gen Süden herab giengen, auf 48. zuweilen auch auf 47. Doch muß ich sagen, daß Wärme und Wetter überhaupt sehr veränderlich waren. Daher kams, daß wir alle Tage, und gemeiniglich des Morgens, Regenbogen oder wenigstens Stücke davon auf dem Horizont zu sehn bekamen. Auch der Wind war bisher immer sehr abwechselnd und lief rund um den Compas von Westen über Norden nach Osten und so weiter, doch kam er die mehreste Zeit aus Osten, welches wir nicht nur keinesweges erwartet hatten, sondern auch übel damit zufrieden waren, weil er uns solchergestalt gerade entgegen blies und überdem gemeiniglich mit Nebel, Regen und hochlaufenden Wellen begleitet zu seyn pflegte. Nachdem wir 46 Grad 17 Minuten südlicher Breite erreicht hatten, steuerten wir, so weit der Wind es gestatten wollte, nach Nord-Ost.

Am 23sten waren Wind und Wetter gelinde. Capitain Furneaux machte sich dieses und die Nachbarschaft beyder Schiffe zu Nutz, um zu uns an Bord zu kommen und mit uns zu speisen. Er berichtete dem Capitain, daß seine Leute sich noch wohl befänden, einen oder zwey Mann ausgenommen, welche von ihrem Umgange mit ungesunden Frauenspersonen ekelhafte Nachwehen ausstehen müßten. Diese Nachricht war uns in so fern unangenehm, weil man daraus abnehmen konnte, daß jene häßliche Krankheit auch Neu-Seeland schon erreicht hatte, denn nirgends sonst konnten die Leute angesteckt worden seyn. In Betracht der schrecklichen Folgen, welche dies verderbliche Übel auf die Neu-Seeländer bringen mußte, hielten wir es der ernsthaftesten Untersuchung werth, ob, und bey welcher Gelegenheit sie es wohl von Europäern bekommen können? Der erste Entdecker des Landes, Abel Janßen Tasman, kam im Jahr 1642. dahin. Er hatte aber mit den Einwohnern nicht den mindesten freundschaftlichen Umgang, ja es ist wahrscheinlich, daß nicht ein einziger von seinen Leuten am Lande gewesen ist. Capitain Cook war der nächste Seefahrer, der nach dieser Zeit Neu-Seeland besuchte, ob er gleich länger als hundert Jahre hernach, nemlich erst in den Jahren 1769. und 1770. an den Küsten desselben anlangte. Er kam damals, in seinem Schiff Endeavour, von O-Tahiti und den Societäts-Inseln, wo verschiedne seiner Leute waren angesteckt worden. Da er aber auf der Überfahrt von diesen Inseln nach Neu-Seeland fast zwey Monath unterwegens blieb, so hatte der Chirurgus Zeit gehabt, die Leute gänzlich zu heilen und bey der Ankunft auf dieser Küste versicherte er den Capitain ausdrücklich, daß bey keinem dieser Kranken die geringste Spur des Übels mehr zu merken sey. Dem ohnerachtet gebrauchte Capitain Cook die Vorsicht, niemanden ans Land gehen zu lassen, der unter der Cur gewesen war, aus Besorgniß, daß er vielleicht noch verborgne Überreste dieses ansteckenden Übels im Cörper haben könnte; ja um alle Möglichkeit abzuschneiden, daß diese Seuche einem schuldlosen Volke mitgetheilt würde, durften auch schlechterdings keine Frauenspersonen an Bord kommen. Der dritte Europäer, welcher Neu-Seeland besuchte, war ein französischer Seefahrer, Herr von Surville. Dieser seegelte in dem Schiffe St. Jean le Baptiste von Pondichery aus, durch die Straße von Malacca; gieng an den Bashee-Inseln vor Anker, steuerte um Manilla herum; entdeckte Südostwärts von Neu-Brittannien, unter der Breite von 10¾ und unterm 158sten Grade östlicher Länge, Land, welchem er den Namen Port Surville gab und kam sodann nach Neu-Seeland. Von da gieng er, um Handlung zu treiben, nach Callao in Süd-Amerika, hatte aber, als er an diesem Orte ans Land gehen wollte, das Unglück im Wasser umzukommen, und da mit ihm zugleich alle seine Empfehlungs-Schreiben verloren gegangen waren, so ward das Schiff fast zwey Jahre lang aufgehalten, nach deren Verlauf aber, mit allen Waaren wieder nach Frankreich zurückgeschickt. Herr von Surville lag am 9ten December 1769. in Doubtles-Bay auf Neu-Seeland und sahe die Endeavour bey sich vorbey seegeln; Capitain Cook hingegen hatte das französische Schiff nicht wahrnehmen können, weil es gerade hinter einem Berge vor Anker lag. Was Herr von Surville daselbst ausgerichtet und wie er mit den Einwohnern gestanden haben mag, weis ich nicht: Allein Doubtles-Bay liegt so weit von Charlotten-Sund, daß die Einwohner dieser beyden Orte wohl schwerlich einigen Umgang mit einander haben, und folglich läßt sich nicht begreifen, wie die Krankheit von dorther schon so weit gegen Süden sollte um sich gegriffen haben, wenn man auch annehmen wollte, daß Herr von Survillens Schiff sie nach Doubtles-Bay gebracht hätte.

Ein gleiches läßt sich von Herrn von Marion und dem Capitain Crozet, jenen beyden französischen Seefahrern sagen, deren Reise vom Jahr 1772. ich oben S. 114. erwähnt habe; [MS S. 111] denn der Umgang den ihr Schiffs-Volk mit den Eingebohrnen hatte, schränkte sich blos auf die Insel-Bay ein, und diese liegt am nördlichsten Ende der nördlichen Insel, mithin ebenfalls äußerst weit von Charlotten-Sund. Unmittelbar nach diesen beyden Schiffen kamen wir nach Neu-Seeland; allein wir hatten nicht die mindeste Ursach zu vermuthen, daß unsere Leute etwas von dem venerischen Übel mit hieher brächten. Es war bereits sechs Monat her, daß wir das Vorgebirge der guten Hoffnung verlassen hatten, und das war der letzte Ort, wo die Matrosen es möglicher weise hätten bekommen können. Seitdem waren sie fünf Monate lang beständig in offner See gewesen, und innerhalb einer solchen Zeit hätte es von Grund aus geheilt werden müssen, es sey denn, daß die Krankheit äußerst bösartig und unheilbar gewesen wäre. Wir hatten aber, ganz im Gegentheil, nicht einen einzigen venerischen Patienten am Bord, und man wird doch wohl nimmermehr vermuthen, daß das Gift diese ganze Zeit über habe verborgen bleiben können, unter Leuten die nichts als eingesalzene Speisen zu essen und nichts als spirituöse Getränke zu trinken hatten, dabey auch Nässe und Kälte nebst allem übrigen Ungemach des südlichen Clima ausstehen mußten? Aus allen diesen Umständen machten wir den Schluß, daß die venerischen Krankheiten in Neu-Seeland zu Hause, und nicht von Europäern herein gebracht sind; wir haben auch im Verfolg unserer Reise, und bis itzt noch, keine Ursach gefunden, unsre Meynung hierüber zu ändern. Sollten jedoch, alles Anscheins ohnerachtet, unsre Vermuthungen irrig seyn, so kömmt alsdenn eine Schandthat mehr auf Rechnung der gesittetern Europäischen Nationen, und das unglückliche Volk, welches sie mit diesem Gifte angesteckt haben, wird und muß ihr Andenken dafür verfluchen. Der Schaden den sie diesem Theile des menschlichen Geschlechts dadurch zugefügt haben, kann nimmermehr und auf keine Weise, weder entschuldigt noch wieder gut gemacht werden. Sie haben zwar die Befriedigung ihrer Lüste erkauft und bezahlet, allein das kann um so weniger für eine Entschädigung des Unrechts gelten, weil selbst der Lohn den sie dafür ausgetheilt, (das Eisenwerk) neue strafbare Folgen veranlaßt, und die moralischen Grundsätze dieses Volks vernichtet hat, indeß die schändliche Krankheit doch nur den Körper schwächt und zu Grunde richtet. Ein Volk, das seiner rohen Wildheit, hitziger Temperaments und grausamen Gewohnheiten ohnerachtet, tapfer edelmüthig, gastfrey und keiner Arglist fähig ist, verdient doppelt Mitleid, wenn unter ihnen selbst die Liebe, der süßesten und glücklichsten Empfindungen Quelle, zur Veranlassung der schrecklichster Geissel des Lebens werden – und ohne ihr Verschulden werden muß. –

 

[1773. Julius.]

 

Bis zum Anfang des Julius blieb der Wind immer so veränderlich, als ich zuvor schon angezeigt habe. Er war wider den Lauf der Sonne mehr als viermal um den ganzen Compas herumgelaufen. Diese ganze Zeit über sahen wir häufig Albatrosse, Sturmvögel und Seekraut. Auch erblickten wir fast alle Morgen Regenbogen; ja einmal sahen wir sogar einen starken Regenbogen des Nachts bey Mondschein.

Am 9ten waren wir ohngefähr in derselbigen Länge, in welcher sich Capitain Cook auf seiner voriger Reise unter dem 40 Grad 22 Minuten südlicher Breite befunden hatte.[3] Diesmal aber waren wir 2¼ Grad weiter gegen Süden. Hier fiel uns ein junger Ziegenbock über Bord, den man zwar wieder auffischte und alles mögliche an ihm versuchte, als Reiben, Tabaks-Clystiere u. d. gl. allein umsonst, er war nicht wieder zum Leben zu bringen.

Am 17. da wir über den 227. Grad östlicher Länge hinaus und ohngefähr im 40. Grade südlicher Breite waren, ließ der Capitain endlich gerade gen Norden hinauf steuern. Bishero hatten wir uns nemlich, zu Aufsuchung des Süd-Landes, mehrentheils gegen Osten und zwar in den Breiten gehalten, wo dieses dem allgemeinen Vorgeben nach, schlechterdings liegen sollte. Auf dieser ganzen Fahrt war uns aber allen die Zeit herzlich lang geworden, denn die Jahreszeit war unangenehm und rauh, der Wind uns mehrentheils zuwider und an keine Art von Abwechslung zu denken, sondern statt derselben hatten wir ein ewiges Einerley von längst bekannten Gegenständen vor uns. Das einzige, was wir damit gewonnen hatten, war die Gewißheit, „daß in den mittlern Breiten der Süd-See kein großes Land zu finden ist.“ In Zeit von fünf Tagen erreichten wir bereits den 3lsten Grad südlicher Breite. Nunmehro verloren sich die Albatrosse und Sturmvögel, das Thermometer stieg auf 61½, und wir konnten jetzt, seit unsrer Abreise vom Cap zum erstenmal, die Winterkleider ablegen. Je näher wir den Wende-Cirkeln kommen, desto bessern Muths ward unser Seevolk. Die Matrosen fingen schon an, sich des Abends auf dem Verdeck mit mancherley Spielen zu belustigen. Die belebende Mildigkeit und Wärme der Luft war uns etwas ganz neues, und behagte uns sowohl, daß wir dem warmen Clima bald vor allen andern den Vorzug einräumten, und es der Natur des Menschen am zuträglichsten hielten. Am 25sten Nachmittags sahen wir einen tropischen Vogel, ein sicheres Zeichen, daß wir in das mildere Clima, über 30 Grad südlicher Breite, heraufgekommen waren. Die untergehende Sonne erleuchtete die Wolken mit den glänzendsten Goldfarben, und bestärkte uns in der Meynung, daß die Luft nirgends so schön, der Himmel nirgends so prächtig sey, als zwischen den Wende-Cirkeln.

Am 28sten war die Adventure so nahe bey uns, daß wir mit den Leuten derselben sprechen konnten. Sie erzählten uns, daß vor drey Tagen ihr Koch gestorben und daß zwanzig Mann am Scorbute krank wären. Diese Nachricht war uns desto unerwarteter, da in unserm Schiff kaum bey einem oder dem andern von unsern Leuten Anzeigen des Scorbuts vorhanden waren, und wir überhaupt auch nur einen einzigen gefährlich Kranken an Bord hatten. Um indessen jenen auszuhelfen, schickte Capitain Cook gleich am folgenden Tage einen seiner Seeleute, mit einer Bestallung als Koch, auf die Adventure; und verschiedne unsrer Herren Mitreisenden bedienten sich dieser Gelegenheit an Bord der Adventure zu gehen und daselbst zu speisen. Sie fanden Capitain Furneaux, nebst andern, mit Gliederreissen, viele seiner Leute aber mit Flüssen geplagt. Unter den scorbutischen Patienten war der Zimmermann am übelsten dran, denn er hatte schon große blaue Flecken auf den Beinen. Dieser Unterschied in den Gesundheits-Umständen unsers beyderseitigen Schiffsvolks rührte vermuthlich daher, daß es auf der Adventure an frischer Luft fehlte. Unser Schiff war höher über dem Wasser, und daher konnten wir, selbst bey ungestümen Wetter, mehr Luftlöcher offen halten, als jene. Überdem aßen unsere Leute häufiger Sauerkraut, brauchten auch mehr Wohrt; vornemlich aber bedienten sie sich der Malzkörner um Umschläge davon auf die scorbutischen Flecke und geschwollnen Glieder zu machen, welches man dagegen in der Adventure nie zu thun pflegte. Bey dieser Gelegenheit wird es nicht unschicklich seyn zu bemerken, daß der Scorbut in warmen Ländern am gefährlichsten und bösartigsten ist. So lange wir uns in höhern und kältern Breiten befanden, zeigte er sich nicht, oder höchsten; doch nur bey einzelnen Personen, die von Natur ungesund und dazu geneigt waren. Allein, kaum hatten wir zehen Tage lang warmes Wetter gehabt, als schon am Bord der Adventure ein Patient daran starb und viel andre von den schlimmsten Symptomen desselben befallen wurden. Die Hitze scheint also die Entzündung und Fäulnis zu befördern; und selbst bey denen, die am Scorbute eben nicht gefährlich krank waren, brachte sie große Mattigkeit und Schwäche hervor.

 

[1773. August.]

 

„ – Am 1sten August waren wir im 25°.1'. südlicher Breite und folglich in der Gegend, wo Capitain Carterets Angabe nach, Pitcairns Insel liegen soll; wir sahen uns deshalb fleißig darnach um, konnten aber nicht das geringste davon entdecken. Zwar vermuthete Capitain Cook, daß sie, Carterets Tagebuch nach zu urtheilen, ohngefähr noch 15 englische See-Meilen weiter gegen Osten liegen müsse: Da sich aber die Mannschaft des andern Schiffs in so mißlichen Gesundheits-Umständen befand; so war es nicht rathsam, mit Aufsuchung dieser Insel Zeit zu verlieren –„

Am 4ten warf eine junge Dachs-Hündin vom Cap, welche von einem Pudel belegt war, zehen Junge, wovon eins todt zur Welt kam. Der junge Neu-Seeländische Hund, dessen ich oben erwähnt und der vom Hundebraten so begierig gefressen, fiel sogleich über diesen jungen Hund her und fras davon mit der größten Gierigkeit. Dies kann, dünkt mich, zu einem Beweise dienen, in wie fern die Erziehung, bey den Thieren, neue Instincte hervorzubringen und fortzupflanzen vermag. Europäische Hunde werden nie mit Hundefleisch gefüttert. Sie scheinen vielmehr einen Abscheu dafür zu haben. Die Neu-Seeländischen hingegen bekommen wahrscheinlicherweise von jung auf die Überbleibsel von ihrer Herren Mahlzeit ohne Unterschied zu fressen, mithin sind sie zu Fisch- Hunde- und Menschen-Fleisch gewöhnt; und was anfänglich, bey einzelnen Hunden, nur Gewohnheit war, ist vielleicht durch Länge der Zeit, allgemeiner Instinct der ganzen Art geworden. Wenigstens war dies augenscheinlich der Fall mit unserm cannibalischen Hunde, denn er kam so jung aufs Schiff, daß er wohl kaum etwas anders als Muttermilch gekostet haben mochte, folglich weder an Hunde- noch weniger aber an Menschen-Fleisch gewöhnt seyn konnte: Gleichwohl fras er, wie vorgesagt, Hundefleisch, gebraten und roh, und als ein Matrose sich in den Finger geschnitten und ihm solchen hin hielt, so war er nicht nur begierig darüber her, das Blut abzulecken, sondern versuchte es auch ohne Umstände ihm hinein zu beißen.

Nachdem wir vielfältig Windstillen gehabt hatten, so stellte sich endlich am 6ten Nachmittags, da wir eben 19½ Grad südlicher Breite erreicht hatten, der östliche Passatwind ein, und fing, nach einigen heftigen Regenschauern, an ganz frisch zu wehen. Von rechtswegen hätten wir ihn ungleich früher, nemlich schon bey unserm Eintritt in die Wende-Cirkel bekommen sollen; denn diese Gegend wird eigentlich für die Gränze desselben angesehen: Vermuthlich aber war blos die Jahreszeit Schuld daran, daß wir ihn erst um so viel später bekamen; weil nemlich die Sonne sich dazumal noch auf der andern Halbkugel befand, oder vielmehr, weil wir auf der südlichen noch Winter hatten.[4] Am aller sonderbarsten aber war uns der Wind von unsrer Abreise aus Charlotten-Sund an bis zu der Zeit vorgekommen, da sich der ächte Passatwind einstellte. Wir hatten nemlich erwartet, daß wir den größten Theil dieser Zeit über, den wir in den mittleren Breiten zwischen dem 50. und 40sten Grade südlich zubrachten, stäte Westwinde haben würden, so wie wir solche im Winter auf der nordlichen Halbkugel zu haben pflegen. Statt dessen aber fanden wir, daß der Wind in zwey oder drey Tagen um den ganzen Compaß herum lief, nirgends als auf östlichen Strichen einigermaßen beständig war und von daher zuweilen sehr heftig blies. Der Name des stillen Meeres womit man sonst die ganze südliche See belegte, paßt also, meinem Bedünken nach, nur allein auf denjenigen Theil desselben, der zwischen den Wendezirkeln gelegen ist, denn da allein ist der Wind beständig, das Wetter gemeiniglich schön und gelinde, und die See weniger unruhig als in den höheren Breiten.

Albekoren, Boniten und Doraden jagten nach fliegenden Fischen, eben so als wir es im atlantischen Meere gesehen hatten; einige große schwarze Vögel aber, mit langen Flügeln und gabelförmigen Schwanze, welche Fregatten (men of war, Pelecanus aquilus Linnæi) genannt werden, und gemeiniglich hoch in der Luft schwebten, schossen zuweilen mit unglaublicher Geschwindigkeit, gleich einem Pfeil auf die Fische, die unter ihnen schwammen, herab, und verfehlten mit ihrem Schnabel der Beute nie. Die Solandgänse der englischen Seen, welche zu eben diesem Geschlecht gehören, wissen die Fische auf gleiche Weise zu erhaschen. Die Fischer sind daher auf den Einfall gerathen, diese Vögel vermittelst eines Pilchards oder Herings zu fangen, den sie auf ein spitziges Messer stecken, welches auf einem kleinen, frey herumschwimmenden Bretchen befestigt ist; wenn nun der Vogel darauf herabschießt, so ist es um ihn geschehen, denn er spießt sich ohnfehlbar.

Am 11ten Morgens erblickten wir, ohngefähr 6 Meilen von uns, gegen Süden, eine niedrige Insel, die 4 Meilen lang und eben so flach wie die See zu seyn schien. Nur hie und da sahe man einzelne, gleichsam aus der See aufgewachsene Gruppen von Bäumen, unter welchen die hohen Gipfel der Cocos-Palme weit über die andern empor ragten. Nach einer so verdrießlichen, langweiligen Fahrt als wir gehabt, war uns schon der bloße Anblick des Landes etwas sehr erfreuliches, ob wir gleich nicht das geringste davon zu gewarten hatten; und ohnerachtet an der ganzen Insel überhaupt nichts besonders Schönes zu sehen war, so gefiel sie dem Auge doch wegen ihres von Natur einfachen Ansehens. Das Thermometer hielt sich beständig zwischen 70 und 80 Graden, gleichwohl war die Hitze nicht übermäßig; denn wir hatten, bey schönem hellen Wetter, einen angenehm kühlenden, starken Passatwind, und unsre auf dem hintern Verdeck aufgeschlagne Zelt-Decken verschaften uns auch Schatten. Die Insel ward Resolution-Eyland genannt, und vermuthlich hat auch Herr von Bougainville, seinem Tagebuch nach zu urtheilen, dieselbe gesehen. Sie liegt unterm 17 Grade 24 Minuten südlicher Breite und unterm 141 Grade 39 Minuten westlicher Länge von Greenwich. Mittags befanden wir uns in 17 Grad 17 Minuten südlicher Breite und steuerten fast gerade nach Osten. Abends um halb 6 Uhr kam uns eine andre Insel von gleicher Art zu Gesicht, die etwa 4 See-Meilen weit entfernt seyn mochte und Doubtful-Eyland genannt wurde. Da die Sonne schon untergegangen war, so hielten wir uns so lange gegen Norden, bis wir ganz bey derselben vorüber waren und nicht mehr besorgen durften, in der Finsterniß auf die Küste zu stoßen. Am folgenden Morgen, vor Tages Anbruch, erschreckte uns das unerwartete Geräusch von Wellen die sich, kaum eine halbe Meile weit vor uns, schäumend in der See brachen. Wir änderten sogleich unsern Lauf, gaben der Adventure durch Signale Nachricht von der Gefahr und steuerten hierauf rechts, längst dem Ryf[5] hin. So bald es hell ward, entdeckten wir an der Stelle, wo sich die Wellen brachen, eine zirkelrunde Insel, und auf derselben ein großes Baßin oder einen großen Teich von Seewasser. An der Nordseite war die Küste mit Palmen und andern Bäumen besetzt, die in mehreren Grupen umher standen und ein ganz zierliches Ansehn hatten; den übrigen Theil der Insel machte aber nur eine schmale Reihe von niedrigen Felsen aus, über welche die See in einer gewaltigen Brandung wegschlug. Der Farbe des Wassers nach zu urtheilen, mußte der Salz-See, inwärts nach uns her, seicht, aber gegen die waldige nördliche Küste hin tiefer seyn, denn an jenem Ende sahe er weißlicht, an diesem hingegen blau aus. Capitain Cook nannte diese Insel Furneaux-Eyland. Sie liegt unterm 17 Grad und 5 Minuten südlicher Breite und unterm 143sten Grad 16 Minuten westlicher Länge. Als wir vor der Süd-Seite des Riefs vorüber waren, erblickte man am nördlichen Ende der Insel ein Canot unter Seegel, und mit Hülfe der Ferngläser ließ sich erkennen, daß es mit sechs bis sieben Leuten bemannt war, davon einer auf dem Vordertheil stand und mit einer Ruder-Schaufel steuerte. Sie schienen indessen nicht unserntwegen in See gegangen zu seyn; denn sie kamen nicht gegen das Schiff herab, sondern blieben oberhalb, dicht an der waldichten Küste der Insel. Wir setzten unsern Lauf, den ganzen Tag über, bey günstigem Winde und schönen Wetter bis gegen Untergang der Sonne fort. So bald es aber anfing dunkel zu werden, legten wir bey, weil die Schiffahrt, der vielen niedrigen Inseln und Klippen wegen, gefährlich ist, die hier überall umher liegen, und gemeiniglich nicht ehe zu sehen sind, bis man schon dicht bey ihnen ist. Früh am folgenden Morgen giengen wir wieder unter Seegel und kamen bey einer andern solchen Insel vorbey, die zur Rechten des Schiffs liegen blieb und Adventure-Eyland genannt wurde. Sie liegt im 17 Grad 4 Minuten südlicher Breite und im 144sten Grade 30 Minuten westlicher Länge. Um eben diese Zeit sprachen wir mit der Adventure, und hörten, daß sie dreyßig Mann auf der Kranken-Liste habe, fast lauter scorbutische Patienten. In unserm Schiff hingegen waren die Leute fast noch immer frey von dieser Krankheit; auch ward alles angewandt, um sie bey so guter Gesundheit zu erhalten. Sie aßen fleißig Sauerkraut, ihre Hangmatten wurden alle Tage gelüftet und das ganze Schiff ward oft mit Pulver und Weineßig ausgeräuchert.

Nachmittags sahen wir eine Insel gerade vor uns, die aus einer Reihe von niedrigen Felsen bestand, vermittelst welcher verschiedne Klumpen von Bäumen zusammen hiengen. Der Lage und dem Ansehen nach zu urtheilen, mußte es eben dieselbe seyn, welche Capitain Cook auf seiner vorigen Reise Chain-Island oder Ketten-Insel genannt hatte.[6] Damit wir diese Nacht nicht, gleich der vorigen, wiederum beylegen und dadurch in unserm Laufe aufgehalten werden mögten, ließ der Capitain ein Boot mit einer Laterne vor dem Schiffe herseegeln, und befahl den Leuten, uns, sobald sie irgendwo eine gefährliche Stelle antreffen sollten, durch Signale Nachricht davon zu geben. Diese Vorsicht war der vielen niedrigen Inseln wegen nöthig, die man, wie ich schon gesagt habe, in der Südsee, zwischen den Wende-Cirkeln antrift und die mehrentheils von ganz sonderbarer Bauart sind. Sie bestehen nemlich aus Felsen, die vom Grunde des Meeres auf, senkrecht, wie die Mauern, empor steigen, aber an den mehresten Stellen kaum über dem Wasser hervorragen, und auch da, wo sie am höchsten sind, doch nicht mehr als etwa 6 Fuß über die Oberfläche der See hervorstehen. Oft sind sie von zirkelförmiger Gestalt und haben in der Mitte ein Baßin von Seewasser, und rings an den Ufern her ist das Meer überall unergründlich. Es muß ohne Zweifel nur wenig Gewächse auf denselben geben, und unter diesen mag der Coco-Nußbaum noch das beste und nutzbarste seyn. Einer so armseligen Beschaffenheit und ihres oft nur geringen Umfangs ohnerachtet, sind manche dennoch bewohnt. Wie sie aber mögen bevölkert worden seyn, ist eben so schwer zu bestimmen, als wie die höhern Inseln der Süd-See mit Einwohnern besetzt worden? Der Commodore, (jetzige Admiral) Byron, und nach ihm Capitain Wallis schickten, als sie auf ihren Reisen um die Welt, hier an diesen niedrigen Inseln vorüber kamen, einige ihrer Leute an die Küste, gegen welche sich die Einwohner scheu und eifersüchtig bewiesen. Scheu sind sie vielleicht ihrer geringen Anzahl wegen, um deren willen sie fürchten müssen, leicht überwältigt zu werden; eyfersüchtig aber, weil sie für sich selbst Mühe genug haben mögen auf ihren kleinen Felsen-Bezirken, den nöthigen Unterhalt zu finden, und folglich die Fremden nicht mit gleichgültigen Augen ansehen können, da diese ihnen denselben zu schmälern drohen. Bey so bewandten Umständen können wir von ihrer Abstammung gar nichts sagen, weil ihre Sprache und Gebräuche uns bis jetzt noch gänzlich unbekannt, und dieses gleichwohl die einzigen Merkmale sind, aus welchen sich das Herkommen solcher Völker errathen läßt, die keine Schriften und Urkunden besitzen.

Früh am 15ten August erblickten wir einen hohen Pik mit einer flachen Spitze. Capitain Wallis entdeckte solchen zuerst und nannte ihn Osnabruck-Eyland. Herr von Bougainville sahe ihn nachher, und in seiner Charte heißt er Pic de la Boudeuse oder le Boudoir. Der Berg schien ziemlich hoch und der Gipfel gleichsam abgebrochen oder wie die Mündung eines Vulcans, der daselbst vor Zeiten gebrannt haben mag, ausgehöhlt zu seyn. Die Insel war beynahe zirkelrund, und der Berg, der an allen Seiten steil empor stieg, hatte die Gestalt eines Kegels. An der Küste war wenig oder gar kein flaches Land zu sehen, wo es aber eine ebene Stelle am Ufer gab, da war das Erdreich, gleich wie überhaupt der ganze Berg, anmuthig grün bewachsen. Indem wir uns an dieser angenehmen Aussicht ergötzten, erzählte uns einer unserer Officiers, der vom Capitain Wallis vormals dicht an die Küste war geschickt worden, daß auf diesen Bäumen die Brodfrucht wüchse, die in Ansons, Byrons, Wallis und Cooks Reisen so sehr gerühmt worden. Er setzte hinzu, die Insel hieße in der Landessprache Mäatea,[7] und die Bewohner derselben wären eben eine solche Gattung von Leuten, als man auf den Societäts-Inseln, oder auf O-Tahiti anträfe; welches letztere nur eine halbe Tagereise von hier entfernt seyn sollte. Dies war alles was wir von dieser Insel erfahren konnten, denn wir blieben wenigstens 4 gute Seemeilen davon, und das mochte vermuthlich auch die Ursach seyn, warum von der Küste her kein Canot zu uns heran kam. Da wir wenig Wind hatten, so ward ein Boot nach der Adventure geschickt, welches den Capitain Furneaux zum Mittagessen zu uns herüber holte. Wir hatten das Vergnügen von ihm zu vernehmen, daß der Durchlauf, der ohnlängst unter seinen Leuten eingerissen war, bereits nachgelassen, und daß auch am Scorbut keiner sehr gefährlich krank sey; wir konnten also, der Nachbarschaft von O-Tahiti wegen hoffen, daß dem Übel durch frische Kräuterkost bald gänzlich würde abzuhelfen seyn. Bey Untergang der Sonne sahe man bereits die Berge dieser erwünschten Insel aus den vergoldeten Wolken über dem Horizont hervorragen. Jedermann an Bord, einen oder zwey ausgenommen, die sich nicht rühren konnten, eilte begierigst aufs vordere Verdeck, um die Augen an dem Anblick dieses Landes zu weiden, von dem man die größten Erwartungen haben mußte, sowohl weil nach dem einstimmigen Zeugniß aller Seefahrer die da gewesen, nicht nur Überfluß an frischen Lebensmitteln vorhanden, sondern weil die Einwohner auch von besonders gutherzigem und gefälligem Character seyn sollten. Aller Wahrscheinlichkeit nach, ist diese Insel von einem Spanier, nemlich von Pedro Fernandez de Quiros zuerst entdeckt worden. Dieser war am 2lsten December 1605. aus Lima in Peru abgeseegelt, und hatte am l0ten Februar 1606. eine Insel gefunden, die er Sagittaria nannte,[8] die aber, nach allen Nebenumständen zu urtheilen, vermuthlich das heutige O-Tahiti gewesen ist. An der Südseite derselben, wo er an die Küste kam, war kein Haven anzutreffen, er begnügte sich also einige seiner Leute, im Boote ans Land zu schicken, und diese wurden freundschaftlich und gütig aufgenommen. Nach ihm fand Capitain Wallis diese Insel am 18ten Junius 1767. und nannte sie Georg des dritten Insel. Eines unglücklichen Mißverständnisses wegen, das bey seiner Ankunft zwischen ihm und den Eingebohrnen entstand, ließ er Feuer auf sie geben, wodurch funfzehen erschossen und eine große Zahl verwundet wurden; die gutartigen Leute vergaßen aber den Verlust und die Wunden ihrer Brüder, machten gleich nachher Friede und versahen ihn mit einem Überflusse von Lebensmitteln, die größtentheils aus allerhand Wurzelwerk, verschiedenen Arten von treflichen Baumfrüchten, Hühnern und Schweinen bestanden. Herr von Bougainville kam am 2ten April 1768. oder ohngefähr zehentehalb Monate nach des Capitain Wallis Abreise auf der östlichen Küste an, und entdeckte den wahren Namen der Insel. Er blieb zehen Tage lang auf derselben, genoß in dieser Zeit von den Einwohnern viel Achtung und Freundschaft, die er treulich erwiederte, und dem liebenswürdigen Character dieses Volks überhaupt Gerechtigkeit wiederfahren ließ. Hierauf langte Capitain Cook mit dem Schiffe Endeavour im April 1769 allhier an, um den Durchgang der Venus zu beobachten. Er hielt sich hieselbst drey Monathe lang auf, nahm, vermittelst eines Bootes, die ganze Insel rund umher in Augenschein, und hatte täglich Gelegenheit, die vorigen Bemerkungen und Nachrichten von diesem Lande zu prüfen und zu bestätigen.

Wir steuerten nun die ganze Nacht über gegen die Küste hin und unterhielten uns, in Erwartung des Morgens, mit den angenehmen Schilderungen, welche unsre Vorgänger von diesem Lande gemacht hatten. Schon fingen wir an, die unter dem rauhen südlichen Himmelsstriche ausgestandne Mühseligkeiten zu vergessen; der trübe Kummer, der bisher unsre Stirne umwölkt hatte, verschwand; die fürchterlichen Vorstellungen von Krankheit und Schrecken des Todes wichen zurück, und alle unsre Sorgen entschliefen.

 

– Somno positi sub nocte silenti

Lenibant curas & corda oblita laborum.

VIRGIL.

 

Achtes Hauptstück.

Aufenthalt im Haven O-Aitepieha auf der kleinen Halb-Insel O-Tahiti –

Ankern in Matavai-Bay.

 

Devenere locos laetos & amoena vireta

Fortunatorum nemorum, sedesque beatas.

Largior hic campos aether & lumine vestit

Purpureo.            

VIRGIL

.

Ein Morgen war's, schöner hat ihn schwerlich je ein Dichter beschrieben, an welchem wir die Insel O-Tahiti, 2 Meilen vor uns sahen. Der Ostwind, unser bisheriger Begleiter hatte sich gelegt; ein vom Lande wehendes Lüftchen führte uns die erfrischendsten und herrlichsten Wohlgerüche entgegen und kräuselte die Fläche der See. Waldgekrönte Berge erhoben ihre stolzen Gipfel in mancherley majestätischen Gestalten und glühten bereits im ersten Morgenstrahl der Sonne. Unterhalb derselben erblickte das Auge Reihen von niedrigern, sanft abhängenden Hügeln, die den Bergen gleich, mit Waldung bedeckt, und mit verschiednem anmuthigen Grün und herbstlichen Braun schattirt waren. Vor diesen her lag die Ebene, von tragbaren Brodfrucht-Bäumen und unzählbaren Palmen beschattet, deren königliche Wipfel weit über jene empor ragten. Noch erschien alles im tiefsten Schlaf; kaum tagte der Morgen und stille Schatten schwebten noch auf der Landschaft dahin. Allmählig aber konnte man unter den Bäumen eine Menge von Häusern und Canots unterscheiden, die auf den sandichten Strand heraufgezogen waren. Eine halbe Meile vom Ufer lief eine Reihe niedriger Klippen parallel mit dem Lande hin, und über diese brach sich die See in schäumender Brandung; hinter ihnen aber war das Wasser spiegelglatt und versprach den sichersten Ankerplatz. Nunmehro fing die Sonne an die Ebene zu beleuchten. Die Einwohner erwachten und die Aussicht begonn zu leben.

Kaum bemerkte man die großen Schiffe an der Küste, so eilten einige ohnverzüglich nach dem Strande herab, stießen ihre Canots ins Wasser und ruderten auf uns zu. Es dauerte nicht lange, so waren sie durch die Öffnung des Riefs, und eines kam uns so nahe, daß wir es abrufen konnten. Zwey fast ganz nackte Leute, mit einer Art von Turban auf dem Kopfe und mit einer Scherfe um die Hüften, saßen darinn. Sie schwenkten ein großes grünes Blatt in der Luft und kamen mit einem oft wiederholten lauten Tayo! heran,[9] ein Ausruf, den wir ohne Mühe und ohne Wörterbücher als einen Freundschafts-Gruß auslegen konnten. Das Canot ruderte dicht unter das Hintertheil des Schiffs, und wir ließen ihnen sogleich ein Geschenk von Glas-Corallen, Nägeln und Medaillen herab. Sie hinwiederum reichten uns einen grünen Pisang-Schoß zu, der bey ihnen ein Sinnbild des Friedens ist, und baten solchen dergestalt ans Schiff zu befestigen, daß er einem jeden in die Augen fiele. Dem zufolge ward er an die Wand (das Tauwerk) des Hauptmasts fest gemacht; worauf unsre Freunde sogleich nach dem Lande zurückkehrten. Es währete nicht lange, so sahe man das Ufer mit einer Menge Menschen bedeckt, die nach uns hinguckten, indessen daß andere, voll Zutrauens auf das geschloßne Friedens-Bündniß, ihre Canots ins Wasser stießen und sie mit Landes-Producten beladeten. In weniger als einer Stunde umgaben uns Hunderte von dergleichen Fahrzeugen in deren jedem sich ein, zwey, drey, zuweilen auch vier Mann befanden. Ihr Vertrauen zu uns gieng so weit, daß sie sämmtlich unbewafnet kamen. Von allen Seiten erschallte das willkommne Tayo! und wir erwiederten es mit wahrhaftem und herzlichen Vergnügen über eine so günstige Veränderung unsrer Umstände. Sie brachten uns Coco-Nüsse und Pisangs in Überfluß, nebst Brodfrucht und andern Gewächsen, welche sie sehr eifrig gegen Glas-Corallen und kleine Nägel vertauschten. Stücken Zeug, Fisch-Angeln, steinerne Äxte, und allerhand Arten von Werkzeugen wurden gleichfalls zum Verkauf ausgebothen und leicht angebracht. Die Menge von Canots, welche zwischen uns und der Küste ab- und zu giengen, stellte ein schönes Schauspiel, gewissermaßen eine neue Art von Messe auf dem Wasser dar. Ich fing sogleich an durch die Cajütten-Fenster, um Naturalien zu handeln, und in einer halben Stunde hatte ich schon zwey bis drey Arten unbekannter Vögel und eine große Anzahl neuer Fische beysammen. Die Farben der letztern waren, so lange sie lebten, von ausnehmender Schönheit, daher ich gleich diesen Morgen dazu anwendete, sie zu zeichnen und die hellen Farben anzulegen, ehe sie mit dem Leben verschwanden.

Die Leute, welche uns umgaben, hatten so viel Sanftes in ihren Zügen, als Gefälliges in ihrem Betragen. Sie waren ohngefähr von unsrer Größe, blaß mahogany-braun, hatten schöne schwarze Augen und Haare, und trugen ein Stück Zeug von ihrer eignen Arbeit mitten um den Leib, ein andres aber in mancherley mahlerischen Formen, als einen Turban um den Kopf gewickelt. Die Frauenspersonen, welche sich unter ihnen befanden, waren hübsch genug, um Europäern in die Augen zu fallen, die seit Jahr und Tag nichts von ihren Landsmänninnen gesehen hatten. Die Kleidung derselben bestand in einem Stück Zeug, welches in der Mitte ein Loch hatte um den Kopf durchzustecken und hinten und vornen bis auf die Knie herabhieng. Hierüber trugen sie ein anderes Stück von Zeuge, das so fein als Nesseltuch und auf mannigfaltige, jedoch zierliche Weise, etwas unterhalb der Brust als eine Tunica um den Leib geschlagen war, so daß ein Theil davon, zuweilen mit vieler Grazie, über die Schulter hieng. War diese Tracht gleich nicht vollkommen so schön als jene an den griechischen Statüen bewunderten Draperien, so übertraf sie doch unsre Erwartungen gar sehr und dünkte uns der menschlichen Bildung ungleich vortheilhafter als jede andre, die wir bis jetzt gesehen. Beyde Geschlechter waren durch die von andern Reisenden bereits beschriebenen, sonderbaren, schwarzen Flecke geziert oder vielmehr verstellt, die aus dem Punctiren der Haut und durch nachheriges Einreiben einer schwarzen Farbe in die Stiche entstehen. Bey den gemeinen Leuten, die mehrentheils nackt giengen, waren dergleichen, vornemlich auf den Lenden zu sehen, ein augenscheinlicher Beweis, wie verschieden die Menschen, in Ansehung des äußerlichen Schmukkes denken und wie einmüthig sie gleichwohl alle darauf gefallen sind, ihre persönlichen Vollkommenheiten auf eine oder die andre Weise zu erhöhen. Es dauerte nicht lange, so kamen verschiedne dieser guten Leute an Bord. Das ungewöhnlich sanfte Wesen, welches ein Hauptzug ihres National-Characters ist, leuchtete sogleich aus allen ihren Gebehrden und Handlungen hervor, und gab einem jeden, der das menschliche Herz studierte, zu Betrachtungen Anlaß. Die äußern Merkmahle, durch welche sie uns ihre Zuneigung zu erkennen geben wollten, waren von verschiedener Art; einige ergriffen unsre Hände, andre lehnten sich auf unsre Schultern, noch andre umarmten uns. Zu gleicher Zeit bewunderten sie die weiße Farbe unsrer Haut und schoben uns zuweilen die Kleider von der Brust, als ob sie sich erst überzeugen wollten, daß wir eben so beschaffen wären als sie.

Da sie merkten, daß wir Lust hätten ihre Sprache zu lernen, weil wir uns nach den Benennungen der gewöhnlichsten Gegenstände erkundigten, oder sie aus den Wörterbüchern voriger Reisenden hersagten, so gaben sie sich viel Mühe uns zu unterrichten, und freuten sich, wenn wir die rechte Aussprache eines Wortes treffen konnten. Was mich anlangt, so schien mir keine Sprache leichter als diese. Alle harte und zischende Consonanten sind daraus verbannt, und fast jedes Wort endigt sich mit einem Selbstlauter. Was dazu erfordert ward, war blos ein scharfes Ohr, um die mannichfaltigen Modificationen der Selbstlauter zu unterscheiden, welche natürlicherweise in einer Sprache vorkommen müssen, die auf so wenig Mitlauter eingeschränkt ist, und die, wenn man sie einmal recht gefaßt hat, die Unterredung sehr angenehm und wohlklingend machen. Unter andern Eigenschaften der Sprache bemerkten wir sogleich, daß das O und E, womit sich die mehresten Nennwörter und Namen in Herrn Cooks erster Reise anfangen, nichts als Artickel sind, welche in vielen morgenländischen Sprachen, vor den Nennwörtern herzugehen pflegen, die ich aber im Verfolg dieser Erzählung entweder weglassen oder durch einen Strich von dem Nennwort trennen werde. Ich habe bereits im vorhergehenden angemerkt, daß Herr von Bougainville das Glück hatte, den wahren Namen der Insel, ohne Artikel, sogleich ausfündig zu machen, er hat ihn auch, so weit es die Beschaffenheit der französischen Sprache erlauben will, in der Beschreibung seiner Reise, vermittelst des Worts Taïti, ganz richtig ausgedruckt, doch sprechen es die Indianer mit einer leichten Aspiration, nemlich Tahiti aus.

In dem vor uns liegenden Rief befand sich eine Öfnung, und dies war der Eingang zu dem auf der kleinern Halb-Insel von O-Tahiti gelegenen Haven Whaï-Urua. Wir sandten deshalb ein Boot aus, um beydes, die Einfahrt und den Haven selbst sondiren zu lassen. Die Leute fanden guten Ankergrund und giengen nach dieser Verrichtung vollends bis ans Land, wo sich sogleich eine Menge Einwohner um sie her versammlete. Wir lagen der Küste so nahe, daß wir schon das Quiken junger Ferkel hören konnten, und dieser Ton klang uns damals lieblicher als die herrlichste Music des größten Virtuosen. Indessen waren unsre Leute nicht so glücklich, einige davon zu erhandeln, vielmehr weigerte man sich, sie ihnen zu verkaufen, unter dem Vorwande, daß sie insgesammt dem Aerih oder Könige zugehörten.

Mittlerweile, daß dies am Lande vorgieng, langte beym Schiff ein größeres Canot an, in welchem sich ein schöner wohlgebildeter Mann befand, der ohngefähr 6 Fus groß seyn mochte und drey Frauenspersonen bey sich hatte. Diese kamen allerseits an Bord, und der Mann meldete uns gleich beym Eintritt daß er O-Tai hieße. Er schien in dieser Gegend der Insel von einiger Bedeutung zu seyn und mochte wohl zu der Classe von Vasallen oder Freyen gehören, welche in Capitain Cooks erster Reise Manahunä's genannt werden. Er gesellete sich alsbald zu den Officieren, die auf dem Verdeck beysammen waren, vermuthlich, weil er denken mochte, daß sich diese Gesellschaft und dieser Platz am besten für ihn schickten. Er war um ein merkliches weißer als irgend einer von seinen Landsleuten, so viel wir deren noch gesehen, und gab in diesem Betracht den westindischen Mestizen wenig war: Dabey hatte er würklich schöne und regelmäßige Züge; die Stirn nach hoch, die Augenbrauen gewölbt, die großen schwarzen Augen voll Ausdrucks und die Nase wohl proportionirt. In der Bildung des Mundes lag etwas besonders angenehmes und gefälliges; die Lippen waren zwar etwas dick, aber nicht unangenehm oder aufgeworfen. Der Bart war schwarz und fein gekräuselt und sein pechschwarzes, von Natur lockigtes Haar hieng ihm, der Landesart nach, um den Hals. Da er aber sahe, daß wir unsre Haare im Nacken zusammen gebunden trugen, so war er gleich darüber her diese Mode nachzuahmen und bediente sich hiezu eines schwarzen seidnen Halstuches, welches ihm Herr Clerke geschenkt hatte. Im Ganzen war der Cörper wohlgebildet, jedoch etwas zu dick; und auch die Füße verhältnißweise zu groß. Mit Hülfe unsrer Wörter-Bücher legten wir ihm verschiedne Fragen vor. Eine der ersten war, ob Tutahah[10] noch wohl sey? Wir erhielten zur Antwort: er sey todt und von den Einwohnern auf Teiarrabu oder der kleinen Halbinsel erschlagen; auf welcher letzterer Aheatua e-Ärih oder König sey. Diese Nachricht bestätigte sich bald durch die einstimmige Aussage aller seiner Landesleute. Von den drey Weibern, die er bey sich hatte, war die eine seine Frau, und die beyden andern seine Schwestern. Letztere fanden ein besonderes Vergnügen daran uns zu lehren, wie wir sie bey ihren Namen nennen müßten, die wohlklingend genug waren; die eine hies nemlich Maroya und die andre Maroraï. Sie waren noch heller von Farbe als O-Tai, aber wenigstens um 9 bis 10 Zoll kleiner als er. Letzterwähnte Maroraï war eine graziöse Figur, und besonders am Obertheil des Cörpers, von ungemein schönem und zarten Bau. Sie hatte zwar bey weitem nicht so regelmäßige Züge als ihr Bruder; aber dagegen ein angenehmes rundliches Gesicht, über welches ein unaussprechlich holdes Lächeln verbreitet war. Es schien als wären sie noch, nie auf einem Schiffe gewesen, so sehr bewunderten sie alles was ihnen darauf vorkam; auch ließen sie es nicht dabey bewenden, sich auf dem Verdeck umzusehen; sondern giengen in Begleitung eines unsrer Herren Mitreisenden nach den Officier-Cajütten hinab und besahen auch da alles mit der größten Aufmerksamkeit. Maroraï fand an ein Paar Bett-Tüchern, welche sie auf einem Bette erblickte, besonderen Wohlgefallen, und versuchte es auf allerhand Art und Weise, sie von ihrem Begleiter geschenkt zu bekommen, allein umsonst. Er war zwar nicht abgeneigt, ihr solche zu überlassen, verlangte aber eine besondre Gunstbezeugung dafür, zu welcher sich Maroraï anfänglich nicht verstehen wollte. Als sie indessen sahe, daß kein anders Mittel sey zu ihrem Zweck zu gelangen, so ergab sie sich endlich nach einigem Widerstreben. Schon bereitete sich der Sieger seinen Triumph zu feyern, als das Schiff, zur ungelegensten Zeit von der Welt, gegen einen Felsen stieß, und ihm unglücklicherweise die ganze Freude verdarb. Der erschrockne Liebhaber, der die Gefahr des Schiffs deutlicher einsahe als seine Geliebte, flog nemlich sogleich aufs Verdeck, wohin auch alle übrigen Seeleute, ein jeder an seinen Posten eilte, ohne sich weiter um die indianische Gesellschaft zu bekümmern. Wir fanden bald, daß uns die Fluth, während der gänzlichen Windstille, unvermerkt gegen die Felsen hin getrieben hatte, und daß wir auch würklich schon auf denselben fest saßen, ehe es noch möglich war, den Eingang des Havens zu erreichen, ohngeachtet wir kaum noch einen Steinwurf weit davon entfernt seyn mochten. Mittlerweile schlug das Schiff einmal über das andre auf den Felsen an, so daß es allerdings mißlich um uns aussahe: Zum Glück war die See eben nicht unruhig, mithin auch keine sonderliche Brandung an den Felsen; hätte sich indessen der sonst gewöhnliche Seewind eingestellt, so wäre das Schiff unmöglich zu retten gewesen, allein auch der blieb diesen ganzen Tag über aus. Officier und Passagier, ohne Unterschied, thaten bey dieser Gelegenheit ihr äußerstes. Es ward ungesäumt ein Boot ausgesetzt, auf selbigem nicht weit von uns ein Anker ausgeworfen, und vermittelst dessen das Schiff los gehoben und wiederum flott gemacht. Da die Indianer an Bord sahen, wie sauer wir es uns werden ließen, so legten sie mit Hand an; sie arbeiteten an der Winde, halfen uns die Taue einnehmen und verrichteten andre dergleichen Arbeit mehr. Wären sie im mindesten verrätherisch gesinnt gewesen, so hätten sie jetzt die beste Gelegenheit gehabt, uns in Verlegenheit zu setzen; aber sie bezeigten sich, bey diesem gleich wie bey allen andern Vorfällen, höchstfreundschaftlich und gutherzig. Während dieser mühsamen Arbeit hatten wir eine ausnehmende Hitze auszustehen. Das Thermometer stand im Schatten auf 90 Grad und die Sonne schien brennend heiß, denn am ganzen Horizont war nirgends ein Wölkchen zu sehen, auch nicht das geringste Lüftchen zu spühren. Als uns dieser Unfall begegnete, war die Adventure dicht bey uns, sie entgieng aber der Gefahr dadurch, daß sie eilends die Anker auswarf. Zu den glücklichen Umständen, denen wir unsre Rettung zu danken hatten, gehörte auch der, daß die Felsen, auf welche wir gerathen waren, Absätze hatten, und der Anker folglich irgendwo fassen konnte, welches sonst selten der Fall ist, da die Corallen-Felsen gemeiniglich ganz senkrecht zu seyn pflegen. Es war ohngefähr um 3 Uhr, als wir nach anderthalbstündigem Arbeiten wieder los kamen. Wir nahmen nun eiligst einige Erfrischungen zu uns, und da diese Gegend sehr gefährlich war, im Fall sich ein Ostwind aufgemacht hätte; so bemanneten wir die Boote beyder Schiffe und ließen uns durch dieselben wieder in See boogsiren. Ohngefähr um 5 Uhr kam uns eine leichtwehende Landluft zu Hülfe. Wir entließen daher die Boote sogleich ihres bisherigen Dienstes und schickten sie nach der Adventure hin, um dieser die Anker lichten zu helfen. Die Leute hatten aber dies nicht abgewartet, sondern das Cabel bereits laufen lassen, um den günstigen Wind, ohne allen Aufschub zu nutzen, und uns zu folgen. Wir lavirten hierauf mit beyden Schiffen die ganze Nacht ab und zu, und sahen die gefährlichen Felsen mit einer Menge von Feuern erleuchtet, bey deren Schein die Indianer fischten. Als einer der Officiers schlafen gehen wollte, fand er sein Bett ohne Bett-Tücher, welche vermuthlich von der schönen Maroraï waren mitgenommen worden, als sie sich von ihrem Liebhaber so schleunig verlassen sahe. Sie mußte indessen diese kleine Angelegenheit mit besonderer Geschicklichkeit und in aller Kürze ausgeführt haben, denn sonst würde sie auf dem Verdeck vermißt worden und ihr Außenbleiben gleich verdächtig gewesen seyn.

Am folgenden Morgen näherten wir uns der Küste von neuem und steuerten längst der Nordseite der kleinern Halbinsel hin. Es dauerte nicht lange, so waren wir, wie am vergangenen Tage, wieder mit Canots umgeben, in welchen uns die Eingebohrnen Erfrischungen die Menge, nur kein Fleisch, zubrachten und uns mit ihrem freundschaftlichen Zuruf zuweilen ganz betäubten. Die Fahrzeuge schlugen oft um, aber das war kein großer Unfall für die Leute die darinnen saßen, indem beydes Männer und Weiber vortrefliche Schwimmer sind und die Canots in großer Geschwindigkeit wieder umzukehren wissen. Da sie fanden, daß ich mich nach Pflanzen und andern natürlichen Merkwürdigkeiten erkundigte; so brachten sie mir dergleichen zu; aber oftmals nur die Blätter ohne Blüthen, und umgekehrt zuweilen Blumen ohne Blätter; doch erkannte ich unter denselben, dieser Verstümmelung ohnerachtet, die gemeine Art des schwarzen Nacht-Schattens (black night Shade) und eine schöne Erythrina oder Coral-Blume. Auch bekam ich auf diese Weise allerhand Muscheln, Corallengewächse, Vögel u. d. g.

Um 11 Uhr ankerten wir in einem kleinen Haven O-Aitepieha genannt, der am nördlichen Ende der südlichen oder kleinen Halbinsel von O-Tahiti liegt, die in der Landessprache Teiarrabu heißt. Nunmehro gieng der Zulauf des Volks erst recht an und die Canots kamen von allen Seiten herbey. Die Leute waren auf unsere Corallen, Nägel und Messer so erpicht, daß wir gegen diese Waaren eine unglaubliche Menge ihres Zeuges, ihrer Matten, Körbe und andre Geräthschaften, desgleichen Coco-Nüsse, Brodfrucht, Yams und Pisangfrüchte in großen Überfluß zusammen brachten. Die Verkäufer kamen zum Theil aufs Verdeck und nahmen der Gelegenheit wahr, allerhand Kleinigkeiten wegzustehlen; einige machten es gar so arg, daß sie unsre erhandelten Coco-Nüsse wieder über Bord und ihren Cameraden zu practicirten, und diese verkauften sie unsern Leuten alsdenn zum zweytenmal. Um nicht wieder so betrogen zu werden, wurden die Diebe vom Schiffe gejagt und mit einigen Peitschen-Hieben gezüchtigt, die sie geduldig ertrugen.

Die Hitze war heute eben so groß als gestern. Das Thermometer stand auf 90 im Schatten, wenn der Himmel mit Wolken bedeckt war; und um Mittag ward es wieder windstill. Ob wir gleich bey dieser Hitze heftig schwitzten, so war sie uns übrigens doch gar nicht so empfindlich, oder so zur Last, als man wohl denken möchte. Wir befanden uns im Gegentheil ungleich frischer und muntrer, als es, vornemlich der gestrigen abmattenden Arbeit nach, zu vermuthen war. Diesen Vortheil hatten wir aber ohne Zweifel blos der Nachbarschaft des Landes zu verdanken; die Brodfrucht und die Yams, welche man uns von dorther zubrachte, schmeckten und bekamen uns besser als unser wurmstichigter Zwieback; und die Pisangs, nebst einer Äpfel-Frucht, die von den Einwohnern E-vie genannt wird, gaben einen herrlichen Nachtisch ab. Das einzige, was wir uns an frischen Lebensmitteln noch wünschen konnten, waren Hühner und Schweine, damit wir anstatt des täglichen Pöckelfleisches eine Abwechslung haben mögten.

Nachmittags giengen die Capitains, nebst einigen anderen Herren zum erstenmal ans Land, um den O-Aheatua zu besuchen, den alle Einwohner hiesiger Gegenden für ihren Ärih oder König erkannten. Während dieser Zeit war das Schiff mit einer Menge von Canots umringt, die außer allerhand Kräuterwerk, auch große Quantitäten einländischen Zeugs verhandelten. So gar auf den Verdecken wimmelte es von Indianern, und unter selbigen gab es verschiedne Frauenspersonen, die sich ohne Schwierigkeiten den Wünschen unsrer Matrosen überließen. Einige von denen, die dieses Gewerbe trieben, mochten kaum neun oder zehen Jahr alt seyn und hatten noch nicht das geringste Zeichen der Mannbarkeit an sich. So frühzeitige Ausschweifungen scheinen einen sehr hohen Grad von Wollust anzudeuten und müssen im Ganzen allerdings Einfluß auf die Nation haben. Die natürlichste Folge davon, die mir auch sogleich in die Augen fiel, bestand darinn, daß das gemeine Volk, zu welchem alle diese liederlichen Weibsbilder gehören, durchgehends von kleiner Statur war. Nur wenige einzelne Leute aus demselben, waren von mehr als mittlerer Größe; die übrigen waren alle darunter – ein Beweis, daß die Meynung des Grafen Büffon, über die frühzeitige Vermischung beyder Geschlechter (S. dessen Hist. naturelle) sehr gegründet ist. Sie hatten unregelmäßige, gemeine Gesichtszüge, aber schöne, große Augen, die durchgehends sehr lebhaft waren; nächst diesen ersetzte auch ein ungezwungnes Lächeln und ein beständiges Bemühen zu gefallen, den Mangel der Schönheit so vollkommen, daß unsre Matrosen ganz von ihnen bezaubert waren und auf die leichtsinnigste Weise von der Welt, Hemder und Kleider weggaben, um sich diesen neuen Mätressen gefällig zu bezeigen. Die ungekünstelte Einfalt der Landes-Tracht, die den wohlgebildeten Busen und schöne Arme und Hände unbedeckt ließ, mogte freylich das ihrige beytragen, unsre Leute in Flammen zu setzen; und der Anblick verschiedner solcher Nymphen, davon die eine in dieser, jene in einer andern verführerischen Positur behend um das Schiff herschwammen, so nackt als die Natur sie gebildet hatte, war allerdings mehr denn hinreichend, das bischen Vernunft ganz zu blenden, das ein Matrose zu Beherrschung der Leidenschaften etwa noch übrig haben mag. Eine Kleinigkeit hatte Veranlassung dazu gegeben, daß ihrer so viel neben uns herum schwammen. Einer von den Officiers, welcher seine Freude an einem Knaben von ohngefähr 6 Jahren hatte, der dicht am Schiff in einem Canot war, wollte demselben vom hintern Verdeck herab, eine Schnur Corallen zuwerfen; der Wurf gieng aber fehl und ins Wasser; nun besann sich der Junge nicht lange, sondern plumpte hinter drein, tauchte und brachte die Corallen wieder herauf. Um diese Geschicklichkeit zu belohnen, warfen wir ihm mehrere zu, und das bewog eine Menge von Männern und Weibern, uns ihre Fertigkeit im Wasser ebenfalls zu zeigen. Sie holten nicht nur einzelne Corallen, davon wir mehrere auf einmal ins Wasser warfen, sondern auch große Nägel wieder herauf, ohngeachtet diese, ihrer Schwere wegen, sehr schnell in die Tiefe hinab sunken. Manchmal blieben sie lange unter Wasser; was uns aber am bewundrungswürdigsten dünkte, war die außerordentliche Geschwindigkeit, mit welcher sie gegen den Grund hinabschossen, und die sich bey dem klaren Wasser sehr deutlich bemerken ließ. Da man hier zu Lande gewohnt ist sich vielfältig zu baden, wie bereits Capitain Cook auf seiner vorigen Reise angemerkt hat, so lernen die Leute ohne Zweifel schon von der frühesten Kindheit an schwimmen, und besitzen daher auch eine solche Fertigkeit darinn, daß man sie ihrer Behendigkeit im Wasser und der Biegsamkeit ihrer Glieder nach, fast für Amphibia halten sollte. Nachdem sie diese Schwimmer-Übungen und andere Beschäfftigungen bis zu Untergang der Sonne fortgesetzt hatten, kehrten sie allmählig wieder nach dem Ufer zurück.

Um diese Zeit kamen auch die Capitains mit ihrer Gesellschaft wieder an Bord, ohne den König gesehn zu haben; der sie, wer weis aus was für mißtrauischer Besorgniß, nicht hatte wollen vor sich kommen, sondern ihnen nur versichern lassen, daß er sie am folgenden Tage selbst besuchen würde. Um indessen nicht ganz vergebens am Lande gewesen zu seyn, nahmen sie längst der Küste, nach Osten hin, einen Spatziergang vor. Eine Menge von Einwohnern folgte ihnen überall nach, und als sie unterwegens an einen Bach kamen, bothen sich die Leute um die Wette an, sie auf den Schultern herüber zu tragen. Jenseits desselben zerstreueten sich die Indianer nach und nach, so daß sie endlich nur einen einzigen Mann bey sich hatten. Diesen ließen sie als Wegweiser vorauf gehen, und folgten ihm nach einer unbebaueten Landspitze, welche sich ins Meer erstreckte. Der Ort war mit wild aufgeschoßnen Pflanzen und Stauden verwachsen; und als sie sich durch dieses Buschwerk hindurch gearbeitet hatten, stand ein pyramidenförmiges Gebäude von Steinen vor ihnen, dessen Basis, vorn, ohngefähr zwanzig Schritte (60 Fus) breit seyn mochte. Das ganze Gebäude war aus mehreren Terrassen oder Stufen übereinander aufgeführt, die aber, besonders gegen die Landseite hin, ziemlich verfallen und schon mit Gras und Buschwerk überwachsen waren. Ihr Begleiter sagte ihnen, es sey eine Grabstelle oder ein heiliger Versammlungsplatz, Maraï, und er nannte es, Maraï no-Aheatua, den Begräbnißplatz des Aheatua, der jetzt König auf Teiarrabu ist. Rund um das Gebäude standen funfzehen dünne, fast senkrecht in die Erde gesteckte, hölzerne Pfosten, die zum Theil 18 Fus lang seyn mochten, an deren jeder man sechs bis acht kleine, theils männliche, theils weibliche Menschen-Figuren, ziemlich krüpplicht eingeschnitten fand, die dem Geschlecht nach, ohne Unterschied eine über die andre standen, jedoch so, daß die oberste immer eine männliche war. Durchgehends aber hatten sie das Gesicht gegen die See hingekehrt und dieses sahe den geschnitzten Menschen-Gesichtern ähnlich, die an den Vordertheilen ihrer Canots befindlich zu seyn pflegen und e-tie oder e-tihi genannt werden. Etwas abwärts von dem Maraï, stand eine Art von Strohdach auf vier Pfosten, und vor selbigem war ein Spalierwerk oder Verzäunung von Latten errichtet, und mit Pisangfrüchten, desgleichen mit Cocosnüssen, no t'Etua für die Gottheit behangen. Hier setzten sie sich nieder, um im Schatten dieses Obdachs auszuruhen, und ihr Begleiter both ihnen zur Erfrischung einige von den Pisangfrüchten an, mit der Versicherung, sie wären mâa maitai, gut zu essen. Eine solche Einladung war nicht zu verschmähen, auch trugen sie kein Bedenken, es sich auf Kosten der Götter recht tapfer schmecken zu lassen, zumal da das Obst würklich so gut war als ihr Führer es ihnen angepriesen hatte. Bey einbrechendem Abend, kehrten sie, mit der von diesem gutherzigen Volke genoßnen guten Aufnahme ungemein zufrieden, nach dem Schiff zurück, und brachten uns einige Pflanzen mit, welche wir sogleich für Gewächse erkannten, die nur zwischen den Wende-Cirkeln zu Haus sind. Als wir am folgenden Tage früh aufs Verdeck kamen, um die kühle Morgenluft zu genießen, fanden wir die herrlichste Aussicht vor uns; und der Morgenglanz der Sonne breitete gleichsam doppelte Reitze über die natürlichen Schönheiten der Landschaft aus. Der Haven, in welchem wir lagen, war nur klein, dergestalt, daß unsre beyden Schiffe ihn fast gänzlich ausfüllten; das Wasser aber war in selbigem so klar als ein Crystall, und so glatt als ein Spiegel, indeß sich um uns her, die See an den äußern Felsen in schneeweißschäumenden Wellen brach. Auf der Landseite erblickte das Auge vor den Bergen her, eine schmale Ebene, deren fruchtbares Ansehen, all ihren Bewohnern Überfluß und Glückseligkeit zu gewähren schien. Dem Schiffe gerade gegen über öfnete sich, zwischen den Bergen, ein enges wohlbebauetes Thal, das voller Wohnungen und auf beyden Seiten mit Wald bedeckten Hügeln eingefaßt war, die längst der ganzen weiten Strecke desselben in mannigfaltig gebrochnen Linien hinauf liefen und sich in verschiednen Farben und Entfernungen zeigten. Über diese und das Thal hinaus, ragten aus dem Innern des Landes, mancherley romantisch-geformte, steile Berg-Gipfel hervor, davon besonders der eine auf eine mahlerisch-schöne, aber fürchterliche Weise überhieng und gleichsam den Einsturz drohte. Der Himmel war heiter und die Luft erquickend warm; kurz, alles flößte uns neues Leben und neuen Muth ein. Mittlerweile wurden die Boote beyder Schiffe nach o-Whai-urua geschickt um die Anker zu holen, welche wir daselbst im Grunde hatten sitzen lassen als wir auf den Felsen stießen. Zu gleicher Zeit ward eine Parthey See-Soldaten und Matrosen beordert ans Land zu gehen, um Lebensmittel einzuhandeln, und unsre ledigen Fässer mit frischem Wasser zu füllen. Zu Ausführung dieses Vorhabens faßten sie ohnweit dem Strande in einer verlassenen Wohnung Posto, die ihnen nicht nur Schatten gegen die Sonne, sondern auch, vermittelst der Umzäunung, Sicherheit gegen die Diebereyen des Volks verschaffte. Als wir eben im Begriff waren, mit dem Capitain ans Land zu gehen, bekam dieser einen Besuch von einem angesehenen Manne, der o-Pue hies und seine beyden Söhne bey sich hatte. Sie brachten dem Capitain etwas Zeug und einige andre Kleinigkeiten zum Geschenk, und erhielten dagegen Messer, Nägel, Corallen, und ein Hemde, welches letztere einer von ihnen anlegte, und in diesem Aufzuge begleiteten sie uns ans Land.

So bald wir ausgestiegen waren, eilten wir von dem sandichten Strande, wo in unsrer Wissenschaft keine Entdeckungen zu erwarten waren, weg, und nach den Plantagen hin, die uns vom Schiffe her so reizend ausgesehen hatten, ohnerachtet der späten Jahreszeit wegen Laub und Gras schon durchgehends mit herbstlichem Braun gefärbt war. Wir fanden bald, daß diese Gegenden in der Nähe nichts von ihren Reizen verlören, und daß Herr von Bougainville nicht zu weit gegangen sey, wenn er dies Land als ein Paradies beschrieben. Wir befanden uns in einem Wald von Brodfrucht-Bäumen, auf denen aber bey dieser Jahrszeit keine Früchte mehr waren, und beym Ausgang des Gehölzes sahen wir einen schmalen, von Gras entblößten Fuspfad vor uns, vermittelst dessen wir bald zu verschiednen Wohnungen gelangten, die unter mancherley Buschwerk halb versteckt lagen. Hohe Cocos-Palmen ragten weit über die andren Bäume empor und neigten ihre hängenden Wipfel auf allen Seiten gegen einander hin. Der Pisang prangte mit seinen schönen breiten Blättern und zum Theil auch noch mit einzelnen traubenförmigen Früchten. Eine schattenreiche Art von Bäumen, mit dunkelgrünem Laube, trug goldgelbe Äpfel, die den würzhaften Geschmack und Saft der Ananas hatten. Der Zwischenraum war bald mit jungen chinesischen Maulbeerbäumen (morus papyrifera) bepflanzt, deren Rinde von den Einwohnern zu Verfertigung der hiesigen Zeuge gebraucht wird; bald mit verschiednen Arten von Arum- oder Zehrwurzeln, (Arum oder Eddoes) mit Yams, Zuckerrohr und andern nutzbaren Pflanzen besetzt. Die Wohnungen der Indianer lagen einzeln, jedoch ziemlich dicht neben einander, im Schatten der Brodfrucht-Bäume auf der Ebene umher, und waren mit mancherley wohlriechenden Stauden, als Gardenia, Guettarda und Calophyllum umpflanzt. Die einfache Bauart und die Reinlichkeit derselben stimmte mit der kunstlosen Schönheit des darum her liegenden Waldes überaus gut zusammen. Sie bestanden nemlich mehrentheils nur aus einem Dach, das auf etlichen Pfosten ruhte und pflegten übrigens, an allen Seiten offen, ohne Wände zu seyn. Diese sind auch, bey dem vortreflichen Clima des Landes welches vielleicht eins der glücklichsten auf Erden ist, vollkommen gut zu entbehren; denn Tau und Regen, die einzigen Veränderungen der Witterung gegen welche die Einwohner Schutz nöthig haben, kann in den mehresten Fällen ein bloßes Dach genugsam abhalten. Zu diesen liefert ihnen der Pandang oder Palm-Nußbaum,[11] seine breiten Blätter statt der Ziegel und die Pfeiler werden aus dem Stamm des Brodfrucht-Baums gemacht, der ihnen solchergestalt auf mehr denn einerley Art nutzbar wird. Indessen gab es doch mitunter einige Wohnungen, die vermuthlich nur deswegen, damit man innerhalb verborgner seyn könne, mit einer Art von geflochtnen Rohr-Hürden eingeschlossen waren, welches sie denn einem großen Vogelbauer ziemlich ähnlich machte. In diesem Wandwerk war eine Öffnung zur Thür gelassen, die mit einem Brette zugemacht werden konnte. Vor jeder Hütte sahe man eine kleine Gruppe von Leuten, die sich ins weiche Gras gelagert hatten oder mit kreuzweis übereinandergeschlagnen Beinen beysammen saßen und ihre glücklichen Stunden entweder verplauderten oder ausruheten. Einige standen bey unsrer Annäherung auf und folgten dem Haufen der mit uns gieng; viele aber, besonders Leute von reiferem Alter, blieben unverrückt sitzen und begnügten sich uns im Vorübergehen, ein freundschaftliches Tayo! zuzurufen. Da unsre Begleiter gewahr wurden, daß wir Pflanzen sammleten, so waren sie sehr emsig, dieselbigen Sorten zu pflücken und herbey zu bringen, die sie von uns hatten abbrechen sehen. Es gab auch in der That eine Menge von allerhand wilden Arten in diesen Plantagen, die untereinander in jener schönen Unordnung der Natur aufsproßten, die über das steife Putzwerk künstlicher Gärten immer unendlich erhaben, aber alsdenn zu vollends bewundernswürdig ist, wenn die Kunst ihr am rechten Ort aufzuhelfen weiß. Vornemlich fanden wir verschiedene Grasarten, die ohnerachtet sie dünner als unsre nördliche standen, dennoch, weil sie im Schatten wuchsen, ein sehr frisches Ansehen hatten und einen weichen Rasen ausmachten. Sie dienten zugleich das Erdreich feucht zu erhalten, und solchergestalt den Bäumen Nahrung zu verschaffen, die auch ihrer Seits im vortreflichsten Stande waren. Mancherley kleine Vögel wohnten auf den schattigen Zweigen der Brodfrucht- und andrer Bäume und sungen sehr angenehm, ob man gleich, ich weis nicht warum, in Europa den Wahn hegt, daß es in heißen Ländern den Vögeln an harmonischen Stimmen fehle. In den Gipfeln der höchsten Cocosnuß-Bäume pflegte sich eine Art kleiner, schöner Saphir-blauer Papagayen aufzuhalten, und eine andre grünlichte Art mit rothen Flecken, sahe man unter den Pisang-Bäumen häufig, traf sie auch oft zahm in den Häusern an, wo die Einwohner sie der rothen Federn wegen, sehr gern zu haben schienen. Ein Eisvogel, der von dunkelgrünem Gefieder und rings um die weiße Kehle mit einem ringförmigen Streif von vorgedachter Farbe gezeichnet war [Abb. 5059]; ein großer Kuckuck und verschiedne Arten von Tauben, hüpften fröhlich auf den Zweigen herum, indeß ein bläulichter Reyer gravitätisch am See-Ufer einher trat, um Muscheln, Schnecken und Würmer aufzulesen. Ein schöner Bach, der über ein Bette von Kieseln rollte, kam in schlängelndem Lauf das schmale Thal herab, und füllte beym Ausfluß in die See unsre leeren Fässer mit silberhellem Wasser. Wir giengen längst seinem krummen Ufer eine gute Strecke weit hinauf, bis uns ein großer Haufen Indianer begegnete, der hinter dreyen Leuten herzog, die in verschiedne Stücke ihres rothen und gelben Zeuges gekleidet waren und von eben dergleichen zierliche Turbans auf hatten. Sie trugen lange Stöcke oder Stäbe in der Hand, und einer hatte eine Frauensperson bey sich, welches seine Frau seyn sollte. Wir fragten, was dieser Aufzug zu bedeuten habe, und erhielten zur Antwort: es wären die Te-apunie; da die Indianer aber merkten, daß wir noch nicht genug von ihrer Sprache wüßten, um diesen Ausdruck zu verstehen, so setzten sie hinzu, es wären Tata-no-t' Eatua, das ist: Männer, die der Gottheit und dem Maraï oder Begräbniß- und Versammlungsplatze angehörten. Man mögte sie also wohl Priester nennen dürfen. Wir blieben einige Zeit stehen, um abzuwarten, ob sie etwa eine Art von gottesdienstlicher Handlung oder andre besondre Ceremonie vornehmen würden, da aber nichts dergleichen erfolgte, so kehrten wir nach dem Strande zurück. Um Mittagszeitt gieng Capitian Cook mit uns und den beyden Söhnen des oberwähnten O-Pue (S. 229) wieder an Bord, ohne den Aheatua gesehen zu haben, der aus Ursachen, die kein Mensch errathen konnte, uns noch immer nicht vor sich kommen lassen wollte.

Unsre beyden indianischen Gäste setzten sich mit zu Tische und aßen von unsern Zugemüsen; das Pöckelfleisch aber ließen sie unberührt. Nach Tische nahm einer der Gelegenheit wahr, ein Messer und einen zinnernen Löffel zu mausen, ob ihm gleich der Capitain, ohne alles Gegengeschenk, eine Menge von Sachen gegeben hatte, daran er sich allerdings hätte genügen lassen und die Gesetze der Gastfreyheit nicht auf eine so häßliche Weise übertreten sollen. So bald er sahe, daß die Dieberey entdeckt war, und daß man ihn deshalb vom Verdeck wegjagen wollte, besann er sich nicht lange, sondern sprang über Bord, schwamm nach dem nächsten Canot hin, und setzte sich ruhig in demselben nieder, unsrer Übermacht gleichsam zum Trotze. Capitain Cook konnte sich aus Unwillen über das schändliche Betragen dieses Kerls nicht enthalten, ihm eine Flintenkugel übern Kopf hinzufeuern, allein dies fruchtete nichts mehr, denn daß der Indianer von neuen ins Wasser sprang und das Canot umschlagen machte. Man feuerte zum zweytenmal nach ihm, allein, so bald er das Feuer von der Pfanne aufblitzen sahe, tauchte er unter, und eben so machte ers beym dritten Schuß. Nunmehro bemannte der Capitain sein Boot und ruderte nach dem Canot hin, unter welches sich der Taucher versteckt hatte. Dieser aber wartete so lange nicht, sondern verließ sein Fahrzeug und schwamm nach einem doppelten Canot, das nicht weit von ihm war. Auch dem ward, nachgesetzt. Es entkam aber durch die Brandung auf den Strand, und die Indianer fiengen von daher an mit Steinen nach unsren Leuten zu werfen, so daß diese es für rathsam hielten, sich zurückzuziehen. Endlich ward ein Vierpfünder gegen das Land abgefeuert, und dieser machte dem Handel auf einmal ein Ende, denn er jagte jenen ein solches Schrecken ein, daß unsre Leute zwey doppelte Canots ohne Widerstand wegnehmen und mit sich ans Schiff bringen konnten.

Nachdem dieser Tumult über war, giengen wir ans Land, um ohnweit dem Orte, wo unsre Wasserfässer gefüllt wurden, nach Tische einen Spatziergang zu machen und das Zutrauen des Volks wieder zu gewinnen, welches uns, der eben erzählten Feindseligkeiten wegen, mit einemmal verlassen hatte. Wir wählten einen andern Weg als den wir am Morgen genommen hatten, und fanden auf demselben eine Menge Pisange, Yams, Zehrwurzeln u. d. gl. um die Häuser herumgepflanzt. Die Bewohner waren freundschaftliche, gutherzige Leute, jedoch des Vorgefallnen wegen, etwas scheuer und zurückhaltender als zuvor. Endlich gelangten wir an ein großes mit Rohrwänden versehenes Haus, welches ein artiges Ansehen hatte. Es sollte dem Aheatua angehören, und dieser sich jetzt in einer andern Gegend aufhalten. Wir fanden hier ein Schwein und etliche Hühner, die ersten, welche uns die Einwohner zu Gesicht kommen ließen, indem sie solche bisher sorgfältig versteckt und nie hatten verkaufen wollen, unter dem Vorwande, daß sie dem Ärih oder Könige zugehörten. Sie machten jetzt eben die Entschuldigung, ohnerachtet wir ihnen ein Beil dafür anbothen, welches, ihren Meynungen und Bedürfnissen nach, gleichwohl das höchste war was sie dagegen verlangen konnten. Nach einem kurzen Aufenthalte kehrten wir auf eben dem Wege wieder zurück und brachten eine kleine Parthey neuer Pflanzen mit an Bord. Gegen Untergang der Sonne ward ein Boot vor den Haven hinausgeschickt, um einen See-Soldaten, Namens Isaac Taylor, in der See zu begraben, der nach langem Kränkeln heute Morgen gestorben war. Seitdem wir England verlassen, war er beständig fieberhaft, schwindsüchtig und asthmatisch gewesen. Diese Zufälle hatten je länger je mehr überhand genommen, und sich zuletzt in eine Wassersucht verwandelt, die seinem Leben ein Ende machte. Alle unsre übrigen Leute an Bord waren nun wohl, einen einzigen Mann ausgenommen, der seiner zum Scorbut geneigten Leibesbeschaffenheit wegen, allemal von neuem bettlägerig wurde, so oft wir in See giengen, und mit genauer Noth beym Leben zu erhalten war, ohnerachtet man ihn beständig, die kräftigsten prophylactischen Mittel und Worth gebrauchen ließ. Jedoch auch dieser Mann, sowohl als die am Scorbut kranken Leute von der Adventure, erholten sich außerordentlich geschwind, durch bloßes Spatzierengehen am Ufer und durch den täglichen Genuß von frischer Kräuterkost.

Früh am folgenden Morgen kamen etliche Indianer in einem Canot zu uns und bathen um die Zurückgabe der beyden größern, die man ihnen Tages zuvor weggenommen hatte. Da Capitain Cook inne geworden war, daß der Handel des gestrigen Vorfalls wegen ins Stecken gerathen sey, weil seitdem niemand ans Schif, und auch an den Wasserplatz hin nur wenig Indianer gekommen waren; so ließ er ihnen die Canots alsbald zurück geben, um das gute Vernehmen mit den Eingebohrnen aufs eheste wieder herzustellen. So schleunig als wir es wohl gewünscht hätten, würkte zwar diese Probe von unsrer Billigkeit nicht; doch blieb der Erfolg davon wenigstens nicht aus, denn nach Verlauf zweyer oder dreyer Tage war der Handel wiederum völlig auf den vorigen Fus hergestellt.

Nach diesen Friedens-Vorkehrungen giengen wir aufs Botanisiren ans Land. Ein tüchtiger Regenschauer, der vorige Nacht gefallen, hatte die Luft merklich abgekühlt, und machte unsern Spatziergang sehr angenehm, indem die Sonnenhitze heute nicht so früh als sonst überhand nehmen konnte. Das ganze Land war durch den Regen verschönert. Bäume und Pflanzen waren wie von neuem belebt und in den Wäldern duftete das erfrischte Erdreich einen angenehmen Wohlgeruch aus. Eine Menge von kleinen Vögeln begrüßten uns mit ihrem lieblichen Morgengesang, den wir sonst noch nie so in ganzen Chören gehört hatten, vielleicht, weil wir bisher noch nie so früh ausgegangen, vielleicht auch, weil der Morgen so besonders schön war. Wir mochten kaum etliche hundert Schritte weit gegangen seyn, so entstand im Walde ein lautes Klopfen, als ob Zimmerleute daselbst arbeiteten. Da dieser Schall unsre Neugier erregte, so spürten wir ihm nach und gelangten endlich an einen kleinen Schoppen, unter welchen fünf oder sechs Weibsleute zu beyden Seiten eines langen viereckigten Balkens saßen, auf welchem sie die faserichte Rinde vom Maulbeerbaume klopften, um Zeug daraus zu machen. Das Instrument, dessen sie sich hiezu bedienten, war ein schmales vierseitiges Stück Holz, in welchem der Länge nach überall parallele Furchen eingeschnitten waren, die auf jeder von den vier verschiedenen Seiten des Hammers, immer tiefer wurden[12] und immer dichter neben einander lagen. Sie hielten eine Weile mit Arbeiten inne, damit wir die Rinde, die Hämmer und den Balken betrachten könnten. Auch zeigten sie uns eine Art von Leimwasser in einer Cocos-Nußschaale, mit welchem sie während dem Klopfen die Rinde von Zeit zu Zeit besprengen, um die einzelnen Stücken derselben, in eine zusammenhängende Masse zu bringen. Dieser Leim, der, so viel wir verstehen konnten, vom Hibiscus esculentus gemacht war; ist zur Verfertigung der Arbeit unentbehrlich, weil die Stücken Zeug zuweilen 6 bis 9 Fus breit und gegen 150 Fus lang sind, gleichwohl aber aus lauter kleinen einzelnen Stücken Rinde zusammengeschlagen werden müssen. Es darf keine andre Rinde als von jungen Bäumen dazu genommen werden; daher man auch in ihren Maulbeerpflanzungen nicht einen einzigen alten Stamm findet. So bald sie eines guten Daumens dick, das ist, ohngefähr zwey Jahr alt sind, werden sie abgehauen, ohne daß dieser frühen und häufigen Nutzung wegen Mangel daran zu besorgen wäre; denn kaum ist der Baum abgehauen, so sprossen schon wieder junge Schößlinge aus der Wurzel auf, und ließe man ihn zu Blüthen und Früchten kommen, so würde er, seinem schnellen Wachsthum nach zu urtheilen, sich vielleicht übers ganze Land verbreiten. Sie suchen die Bäume durchgehends so gerade und so hochstämmig als möglich zu ziehen, leiden auch unterhalb der Krone keinen Ast, damit die Rinde desto glätter sey und beym Abschälen recht lange Stücken gebe. Wie diese aber zubereitet werden mag, ehe sie unter den Hammer kommt, war uns noch unbekannt. Die Weiber, welche wir bey dieser Beschäftigung fanden, waren ganz dürftig in alte schmutzige Zeug-Lumpen gekleidet, und daß die Arbeit eben nicht leicht seyn müsse, konnte man daraus schließen, daß ihre Hände eine dicke, hornharte Haut davon bekommen hatten. Wir setzten nun unsern Weg weiter fort und gelangten bald in ein schmales Thal. Ein wohlaussehender Mann, bey dessen Wohnung wir vorüber kamen, lag im Schatten da, und lud uns ein, neben ihm auszuruhen. So bald er sahe, daß wir nicht abgeneigt dazu waren, streute er Pisang-Blätter auf einen mit Steinen gepflasterten Fleck vor dem Hause, und setzte einen kleinen aus Brodbaum-Holz verfertigten Stuhl hin, auf welchen er denjenigen von uns, den er für den Vornehmsten hielt, sich niederzulassen bath. Nachdem auch die übrigen sich ins Gras gelagert hatten, lief er ins Haus, holte eine Menge gebackne Brod-Frucht und setzte uns solche auf den Pisangblättern vor. Nächst diesem brachte er noch einen Mottenkorb voll Vih oder Tahitische Äpfel, welches eine Frucht von der Spondias-Art und im Geschmack der Ananas ähnlich ist, und nunmehro bath er uns, zuzulangen. Es schmeckte uns allen herzlich wohl, der Spatziergang und die frische Morgenluft hatten uns guten Appetit verschaft und überdies waren die Früchte vortreflich. Wir fanden die Tahitische Zubereitung der Brodfrucht (die so wie alle andre Speisen, vermittelst heißer Steine in der Erde gebacken wird) unendlich besser als unsre Art sie zu kochen. Bey dieser Bereitung bleibt aller Saft beysammen und wird durch die Hitze noch mehr verdickt; beym Kochen hingegen saugt sich viel Wasser in die Frucht und vom Geschmack und Saft geht viel verloren. Um das Tractament zu beschließen, brachte der Wirth fünf Coco-Nüsse, die er auf eine sehr ungekünstelte Art öfnete, indem er die äußeren Fäden mit den Zähnen wegriß. Den kühlen hellen Saft derselben goß er in eine reine Schaale einer reifen Coco-Nuß, und reichte sie einem jeden von uns nach der Reihe zu. Die Leute waren hier bey allen Gelegenheiten gutherzig und freundschaftlich gewesen, und hatten uns zuweilen, wenn wir es begehrten, Coco-Nüsse und andre Früchte, für Glas-Corallen verkauft; allein so uneigennützig und wahrhaft gastfrey als dieser Mann, hatte während unsers kurzen Hierseyn, sich noch keiner gegen uns bewiesen. Wir hieltens daher für unsre Pflicht, ihn nach Vermögen zu belohnen, und schenkten ihm das beste, was wir bey uns hatten, eine Menge durchsichtiger Glas-Corallen und Nägel, womit er äußerst vergnügt und zufrieden war.

Ausgeruhet und erquickt schieden wir nunmehro von diesem friedlichen Sitze patriarchialischer Gastfreyheit und giengen noch weiter ins Land hinauf, ohne uns daran zu kehren, daß unter dem großen Haufen von Indianern, die uns begleiteten, viele waren, denen damit eben nicht gedient zu seyn schien. Wir hatten indessen von ihrem Mißvergnügen weiter keinen Schaden als daß sich unser Gefolge verminderte, indem die mehresten, jetzt nach ihren Wohnungen zurückkehrten. Dies ließen wir uns gern gefallen; die wenigen, die noch bey uns blieben, übernahmen es, die Stelle von Wegweisern zu vertreten, und so erreichten wir bald das Ende des Thals. Hier hörten die Hütten und Pflanzungen der Indianer auf, und wir hatten nun die Berge vor uns, zu denen ein stark betretner Fussteig, der hie und da von hohen Bäumen beschattet war, durch wildes Gebüsch hinauf führte. An den verwachsensten Stellen, die wir mit Fleis durchsuchten, fanden sich verschiedne Pflanzen, desgleichen einige Vögel, welche den Naturforschern, bis jetzt, noch unbekannt geblieben waren. Mit diesem kleinen Lohn für unsre Mühe, kehrten wir nach dem Ufer zurück, worüber unsre indianischen Freunde und Begleiter herzlich froh waren. Am Strande trafen wir auf dem Handelsplatze einen großen Zusammenfluß von Landeseinwohnern an, und sahen, daß unsre Leute eine Menge von Zehrwurzeln (eddoes) und andern Gewächsen, an Brodfrüchten hingegen nur wenig zusammengebracht hatten. Dies letztere rührte von der späten Jahreszeit her, in welcher nur auf wenig einzelnen Bäumen hin und wieder noch eine Frucht hieng, die mehresten hingegen schon wieder für die nächste Erndte angesetzt hatten. Die ausnehmende Hitze reitzte uns zum baden, und ein Arm des nahgelegnen Flusses, der einen tiefen Teich von ziemlichen Umfang ausmachte, both uns die bequemste Gelegenheit hiezu an. Nachdem wir uns in diesem kühlen Wasser ganz erfrischt hatten, kehrten wir zum Mittagbrod an das Schiff zurück. Nachmittags ward es sehr regnigt und stürmisch; der Wind trieb die Adventure vom Anker, doch ward sie durch schleunige gute Anstalten ihrer Leute, bald wieder in die vorige Lage gebracht. Da dies schlimme Wetter uns an Bord eingeschlossen hielt; so beschäftigten wir uns diese Zeit über, um die bisher gesammleten Pflanzen und Thiere in Ordnung zu bringen und die unbekannten zu zeichnen. Ohngeachtet wir aber bereits drey Tage lang aufs Botanisiren ausgegangen waren, so belief sich die Anzahl der neuentdeckten Pflanzen doch noch gar nicht hoch, welches, bey einer so blühenden Insel als Tahiti, ein überzeugender Beweis ihrer hohen Cultur ist. Wäre sie weniger angebauet; so würde, dem herrlichen Boden und Clima nach, das Land überall mit hunderterley Arten von Kräutern, wild überwachsen gewesen seyn, anstatt daß jetzt dergleichen kaum hie und da einzeln aufsproßten. Auch von Thieren gab es nur wenige allhier, weil diese Insel nicht allein von geringem Umfange, sondern auch auf allen Seiten gar zu weit vom festen Lande entfernt ist. Außer einer ungeheuren Menge von Ratten, welche die Eingebohrnen aller Orten ungehindert herum laufen ließen, ohne zu Vertilgung oder Verminderung derselben irgend ein Mittel vorzukehren, fanden wir kein andres vierfüßiges Thier allhier, als zahme Schweine und Hunde. Das Geschlecht der Vögel hingegen war schon ungleich zahlreicher, und von Fischen gab es vollends eine so große Menge neuer Arten, daß man fast jedesmal auf Entdeckungen rechnen konnte; so oft den Indianern ein neuer, frischgefangner Vorrath davon abgekauft ward. Die große Mannichfaltigkeit, welche wir in dieser Classe der Geschöpfe fanden, rührt natürlicherweise daher, daß sie aus einem Theile des Oceans so leicht und ungehindert nach dem andern gelangen können, und eben daher kommt es auch, daß man, zumal unter den Wende-Creysen, gewisse Arten derselben rund um die ganze Welt antrifft.

Im Pflanzenreiche sahe es allhier nur allein für die Botanik unangenehm, in aller andern Absicht aber, desto vortheilhafter aus. Von wilden Kräutern, die der Naturforscher in Menge zu finden wünschte, gab es nemlich, wie gesagt, nur wenige, dagegen desto mehr eßbare Gewächse und Früchte, als Yams, Zehrwurzeln, (eddoes) Tahiti-Äpfel, Pisang- und Brodfrüchte, Von allen diesen, besonders von den ersteren drey Arten, als für welche es gerade die rechte Jahreszeit war, brachten uns die Eingebohrnen so große Quantitäten zum Verkauf, daß die gesammte Mannschaft beyder Schiffe damit gespeiset werden konnte. Bey einer so gesunden Kost erholten sich unsre mit dem Scorbut behafteten Kranken gleichsam zusehends; ja wir alle befanden uns, bis auf einen Durchlauf, den die schleunige Veränderung der Nahrungsmittel im Anfang verursachte, ungemein wohl dabey. Das einzige, woran es uns noch fehlte, war frisches Schweinefleisch. Es kam uns desto härter an, desselben zu entbehren, da wir dergleichen Thiere, auf allen unsern Spatziergängen, in Menge antrafen, ob sich gleich die Leute immer Mühe gaben, sie für uns versteckt zu halten. Zu dem Ende sperrten sie solche in kleine Ställe ein, die ganz niedrig gebauet und oben flach mit Brettern belegt waren, so daß eine Art von Platteform daraus entstand, auf welche sie sich selbst setzten oder niederlegten. Wir suchten sie durch alle ersinnliche Mittel dahin zu bewegen, daß sie uns welche ablassen mögten. Wir bothen ihnen Beile, Hemden und andre Waaren an, die hier zu Lande in hohen Werth standen; aber alles war umsonst. Sie blieben dabey, die Schweine gehörten dem Ärih oder König. Anstatt mit dieser Antwort zufrieden zu seyn und dem guten Willen der Leute Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, die uns, wenn gleich nicht mit Schweinen, doch mit andern Lebensmitteln versorgten, denen unsre Kranken ihre Wiederherstellung, und wir alle unsre Erquickung zu verdanken hatten, ward den Capitains von einigen Leuten an Bord der Vorschlag gemacht, mit Gewalt eine hinlängliche Anzahl Schweine zu unserm Gebrauche wegzunehmen, und hernachmals den Einwohnern so viel an europäischen Waaren zu geben, als das geraubte Vieh, dem Gutdünken nach, werth seyn mögte. Da aber ein solches Verfahren ganz und gar tyrannisch, ja auf die niederträchtigste Weise eigennützig gewesen wäre; so ward der Antrag mit aller gebührenden Verachtung und Unwillen verworfen.

Unsre Sammlung von Naturalien war bis jetzt noch immer so unbeträchtlich, daß uns die Zeichnung und Beschreibung derselben wenig zu thun machte, und daß wir Muße genug übrig hatten, täglich von neuem ans Land zu gehen, sowohl um mehrere zu suchen, als auch um den Character, die Sitten und den gegenwärtigen Zustand der Einwohner genau zu beobachten.

Am 20sten nahm ich nebst verschiednen Officiers, um Mittagszeit einen Spatziergang nach der östlichen Landspitze des Havens vor. Auf dem Wege dahin, fanden wir einen Bach vor uns, der zum durchwaden zu tief und zu breit war; wir wagten es also, uns in ein indianisch Canot einzuschiffen, und kamen auch glücklich damit hinüber. Auf dem jenseitigen Ufer schimmerte aus dem Buschwerk ein ziemlich großes Gebäude hervor, und vor demselben fanden wir bey unsrer Annäherung eine Menge des feineren Tahitischen Zeuges, das nach der Indianer Aussage, in dem Fluß gewaschen war, auf dem Grase ausgebreitet liegen. Dicht neben dem Hause hieng auf einer Stange ein Brust-Schild von halb cirkelförmiger Gestalt, der aus Coco-Nußfasern, ohngefähr so wie Korbmacher-Arbeit zusammengeflochten und auf der äußern oder rechten Seite mit den glänzenden blaugrünen Federn einer Taubenart bedeckt, imgleichen mit drey bogenförmigen Reihen von Hayfisch-Zähnen gezieret war. Ich frug, ob diese Rüstung zu verkaufen sey? Es hies aber Nein, und folglich mochte sie vielleicht da hängen um gelüftet zu werden. Ein Mann von mittlern Alter, der in dieser Hütte seiner Ruhe pflegte, nöthigte uns Platz bey ihm zu nehmen, und so bald dieses geschehen, untersuchte er meine Kleidung mit vieler Aufmerksamkeit. Er hatte sehr lange Nägel an den Fingern, worauf er sich nicht wenig zu gut that. Ich merkte auch bald, daß dies ein Ehrenzeichen ist, in so fern nemlich nur solche Leute die nicht arbeiten, die Nägel so lang wachsen lassen können. Eben diese Gewohnheit findet man unter den Chinesern, und auch die sind sehr stolz darauf. Ob aber die Einwohner von Tahiti sie aus China her bekommen, oder ob zufälligerweise beyde Völker, ohne einige Gemeinschaft mit einander zu haben, auf einerley Einfall gerathen seyn mögen? Das dünkt mich selbst für den Scharfsinn eines Needham und des Guignes zu hoch. In verschiednen Winkeln der Hütte saßen, hier die Mannsleute, dort die Frauenspersonen beysammen und nahmen so von einander abgesondert ihr Mittagsmahl zu sich, das in Brodfrucht und Pisangen bestand. Beyde Partheyen schienen, je nachdem wir uns einer oder der andern näherten, zu wünschen, daß wir mit essen mögten. Es ist eine sehr sonderbare Gewohnheit, daß sich hier zu Lande beyde Geschlechte beym Essen von einander trennen müssen; warum dies aber geschiehet, oder was Veranlassung zu diesem Gebrauch gegeben haben mag? konnten wir eben so wenig als Capitain Cook auf seiner vorigen Reise in Erfahrung bringen.

Nachdem wir diese Hütte verlassen, so gelangten wir durch ein wohlriechendes Gebüsch zu einer andern, in der sich O-Tai, nebst seiner Frau und Kindern, imgleichen mit seinen beyden Schwestern, der Maroya und Maroraï befand. Der Officier, welcher seine Bett-Tücher eingebüßt, war bey uns, hielt es aber für vergebliche Mühe darnach zu fragen, und suchte vielmehr seine Schöne durch neue Geschenke zu gewinnen. Corallen, Nägel und andre Kleinigkeiten wurden reichlich dran gewandt. Das Mädchen nahm sie freundlich genug an, blieb aber bey den feurigsten Wünschen ihres Liebhabers unerbittlich. Was ihr so sehr am Herzen gelegen und wofür allein sie sich ihm ergeben haben würde, das mogten die Bett-Tücher gewesen seyn, und die hatte sie vermuthlich weg; nunmehro schien sie folglich durch nichts weiter gereitzt werden zu können, einen Liebhaber zu erhören, den sie doch nur auf kurze Zeit gehabt haben würde. Auf diese Art erklärten wir uns wenigstens ihr Betragen; dazu kam noch, daß sie zu einer angesehenen Familie gehörte, und während Capitain Cook's vorigen langen Aufenthalt auf der Insel, hatte man wenig oder gar keine Beyspiele gefunden, daß Frauenzimmer, von besserem Stande, sich so gemein gemacht haben sollten. Wir konnten uns diesmal nicht lange bey ihnen aufhalten, weil der Tag Abschied zu nehmen anfieng. Es war würklich schon so spät, daß, als wir wieder an den Strand kamen, unsre Boote bereits nach dem Schiffe zurückgekehrt waren. Ich bedachte mich also nicht lange, sondern ward mit einem Indianer einig, daß er mich für eine einzige Glas-Coralle, die mir vom heutigen Spatziergang noch übrig geblieben war, in seinem Canot nach dem Schiffe übersetzen sollte, und so kam ich glücklich an Bord, ohnerachtet das armselige Fahrzeug nicht einmal einen Ausleger (outrigger) hatte.

Bey Anbruch des folgenden Tages, giengen wir wiederum ans Land und von neuem nach Osten hin. Je näher wir der östlichen Spitze des Havens Aitepieha kamen, je breiter ward die Ebene; die Pflanzungen von Brodfrucht- und Coco-Nußbäumen, von Pisangen und andern Gewächsen, an denen man schon durchgehends den Ansatz zur künftigen Erndte sahe, wurden immer ansehnlicher. Auch die Anzahl der Wohnhäuser nahm in dieser Gegend zu, und viele derselben schienen uns reinlicher und neuer zu seyn als beym Ankerplatze. Unter andern erblickten wir in einem dergleichen, welches mit Rohrwänden versehen war, große Ballen von Zeug und eine Menge von Brustschild-Futteralen, die inwendig am Dache hiengen. Alles dieses, so wie das Haus selbst, gehörte dem König, Aheatua zu. Wir spatzierten ohngefähr 2 Meilen weit beständig in den anmuthigsten Wäldern und Pflanzungen von Brodfrucht-Bäumen fort, und sahen, wie die Leute aller Orten wieder an ihr Tagewerk giengen, vornemlich hörten wir die Zeugarbeiter fleißig klopfen. Man muß sich indessen nicht vorstellen, daß die Leute eben durch Noth und Mangel genöthigt werden, so unabläßig zu arbeiten: denn wo wir nur hinkamen, versammlete sich gemeiniglich bald ein großer Haufen um uns her und folgte uns den ganzen Tag über, zum Theil so unermüdet nach, daß mancher das Mittagbrod darüber versäumte. Doch giengen sie nicht so ganz ohne Neben-Absicht mit. Im Ganzen war ihr Betragen allemal gutherzig, freundschaftlich und dienstfertig; aber sie paßten auch jede Gelegenheit ab, eine oder die andre Kleinigkeit zu entwenden und damit wußten sie ausnehmend gut Bescheid. Wenn wir sie freundlich ansahen oder ihnen zulächelten, so hielten manche es für die rechte Zeit, von unserm guten Willen Gebrauch zu machen und in einem bittenden Ton ein: Tayo, poe! hören zu lassen. Das bedeutete so viel als: Freund! ein Coralchen! Wir mogten ihnen hierinn willfahren oder nicht, so brachte es niemals eine Ändrung in ihrem Betragen hervor, sondern sie blieben so aufgeräumt und freundlich als zuvor. Wenn sie mit diesem Anliegen zu häufig kamen, so zogen wir sie auf und wiederholten ihre kindische Betteley im nemlichen Tone, worüber denn unter dem ganzen Haufen immer ein lautes Gelächter entstand. Sie redeten gemeiniglich sehr laut untereinander, und mehrentheils waren wir der Gegenstand ihrer Unterredung. Jedem neu Ankommenden, der die Zahl unsrer Begleiter vermehren half, wurden wir sogleich mit Namen genannt, die nach ihrer Aussprache auf wenige Vocalen und weichere Consonanten reducirt zu seyn pflegten; dann ward einem Jedem erzählt, was wir den ganzen Morgen über gethan oder gesagt hätten. Die erste Bitte bestand gewöhnlich darinn, daß wir ein Gewehr abfeuern mögten; und das thaten wir unter der Bedingung, wenn sie uns einen Vogel zum Ziel zeigen könnten. Doch waren wir dabey mehr als einmal in Verlegenheit, weil sie uns oft Vögel zeigten, die vier bis fünfhundert Schritte weit von uns saßen. Sie wußten nicht, daß die Würkung unsers Gewehrs nur bis auf gewisse Entfernungen reicht; und da es eben nicht rathsam war, sie das Geheimniß zu lehren, so stellten wir uns gemeiniglich als könnten wir den Vogel nicht gewahr werden, bis wir unter diesem Vorwande so nahe heran gekommen, daß er zu erreichen war. Der erste Schuß machte immer großes Schrecken; einige fielen darüber platt zur Erde oder rannten ohngefähr zwanzig Schritt weit zurück, bis wir ihnen durch freundliches Zureden die Furcht benommen, oder ihre herzhafteren Landsleute den geschoßnen Vogel aufgelangt hatten. Sie gewöhnten sich indessen bald besser daran, und wenn sie gleich noch bey jedem neuen Schusse zusammen fuhren, so ließen sie ihre Furcht wenigstens zu keinem weitern Ausbruche kommen.

So freundschaftlich wir nun auch aller Orten aufgenommen wurden, so suchte man gleichwohl überall die Schweine vor uns zu verstecken; und wenn wir darnach frugen, so waren die Leute entweder verlegen, oder sagten, sie hätten keine, oder versicherten, sie gehörten Aheatua'n zu. Wir hielten es also fürs beste, uns gar nicht weiter darum zu bekümmern, und ob wir gleich, fast in jeder Hütte, Schweine genug verborgen fanden, so stellten wir uns doch als merkten wir es nicht, oder als wäre es uns nicht darum zu thun. Dies Betragen machte ihr Vertrauen zu uns desto größer.

Nachdem wir etliche Meilen weit gegangen waren, setzten wir uns auf einige große Steine nieder, die vor einer Hütte eine Art von erhöhtem Pflaster ausmachten, und bathen die Einwohner, daß sie uns, gegen baare Zahlung in Corallen, etwas Brodfrucht und Coco-Nüsse verschaffen mögten. Sie waren sehr willig dazu, brachten herbey was sie hatten und in der Geschwindigkeit stand das Frühstück aufgetischt vor uns. Um es desto ruhiger zu verzehren, ließen wir den ganzen Haufen unsrer Begleiter in einiger Entfernung von uns niedersitzen, damit sie keine Gelegenheit haben mögten, Gewehr oder andre Dinge zu erhaschen, die wir beym Essen von uns legen mußten. Die guten Leute gedachten unsre Collation recht vollständig und schön zu machen; in dieser Absicht brachten sie uns eine Cocosnuß-Schaale voll kleiner Fische, welche sie in Salzwasser eingetunkt, roh zu essen pflegen. Wir kosteten davon und fanden sie gar nicht unangenehm, weil wir aber nicht an rohe Speisen solcher Art gewohnt waren, so vertheilten wir diese Leckerbissen nebst den übriggebliebenen Früchten unter diejenigen von unsren Begleitern, die uns am liebsten waren.

Als wir nach eingenommenem Frühstück weiter gegen die Berge gehen wollten, suchten uns die Indianer zu überreden, daß wir lieber in der Ebne bleiben sollten. Da wir aber augenscheinlich sahen, daß diese Bitte blos aus Trägheit herkam, damit sie nemlich der Mühe überhoben seyn mögten, die bergigten Gegenden zu ersteigen,[13] und es uns um ihre Begleitung eben nicht so sehr zu thun war; so giengen wir ohngeachtet ihres Ungestüms weiter, worauf denn der größte Theil unseres Gefolges hinter uns drein gaffend stehen blieb, die übrigen aber ein jeder seine Straße zog. Nur ein Paar von ihnen, die weniger bequem als die übrigen seyn mochten, blieben bey uns, und erbothen sich zu Wegweisern. Sie führten uns einen Erdriß zwischen zween Bergen hinauf, woselbst wir einige neue wilde Pflanzen und eine Menge kleiner Schwalben antrafen, die über einen Bach hinstrichen, der auf einem Kieselgrunde herabrauschte. Das Ufer, dessen schlängelnder Krümmung wir aufwärts folgten, brachte uns zu einem senkrecht stehenden und mit mancherley wohlriechendem Gebüsch behangenen Felsen, von welchem sich eine Crystallhelle Wasser-Säule in einen glatten klaren Teich herabstürzte, dessen anmuthiges Gestade überall mit bunten Blumen prangte. Dies war eine der schönsten Gegenden die ich in meinem Leben gesehen. Kein Dichter kann sie so schön mahlen. Wir sahen von oben auf die fruchtbare überall angebaute und bewohnte Ebene herab, und jenseits dieser in das weite, blaue Meer hinaus! Die Bäume, welche ihre dickbelaubten Zweige gegen den Teich hin ausbreiteten, gewährten uns kühlen Schatten, und ein angenehmes Lüftchen welches über das Wasser her wehete, milderte die Hitze des Tages noch mehr. Hier legten wir uns auf den weichen Rasen hin, um beym feyerlich einförmigen Geräusch des Wasserfalls, dazwischen dann und wann ein Vogel schlug, die eingesammelten Pflanzen zu beschreiben, ehe sie verwelkten. Unsre Tahitischen Begleiter lagerten sich ebenfalls unter das Gebüsch hin, und sahen uns mit stiller Aufmerksamkeit zu. Wir hätten den ganzen Tag in dieser reizenden Einöde zubringen mögen! allein unser Beruf gestattete keine Unthätigkeit; so bald wir also mit den Beschreibungen fertig waren, begnügten wir uns die romantische Gegend noch einmal zu betrachten, und kehrten alsdenn nach der Ebene zurück. Hier kam uns ein großer Haufen Indianer entgegen, die Herren Hodges und Grindall begleiteten, zu denen auch wir uns geselleten. Herr Hodges hatte einem jungen Burschen von ungemein glücklicher Bildung, der eine besondre Neigung zu ihm bezeigte, sein Zeichnungs-Portefeuille anvertrauet. Keine Gunstbezeigung, glaub ich, hätte diesem jungen Menschen mehr Vergnügen machen können, als dieser öffentliche Beweis des auf ihn gesetzten Vertrauens, wenigstens schien er ganz stolz darauf zu seyn, daß er im Angesicht aller seiner Landesleute mit dem Portefeuille untern Arm neben uns her gehen konnte. Ja auch die andern Indianer thaten heute insgesammt vertraulicher und zudringlicher als sonst, vielleicht weil sie durch den Vorzug, der ihrem Landsmann wiederfuhr, sich alle für geehrt hielten, vielleicht auch weil es ihnen gefallen mochte

Herrn Hodges und Grindall, so unbesorgt unter sich zu sehen, indem diese beyde Herren völlig unbewafnet waren. In diesem friedlichen Aufzuge gelangten wir nun an eine geräumige Hütte, in welcher eine zahlreiche Familie beysammen war. Ein alter Mann, aus dessen Blicken Friede und Ruhe hervorleuchtete, lag auf einer reinen Matte und sein Haupt ruhte auf einem Stuhle, der ihm zum Küssen diente. Es war etwas sehr Ehrwürdiges in seiner Bildung. Sein silbergraues Haar hieng in vollen Locken um das Haupt her, und ein dicker Bart, so weiß als Schnee, lag auf der Brust. In den Augen war Leben, und Gesundheit sas auf den vollen Wangen. Der Runzeln, welche unter uns das Antheil der Greise sind, waren wenig; denn Kummer, Sorgen und Unglück, die uns so frühzeitig alt machen, scheinen diesem glücklichen Volke gänzlich unbekannt zu seyn. Einige Kinder, die wir für seine Gros-Kinder ansahen, der Landesgewohnheit nach ganz nackend, spielten mit dem Alten, dessen Handlungen, Blick und Minen augenscheinlich bewiesen, wie Einfalt des Lebens, die Sinnen bis ins hohe Alter bey vollen Kräften zu erhalten vermag. Einige wohlgebildete Männer und kunstlose Dirnen hatten sich um ihn her gelagert und bey unserm Eintritt schien die ganze Gesellschaft, nach einer ländlich frugalen Mahlzeit, im vertraulichen Gespräch begriffen zu seyn. Sie verlangten, daß wir uns auf die Matten neben sie setzen mögten, wozu wir uns nicht zweymal nöthigen ließen. Es schien, als hätten sie noch keinen Europäer in der Nähe gesehen, wenigstens fiengen sie sogleich an, unsre Kleidungen und Waffen neugierigst zu untersuchen, doch ließ ihr angebohrnes flatterhaftes Wesen nicht zu, länger als einen Augenblick bey einerley Gegenstande zu verweilen. Man bewunderte unsre Farbe, drückte uns die Hände, konnte nicht begreifen, warum keine Puncturen darauf waren und daß wir keine lange Nägel hätten. Man erkundigte sich sorgfältig nach unsern Namen und machte sich eine Freude daraus, sie uns mehrmalen nachzusprechen. Dies kam aber, der indianischen Mundart nach, allemal so verstümmelt heraus, daß selbst Etymologisten von Profeßion Mühe gehabt haben würden, sie wieder zu errathen. Forster ward in Matara verändert; Hodges in Oreo; Grindall in Terino; Sparman in Pamani, und George[14] in Teori. An der Gastfreyheit, die wir in jeder Hütte fanden, fehlte es auch hier nicht; man both uns Cocos-Nüsse und E-vihs an, um den Durst zu löschen, und der Alte ließ uns oben drein eine Probe von den musicalischen Talenten seiner Familie hören. Einer von den jungen Männern blies mit den Nasenlöchern eine Flöte von Bamburohr, die drey Löcher hatte[15] und ein andrer sang dazu. Die ganze Music war, sowohl von Seiten des Flötenspielers als auch des Sängers, nichts anders als eine einförmige Abwechselung von drey bis vier verschiednen Tönen, die weder unsern ganzen, noch den halben Tönen ähnlich klangen, und dem Werth der Noten nach, ein Mittelding zwischen unsern halben und Vierteln seyn mochten. Übrigens war nicht eine Spur von Melodie darinn zu erkennen; eben so wenig ward auch eine Art von Tact beobachtet, und folglich hörte man nichts als ein einschläferndes Summen. Auf diese Weise konnte die Music das Ohr freylich nicht durch falsche Töne beleidigen, aber das war auch das beste dabey, denn lieblich war sie weiter eben nicht zu hören. Es ist sonderbar, daß, da der Geschmack an Music unter alle Völker der Erde so allgemein verbreitet ist, dennoch die Begriffe von Harmonie und Wohlklang bey verschiednen Nationen so verschieden seyn können. - Wir sahen in dieser Hütte das Bild von wahrer Volks-Glückseligkeit realisirt, und Herr Hodges konnte sich nicht enthalten, von einem so seltnen Gemählde verschiedne Zeichnungen zu entwerfen, die der Nachwelt anschauende Begriffe von diesen Scenen geben werden, die sich besser fühlen, denn durch Worte ausdrücken lassen. Aller Indianer Augen waren auf sein Zeichnen geheftet, aber wie groß war ihr Erstaunen und Vergnügen, als sie zwischen seiner Arbeit und den Gesichtszügen einiger ihrer anwesenden Landsleute eine auffallende Änlichkeit gewahr wurden. Ohnerachtet wir uns seit unserm Hierseyn schon viel Mühe gegeben hatten die Sprache zu erlernen, so waren wir doch noch nicht weit darinn gekommen und mußten daher Verzicht auf das Vergnügen thun, welches uns die Unterhaltung mit diesen glücklichen Leuten ohne Zweifel gewähret haben würde. Einzelne Wörter und stumme Pantomime war alles, wodurch wir uns ausdrücken konnten. Aber selbst das war hinreichend, die guten Leute zu vergnügen, und unsre Gelehrigkeit und Bestreben ihnen zu gefallen, war ihnen wenigstens eben so angenehm als ihre Gefälligkeit uns zu dienen und zu unterrichten. Der alte Mann änderte unsertwegen seine Stellung nicht. Ohne sein Haupt von Stuhl zu erheben, that er verschiedne kleine Fragen an uns: Z. E. wie der Erih oder Befehlshaber des Schiffs hieße? wie das Land genannt werde aus dem wir kämen? wie lang wir bleiben würden? ob wir unsre Frauens bey uns hätten? u. d. gl. Er schien zwar von alle dem schon durch seine Landsleute unterrichtet zu seyn, doch mochte er von uns selbst die Bestätigung ihrer Aussage hören, oder durch das Gespräch uns blos unterhalten wollen. Wir beantworteten seine Fragen so gut wir konnten; theilten hierauf einige Corallen, Medaillen und andre Kleinigkeiten unter seine Familie aus, und giengen alsdenn weiter. Auf diese Weise hätten wir zu Fuß um die ganze Insel wandern können. Einerseits ließ uns die Gastfreyheit der Einwohner in jeder Hütte, wo wir hätten einkehren mögen, die nöthigen Erfrischungen hoffen, und auch in Absicht des Weges würde es sich überall haben gut fortkommen lassen, denn die Ebene zwischen den Bergen und der See, läuft um die ganze Insel ohnunterbrochen herum; der Boden ist auf diesem schmalen Landstrich völlig eben und der Weg an vielen Stellen mit feinem Grase bewachsen. Kein einziges schädliches Thier schreckte uns; nicht einmal Mücken oder Muskito-Fliegen summten um uns her. Die Brod-Frucht-Wälder machten selbst gegen die Mittags-Sonne einen angenehmen Schatten und die Hitze ward noch überdies durch eine kühle Seeluft gemäßigt. Da aber die Einwohner gewohnt sind, während den Mittags-Stunden zu ruhen, so verliefen sie sich auch jetzt einer nach dem andern in die Büsche und nur sehr wenige von ihnen blieben noch bey uns. Nachdem wir ohngefähr noch 2 Meilen weiter gen Südost gegangen waren, befanden wir uns an der See, die hier ziemlich weit in die Küste herein reichte und eine kleine Bucht ausmachte. Rings um uns her waren überall Plantagen und mitten auf einem schönen Grasplatz, trafen wir auch ein Marai oder Begräbniß an, das aus drey Reihen oder Stufen von Steinen übereinander erbauet war. Jede Stufe mochte ohngefähr viertehalb Fus hoch seyn, und alle waren mit Gras, Farnkraut und kleinem Strauchwerke bewachsen. Vor dem Marai war an der Landseite hin, eine Mauer von fest übereinander gepackten Steinen aufgeführt, die ohngefähr 3 Fus Höhe hatte, und innerhalb dieser standen nach dem Gebäude zu, zwey bis drey einsam hingepflanzte Cocos-Palmen und verschiedne junge Casuarinen, die mit ihren traurig herabhängenden Zweigen der ganzen Scene ein feyerlich melancholisches Ansehen gaben. Nicht weit von diesem Marai, das mit dickem Buschwerk umgeben war, sahen wir eine kleine Hütte, (Tupapau) und unter dieser lag ein todter Cörper, mit einem Stück weißen Zeuge bedeckt, das auf den Seiten in langen Falten herabhieng. Junge Cocos-Palmen und Pisange sproßten hier aus der Erde und der Drachenbaum blühte umher. Nahebey stand eine andre Hütte, darinn ein Vorrath von Lebensmitteln für die Gottheit (Eatua) befindlich, und ohnweit derselben ein Pfahl aufgerichtet war, an welchen ein in Matten eingewickelter Vogel hieng. In dieser letzteren Hütte, welche auf einer kleinen Anhöhe lag, erblickten wir eine Frauensperson, die in betrübter gedankenvoller Stellung da saß. Bey unsrer Annäherung stand sie auf und winkte, daß wir nicht näher kommen möchten. Wir bothen ihr von fern ein kleines Geschenk, sie wollte es aber nicht annehmen, und wir erfuhren von unsern indianischen Begleitern, daß diese Person zu dem Marai gehöre, daß der todte Cörper eine Frauensperson sey, und daß erstere vermuthlich mit den Trauer-Ceremonien beschäftiget wäre.

Wir ließen sie also ungestört, und so bald Herr Hodges mit einer Zeichnung von diesem Platz fertig war, giengen wir wiederum zurück. Es war etwas Großes in dieser Scene, die in allen Stücken zu Religions-Betrachtungen Anlaß geben konnte. Auf dem Rückwege nach dem Wasserplatz, als woselbst wir gemeiniglich anzulanden und des Abends uns wiederum einzuschiffen pflegten, kamen wir neben einem geräumigen Hause vorbey, das in der angenehmsten Lage unter einem Haufen niedriger Cocos-Palmen erbauet war, die voller Früchte hiengen. Etliche kleine gebratene Fische, die man uns für ein Paar Corallen verkaufte, wurden hier zum Anbiß vorgelegt; Andre von unsrer Gesellschaft, denen es nicht ums Essen zu thun war; badeten unterdessen in der See und erschienen alsdenn, anstatt ihrer gewöhnlichen Kleidung, nach Tahitischer Manier, in Ahaus von hiesigem Zeuge gekleidet, welches den Leuten um uns her zum größter Vergnügen gereichte. Von hier aus führte uns der Weg längst den See-Ufer hin, neben einem andern Marai vorbey, das dem voriger sehr ähnlich war, und jenseits diesem kamen wir zu einem hübscher Hause, in welchem ein sehr fetter Mann ausgestreckt da lag, und in der nachläßigsten Stellung, das Haupt auf ein hölzernes Kopf küssen gelehnt, faullenzte. Vor ihm waren zwey Bediente beschäftigt seinen Nachtisch zu bereiten. Zu dem Ende stießen sie etwas Brodfrucht und Pisange in einem ziemlich großen hölzernen Troge klein, gossen Wasser dazu und mischten etwas von dem gegohrnen, sauren Teige der Brodfrucht darunter, welcher Mahei genannt wird, bis das Gemische so dünn als ein Trank war. Das Instrument, womit sie es durchrieben, war eine Mörser-Keule von einem schwarzen polirten Steine, der eine Basalt-Art zu seyn schien.[16] Inmittelst setzte sich eine Frauensperson neben ihn und stopfte ihm von einem großen gebacknen Fische und von Brodfrüchten jedesmal eine gute Hand voll ins Maul, welches er mit sehr gefräßigem Appetit verschlang. Man sahe offenbar, daß er für nichts als den Bauch sorge, und überhaupt war er ein vollkommnes Bild pflegmatischer Fühllosigkeit. Kaum würdigte er uns eines Seitenblicks und einsylbigte Wörter, die er unterm Kauen zuweilen hören ließ, waren nur eben so viel Befehle an seine Leute, daß sie überm Hergucken nach uns, das Füttern nicht vergessen mögten. Das große Vergnügen, welches wir auf unsern bisherigen Spatziergängen in der Insel, besonders aber heut, empfunden hatten, ward durch den Anblick und durch das Betragen dieses vornehmen Mannes nicht wenig vermindert. Wir hatten uns bis dahin mit der angenehmen Hofnung geschmeichelt, daß wir doch endlich einen kleinen Winkel der Erde ausfündig gemacht, wo eine ganze Nation einen Grad von Civilisation zu erreichen und dabey doch eine gewisse frugale Gleichheit unter sich zu erhalten gewußt habe, dergestalt, daß alle Stände mehr oder minder, gleiche Kost, gleiche Vergnügungen, gleiche Arbeit und Ruhe mit einander gemein hätten. Aber wie verschwand diese schöne Einbildung beym Anblick dieses trägen Wollüstlings, der sein Leben in der üppigsten Unthätigkeit ohne allen Nutzen für die menschliche Gesellschaft, eben so schlecht hinbrachte, als jene privilegirten Schmarotzer in gesitteten Ländern, die sich mit dem Fette und Überflüsse des Landes mästen, indeß der fleißigere Bürger desselben im Schweiß seines Angesichts darben muß. Die träge Üppigkeit dieses Insulaners glich gewissermaßen dem Luxus dieser Art, der in Indien und andern östlichen Ländern unter den Großen so allgemein im Schwange ist, und über den sich Sir John Mandeville, in der Beschreibung seiner asiatischen Reisen, mit gerechtem Unwillen ausläßt. Dieser brave Rittersmann, dessen Denkungsart und Heldenmuth ganz auf den ritterhaften Ton seiner Zeiten gestimmt waren, brachte sein Leben in beständiger Thätigkeit hin, und gerieth in herzlichen Eifer, als er irgendwo ein Ungeheuer von Faulheit antraf, das seine Tage verstreichen ließ, „ohne einziges ritterliches Ebentheuer und so immerfort faullenzte als ein Schwein, das auf dem Stalle gefüttert wird, um gemästet zu werden.“[17]

Nachdem wir diesem Tahitischen Fresser eine Weile zugesehen hatten, trennte sich unsre Gesellschaft. Ich meines Theils blieb bey Herrn Hodges und Grindall, und da diese von dem gutherzigen jungen Burschen der ersterem das Portefeuille trug, gebeten worden waren, mit nach seiner Eltern Hause zu kommen, so begleitete ich sie dahin. Es war 5 Uhr Abends, als wir daselbst ankamen. Die Wohnung war klein, aber niedlich, und das vor demselben befindliche Steinpflaster fanden wir mit frischem Laube bestreuet, auf welchem ein großer Vorrath der besten Coco-Nüsse und wohlbereiteter Brodfrucht in schönster Ordnung aufgetragen war. Zwey ältliche Personen standen dabey und suchten die Ratten von den Speisen abzuhalten; auf diese lief der junge Mensch zu und stellte sie uns, bey unserer Annäherung, als seine Eltern vor. Man konnte es ihnen augenscheinlich ansehen, wie herzlich vergnügt sie darüber waren, die Freunde ihres Sohnes bey sich zu sehen und sie bewirthen zu können. In dieser Absicht bathen sie, daß wir uns zu der veranstalteten Mahlzeit niederlassen mögten. Wir konnten anfänglich nicht begreifen wie es zugehe, daß sie bey unsrer Ankunft schon völlig bereitet war. Es fiel uns aber nachher bey, daß unser junge Begleiter etliche Stunden zuvor einen seiner Cameraden voraus geschickt, und durch diesen hatte er das Gastmahl vermuthlich bestellen lassen. Da dies heute die erste rechte Mahlzeit war, zu der wir uns niederließen, so kann man sich vorstellen, daß wir mit gutem Appetit darüber herfielen, was man sich aber vielleicht nicht so lebhaft wird vorstellen können, war die Freude welche die gastfreyen Alten und ihr gutdenkender Sohn darüber bezeugten, daß uns ihr Mahl so wohl schmeckte. Bey diesem alten ehrwürdigen Paare, das uns bey Tisch bediente, hätten wir auf eine poetische Weise vergessen mögen, daß wir Menschen wären und auf den Gedanken kommen können, daß wir als Götter von Philemon und Baucis bewirthet würden; allein, unser Unvermögen sie zu belohnen, erinnerte uns nur zu sehr an unsre Sterblichkeit. Indessen suchten wir an eisernen Nägeln und Corallen zusammen was wir allerseits noch übrig hatten, und schenkten ihnen diese Kleinigkeiten mehr zum Zeichen unsrer Dankbarkeit, als zur Vergeltung ihres guten Willens. Beym Abschied packte der Knabe alles was wir nicht hatten aufessen können, zusammen, und trug uns solches bis ans Schiff nach. Hier machten ihm seine Freunde ein Beil, ein Hemde und andre Artikel von geringerem Werthe zum Gegengeschenk, durch die er sich für weit reichlicher als er selbst es erwartet haben mochte, belohnt zu halten schien, und noch desselben Abends ganz vergnügt zu seinen Eltern zurück kehrte. Während unsrer Abwesenheit war so wohl bey den Schiffen als am Strande der Tauschhandel wie gewöhnlich fortgeführt worden, und es hatte sich nichts besonders ereignet, außer daß Capitain Cook einen seiner alten Bekannten, den Tuahau wieder angetroffen, der ihn auf der vorigen Reise, als er die ganze Insel mit einem Boot umschiffte, sehr weit begleitet hatte.[18] Bey unsrer Zurückkunft war er nebst zween seiner Landsleute noch am Bord, indem sie allerseits gesonnen waren, die Nacht über bey uns zu bleiben. Während Capitain Cooks erster Anwesenheit, als er in Matavai-Bay vor Anker lag, hatten es die Indianer öfters so gemacht; seit unserm diesmaligen Hierseyn aber hatte es noch keiner wagen wollen. Tuahau dem unsre Lebensart und die Gegenstände im Schiffe schon bekannt waren, überließ es seinen unerfahrneren beyden Landesleuten, solche mit Verwunderung in Augenschein zu nehmen, dahingegen er für seine Person gleich eine sehr lebhafte Unterredung mit uns anfieng. Er fragte nach Tabane, Herrn Banks, Tolano, Dr. Solander, Tupaya und verschiednen andern Personen die er ehemals hier gesehen, und deren Namen er sich erinnerte. Es freute ihn zu hören, daß Herr Banks und Dr. Solander noch wohl wären. Er wiederholte diese Frage oft, als ob sie ihm die angelegentlichste wäre, und er bekam immer dieselbe Antwort darauf. Endlich frug er mit einem Blick, worinn man seine Sehnsucht sie wieder zu sehn lesen konnte, ob sie nicht noch einmal nach Tahiti kommen würden? Als er von Tupaya's Ableben hörte, verlangte er zu wissen, ob derselbe eines gewaltsamen oder natürlichen Todes gestorben sey? und es war ihm angenehm, aus unsern gebrochnen Worten und Zeichen abnehmen zu können, daß Krankheit seinem Leben ein Ende gemacht habe. Wir unsrer Seits fragten auf was für eine Art denn Tutahah, der während Capitain Cooks vorigen Hierseyn die Stelle eines höchsten Befehlshabers zu bekleiden schien, ums Leben gekommen wäre? Davon wußte er nun ein Langes und Breites zu erzählen, welches wir, wenn gleich nicht ganz im Detail, doch wenigstens der Hauptsache nach, deutlich verstanden, die darauf hinaus lief, daß zwischen demselben und dem alten Aheatua,[19] als dem Vater des jetzigen Königs auf Teiarrabu, ein großes See-Treffen vorgefallen sey, welches auf keiner Seite entscheidend gewesen; Tutahah sey nachmals mit seinem Heer über die Land-Enge gegangen, die beyde Halbinseln verbindet, daselbst habe er ein hartnäckiges Gefecht und darinn nebst Tuborai-Tamaide und andern ihm zugethanen Leuten von Stande, das Leben verloren. Bald nach Tutahahs Tode sey mit O-Tu,[20] der zuvor nur den Titel eines Regenten von Tahiti gehabt, nunmehro aber zur würklichen Verwaltung dieser Würde gelangt war, Friede gemacht worden. Der alte Aheatua hatte aber die Früchte seiner Siege nicht lange genossen, indem er wenig Monath nach erfolgtem Frieden gestorben, und nunmehro war ihm sein Sohn gleiches Namens, der bey des Vaters Lebzeiten, der Landesgewohnheit nach, schon den Titel Te-Erih[21] geführt und die damit verbundnen Ehrenbezeugungen genossen hatte, auch in dem wesentlichen Theil der königlichen Würde, der Regierung selbst nachgefolget.

Als Tuahau mit Erzählung dieser Staatsgeschichte fertig war, nahmen wir die Charte von O-Tahiti zur Hand, die zu Capitain Cook's voriger Reisebeschreibung in Kupfer gestochen worden, und legten ihm solche vor, ohne zu sagen was es sey. Er war aber ein viel zu erfahrner Pilote, als daß ers nicht sogleich sollte ausfündig gemacht haben.[22] Voller Freuden eine Abbildung seines Vaterlandes zu sehn, zeigte er uns sogleich mit. der Spitze des Fingers die Lage aller Whennua's oder Districte, und nannte sie in derselben Ordnung her, als sie auf der Charte geschrieben waren. Als er an den District O-Whai-urua gekommen war, der von unsrer jetzigen Ankerstelle etwas südwärts lag, zog er uns beym Arm, um aufmerksam auf die Charte zu sehn, und erzählte uns, daß in dem daselbst befindlichen Haven, vor einiger Zeit, ein Schiff, welches er immer Pahie no Peppe nannte, angekommen und fünf Tage allda vor Anker gelegen habe; die Mannschaft desselben hätte zehen Schweine von den Einländern bekommen; und einer von den Boots-Leuten, der von diesem Schiffe entlaufen sey, halte sich noch jetzt in der Insel auf. Wir vermutheten, daß dies ein spanisches Schiff gewesen seyn müsse, weil es gar nicht unwahrscheinlich war, daß die wiederholte Anwesenheit von englischen Schiffen die Spanier auf diese von ihrer Nation vermuthlich zuerst entdeckte Insel von neuem aufmerksam, und wegen ihrer benachbarten weitläuftigen Besitzungen in Süd-America, vielleicht auch besorgt gemacht haben mögte. So sonderbar es klingt, so bestätigte uns doch selbst der Name Peppe in unsrer Vermuthung. Er ist freylich himmelweit verschieden von Espanna, wovon er nach unsrer Meynung abgeleitet ist. Aber wir wußten schon, daß die Einwohner von Tahiti fremde Namen noch ärger als Engländer und Franzosen zu verstümmeln pflegen. Um indessen mehr Licht in der Sache zu bekommen, legten wir dem Tuahau noch manche Frage wegen dieses Schiffes vor, konnten aber nichts weiter herausbringen, als daß der entlaufne Matrose immer bey Aheatua sey und ihm angerathen habe, uns keine Schweine zukommen zu lassen. Was für eigennützige oder, bigotte, schwärmerische Absichten dieser Mann hiezu auch gehabt haben mag, so scheint es doch warlich der freundschaftlichste und beste Rath gewesen zu seyn, den er seinem Beschützer hätte geben können. Der sicherste Weg die Reichthümer seiner Unterthanen im Lande zu behalten, wozu hier für allen Dingen auch die Schweine gehören, und die beste Methode zu hindern, daß keine neuen Bedürfnisse unter diesem glücklichen Volke entstehen mögten, war ohnfehlbar, uns so bald als möglich zur Abreise zu nöthigen, und hiezu war die Versagung der Erfrischungen, deren wir am mehresten bedurften, das beste Mittel. Es ist würklich im Ernste zu wünschen, daß der Umgang der Europäer mit den Einwohnern der Süd-See-Inseln in Zeiten abgebrochen werden möge, ehe die verderbten Sitten der civilisirtern Völker diese unschuldigen Leute anstecken können, die hier in ihrer Unwissenheit und Einfalt so glücklich leben. Aber es ist eine traurige Wahrheit, daß Menschenliebe und die politischen Systeme von Europa nicht mit einander harmoniren!

Am folgenden Tage brachten einige unsrer Leute, die einen Spatziergang an der Küste gemacht hatten, die Nachricht mit an Bord, daß sie Aheatua angetroffen; und daß er ausdrücklich in diesen District gekommen sey, um uns Audienz zu geben. Sie waren ohne Ceremonie vor ihn gelassen worden, und Se. Majestät hatten, mitten in Dero Hofhaltung, die Hälfte ihres Stuhls einem unsrer Steuermänner, Herrn Smith eingeräumt. Auch hatte er sich gnädigst verlauten lassen, daß es ihm lieb seyn sollte, den Capitain Cook zu sehen, und daß er ihm eine beliebige Anzahl Schweine ablassen wolle, wenn dieser für jegliches ein Beil zu geben gesonnen sey. Das war nun allerdings die erfreulichste Neuigkeit, die wir seit langer Zeit gehört hatten. Unsre Leute wollten bey dieser Gelegenheit auch einen Mann bemerkt haben, der der Farbe und Gesichtsbildung nach, einem Europäer ähnlich gewesen, auf ihre Anrede aber unter dem großen Haufen verschwunden sey. Ob es würklich ein Europäer gewesen, oder ob Tuahau's Erzählung ihnen nur im Kopfe gesteckt? können wir nicht bestimmen. So viel aber ist gewiß, daß keiner von uns ihn jemals nachher zu sehen bekommen hat.

Um von Aheatua's guten Gesinnungen gleich auf frischer That Gebrauch zu machen, begaben sich die Capitains mit verschiednen Officiers, imgleichen Dr. Sparmann, mein Vater und ich, am folgenden Morgen früh ans Land. Opao, einer der Indianer, welche über Nacht am Bord geblieben waren, diente uns zum Führer, und rieth uns an, längst dem Flusse, aus dem die Wasserfässer angefüllet wurden, hinauf zu gehen. Als wir auf diesem Wege ohngefähr eine Meile zurückgelegt haben mochten, trafen wir einen großen Haufen Menschen an, die, so viel wir erkennen konnten, allerseits ihre Ober-Kleider hatten herunter fallen lassen, um die Schultern zu entblößen, welche Ehrenbezeigung nur allein dem Könige wiederfährt. Wir vermutheten daher, daß er in der Nähe seyn müsse, und fanden ihn auch bald mitten unter diesem Haufen, wo er sich auf einen großen, aus festem Holz verfertigten Stuhl niedergesetzt hatte, der ihm bis dahin von einem seiner Leute war nachgetragen worden. Aheatua erinnerte sich Capitain Cooks sobald er ihn ansichtig wurde, und machte auch gleich Raum für ihn auf seinem Sessel, immittelst Capitain Furneaux und wir übrigen uns auf große Steine niederließen. Kaum hatten wir Platz genommen, so drängte sich von allen Seiten eine unzählbare Menge Indianer herbey, und schloß uns in einen sehr engen Zirkel ein, worinn es bald so heiß ward, daß des Königs Bediente die Leute oft mit Schlägen zurücktreiben mußten, um uns Luft zu schaffen.

O-Aheatua, König von O-Tahiti-iti (Klein-Tahiti) sonst Teiarrabu genannt, war ein junger Mann von siebenzehn bis achtzehn Jahren, wohl gebaut, und bereits 5 Fuß 6 Zoll hoch, ohnerachtet er, dem Anschein nach seine völlige Größe noch nicht erreicht hatte. Es war etwas sanftes aber unbedeutendes in seiner Mine; und war ja Bedeutung darin, so drückte sie, wenigstens bey unserm ersten Besuche, nichts als Furcht und Mißtrauen aus, welches freylich zur Majestät nicht paßt, sondern vielmehr oft das Kennzeichen eines bösen Gewissens und unrechtmäßiger Herrschaft ist. Er war heller von Farbe als alle seine Unterthanen, und hatte schlichtes, langes, lichtbraunes Haar, das an den Spitzen ins röthlichtgelbe fiel. Seine ganze Kleidung bestand für diesmal nur in einer breiten Scherfe (Marro) vom feinsten weißen Zeuge, die von den Hüften bis auf die Knie herabreichte. Der Kopf und übrige Theil des Leibes war unbedeckt. Neben ihm saßen zu beyden Seiten einige Befehlshaber und Adliche, die sich durch ihre große und dicke Statur auszeichneten, ein Vorzug, den diese Classe von Leuten ihrer trägen Lebensart und wohlbesetzten Tafel zu verdanken hat. Einer derselben war auf eine sonderbare Weise punctirt, dergleichen wir sonst noch nicht bemerkt; es waren nämlich seine Arme, Beine, Schenkel und Seiten, fast über und über, mit großen schwarzen Flecken von allerhand Gestalt bedeckt. Eben dieser Mann, der E-Tieh hieß, war auch wegen seiner ungeheuren Corpulenz für andern auffallend, und schien überdies beym Könige Erih in besondern Ansehn zu stehen, indem dieser ihn fast bey jedem Vorfalle um Rath frug. So lange der König auf dem Stuhle oder seinem Throne sas, betrug er sich ungleich ernsthafter und steifer, als man es von seiner Jugend wohl hätte erwarten sollen. Es schien aber ein auswendig gelerntes, angenommenes Wesen zu seyn, durch welches unsre Audienz ein desto feyerlicheres Ansehen bekommen sollte. Bey einigen altfränkischen Staatsmännern möchte ihm das vielleicht zum Verdienst gerechnet werden; es war doch aber im Grunde nichts als eine Maskerade von Heucheley und Verstellung, die wir zu Tahiti kaum erwartet hätten.

Nach der ersten Begrüßung überreichte Capitain Cook dem Aheatua ein Stück rothen Boy (baize) ein Bett-Tuch, eine breite Zimmer-Axt, ein Messer, Nägel, Spiegel und Corallen. Mein Vater gab ihm ähnliche Geschenke, und unter andern eine Aigrette von Scharlachroth gefärbten Federn, die an einem gewundenen Drathe oder Zitter-Nadel befestigt waren. Diese schätzten Se. Majestät ungemein hoch und beym Anblick derselben brach die ganze Versammlung in ein lautes Au-wäh aus, welcher Ausruf Erstaunen und Bewundrung andeutet. Der König fragte nunmehro nach Herrn Banks, nach welchen vor ihm nur der einzige Tuahau gefragt hatte. Sodann erkundigte er sich wie lange wir bleiben würden, und gab dabey zu verstehen, daß es ihm lieb seyn sollte, wenn wir fünf Monath verweilen wollten. Cäpitain Cook antwortete, daß er im Gegentheil unverzüglich wieder absegeln müsse, weil nicht Lebensmittel genug zu bekommen wären. Der König schränkte also seine Bitte auf einen Monath, und endlich auf fünf Tage ein. Da aber Capitain Cook immer bey seiner vorigen Erklärung blieb; so versprach Aheatua uns am folgenden Tage Schweine zu schicken. Dergleichen Versprechungen waren uns indessen schon mehr als einmal gemacht worden, ohne daß jedoch etwas darauf erfolget wäre: Wir rechneten also auch jetzt nicht darauf; denn so wenig übrigens Teiarrabu als ein hoch verfeinerter Staat angesehen werden kann, so hatten wir doch längst gefunden, daß sich von der thätigen Gutherzigkeit, welche uns der Mittelstand, durch Gastfreyheit und eine Menge dienstfertiger und edler Handlungen, bezeigte, im geringsten nicht auf die Denkungsart des Hofes und der Hofleute schließen lasse, sondern daß es mit der scheinbaren und glänzenden Höflichkeit derselben blos darauf abgesehen sey, unsre Hoffnungen durch leere Versprechungen zu nähren und von einer Zeit zur andern aufzuhalten.

Während dieser Unterredung mit dem Könige ward das umherstehende gemeine Volk, welches aus wenigstens fünfhundert Menschen bestand, zuweilen so überlaut, daß man sein eigen Wort nicht hören konnte. Des Königs Bediente mußten daher auch mehrmalen mit durchdringender Stimme Mamu! (still!) ausrufen und diesem Befehl mit tüchtigen Stockschlägen Nachdruck geben. Als der Erih sahe, daß Capitain Cook die Zeit seines Hierbleibens schlechterdings nicht verlängern wollte, stand er auf und sagte, er würde uns nach dem Strande hinab begleiten, wohin ihm seine Bedienten den Stuhl und die empfangenen Geschenke nachtragen mußten. Nunmehro legte er die während der Audienz angenommene Ernsthaftigkeit bey Seite, und unterhielt sich auf dem Wege mit unsern gemeinsten Matrosen ganz vertraut. Mich bat er, daß ich ihm alle diejenigen bey Namen nennen möchte, die von beyden Schiffen am Lande waren; auch verlangte er zu wissen, ob sie ihre Weiber am Bord hätten? und als ich mit Nein darauf antwortete, rieth ihnen Se. Majestät in einem Ausbruch guter Laune, sie möchten unter den Töchtern des Landes wählen; man sahe aber diese Einladung für ein bloßes Compliment an. Als wir bald nachher bey einem Hause mit Rohrwänden vorbey kamen, setzte er sich im Schatten desselben nieder, und wir suchten innerhalb demselben Schutz für der Sonne, die bis jetzt hinter Gewölken verborgen gewesen war. Er forderte einige Coco-Nüsse und fieng an von Pahie no Peppe oder dem Spanischen Schiffe zu sprechen, wovon uns Tuahau die erste Nachricht gegeben hatte. Nach seiner Erzählung war das Schif fünf Monathe vorher zu Whai-Urua gewesen, und hatte sich daselbst zehn Tage lang aufgehalten. Er setzte hinzu, der Capitain habe viere von seinen Schiffsleuten aufhängen lassen, ein fünfter aber sey dieser Strafe entlaufen. Wir fragten eine lange Weile nach diesem Europäer, den sie O-Pahutu nannten, konnten aber nichts von ihm herausbringen, und da endlich die Hofschranzen Sr. Majestät merkten, daß wir uns so genau und ängstlich nach diesem Mann erkundigten, versicherten sie uns, er sey todt. Wir haben nachher erfahren, daß um dieselbige Zeit, welche die Indianer angaben, Don Juan de Langara y Huarte, von Callao in Peru, ausgeschickt worden, und Tahiti besucht habe; von den besonderen Umständen seiner Reise aber ist bis itzt noch nichts kund geworden. Während daß wir uns in diesem Hause allerseits ausruhten, fragte E-Tie (Eti) der dicke Mann, den wir für den vornehmsten Rath des Königs ansahen, ob wir in unserm Lande einen Gott (Eatua) hätten, und ob wir ihn anbetheten? (Epuhre?) Als wir ihm antworteten, daß wir einen Gott erkennten, der alles erschaffen habe, aber unsichtbar sey, und daß wir auch gewohnt wären, unsre Bitten und Gebethe an ihn zu richten, schien er höchlich darüber erfreuet und wiederholte es mit einigen, vermuthlich erläuternden, Zusätzen gegen verschiedene von seinen Landesleuten, die zunächst um ihn saßen. Hierauf wandte er sich wieder gegen uns und sagte, so viel wir verstehen konnten, daß seiner Landsleute Begriffe mit den unsrigen in diesem Stück übereinstimmten. Und in der That läßt sich aus mehreren Umständen abnehmen, daß dieser einfache und einzige richtige Begriff von der Gottheit, in allen Zeiten und Ländern bekannt gewesen ist, und daß, jene verwickelten Lehrgebäude von ungereimter Vielgötterey, die man fast bey allen Völkern der Erden angetroffen hat, nur der Kunstgriff einiger verschlagenen Köpfe gewesen, die ihr Interesse dabey fanden dergleichen Irrthümer allgemein zu machen. Herrschsucht, Wollust und Faulheit scheinen dem zahlreichen Haufen der heidnischen Pfaffen den teuflischen Gedanken eingegeben zu haben, den Geist der Völker durch Aberglauben zu fesseln und zu blenden. Es ist ihnen auch nicht schwer geworden, diesen Entwurf durchzusetzen, weil der Mensch von Natur so sehr zum Wunderbaren geneigt ist, und eben diese Neigung ist Schuld daran, daß jene damit übereinstimmende Vorurtheile sich so fest und so tief in die Systeme menschlicher Kenntniß hineingeschlungen hatten, daß sie bis auf diesen Augenblick noch in Ehren gehalten werden, und daß der größte Theil des menschlichen Geschlechts sich in dem Punkt noch immer auf die gröbste Weise blindlings hintergehen läßt.

Immittelst E-Tie von Religions-Sachen sprach, spielte König Aheatua mit Capitain Cooks Taschen-Uhr. Er betrachtete die Bewegung der Räder, die sich von selbst zu bewegen schienen, mit großer Aufmerksamkeit. Erstaunt über ihr Geräusch, welches er nicht begreifen und ausdrücken konnte, gab er sie zurück mit der Äußerung „sie spräche“ (parau) und fragte dabey wozu das Ding gut sey? Mit vieler Schwierigkeit machte man ihm begreiflich, daß wir sie gebrauchten um die Tageszeit daran zu erkennen, welche er und seine Landsleute, aus dem Fortrücken der Sonne am Horizont, zu schätzen gewohnt wären. Nach dieser Erklärung nannte ers eine kleine Sonne, um damit anzudeuten, daß er uns völlig verstanden.

Wir waren eben im Begriff nach dem Strande zurück zu kehren, als ein Mann mit einem Schweine ankam, welches der König dem Capitain unter der Versicherung schenkte, daß er noch eins bekommen solle. Mit diesem kleinen Anfange waren wir vor der Hand zufrieden und beurlaubten uns nunmehro von Se. Majestät, zwar ohne langweilige Ceremonie, blos mit einem herzlichen Tayo (Freund); doch war in diesem einzigen Ausdruck gewiß mehr Bedeutung als in mancher künstlichen Rede.

Nachmittags giengen die Capitains abermals mit uns zum Könige. Wir fanden ihn noch auf eben dem Platze, wo wir ihn beym Abschiede verlassen hatten, und er bat uns bey diesem Besuch von neuen, daß wir wenigstens noch ein paar Tage länger bleiben mögten. Man gab ihm aber eben die Antwort als zuvor, und sagte gerade heraus, daß wir blos deswegen abreisen würden, weil er uns nicht mit lebendigem Vieh versehen wollte. Hierauf ließ er sogleich zwey Schweine herbey bringen und schenkte jedem Capitain eins, welche Freygebigkeit durch allerhand Eisen-Geräthschaften erwiedert ward. Zu Unterhaltung Sr. Majestät ließen wir einen unsrer See-Soldaten, einen Bergschotten, auf dem Dudelsack spielen; und obgleich seine rauhe Musik unsern Ohren fast unausstehlich war, so fanden doch der König und die ganze indianische Versammlung ein so ausnehmendes Vergnügen daran, als man sich nicht vorstellen sollte. Das Mißtrauen, welches er bey unsrer ersten Unterredung hatte blicken lassen, war nun verschwunden; und wären wir länger geblieben, so mögte es sich vielleicht in ein unbeschränktes Vertrauen verwandelt haben, wenigstens schien er seiner Jugend und gutherzigen Gemüthsart nach, von Natur geneigt dazu zu seyn. Das studierte und gezwungen-gravitätische Wesen ward ganz bey Seite gesetzt, ja einige seiner Beschäftigungen kamen beynahe kindisch heraus. Um nur ein Beyspiel davon anzuführen: so fanden Se. Majestät ein hohes Wohlgefallen daran, mit einem unsrer Beile kleine Stöcke zu zerhacken und junge Pisang-Pflanzungen abzuhauen. Ohnerachtet wir aber seines nunmehrigen vertraulichen Betragens wegen gewissermaßen hoffen konnten, daß er im Ernste Anstalt machen würde, uns mit einem Vorrath von Schweinen zu versorgen; so wollten wir es doch nicht auf den bloßen Anschein wagen, länger hier zu bleiben. In dieser Absicht nahmen wir gegen Abend förmlichen Abschied von ihm, giengen an Bord zurück und lichteten die größere Anker noch ehe es Nacht ward.

Da die Einwohner am folgenden Morgen sahen, daß wir die Seegel in Ordnung brachten und andre ernsthafte Anstalten zur Abreise vorkehrten, so kamen sie haufenweise mit kleinen Canots voll Coco-Nüsse und andrer Gewächse an die Schiffe, und verkauften alles zu sehr geringen Preisen, damit sie nur die Gelegenheit europäische Waaren zu bekommen nicht ungenutzt mögten vorbey streichen lassen. Der Geschmack an Kleinigkeiten und Spielzeug, der auf eine so unbegreifliche Weise, mehr oder minder, über die ganze Welt verbreitet ist, gieng hier so weit, daß die Leute ein Dutzend der schönsten Coco-Nüsse für eine einzige Glas-Coralle hingaben, und auf diesen unbedeutenden Schmuck bisweilen einen höheren Werth legten als auf einen Nagel, der doch einigen Nutzen haben konnte. Wir fanden, daß die Insulaner jetzt weit ehrlicher zu Werk giengen als bey unsrer Ankunft. Vielleicht besorgten sie, daß die geringste Betrügerey dem Handel alsbald ein Ende machen würde, der ihnen seitdem erst recht am Herzen liegen mochte, seitdem sie sahen, daß er überhaupt nicht lange mehr dauern würde. Um die Vortheile desselben noch so lange als möglich zu genießen, begleiteten sie uns bis ein paar Meilen außerhalb des Rifs und kehrten dann erst zum Strande zurück, woselbst wir den Lieutenant Pickersgill mit einem Boot zurückgelassen hatten, um auch unsrer Seits von der Neigung, welche das Volk jetzt zum Handel blicken ließ, noch einigen Gebrauch zu machen.

Nunmehro, da wir gleichsam von neuem wieder uns selbst überlassen waren, konnte man sich ein wenig erholen und einmal wieder zu Athem kommen, welches sich während des kurzen Aufenthalts auf der Insel, bey der Menge von neuen Gegenständen, kaum hatte thun lassen wollen. Diese Ruhe war uns um so willkommner, da sie uns Zeit gab, den mancherley Betrachtungen nachzuhängen, zu denen wir während unsers Hierseyns so vielfältigen Stof gesammelt hatten. Nach allem, was wir auf dieser Insel gesehen und erfahren, dünkte sie uns, im Ganzen genommen, einer der glücklichsten Winkel der Erde. Zwar waren uns ehemals, nachdem wir lange Zeit vorher nichts als See, Eis und Luft vor uns gesehen hatten, auch die öden Felsen von Neu-Seeland so vortheilhaft ins Gesicht gefallen, daß wir anfänglich ebenfalls sehr günstige Urtheile darüber fällten: Allein diese ersten Eindrücke waren auch bald wieder verschwunden, und wir hatten in der Folge täglich mehr Gelegenheit gefunden, uns zu überzeugen, daß sich dieses Land allerdings noch in einem wilden chaotischen Zustande befände. Bey O-Tahiti hingegen verhielt es sich ganz umgekehrt. Die Insel sahe nicht nur schon fern reizend aus, sondern je näher wir derselben kamen, desto schöner wurden auch die Prospecte, ja selbst bey jedem Spatziergang entdeckten wir neue Annehmlichkeiten. Je länger wir blieben, je mehr wurden die Eindrücke des ersten Anblicks bestätigt, ohngeachtet wir hier wegen der Erfrischungen schlimmer daran waren als auf Neu-Seeland, woselbst es größern Überfluß an Fischen und Vögeln gab, anstatt daß man sich hier mit eingesalznen Speisen behelfen mußte. Die Jahreszeit, welche mit unserm Februar übereinstimmt, hatte natürlicherweise einen Mangel an Baumfrüchten verursacht; denn obgleich hier zu Lande der Winter nicht in kalter Witterung bestehet, als in Ländern die weit von den Wende-Cirkeln liegen, so ist er dennoch hier so gut als überall die Jahrszeit, in welcher das ganze Pflanzenreich die Säfte zu einer neuen Erndte bereitet. Daher hatten einige Bäume ihre Blätter ganz verlohren, verschiedene Pflanzen waren bis auf die Wurzeln abgestorben, und die übrigen alle, sahen ganz vertrocknet aus, weil nemlich der Regen sich erst alsdenn einstellt, wenn die Sonne wieder im südlichen Hemispherio ist. Bey so bewandten Umständen hatten Laub und Kraut auf dem flachen Lande, überall eine dunkelbraune Farbe bekommen. Ein lebhafteres Grün fand man nur allein noch in den Wäldern, welche die höheren Berg-Gipfel krönen, denn diese sind fast beständig in Wolken verhüllt, und folglich ist es dort immer feucht. Von daher brachten uns die Einwohner unter andern auch eine Menge wilder Pisange, Vehie (Wehi) und das wohlriechende Holz e-ahaï womit sie ihrem Coconuß-Öle einen so starken Geruch geben. Die häufigen Erdrisse und die zerrüttete Form, der höheren Bergspitzen, rühren allem Anschein nach, von ehemaligen Erdbeben her; und die Laven, woraus die Berge zum Theil bestehen und wovon die Einwohner allerhand Werkzeuge machen, überzeugten uns noch mehr, daß vor Zeiten brennende Berge auf der Insel gewesen seyn müssen. Eben dies beweisen auch der fruchtbare Boden in der Ebne, der aus recht fetter Garten-Erde besteht und mit den Überbleibseln volcanischer Ausbrüche vermischt ist, imgleichen der schwarze Eisen-Sand, der sich oft am Fuße der Berge findet. Unter der vordersten Reihe von Bergen giebt es mehrere, die ganz unfruchtbar sind und aus gelben, mit Eisen-Ocher vermischten Thon bestehen; andre hingegen haben gutes fruchtbares Erdreich und diese sind, gleich den dahinter liegenden, höheren Bergen, mit Waldung bewachsen. An manchen Orten findet man Quarz-Stücke; von edlen Metallen gab es aber weiter keine Spuren, als daß man in den Laven hie und da Eisentheilchen entdeckte. Indessen mögen die Berge dennoch wohl schmelzwürdiges Eisen-Erz enthalten. Was aber das Stück Salpeter, so groß als ein Ey betrift, welches, laut Capitain Wallis Zeugniß, hier auf der Insel soll gefunden worden seyn,[23] so muß ich, mit aller Achtung für seine Kenntniß vom Seewesen, an der Richtigkeit der Sache selbst zweifeln, weil man bis jetzt noch keinen gediegnen Salpeter in Klumpen gefunden hat, wie solches mit mehrerem aus Cronstedts Mineralogie zu ersehen ist.

Zu vorstehenden wenigen Anmerkungen über die Foßilien von Tahiti, bewog uns der Anblick dieser Insel an deren Küste wir nun nordwärts hinseegelten und noch immer nach der Gegend hinsahen, die uns sowohl gefallen und zu so mancher Untersuchung Stoff gegeben hatte. Mitten in diesen Betrachtungen wurden wir zu Tische gerufen, wo ein Gericht frisches Schweinefleisch unsrer erwartete. Die Eilfertigkeit, mit welcher wir uns dahin begaben, und der gute Appetit, den wir bey dieser Schüssel bewiesen, zeigten deutlich, daß uns lange genug darnach verlangt hatte. Es wunderte uns, daß dies Fleisch im mindesten nichts von dem geilen Geschmack hatte, den es wohl in Europa zu haben pflegt. Das Fett war mit Mark zu vergleichen und das Magre schmeckte fast so zart als Kalbfleisch. Dieser Unterschied rührt vermuthlich daher, daß die Tahitischen Schweine mit nichts als Früchten gefuttert werden, und vielleicht hat diese Nahrung auch einen Einfluß auf den Instinct dieser Thiere. Sie sind von der kleinen sogenannten chinesischen Art, und haben keine hängende lappichte Ohren, die Graf Büffon als Kennzeichen der Sclaverey unter den Thieren ansieht. Auch waren sie reinlicher, und müssen sich folglich wohl nicht so im Schlamm herum zu wälzen pflegen als unsre europäischen Schweine. Dieses Vieh gehört zwar zu den würklichen Reichthümern von Tahiti, doch darf man sie deshalb nicht für einen Hauptartickel des Unterhalts halten; denn in dem Betracht könnte diese ganze Thierart ausgerottet werden, ohne daß die Nation im Ganzen dabey verlöre, weil sie nemlich den Großen des Landes allein und ausschließenderweise zugehören. Man schlachtet nur selten welche, ja vielleicht nie anders als bey feyerlichen Gelegenheiten; aber denn verschlingen die Vornehmen das Fleisch auch mit eben so viel Gierigkeit, als gewisse Leute in England (Aldermen of London) bey einem guten Schildkröten-Schmause bezeigen sollen. Der gemeine Mann kriegt äußerst selten davon zu kosten, und es bleibt ein Leckerbissen für ihn, ohngeachtet gerade diese Classe des Volks die Mühe allein auf sich hat, sie zu warten und zu mästen.

Gegen Abend fiel eine Windstille ein, die fast bis zum Morgen anhielt; alsdenn aber bekamen wir Süd-Ostwind, und mit dessen Hülfe bald den nördlichen Theil von O-Tahiti, imgleichen die dabey liegende Insel Eimeo, zu Gesichte. Die Berge machten hier größere Massen und fielen daher schöner ins Auge als zu Aitepieha. Die niedrigern Berge waren nicht so steil, aber gleichwohl allenthalben ohne Bäume und Grün: auch die Ebene, vom Ufer an bis zu den ersten Bergen hin, war weitläuftiger, und schien an manchen Orten über eine Meile breit zu seyn. Gegen 10 Uhr hatten wir das Vergnügen, verschiedne Canots vom Lande gegen uns heran kommen zu sehen. Ihre langen schmalen Seegel, die aus zusammengenähten Matten bestanden, ihre Feder-Wimpel und die treflichen Coco-Nüsse und Pisang-Früchte, davon hochaufgethürmte Haufen aus den Booten hervorragten, machten zusammen genommen einen schönen mahlerischen Anblick aus. Sie überließen uns ihre Ladungen für wenige Corallen und Nägel, und kehrten alsdenn gleich wieder nach dem Ufer zurück, um mehrere zu holen. Gegen Mittag kam auch unser Boot mit dem Lieutenant Pickersgill wieder an. Er war in seinem Einkauf zu Aitepieha sehr glücklich gewesen und brachte neun Schweine nebst vielen Früchten von daher mit. Des Königs Aheatua Majestät, waren die ganze Zeit über auf dem Marktplatze geblieben, hatten sich neben den Eisen-Waaren hingesetzt, und sichs ausgebeten, für uns mit ihren Unterthanen zu handeln; waren auch dabey sehr billig zu Werk gegangen, indem sie für größere und kleinere Schweine, auch größere und kleinere Beile gegeben hatten. Zwischen durch aber hatten sich Hochdieselben, wie Abends zuvor, wieder die Veränderung gemacht, kleine Stöcke zu zerhacken, zum großen Vergnügen unsrer Matrosen, die bey der Gelegenheit nach ihrer Art, sehr feine Anmerkungen über königlichen und kindischen Zeitvertreib gemacht hatten. So bald Herr Pickersgill alle seine Waaren los geworden war, gieng er Nachmittags von Aitepieha ab und kam den Abend nach Hiddia, in den District des O-Rettie (Ereti), wo Herr von Bougainville im Jahr 1768. vor Anker lag. Er ward daselbst von dem würdigen Alten sehr gastfrey aufgenommen, dessen Character und Betragen der galante französische Seemann so viel Gerechtigkeit hat wiederfahren lassen. Am folgenden Morgen kam der Bruder desselben, Tarurie, zu Herrn Pickersgill, und bat diesen, daß er ihn in seinem Boote mit nach den Schiffen nehmen möchte, die man von da aus unter Seegel sähe. Als er an Bord kam, bemerkten wir, daß er einen Fehler an der Aussprache hatte und den Buchstaben T. allemal wie ein K. aussprach; eben diesen Fehler fanden wir in der Folge auch bey mehreren von seinen Landsleuten. Unterdessen war aus vorgedachtem District schon zuvor ein andrer Mann, Namens O-Wahau, in seinem Canot an Bord gekommen, und dieser sowohl als Tarurie speißten beyde mit uns zu Mittage. Mein Vater hatte dem erstem, zum freundlichen Willkommen, ein Paar Corallen und einen kleinen Nagel geschenkt. Der ehrliche Insulaner erwiederte dies Geschenk sogleich mit einer schön gearbeiteten Fischangel von Perlmutter. Dieser Beweis seiner Gutherzigkeit ward durch einen größern Nagel belohnt, und kaum hatte er solchen empfangen, als er einen Knaben in seinem Canot nach dem Lande abfertigte, der um 4 Uhr von daher zurück kam, und seinen Bruder, nebst einem Geschenke von Cocos-Nüssen, Pisangen und Matten an Bord brachte. Dieses Betragen O-Wahau's hatte etwas so edles an sich, und dünkte uns über die gewöhnlichen Begriffe von Tausch und eigennütziger Abmessung eines Gegenwerthes so weit erhaben, daß wir eine recht hohe Meynung und Achtung für ihn bekamen. Er erhielt nun auch ein weit ansehnlicheres Geschenk von uns, mehr um ihn in seiner edlen Denkungsart zu bestärken als um seine Gaben dadurch zu bezahlen. Hiemit gieng er des Abends von uns und war so voller Freuden als hätte er ein ganz unerwartetes Glück gemacht.

Mit Beyhülfe einer gelind wehenden Landluft näherten wir uns nun allgemach dem Ufer, und betrachteten die Schönheiten der Landschaft, die vom blendenden Glanz der Sonne, gleichsam vergoldet, vor uns lag. Schon konnten wir jene weit hervorragende Landspitze unterscheiden, die wegen der ehemals darauf gemachten Beobachtungen Point Venus genannt war; und es kostete uns keine Schwierigkeit, denen die bereits vor uns hier gewesen waren, auf ihr Wort zu glauben, daß dies der schönste Theil der Insel sey. Der District von Matavai, dem wir nunmehro gegenüber kamen, zeigte uns eine ungleich weitläuftigere Ebne als wir erwartet hatten; und das holzreiche Thal, das zwischen den Bergen herauf lief, sähe, in Vergleichung mit den kleinen engen Klüften und Berg-Rissen von Teiarrabu, als ein beträchtlich großer Wald aus.[24] Es mogte ohngefähr 3 Uhr des Nachmittags seyn, als wir um vorgedachte Landspitze herum kamen. Das Ufer derselben war überall voller Menschen, die uns mit der schärfsten Aufmerksamkeit betrachteten, aber, dem größten Theil nach über Hals und Kopf davon liefen, so bald sie sahen, daß wir in der Bay vor Anker giengen. Sie rannten längst dem Strande, über den One Tree-hill weg, und nach O-Parre, dem nächsten gen Westen belegnen Districte hin, als ob sie vor uns flüchteten. Unter dem ganzen Haufen erblickten wir nur einen einzigen Mann, der nach hiesiger Landesart vollständig gekleidet war, und unsers Freundes O-Wahaus Aussage nach, sollte dies O-Tu selbst, der König von O-Tahiti-Nue oder von Gros-Tahiti seyn. Er war sehr groß und wohlgebauet, lief aber gleich einem großen Theil seiner Unterthanen sehr eilfertig davon, welches die Indianer an Bord so ausdeuteten, daß er sich für uns fürchtete.

Obgleich die Sonne beynahe untergehen wollte als wir die Anker warfen, so waren doch unsre Verdecke gar bald mit Indianern von verschiednem Alter und Stande angefüllt. Viele derselben erkannten ihre alten Freunde unter den Officiers und Matrosen, mit einer gegenseitigen Freude, die sich nicht leicht beschreiben läßt. Unter diesen war auch der alte ehrwürdige O-Whaa, dessen friedfertiger Character und Freundschafts-Dienste in Herrn Cooks erster Reise, besonders bey Gelegenheit eines unangenehmen Vorfalls, da nemlich die Seesoldaten einen Indianer erschossen hatten, rühmlichst erwähnt worden sind.[25] So bald er Herrn Pickersgill sahe, erinnerte er sich seiner augenblicklich, nannte ihn bey seinem Tahitischen Namen Petrodero, und rechnete ihm an den Fingern her, es sey nun das drittemahl, daß er auf die Insel komme; Herr Pickersgill war auch würklich, sowohl bey des Capitain Wallis, als bey des Capitain Cooks erster Reise, bereits hier gewesen. Ein vornehmer Mann, Namens Maratata[26] besuchte Capitain Cook mit seiner Gemahlinn (Tedua)-Erararie, welches eine hübsche junge Person war. Man schenkte ihr und ihrem Manne eine Menge von Sachen, die sie jedoch schon deswegen eben nicht verdienten, weil sie beyderseits blos in dieser eigennützigen Absicht an Bord gekommen zu seyn schienen. Eben so begünstigte auch das Glück Maratata’s Schwiegervater, einen großen dicken Mann, der mit zu ihrer Gesellschaft gehörte und sich auf eine recht unverschämte Weise von jedermann etwas erbettelte. Zum Zeichen der Freundschaft verwechselten sie ihre Namen mit den unsrigen, ein jeder von ihnen wählte sich nemlich einen Freund, dem er besonders zugethan war. Diese Gewohnheit hatten wir auf unserm vorigen Ankerplatze nicht bemerkt, denn da waren die Einwohner zurückhaltender und mißtrauischer. Um 7 Uhr verließen sie größtentheils das Schiff, versprachen aber folgenden Morgen wieder zu kommen, woran wir auch wegen ihrer guten Aufnahme nicht zweifeln durften.

Der Mond schien die ganze Nacht sehr hell. Kein Wölkchen war zu sehn. Die glatte Fläche der See glänzte wie Silber, und die vor uns liegende Landschaft sähe so reizend aus, daß man sich kaum überreden konnte, sie sey etwas mehr als das schöpferische Werk einer fruchtbaren lachenden Fantasie. Sanfte Stille herrschte rund um uns her, nur hie und da hörte man einen Indianer plaudern, deren etliche an Bord geblieben waren, um den schönen Abend bey ihren alten Freunden und Bekannten zuzubringen. Sie hatten sich an den Seiten des Schiffes herum gesetzt, sprachen von allerhand Dingen und machten sich durch Zeichen verständlicher, wenn es mit Worten nicht gelingen wollte. Wir hörten zu, und fanden, daß sie zum Theil frugen, wie es unsern Leuten seit ihrer letzten Abreise von hier ergangen sey, zum Theil auch das traurige Schicksal Tutahah's und seiner Freunde erzählten. Gibson, ein See-Soldat, dem die Insel so wohl gefallen, daß er es ehemals bey Capitain Cooks voriger Reise, gar darauf anlegte hier zu bleiben,[27] hatte den mehresten Antheil an der Unterredung, denn er verstand von der Landessprache mehr als irgend sonst einer von uns, weshalb ihn die Einwohner auch besonders hoch schätzten. Die guten Leute bezeigten hier noch ungleich mehr Zutrauen und Freymüthigkeit gegen uns als zu Aitepieha, und dies gereichte ihnen in unsern Augen zu desto größerer Ehre, weil sich daraus deutlich genug abnehmen ließ, daß sie die ehemaligen Beleidigungen edelmüthig vergessen hatten, und daß ihr gutes unverderbtes Herz auch nicht eines Gedanken von Rachsucht oder Bitterkeit fähig sey. Für ein empfindsames Gemüthe ist aber das warlich ein tröstlicher Gedanke, daß Menschenliebe dem Menschen natürlich sey und daß die wilden Begriffe von Mißtrauen, Bosheit und Rachsucht, nur Folgen einer allmähligen Verderbniß der Sitten sind. Man findet auch in der That nur wenig Beyspiele vom Gegentheil, daß nemlich Völker, welche nicht ganz bis zur Barbarey herabgesunken, der Liebe zum Frieden, diesem allgemeinen Grundtriebe des Menschen, zuwider gehandelt haben sollten. Was Columbus, Cortez und Pizarro bey ihren Entdeckungen in America, und was Mendanna, Quiros, Schauten, Tasman[28] und Wallis in der Süd-See hierüber erfahren haben, das stimmt mit unsrer Behauptung vollkommen überein. Selbst der Angriff, den die Tahitier ehemals auf den Dolphin wagten, widerspricht derselben nicht. Es dünkt mir nemlich höchstwahrscheinlich, daß unsere Leute, wenn sie sich dessen gleich nicht bewußt seyn mögen, durch irgend eine Beleidigung Gelegenheit dazu gegeben haben müssen. Gesetzt aber auch, das wäre nicht; so ist doch Selbsterhaltung das erste Gesetz der Natur, und der Anschein berechtigte die Einwohner allerdings unsre Leute für ungebetne Gäste und für den angreifenden Theil zu halten, ja was mehr als das alles ist, sie hatten Ursach für ihre Freiheit besorgt zu seyn. Als sie endlich die traurigen Würkungen der europäischen Obermacht empfunden und man ihnen zu verstehen gegeben hatte, daß das Schif nur einige Erfrischungen einnehmen, auch nur eine kurze Zeit hier bleiben wolle, kurz, so bald sie selbst einsahen, daß die Fremden nicht ganz unmenschlich und unbillig, und daß Britten wenigstens nicht wilder und barbarischer wären als sie selbst, so waren sie auch gleich bereit, die Fremdlinge mit offnen Armen zu empfangen, das vorgefallne Misverständnis zu vergessen, und sie freygebig an den Naturgütern der Insel Theil nehmen zu lassen. Einer übertraf den ändern an Gastfreyheit und Freundschaft, vom geringsten Unterthanen an bis zur Königinn, damit ihre Gäste beym Abschied von dem freundschaftlichen Lande berechtigt seyn mögten zu sagen:

 

 Invitus, regina, tuo de littore cessi.

 VIRGIL.

 

Neuntes Hauptstück.

Aufenthalt in Matavai-Bay.

 

Capitain Cook hatte schon bey seiner ehemaligen Anwesenheit auf dieser Insel bemerkt, daß, wenn man hier in Matavai-Bay, ohne  Gewalt zu gebrauchen und die blutigen Auftritte vergangner Zeiten zu wiederholen, einen hinlänglichen Vorrath von Lebensmitteln erhalten wollte, es unumgänglich nöthig sey, sich das Wohlwollen des Königs zu erwerben. Um in dieser Angelegenheit noch heute den ersten Schritt zu thun, machte er so gleich Anstalt nach O-Parre abzugehen, woselbst König O-Tu sich aufhalten sollte. Doch wartete er mit der Abreise dahin, bis Maratata und seine Frau ihrem Versprechen gemäs an Bord gekommen waren. Diese brachten ihm für die gestern erhaltenen Geschenke einige Stücke ihres besten Zeuges, und bildeten sich nicht wenig darauf ein, daß sie in die große Cajütte kommen durften, immittelst ihre übrigen Landsleute draußen bleiben mußten. So bald hierauf auch Capitain Furneaux von der Adventure angelangt war, begab sich Capitain Cook nebst ihm, dem Dr. Sparrmann, meinen Vater und mir in die Pinnasse. Maratata und seine Frau kamen ohne Ceremonie auch mit herein und nahmen sogleich die beste Stelle auf dem Hintertheil ein. Eine Menge andrer Indianer folgten ihrem Beyspiel bis das Boot so voll war, daß sich die Matrosen mit den Rudern nicht rühren konnten. Der größte Theil dieser ungebetnen Gäste mußte also, zu ihrem nicht geringen Leidwesen, wieder aussteigen. Jedermann schien sich nemlich eine Ehre und ein Vergnügen daraus zu machen, wenn er in unserm Boote sitzen durfte. Hiezu mogte das gute Ansehen desselben nicht wenig beytragen, denn es war eben neu angemahlt und mit einem grünen Sonnen-Schirme oder Zeltdecke versehen, die angenehmen Schatten machte. Wir ruderten nunmehro queer über die Bay und näherten uns dem Ufer bey einer Landspitze, auf welcher aus dickem Gebüsch ein steinernes Marai hervorragte, dergleichen wir schon zu Aitepiha gesehn hatten. Capitain Cook kannte diesen Begräbniß- und Versammlungs-Platz unter dem Namen von Tutaha's Marai; als er ihn aber also benannte, fiel ihm Maratata in die Rede, um ihm zu sagen, daß es Tutahah nach seinem Tode nicht mehr gehöre, sondern jetzt O-Tu’s Marai genannt werde. Eine herrliche Moral für Fürsten und Könige, sie an die Sterblichkeit zu erinnern und ihnen zu lehren, daß nach ihrem Tode nicht einmal der Ruheplatz ihres Cörpers ihnen eigen bleibt! Maratata und seine Frau entblößten im Vorbeyfahren ihre Schultern – eine Ehre, welche alle Einwohner, ohne Unterschied des Standes, dem Marai bezeigen, und woraus sich abnehmen läßt, daß sie diese Plätze für besonders heilig ansehen müssen. Vielleicht halten sie dafür, daß die Gottheit an solchen Stellen unmittelbar gegenwärtig sey, wie denn von jeher, ein jedes Volk etwas ähnliches von seinen heiligen Versammlungs-Örtern geglaubt hat.

Wir kamen auf dieser Fahrt an einem der schönsten Districte von O-Tahiti vorbey. Die Ebenen schienen hier von beträchtlichem Umfange zu seyn; die Berge hatten durchgehends sanfte Anhöhen und verloren sich auf der Ebene in ziemlich weit hervorragenden, gewölbten Spitzen. Das Ufer, welches mit dem schönsten Rasen bewachsen und, bis an den Strand herab, von Palmen beschattet war, stand voller Menschen, die, so bald wir aus dem Boot stiegen, ein lautes Freuden-Geschrey erhoben. Man führte uns ohnverzüglich nach einigen Häusern, die unter Brodfrucht-Bäumen versteckt lagen und vor einem der größten Häuser trafen wir einen Platz von zwanzig bis dreyßig Schritte im Gevierte an, der mit einem ohngefähr 18 Zoll hohen Gitterwerk von Rohr umzäunt war. Mitten auf diesem Platze saß der König, mit kreuzweis übereinander geschlagnen Beinen, auf der Erde. Um ihn her stand ein großer Kreis von Leuten beyderley Geschlechts, die ihrer Statur, Farbe und Betragen nach, zu den Vornehmsten des Landes gehören mußten. Sobald die Matrosen unsre Geschenke, als welche Capitain Cook's Creditiv ausmachten, vor dem Könige auf die Erde niedergelegt hatten, traten wir alle näher, und wurden gebeten, uns um Se. Majestät herum zu setzen. Ohnerachtet das Volk im Äußern viel Achtung für seinen Beherrscher zu haben scheint, wie sich zum Theil schon daraus abnehmen läßt, daß in seiner Gegenwart jedermann, ohne Ausnahme, die Schultern entblößen muß; so reichte solche doch nicht so weit, daß man sich nicht von allen Seiten her mit der ungestümsten Neugierde auf uns zugedrängt haben sollte, und da die Menge der Menschen, mithin auch das Gedränge hier ungleich größer waren als während unsrer Audienz bey Aheatua; so mußten sichs die auf die Ecken des umzäunten Platzes gestellten königlichen Bedienten rechtschaffen; sauer werden lassen, um die Leute nur einigermaßen in Schranken zu halten. Einer insbesondre, der auf dem Wege Platz für uns machen sollte, schlug ganz unbarmherzig drauf los und mehr denn einen Stock auf den Köpfen entzwey, welches ohnfehlbar Löcher und Blut gesetzt haben muß

 

Menava quellet mazza fra la gente

Ch' un imbriaco Svizzero paria

Di quei, che con villan modo insolente,

Sogliono innanzi 'l Papa il dì di festa

Rompere a chi le braccia, a chi la lesta.

TASSONE.

 

Dem ohnerachtet drängten sie sich eben so hartnäckig wieder herbey als der ärgste englische Pöbel nur thun kann, jedoch mit dem Unterschiede, daß sie die Insolenz der königlichen Bedienten ein gut Theil geduldiger zu ertragen schienen. Der König von O-Tahiti hatte, während Capitain Cook's erster Anwesenheit allhier, unsre Leute nie zu sehen bekommen, vermuthlich aus politischen Absichten seines Oncles Tutahah, der damals die ganze Regierung in Händen hatte, und vielleicht besorgen mogte, an seinem Ansehn bey den Europäern zu verlieren, wenn sie erfahren hätten, daß er nicht der erste und größte Mann auf der Insel sey. Es ist nicht wohl auszumachen, ob Tutahah's Ansehn und Gewalt usurpiri war oder nicht. Das scheint jedoch wieder ihn zu seyn, daß O-Tu (der jetzige König) schon vier bis fünf und zwanzig Jahr alt, und gleichwohl erst kürzlich zur Regierung gelangt war. Nicht nur als Regent, sondern auch der Statur nach war er, wenigstens so viel wir sahen, der größte Mann auf der Insel, denn er mas völlige 6 Fus 3 Zoll. Er hatte starke und wohlproportionierte Gliedmaßen, war überhaupt wohl gemacht, und hatte auch vor der Hand noch keinen Ansatz zu übermäßiger Corpulenz. Ohnerachtet etwas finsteres, und vielleicht schüchternes in seinem Ansehen war, so leuchtete doch übrigens Majestät und Verstand daraus hervor, gleichwie auch in seinen lebhaften schwarzen Augen viel Ausdruck war. Er hatte einen starken Knebel-Bart, der gleich dem Unterbart und dem starken lockigten Haupt-Haar pechschwarz war. Sein Portrait ist, nach einer Zeichnung von Herrn Hodges, zu Capitain Cooks Nachricht von dieser Reise in Kupfer gestochen. Durch eine ähnliche Leibesgestalt und gleichen Haarwuchs, der, wie eine überall gleich-dick-gekräuselte Parücke, gerade aufwärts um den Kopf stand, zeichneten sich seine Brüder und Schwestern aus. Von ersteren mochte der ältere ohngefähr sechzehen und der jüngste etwa zehen Jahr alt seyn. Seine älteste Schwester aber, welche diesmal nur allein gegenwärtig war, schien fünf bis sechs und zwanzig Jahr alt zu seyn. Da die Frauenspersonen hier zu Lande das Haar gemeiniglich kurz abgeschnitten zu tragen pflegen; so war der Haarputz dieser Dame als etwas Außerordentliches anzusehen und mogte vielleicht ein besonders Vorrecht der königlichen Familie seyn. Ihr hoher Rang befreyte sie jedoch nicht von der allgemeinen Etiquette die Schultern in Gegenwart des Königs zu entblößen, ein Brauch, der dem Frauenzimmer auf unzählige Art Gelegenheit gab, ihre zierliche Bildung ungemein vortheilhaft sichtbar zu machen. Ihr ganzes Gewand bestehet aus einem langen Stück von weißem Zeuge, so dünn als Mußlin, das auf hundert verschiedne ungekünstelte Weise um den Cörper geschlagen wird, je nachdem es der Bequemlichkeit, dem Talente und dem guten Geschmack einer jeden Schöne am zuträglichsten scheint. Sie wissen nichts von allgemeinen Moden, die mehrentheils nur einigen wenigen Personen gut stehen und die übrigen mehr verstellen als putzen; sondern angebohrne Freyheit gilt hier auch beym Anzuge und natürliche Grazie verschönert die edle Einfalt ihrer Tracht und Bildung. – Die einzige Person, welche die Schultern nicht zu entblößen brauchte, war des Königs Hoa[29] ein Hofbedienter, der sich am besten mit einem Cammerherrn vergleichen läßt und deren der König zwölfe haben soll, welche nach der Reihe die Aufwartung haben. Zu diesen gehörten die Leute, welche vorher so schweizermäßig aufs Volk geprügelt und Platz gemacht hatten. Wir saßen zwischen den Oncles, Tanten, Vettern und andern Verwandten des Königs. Alle diese Standespersonen wetteiferten mit einander uns freundlich und zärtlich anzublicken, Freundschafts-Versicherungen zu geben und – um Corallen und Nägel zu bitten. Die Art und Weise aber, wie sie diese Kleinigkeiten zu erhalten suchten, war sehr verschieden, und fiel deshalb auch nicht immer gleich glücklich für sie aus. Wenn wir zum Beyspiel unter eine oder die andere Art von Leuten Corallen austheilten, so drängten sich bisweilen junge unverschämte Bursche herbey und hielten die Hände auch her, als hätten auch sie Anspruch oder Recht auf unsre Freygebigkeit. Unter solchen Umständen bekamen sie aber allemal eine abschlägige Antwort. Schon schwerer war es, alten ehrwürdigen Männern eine Gabe zu versagen, wenn sie mit bebender Hand die unsrigen ergriffen, sie herzlich druckten und in vollkommnen Vertrauen auf unsre Güte uns ihr Anliegen ins Ohr wisperten. Die älteren Damen halfen sich mit etwas Kunst und Schmeicheley. Sie frugen gemeiniglich wie wir hießen, nahmen uns an Kindesstatt an, und machten uns mit ihren Verwandten bekannt, die auf diese Weise auch die unsrigen wurden. Nach andern kleinen Schmeicheleyen kam denn im bittenden Ton, mit liebäugelnden Minen, ein: Aima poe ihti no te tayo mettua? heraus, welches so viel ist, als: „Ist denn kein Coralchen für das liebe Mütterchen da?“ Das hieß nun unsre kindliche Liebe mit ins Spiel ziehen, und wenn das geschahe, so hatten die guten Alten fast allemal gewonnen. Eine solche Einkleidung ihres Anliegens mußte uns nemlich von dem National-Character dieses Volks ungemein vortheilhafte Begriffe machen, denn gute Gesinnungen von andern zu erwarten, wenn man sie selbst nicht hat, ist eine Verfeinerung der Sitten, die blos ganz civilisirten Völkern eigen ist. Unsre jüngere Verwandtinnen, die in der Blüthe der Jugend standen, hatten wieder andre Kunstgriffe zu Gebote. Außerdem daß sie gemeiniglich auf eine oder die andre Art hübsch waren, gieng auch ihr ganzes Tichten und Trachten dahin, uns zu gefallen, und da sie sich noch überdies auf die zärtlichste Art von der Welt unsre Schwestern nannten; so durften sie, aus mehr denn einer Ursach, in ihren Anliegen nicht leicht eine abschlägige Antwort besorgen, denn wer hätte so hübschen jungen und gefälligen Mädchen widerstehen können? Mittlerweile, daß wir den Damen und Herren vom Hofe allerhand Geschenke austheilten, hatten die ersteren ihre Bedienten (Tautaus) abgeschickt, und große Stücke ihres besten Zeuges, Scharlach, Rosenroth oder Blasgelb gefärbt und mit dem feinsten wohlriechenden Öl parfumirt, holen lassen, um uns Gegenpräsente damit zu machen. Sie legten uns solche über unsre Kleidungen an und beladeten uns so sehr damit, daß wir uns kaum zu rühren im Stande waren. Mancherley Fragen Tabane, (Herrn Banks,) Tolano, (Dr. Solander,) und andre Bekannte betreffend, folgten dem wichtigern Geschäfte Geschenke zu empfangen; aber nach Tupaya (Tupeia) oder Parua, wie er gemeiniglich genannt ward, fragten nur einige einzelne Personen, die auch die Nachricht von seinem Tode mit ziemlicher Gleichgültigkeit anhörten, ohnerachtet die weitläuftige Kenntniß dieses Mannes, ihn unsrem Bedünken nach, seinen Landsleuten werth und angenehm hätte machen sollen. Während dieser Unterredung spielte unser Bergschotte einige Stücke auf dem Dudelsack, zu unendlichem Vergnügen der Zuhörer, die über seine Music voll Verwundrung und Entzücken waren. König O-Tu insbesondre war mit seiner Kunst, die warlich sehr unbedeutend war, so ausnehmend zufrieden, daß er ihm ein großes Stück des gröbern Zeuges zur Belohnung reichen ließ.

Da dies nur eine Ceremonien-Visite war, so wollten wir uns nicht lange aufhalten, und waren eben im Begriff Abschied zu nehmen, als wir durch die Ankunft von E-Happaï,[30] den Vater des Königs, noch eine Weile aufgehalten wurden. Er war ein langer, magrer Mann mit grauem Barte und grauem Kopfe, schien aber, seines hohen Alters ohnerachtet, noch nicht abgelebt zu seyn. Was ihm die Capitains schenkten, nahm er mit jener kalten Gleichgültigkeit an, die alten Leuten wohl eigen zu seyn pflegt. Wir waren zwar schon durch die vorigen Reisebeschreibungen von der sonderbaren Verfassung unterrichtet, vermöge welcher der Sohn noch bey Lebzeiten des Vaters die Regierung annimmt:[31] doch wunderte es uns daß der alte Happai sich überdies noch der Landesgewohnheit unterwerfen, und in Gegenwart seines Sohns die Schultern so gut als jeder andre entblößen, mußte. Der Begriff von Blutsverwandtschaft ist also hier ganz aus den Augen gesetzt, um der königlichen Würde desto mehr Ansehen zu verschaffen, und eine solche Verläugnung der natürlichen Verhältnisse, zeigt meines Erachtens einen höhern Grad von Cultur und Einsicht an, als andre Reisende den Einwohnern von Tahiti zugestanden haben. Ohnerachtet aber Happai die oberste Herrschaft nicht mehr in Händen hatte, so lies ihm das gemeine Volk, seiner Geburt und Standes wegen, dennoch große Ehre wiederfahren, und auch der König hatte ihn mit einem anständigen Unterhalt versorgt. Der District oder die Provinz O-Parre stand nemlich unmittelbar unter seinen Befehlen, und aus dieser zog er für sich und seine Bedienten was er nöthig hatte. Wir hielten uns dieses alten Herrn wegen nur um ein weniges länger auf als wir zuvor willens gewesen waren, beurlaubten uns sodann vom Vater und Sohne und kehrten wieder nach der Pinnasse zurück, welche Maratata die ganze Zeit über nicht verlassen hatte, vermuthlich, um sich dadurch bey seinen Landsleuten das Ansehen zu geben als ob er in besondern Credit bey uns stände. Während unsrer Abwesenheit waren auf (der Landspitze) Point Venus für die Holzhauer, die Wasserträger und die Kranken der Adventure etliche Zelte aufgeschlagen worden. Auch hatten die Astronomen beyder Schiffe ihre Sternwarten ohngefähr auf eben dem Flecke errichtet, wo von Herrn Green und Capitain Cook auf der vorigen Reise der Durchgang der Venus beobachtet worden war. Bey unserer Rückkunft an Bord fanden wir das Schiff voller Indianer und unter denselben auch verschiedne Personen von höherem Range. Diese hatten ihres Standes wegen im ganzen Schiff überall freyen Zutritt, aber eben deshalb war man auch, für ihrer Betteley um Glas-Corallen und andre Kleinigkeiten, in keinem Winkel sicher. Um dieser unerträglichen Unverschämtheit zu entgehen, verfügten sich die Capitains bald wieder nach den Zelten zurück, und wir begleiteten sie dahin, um zu sehen, was für natürliche Merkwürdigkeiten das Land hervorbringe. In gleicher Absicht machten wir auch nach Tische einen neuen Spatziergang; da wir aber beydemal nicht weit hatten kommen können, so bestanden unsre Entdeckungen nur aus wenigen Pflanzen und Vögeln, dergleichen wir zu Aitepiha noch nicht gesehen hatten.

Am folgenden Morgen, sehr frühe, kam eine Menge Canots von Parre ans Schiff und in einem der kleinsten befand sich der König, der seine Gegengeschenke dem Capitain Cook in eigner Person überbringen wollte. Es waren allerhand Lebensmittel, nemlich ein lebendiges Schwein, etliche große Fische, als eine Stuhr-Makrele (Cavalha, Scomber hippos,) imgleichen eine weiße Makrele, (Albecore) ohngefähr 4 Fus lang und völlig zugerichtet, und endlich eine Menge von Körben mit Brodfrucht und Bananen; dies alles ward eins nach dem andern aufs Schiff gereicht. Capitain Cook stand auf dem Bord des Schiffs und bat Se. Majestät herauf zu kommen; Dieselben blieben aber unverrückt sitzen, bis sich der Capitain, der Tahitischen Etiquette gemäß, in eine unglaubliche Menge des besten hiesigen Zeuges hatte einkleiden lassen, und auf die Art zu einer ungeheuer dicken Figur geworden war. Sobald dieser Punkt des Ceremoniels beobachtet war, wagte sich O-Tu aufs Verdeck des Hintertheils und umarmte den Capitain, schien aber noch sehr besorgt, ohnerachtet man ihn durch das freundschaftlichste Betragen zu überzeugen suchte, daß er nicht Ursach habe es zu seyn. Weil das Verdeck von des Königs Verwandten und Angehörigen, überall gedrängt voll war, so bat man ihn in die Cajütte zu kommen; allein auf einer Treppe, zwischen den Verdecken darnach hinab zu steigen? das dünkte ihm, ohne nähere Untersuchung, ein wenig zu gefährlich. Er schickte also seinen Bruder, einen hübschen Jüngling von sechzehen Jahren der völliges Vertrauen in uns setzte, vorauf. Diesem gefiel die Cajütte, und er stattete einen so vortheilhaften Bericht davon ab, daß der König sich nun gleich hinunter wagte. Hier überreichte man ihm von neuem allerhand kostbare Geschenke. Das hohe Gefolge Sr. Majestät, drängte sich jetzt dermaßen nach der Cajütte, daß wir uns kaum darinn rühren konnten. Capitain Cook war hiebey am übelsten dran, denn dem wards unter der Last seines Tahitischen Ceremonien-Kleides, ohnehin schon zu warm. Ein jeder von diesen Indianern, wählte sich, wie schon erwähnt, einen besondern Freund unter uns, und gegenseitige Geschenke bestätigten gemeiniglich die neugeschloßne Freundschaft. Unter dieser Zeit war auch Capitain Furneaux an Bord gekommen, und wir setzten uns nunmehro zum Frühstück hin. Unsre Gäste waren bey diesem für sie neuen Auftritt sehr ruhig und hatten sich bereden lassen, auf Stühlen Platz zu nehmen, die ihnen etwas ganz fremdes und ungemein bequem zu seyn schienen. Der König war auf unser Frühstück, welches für diesmal halb aus englischen und halb aus Tahitischen Gerichten bestand vorzüglich aufmerksam, und staunte uns nicht wenig an, daß wir heiß Wasser (Thee) tranken und Brodfrucht mit Öl (Butter) aßen. Er selbst war nicht zum Mitessen zu bewegen; einige von seinem Gefolge hingegen, waren nicht so übermäßig vorsichtig, sondern aßen und tranken nach Herzenslust was ihnen vorgesetzt ward. Nach dem Frühstück fiel O-Tu meines Vaters Pudel in die Augen, der sonst gut genug, damals aber ziemlich schmutzig aussahe, indem er mit Theer und Pech, recht Matrosenmäßig besudelt war. Dem ohnerachtet wünschten Se. Majestät ihn zu besitzen und thaten auch keine Fehlbitte. Hocherfreut darüber, beorderten sie sogleich einen ihrer Cammerherren oder Hoas, den Hund in Verwahrung zu nehmen, und ließen sich solchen auch nachher von demselben überall nachtragen. Es währte nicht lange, so äußerte er gegen Capitain Cook, daß er wieder am Lande zu seyn wünsche, und stieg zu dem Ende mit seinem ganzen Gefolge und allen erhaltnen Geschenken aufs Verdeck. Capitain Furneaux schenkte ihm hier noch einen Bock und eine Ziege, welche er in dieser Absicht von seinem Schiff gebracht hatte. Es kostete uns wenig Mühe, dem Könige die Nutzbarkeit dieser Thiere und wie sie gehalten werden müßten, begreiflich zu machen; denn er versprach sogleich, sie nicht zu schlachten, nicht zu trennen und die Jungen in Acht zu nehmen. Die Pinasse war nun fertig, und der König nebst den Capitains und anderen Herren giengen in selbiger nach O-Parre ab, woselbst Se. Majestät damals residirten. Auf der Überfahrt war O-Tu ungemein vergnügt, that mancherley Fragen und schien seine vorige mißtrauische Furcht ganz abgelegt zu haben. Die Ziegen hatten sich seiner Aufmerksamkeit dermaßen bemächtigt, daß er fast von nichts anderm redete, und es schien als könnte ers nicht oft genug hören, wie sie gefüttert und gehalten werden müßten. Sobald wir ans Land kamen, ward ihm ein schöner Grasplatz, der von Brodfrucht-Bäumen beschattet war, mit dem Bedeuten angezeigt, daß er die Ziegen stets an solchen Stellen weiden lassen mögte. Das ganze Ufer war von Indianern bedeckt, die ihren König beym Aussteigen aus dem Boote mit lautem Freudengeschrey empfiengen. Unter dem Haufen befand sich auch Tutahah's Mutter, eine ehrwürdige graue Matrone, die, sobald sie den Capitain Cook gewahr ward, ihm entgegen lief und als den Freund ihres Sohns umarmte. Sie erinnerte sich bey dieser Gelegenheit ihres Verlustes so lebhaft, daß sie zu unsrer nicht geringen Rührung, überlaut zu weinen anfieng. Eine so zärtliche Empfindlichkeit zeugt offenbar von der ursprünglichen Güte des menschlichen Herzens, und nimmt uns immer zum Vortheil derjenigen ein, an denen wir sie gewahr werden.

Wir eilten von hier nach unsern Zelten auf Point-Venus, wo die Eingebohrnen einen ordentlichen Markt errichtet hatten, auf welchem alle Arten von Früchten, und zwar sehr wohlfeil zu haben waren, indem ein Korb voll Brodfrucht oder Coco-Nüsse nicht mehr als eine einzige Coralle galt. Mein Vater traf hier seinen Freund O-Wahau an, der ihm abermals einen großen Vorrath Früchte, einige Fische, etwas feines Zeug, imgleichen ein Paar Angelhaken von Perlmutter schenkte. Wir wollten seine Freygebigkeit erwiedern, allein der edelmüthige Mann schlug es rund ab, das geringste dafür anzunehmen, und sagte: er hätte meinem Vater jene Kleinigkeiten als ein Freund geschenkt, ohne Absicht dabey zu gewinnen. Solchergestalt schien es als wollte sich heute alles vereinigen, uns von diesem liebenswürdigen Volke vortheilhafte Begriffe zu geben.

Gegen Mittagszeit kehrten wir an Bord zurück und beschäftigten uns nach Tische, die bisher gesammelten Naturalien zu zeichnen und zu beschreiben. Der Verdecke waren immittelst beständig mit Indianern beyderley Geschlechts angefüllt, die alle Winkel durchstörten, und maußten, so oft sie Gelegenheit fanden. Abends erlebten wir einen Auftritt, der uns neu und sonderbar, denen aber etwas Bekanntes war, die schon zuvor auf Tahiti gewesen waren. Unsre Matrosen hatten nemlich eine Menge Weibsleute vom niedrigsten Stande aufs Schiff eingeladen, die nicht nur sehr bereitwillig gekommen waren, sondern auch, wie alle ihre Landsleute zurückkehrten, nach Untergang der Sonne noch an Bord blieben. Wir wußten zwar schon, von unserm vorigen Ankerplatze her, wie feil die Tahitischen Mädchens sind; doch hatten sie dort ihre Ausschweifungen nur bey Tage getrieben, des Nachts hingegen sich nie gewagt auf dem Schiff zu bleiben. Hier aber, zu Matavai, hatte man den englischen Seemann schon besser ausstudirt, und die Mädchen mußten ohne Zweifel wissen, daß man sich demselben sicher anvertrauen könne, ja, daß dies die herrlichste Gelegenheit von der Welt sey, ihm an Corallen, Nägeln, Beilen oder Hemden alles rein abzulocken. Es gieng also heute Abend zwischen den Verdecken vollkommen so ausschweifend lustig zu, als ob wir nicht zu Tahiti, sondern zu Spithead vor Anker gelegen hätten. Ehe es ganz dunkel ward, versammleten sich die Mädchen auf dem Verdeck des Vordertheils. Eine von ihnen blies die Nasen-Flöte; die übrigen tanzten allerhand Tänze, worunter verschiedne waren, die mit unsern Begriffen von Zucht und Ehrbarkeit eben nicht sonderlich übereinstimten. Wenn man aber bedenkt, daß ein großer Theil dessen, was nach unsern Gebräuchen tadelnswerth zu nennen wäre, hier, wegen der Einfalt der Erziehung und Tracht, würklich für unschuldig gelten kann; so sind die Tahitischen Buhlerinnen im Grunde minder frech und ausschweifend als die gesittetern Huren in Europa. Sobald es dunkel ward, verloren sie sich zwischen den Verdecken und konnten ihnen ihre Liebhaber frisch Schweinefleisch vorsetzen, so aßen sie davon ohne Maas und Ziel, ob sie gleich zuvor, in Gegenwart ihrer Landsleute, nichts hatten anrühren wollen, weil, einer hier eingeführten Gewohnheit zufolge, von welcher sich kein Grund angeben läßt, Manns- u. Frauenspersonen nicht mit einander speisen dürfen. Es war erstaunend, was für eine Menge von Fleisch diese Mädchen verschlingen konnten, und ihre Gierigkeit dünkte uns ein deutlicher Beweis, daß ihnen dergleichen, zu Hause, selten oder niemals vorkommen mogte. Die zärtliche Wehmuth von Tutahahs Mutter, die edle Gutherzigkeit unsers Freundes O-Wahau, und die vortheilhaften Begriffe von den Tahitiern überhaupt, waren in so frischem Andenken bey uns, daß der Anblick und die Aufführung dieser Creaturen um desto auffallender seyn mußte, die alle Pflichten des gesellschaftlichen Lebens hintan setzten und sich lediglich viehischen Trieben überließen. Die menschliche Natur muß freylich sehr unvollkommen seyn, daß eine sonst so gute, einfältige und glückliche Nation zu solchem Verderbniß und zu solcher Sittenlosigkeit hat herabsinken können; und es ist allerdings herzlich zu bejammern, daß die reichlichsten und besten Geschenke eines gütigen Schöpfers am leichtesten gemißbraucht werden und daß Irren so menschlich ist!

Am folgenden Morgen kam O-Tu, nebst seiner Schwester Tedua-Tauraï und verschiednen seiner Verwandten früh ans Schiff, und ließ uns ein Schwein und eine große Albecore an Bord reichen, sie selbst aber wollten nicht aufs Schiff kommen. Er hatte eben dergleichen Geschenke für Capitain Furneaux mitgebracht, getraute sich aber nicht nach der Adventure hin, bis mein Vater sich erbot, ihn zu begleiten. Auch da mußte die Ceremonie, den Capitain in Tahitisches Zeug einzuwickeln, wiederum vorgenommen werden, ehe sich Se. Majestät an Bord wagen wollten. Sobald dies aber geschehen war, dünkte er sich vollkommen sicher, und kam aufs Verdeck, wo Capitain Furneaux seine Geschenke erwiederte. Unterdessen daß O-Tu hier verweilte, hatte sich seine Schwester Tedua-Tauraï bewegen lassen, auf des Capitain Cooks Schiff zu steigen, und man bemerkte bey dieser Gelegenheit, daß alle anwesende Frauenspersonen ihr durch Entblößung der Schultern dieselbige Ehre bezeigten, welche die ganze Nation dem Könige schuldig ist. Der muntere Jüngling Watau, der seinen Bruder den König begleitete, genoß diese Ehre ebenfalls und ward T'Erih Watau genannt; es scheint folglich, daß der Titel Erih, ob er gleich allen Befehlshabern der Districte und dem Adel überhaupt beygelegt wird, doch eigentlich und in vorzüglichem Maaße den Personen von der königlichen Familie zukomme. Nach einem kurzen Aufenthalt langte O-Tu von der Adventure wieder auf der Resolution an, holte seine Schwester ab und ward, in Gesellschaft derselben, von beyden Capitains nach O-Parre begleitet.

Am 29. ließen wir, gleich bey Anbruch des Tages, unsre Zelte an Land schaffen und giengen aus um die natürliche Beschaffenheit der Insel näher zu untersuchen. Es war die Nacht über ein starker Thau gefallen, der alle Pflanzen erfrischt hatte, und dieses, nebst der angenehmen Kühle des Morgens, machte unser Spaziergang sehr angenehm. Bey den Zelten fanden wir nur wenig Indianer, doch begleiteten uns einige derselben nach dem Flusse, den wir zu paßiren hatten, weil es bey dieser Gelegenheit gemeiniglich etwas zu verdienen gab; sie pflegten uns nemlich für eine einzige Glascoralle auf den Schultern hinüber zu tragen, ohne daß wir einen Fus naß machen durften. Die mehresten Einwohner waren eben aufgestanden, und badeten zum Theil noch im Matavai-Fluß, welches sie des Morgens allemal ihr erstes Geschäft seyn lassen. In diesem warmen Lande muß es auch sehr nöthig und zuträglich seyn, sich öfters zu baden, besonders des Morgens, da das Wasser kühl und frisch, mithin im Stande ist die Nerven zu stärken, die bey der beständigen Hitze sonst erschlaffen würden. Ausserdem ist die körperliche Reinlichkeit, welche daraus entsteht, nicht nur eins der besten Verwahrungsmittel gegen faulende Krankheiten; sondern sie befördert zugleich die Geselligkeit unter dem Volk: Dahingegen andre uncivilisirte Nationen, die nicht viel aufs Baden halten, gemeiniglich so unreinlich zu seyn pflegen, daß, schon deswegen ihrer nicht viel beysammen wohnen und, des Gestanks wegen, auch kein Fremder lange bey ihnen ausdauern kann. Wir giengen nunmehro nach einer kleinen Hütte, in welcher eine arme Witwe mit ihrer zahlreichen Familie lebte. Ihr ältester Sohn Nuna, ein lebhafter, castanienbrauner Knabe von zwölf Jahren und ungemein glücklicher, einnehmender Bildung, hatte jederzeit besondre Neigung zu den Europäern blicken lassen. Dabey hatte er viel Fähigkeiten, wir durften zum Beyspiel nur ein halbes Wort sagen, so begrif er was wir damit meynten, besser als seine Landsleute, bey denen wir es oft mit unsrer ganzen Stärke in der Pantomime und mit Hülfe aller Wörterbücher nicht so weit bringen konnten. Mit diesem Burschen waren wir gestern Abend eins geworden, daß er für heute unser Wegweiser seyn solle. Als wir ankamen, hatte seine Mutter Cocosnüsse und andre Lebensmittel für uns angeschaft und saß auf den Steinen vor der Hütte, mit ihren Kindern um sich her. Das jüngste davon dünkte uns etwa vier Jahr alt. Sie schien zwar noch munter genug zu seyn, hatte aber doch schon so viel Runzeln im Gesicht, daß wir sie, in einem Lande wo die Mädchen so früh mannbar werden als hier, nicht füglich mehr für die Mutter so kleiner Kinder halten konnten. Mittlerweile kam eine jüngere wohlgestalte Person von drey bis vier und zwanzig Jahren herbey, die, wie wir erfuhren, Nuna's älteste Schwester war. Nach dem Alter dieses Mädchens zu urtheilen, mogte also die Mutter nahe an vierzig Jahre seyn, daß sie aber ungleich älter aussahe, ist in so fern nicht zu verwundern, weil das andre Geschlecht bekanntermaßen in heißen Ländern durchgehends früher aufhört hübsch zu seyn als in kalten Gegenden. Hingegen ist das zu verwundern, daß die hiesigen Weiber, ihrer frühen Mannbarkeit ohnerachtet, gleichwohl zwanzig und mehr Jahre hinter einander fruchtbar bleiben? Diesen Vorzug haben sie indessen, allem Anschein nach, der glücklichen Einfalt zu verdanken, in welcher sie ihr Leben mit Sorgen und Mangel unbekannt zubringen, und eben dies ist ohne Zweifel auch die nächste Ursach der hiesigen starken Bevölkerung.

Wir wurden mit einem starken Kerl eins, daß er uns die Lebensmittel, welche die gastfreye alte Frau für uns angeschaft hatte, unterwegens nachtragen sollte. Zu dem Ende hieng er sie, zu gleichen Theilen, an die Enden einer 4 Fus langen Stange und legte diese auf die Schulter. Nuna und sein kleiner Bruder Toparri, der ohngefähr vier Jahr alt war, begleiteten uns lustig und guter Dinge, nachdem wir die ganze Familie beym Abschiede mit Corallen, Nägeln, Spiegeln und Messern beschenkt hatten.

Eines Berges wegen, den wir ersteigen mußten, war der Anfang unsers Marsches etwas beschwerlich, und dennoch blieb unsre Mühe hier unbelohnt, denn auf dem ganzen Berge fanden wir, außer ein Paar kleinen, zwergichten Büschen und etwas trocknem Farnkraut auch nicht eine einzige Pflanze. Dagegen sahen wir, zu unsrer nicht geringen Verwunderung, von dieser trocknen, unfruchtbaren Höhe, eine Flucht wilder Endten vor uns aufsteigen. Was diese aus ihrem gewöhnlichen Lager im Rohre und von den morastigen Fluß-Ufern hieher gebracht haben konnte? läßt sich so leicht nicht begreifen. Kurz nachher kamen wir über einen andern Berg, auf welchem das Farnkraut und übrige Buschwerk erst ohnlängst mußte abgebrannt worden seyn, denn unsre Kleider wurden im Anstreifen noch über und über schwarz davon. Im Herabsteigen gelangten wir endlich in ein fruchtbares Thal, durch welches ein hübscher Bach gegen die See hinaus lief. Die Einwohner hatten ihn hin und wieder mit Steinen aufgedämmt, um dadurch das Wasser auf die Felder zu bringen, die mit Zehrwurzeln (Arum esculentum) bepflanzt waren, weil diese Pflanze einen morastigen und überschwemmten Boden erfordert. Es gab hier zwey Arten davon; die eine hatte große glänzende Blätter und die Wurzel war wohl 4 Schuh lang, aber sehr grob fasericht, die zweyte Art hingegen, hatte kleine sammetartige Blätter und an dieser war die Wurzel feiner und wohlschmeckender. Doch sind beyde von scharfen und beißendem Geschmack, bis sie verschiedenemal in Wasser abgekocht worden; die Schweine fressen sie indessen auch ohne Widerwillen und ohne Schaden roh. Je weiter wir dem Bache folgten, je enger ward das Thal und die Berge zu beyden Seiten immer steiler und waldichter. Wo aber der Boden nur einigermaßen eben war, da standen überall Coco-Nußbäume, Pisang, Maulbeerbäume und mancherley Wurzelwerk; auch fehlte es nicht an einer Menge wohl- und nahe bey einander gelegenen Häuser. An verschiednen Stellen fanden wir große Betten loser Kiesel, welche von den Bergen herabgeschwemmt zu seyn schienen und durch die beständige Bewegung des Wassers allerhand runde Formen bekommen hatten. An den Bergen samleten wir verschiedne neue Pflanzen, liefen aber mehr als einmal Gefahr die Hälse darüber zu brechen, denn die Felsenstücken rollten uns zuweilen unter den Füßen weg. Eine große Menge Indianer versammlete sich um uns her und brachten Coconüsse, Brodfrucht und Äpfel in großem Überfluß zum Verkauf. Wir versorgten uns daher mit einem hinlänglichen Vorrath und mietheten einige Leute um uns das Eingekaufte nachtragen zu lassen. Nachdem wir ohngefähr fünf englische Meilen weit gegangen waren, setzten wir uns auf einen schönen Rasen unter den Bäumen nieder, um Mittag zu halten. Nächst den unterwegens angeschaften Früchten bestand unsre Mahlzeit aus etwas Schweinefleisch und Fischen, welche wir vom Bord mitgenommen hatten. Die Tahitier machten einen Creis um uns her, unsern Wegweisern und Helfern aber gaben wir Erlaubniß, sich neben uns zu setzen. Sie ließen sich's herzlich gut schmecken, wunderten sich aber, daß wir jeden Bissen in ein weißes Pulver tunkten, das ihnen gänzlich unbekannt war. Wir hatten nemlich vom Schiffe aus etwas Salz mitgenommen und aßen es zu allen Speisen, so gar zur Brodfrucht. Verschiedene von ihnen wünschten es zu kosten, und fanden zum Theil Geschmack daran, der ihnen auch nicht fremd seyn konnte, weil sie bey ihren Fisch- und Fleischspeisen Seewasser als eine Brühe zu gebrauchen pflegen.[32]

Um 4 Uhr Nachmittags dünkte es uns Zeit an den Rückweg zu denken. Wir sahen jetzt eine Menge Indianer, mit wilden Plantanen beladen, über die Berge herkommen, woselbst diese Frucht ohne Wartung wächst, aber auch von ungleich schlechterer Art ist als jene die in den Ebenen ordentlich gehegt wird. Sie wollten diesen Vorrath, nach den Gezelten, zu Markte bringen, und da unser Weg ebenfalls dahin gieng, so folgten wir ihnen den Bach herab. An einer Stelle desselben hatten die herbeygelaufnen Kinder kleine Krebse (prawns) zwischen den Steinen aufgesucht und bothen uns solche an. Als ein Beytrag zur Naturgeschichte dieser Insel waren sie uns ganz willkommen, und wir schenkten den Kindern eine Kleinigkeit von Corallen dafür; kaum aber sahen dies die Alten als ihrer mehr denn funfzig, theils Männer, theils Weiber in den Bach wadeten, und uns eine solche Menge von dergleichen Krebsen brachten, daß wir ihre Mühe bald verbitten und unbelohnt lassen mußten. In Zeit von zwey Stunden langten wir endlich bey unsern Zelten auf Point-Venus wiederum an, und fanden den ehrlichen O-Wahau daselbst, der meinem Vater abermals ein Geschenk von Früchten machte. Wir hatten auf unserm heutigen Spatziergange bemerkt, daß es hier mehr müßige Leute als zu Aitepieha gab; auch schienen die Häuser und Pflanzungen hier verfallner und vernachläßigter zu seyn als dort, und statt freundschaftlicher Einladungen, kriegten wir nichts als unbescheidne Bitten um Corallen und Nägel zu hören. Doch hatten wir im Ganzen noch immer Ursach mit den Einwohnern zufrieden zu seyn; denn sie ließen uns in ihrem herrlichen Lande wenigstens überall ungestört herum streifen. Daß sie zu allerhand kleinen Diebereyen ungemein geneigt wären, hatten wir zwar ebenfalls verschiedentlich erfahren, doch niemals etwas von einigem Werthe dadurch eingebüßt; denn in den Taschen, denen am leichtesten beyzukommen war, führten wir gemeiniglich nichts als das Schnupftuch, und dieses bestand noch dazu nur in einem Stück dünnen Tahitischen Zeuges, daher sie sich bey allem Glücke und Geschicklichkeit unsre Taschen auszuleeren, hintergangen fanden und ihre Beute gemeiniglich lächelnd wieder brachten. Meiner Meynung nach, ist diese Neigung bey den Tahitiern minder strafbar als bey uns; denn ein Volk, dessen Bedürfnisse so leicht zu befriedigen, und dessen Lebensart so gleichförmig ist, kann würklich unter sich nur wenig Veranlassungen zur Dieberey haben. Ihre offenen Häuser, ohne Thür und Riegel, beweisen auch zur Gnüge, daß in dieser Absicht keiner von dem andern etwas zu besorgen hat. Wir sind also an dieser ihrer Untugend in so fern selbst schuld, weil wir die erste Veranlassung dazu gegeben, und sie mit Dingen bekannt gemacht haben, deren verführerischem Reiz, sie nicht widerstehen können. Überdies halten sie selbst, dem Anschein nach, ihre Diebereyen eben für so strafbar nicht, weil sie vermuthlich glauben, daß uns dadurch doch kein sonderlicher Schaden zugefügt werde.

In unsrer Abwesenheit hatten die Capitains den König zu Parre besucht, und es war ihnen zu Ehren ein dramatischer Tanz aufgeführt worden, worinn Ihro Königl. Hoheit Tauraï die Hauptrolle spielte. Sie erschien eben so gekleidet, und ihre Pantomime war eben so beschaffen als in Capitain Cooks voriger Reise beschrieben ist.[33] Zwey Mannspersonen tanzten in den Zwischenzeiten, wenn sich die Prinzeßinn ausruhte, und sungen oder sprachen alsdenn auch, mit sonderlich verzerrten Grimassen, einige Worte her, die sich allem Anschein nach auf den Gegenstand des Tanzes bezogen, unsern Leuten aber unverständlich waren. Die ganze Vorstellung dauerte ohngefähr anderthalb Stunden und Tedua Tauraï zeigte dabey eine bewundrungswürdige Geschicklichkeit, die alles übertraf, was man in dieser Art auf der vorigen Reise zu Ulietea gesehn hatte.

Am folgenden Morgen sandte Capitain Cook den Lieutenant Pickersgill in aller Frühe nach dem südwestlichen Theil der Insel, um frische Lebensmittel, besonders aber einige Schweine einzukaufen, weil wir bis jetzt von dem Könige nur zwey Stücke erhalten hatten. Wir unsers Theils blieben diesen ganzen Tag über am Bord, um die gestern eingesammleten Pflanzen zu beschreiben. Abends um 10 Uhr, entstand auf dem Strande, dem Schiffe gegenüber, ein gewaltiger Lärmen; die Capitains vermutheten sogleich, daß solches auf eine oder die andre Weise von unsern Leuten herrühren müsse und sandten deshalb ohnverzüglich etliche Boote mit den erforderlichen Officiers dahin, die denn auch die Thäter bald an Bord brachten. Es waren verschiedne See-Soldaten und ein Matrose, welche sich von dem befehlhabenden Officier bey den Zelten Erlaubniß ausgebeten, spatzieren zu gehen, aber über die Zeit ausgeblieben waren und einen Indianer geprügelt hatten. Der Capitain ließ sie sogleich in Ketten legen, weil es von der äußersten Wichtigkeit war, ihr Vergehen exemplarisch zu bestrafen, um mit den Einwohnern in gutem Vernehmen zu bleiben. O-Tu hatte versprochen, am folgenden Morgen mit seinem Vater an Bord zu kommen; dieser Lerm aber, wovon er eine halbe Stunde nachher sogleich Nachricht erhalten, machte ihn mißtrauisch gegen uns. Er schickte also einen seiner vornehmsten Hofbedienten, Namens E-Ti, als Bothen oder Gesandten (Whanno no t' Eri)[34] ab, um sich wegen seines Außenbleibens entschuldigen zu lassen. Ehe dieser aber ans Schiff kam, waren Dr. Sparrmann und ich schon wieder nach dem Lande und zwar nach dem Platze hingegangen, wo gestern Abend der Lerm vorgefallen war, von da wir weiter ins Innere des Landes zu gehen gedachten. Der alte O-Whaa,[35] der immer so friedfertige Gesinnungen geäußert, kam uns am Strande entgegen, und gab über den gestrigen Vorfall sein Mißvergnügen zu erkennen. Wir versicherten ihn dagegen, daß es uns nicht minder unangenehm sey, daß aber die Verbrecher schon in Eisen wären und scharf bestraft werden würden, und dies stellte ihn völlig zufrieden. Da wir vom Schiffe niemand mit uns genommen hatten, so bathen wir O-Whaa uns Jemanden zu schaffen, dem wir unser Geräthe etc. zu tragen anvertrauen könnten. Es bothen sich verschiedne dazu an, er wählte aber nach seinem eignen Gefallen einen starken tüchtigen Kerl, dem denn auch gleich ein Sack für die Pflanzen und einige Körbe mit Tahitischen Äpfeln eingehändigt wurden, welche wir hier so eben erhandelt hatten. In diesem Aufzuge wanderten wir nunmehro mit unserm Begleiter über One-Tree-hill weg und gelangten in eins der vordersten Thäler von O-Parre. Hier begünstigte uns das Glück mit einer botanischen Entdeckung. Wir fanden nemlich einen neuen Baum, der das prächtigste Ansehen von der Welt hatte. Er prangte mit einer Menge schöner Blüthen, die so weiß als Lilien, aber größer und mit einer Menge Staubfäden versehen waren, welche an den Spitzen eine glänzende Carmosinrothe Farbe hatten. Es waren ihrer bereits so viele abgefallen, daß der ganze Boden voll davon lag. Diesen schönen Baum nannten wir Barringtonia, in der Landessprache aber heißt er Huddu (huddoo,) [Abb. 6262] und die Einwohner versicherten, daß wenn die nußartige Frucht desselben zerstoßen, und, mit dem Fleisch der Muscheln vermischt, ins Meer geworfen wird, die Fische auf einige Zeit so betäubt davon würden, daß sie oben aufs Wasser kämen und sich mit den Händen fangen ließen. Es ist sonderbar, daß verschiedne Seepflanzen zwischen den Wendezirkeln eben diese Eigenschaft haben; dergleichen sind vornemlich die Kuckels-Körner (cocculiindici,) die in Ostindien bekannt sind und zu gleicher Absicht gebraucht werden. Wir waren über unsern botanischen Fund viel zu sehr erfreut, als daß wir mit der näheren Untersuchung desselben, bis zur Rückkunft ans Schiff hätten warten können. In dieser Absicht sprachen wir ohne Umstände in ein hübsches Haus von Rohr ein, um welches wohlriechende Stauden und einige Coco-Nuß-Bäume gepflanzt waren. Vermöge der so oft belobten Gastfreyheit des Landes, ließ der Eigenthümer desselben, gleich bey unserm Eintritt, einen Knaben auf eine der höchsten Palmen steigen, um Nüsse für uns zu holen, und der junge Bursche richtete seinen Auftrag mit wunderbarer Geschicklichkeit aus. Er befestigte nemlich ein Stück von der zähen Pisang-Rinde an beyde Füße. Es war just so lang, daß es rings um den Stamm reichte, und diente ihm als ein Tritt oder fester Punct, immittelst er sich mit den Händen höher hob. Die natürliche Bildung der Coco-Palme, die alle Jahr einen dicken Ring um den Stamm ansetzt, erleichterte ihm zwar diese Art des Aufsteigens; doch blieb die Geschwindigkeit und Leichtigkeit, mit welcher er dabey zu Werke gieng, immer sehr bewundrungswürdig. Wir würden dieser Güte und Aufmerksamkeit unwerth gewesen seyn, wenn wir dem Wirth beym Abschied nicht ein klein Geschenk gemacht und den Knaben für seine Geschicklichkeit nicht belohnt hätten.

Von hier aus giengen wir das Thal weiter hinauf, welches wieder die gewöhnliche Art, in der Mitte keinen Bach hatte, und gegen die Berge zu in die Höhe lief. Zur Linken war es von einem Berge eingeschlossen, den wir, so steil er auch war, zu besteigen gedachten. Es ward uns aber herzlich sauer, und unser Tahitischer Begleiter lachte uns aus, daß wir für Müdigkeit alle Augenblick niedersitzen mußten, um wieder zu Athem zu kommen. Wir hörten wie er hinter uns, zwar sehr langsam, aber mit ofnem Munde, sehr stark schnaubte. Wir versuchten also nachzumachen, was vermuthlich die Natur ihm gelehrt hatte, und fanden diese Methode auch würklich besser als das öftere kurze Athemholen, bey welchem es uns zuvor immer an Luft fehlte. Endlich erreichten wir den Gipfel des Berges, wo der Weg wieder eben wurde, und noch überdies ein angenehmes Lüftchen uns ungemein erfrischte. Nachdem wir aber auf dieser hohen Fläche eine Strecke weiter gegangen waren, nöthigte uns die vom dürren Boden zurückprallende brennende Sonnenhitze, im Schatten eines einsam stehenden Pandangs oder Palm-Nußbaums[36] niederzusitzen, wodurch selbst unserm Begleiter ein großer Dienst geschahe. Die Aussicht war von hier aus vortreflich. Wir sahen tief auf die Ebne von Matavai herab, die alle ihre Reize gleichsam zu unsern Füßen ausbreitete; vor derselben lag die Bay mit den Schiffen, von einer Menge Canots bedeckt und mit dem Ryf eingeschlossen, welches O-Tahiti umgiebt. Die Mittagssonne warf ein stätes, ruhiges und gleichförmiges Licht auf den ganzen Prospect, und in einer Entfernung von ohngefähr 6 starken englischen See-Meilen (leagues,) erblickte man die niedrige Insel Tedhuroa. Sie bestand aus einem kleinen Zirkel von Felsen, die mit einigen Palmen besetzt waren, und jenseits derselben verlor sich die Aussicht in das weite Meer hinaus. Von den übrigen benachbarten Inseln, die wir nicht sehen konnten, zeigte unser Begleiter uns wenigstens die Lage, und erzählte dabey, ob und was daselbst wachse? ob die Inseln bergigt oder flach, bewohnt oder unbewohnt, oder nur dann und wann besucht würden? Tedhuroa gehörte zu der letztern Art, und es kamen eben zwey Canots mit aufgesetzten Segeln von daher zurück. Der Tahitier sagte: sie würden vermuthlich auf den Fischfang aus gewesen seyn, der in dem dortigen beschloßnen See sehr ergiebig wäre. Nachdem wir uns auf dieser Stelle ein Weilchen ausgeruht hatten, giengs wieder fort und auf die im Innern der Insel gelegenen Berge los. Sie lockten uns nicht nur durch den schönen Anblick ihrer noch reich belaubten Wälder, in denen wir manche neue Pflanze zu finden hoffen konnten, sondern auch durch ihre anscheinende Nachbarschaft. Hievon wurden wir indessen bald das Gegentheil gewahr; es waren nemlich von hier aus, noch eine Menge dürrer Berge und Thäler zu paßiren, die uns keine Hoffnung übrig ließen, noch heute dahin zu kommen. Wir gedachten deshalb die Nacht unterwegens zuzubringen, allein bey näherer Überlegung war das keinesweges rathsam, weil wir nicht wußten, wenn unsre Schiffe abgehen würden, und weil wir auch keine Lebensmittel bey uns hatten. Überdies sagte uns unser Begleiter, wir würden auf den Bergen weder Menschen, noch Wohnungen, noch Lebensmittel finden; und daher besser thun, wieder nach dem Thal von Matavai zurückzukehren, dahin man, vermittelst eines schmalen Fussteiges, den er uns anzeigte, geraden Weges hinab kommen könne. Wir folgten also seinem Rath, fanden aber das Heruntersteigen auf diesem Wege gefährlicher als das Heraufsteigen von jener Seite gewesen war. Wir strauchelten alle Augenblick, und an manchen Stellen mußten wir uns gar niedersetzen und herabrutschen. Unsre Schuhe waren von dem trocknen Grase, worauf wir gegangen, so glatt, daß wir in dieser Absicht weit übler dran waren als unser Indianer, der barfus, und deshalb ungleich sichrer gieng. Wir gaben ihm unsre Vogel-Flinten, damit wir auch von den Händen Gebrauch machen könnten; endlich nahmen wir sie aber wieder, ließen ihn vorauf gehen und lehnten uns, an den gefährlichsten Stellen, auf seine Arme. Als wir ohngefähr halb herunter waren, rief er einigen Leuten im Thal zu; wir glaubten aber daß sie ihn, wegen der Entfernung, nicht gehört haben würden, zumal da er keine Antwort bekam. Es währete indessen nicht lange, so sahen wir etliche derselben sehr geschwind den Berg herauf kommen und in weniger denn einer halben Stunde waren sie bey uns. Sie brachten drey frische CocosNüsse mit, die uns ungleich besser schmeckten, denn irgend eine, welche wir je gekostet hatten. Ob dem würklich also seyn, oder ob es uns der damaligen Ermüdung wegen nur so vorkommen mochte? will ich nicht entscheiden. Sie bestanden darauf, daß wir ein wenig ausruhen möchten; und vertrösteten uns auf eine ganze Parthey CocosNüsse, welche sie etwas weiter herab in Bereitschaft gelegt hätten, und vor erst nur etliche wenige herauf bringen wollen, damit wir nicht zu eilig trinken mögten. Ihre Vorsorge verdiente in aller Absicht Dank, allein wir waren so durstig, daß wir's kaum erwarten konnten, bis sie uns erlauben wollten weiter zu gehen. Endlich machten wir uns wieder auf den Weg und kamen, auf einem flachen Grunde, in ein herrliches kleines Gebüsch, wo wir uns aufs frische Gras niederließen und den kühlen Nectar genossen, welchen unsre Freunde herbey geschaft hatten. Durch diese Erfrischung fühlten wir uns ganz gestärkt und giengen mit neuen Kräften vollends nach dem Thal herab. Hier versammlete sich alsbald eine Menge Indianer, die uns allerseits über die Ebne nach der See hin begleiten wollten. Mittlerweile, daß sie Anstalt dazu machten, kam ein wohl aussehender Nlann, nebst seiner Tochter, einem jungen Mädchen von sechzehen Jahren, herbey, und bat uns, in seinem Hause, welches etwas weiter aufwärts lag, eine Mahlzeit einzunehmen. Ob wir gleich so herzlich müde waren, daß wir diese Ehre gern verbeten hätten; so wollten wir seine Höflichkeit doch nicht gern verschmähen und folgten ihm also. Der Weg gieng ohngefähr 2 Meilen weit, an den herrlichen Ufern des Matavai-Flusses, überall durch schöne Pflanzungen von Cocos-Brodfrucht-Äpfel- und Maulbeer-Bäumen, die mit Feldern von Pisang- und Arum-Wurzeln abwechselten. Der Fluß schlängelte sich in dem Thale von Seite zu Seite, und unser Führer, nebst seinen Bedienten, bestunden immer darauf, uns auf dem Rücken hinüberzutragen. Endlich kamen wir bey unsres Wirthes Hause an, das auf einem kleinen Hügel lag, neben welchem der Fluß über ein Kieselbette sanft vorbey rauschte. Die Anstalten zur Mahlzeit waren bald gemacht; in einer Ecke des Hauses breitete man eine schöne Matte auf die Erde und die Verwandten unsers Freundes setzten sich neben derselben um uns her. Seine Tochter übertraf an zierlicher Bildung, heller Farbe und angenehmen Gesichtszügen, fast alle Tahitischen Schönheiten, die wir bisher gesehn, und sie sowohl als andre ihrer jungen Gespielen ließen es gewiß an nichts fehlen, sich beliebt zu machen. Das thätigste Mittel, welches sie außer ihrem gewöhnlichen Lächeln anwandten, unsre schläfrige Müdigkeit zu vertreiben, bestand darinn, daß sie uns mit ihren weichen Händen die Arme und die Schenkel gelinde rieben und dabey die Muskeln zwischen den Fingern sanft zusammen drückten. Diese Operation bekam uns vortreflich. Ob sie den Umlauf des Bluts in den feinern Gefäßen befördern, oder den erschlaften, müden Muskeln ihre vorige Elasticität unmittelbar wieder geben mochte? will ich nicht entscheiden; genug, wir wurden nach derselben ganz munter und spürten in kurzer Zeit nicht mehr das geringste von unsrer vorigen Ermüdung. Capitain Wallis gedenkt dieses hier eingeführten Verfahrens ebenfalls und rühmt die wohlthätige Würkung desselben aus eigner Erfahrung.[37] Osbeck sagt in der Beschreibung seiner Reise nach China, daß diese Operation daselbst sehr gewöhnlich sey, und daß besonders die Chinesischen Barbierer ausnehmend gut damit umzugehen wüßten.[38] Endlich, so findet man auch in Grose's ostindischer Reisebeschreibung umständliche Nachricht von einer Kunst, die bey den Ostindianern Tschamping genannt wird, und nichts anders als eine wollüstige Verfeinerung eben dieses Stärkungsmittels zu seyn scheint.[39] Es verdient angemerkt zu werden, daß letzterer Stellen aus dem Martial und Seneca anführt, aus denen sich mit Wahrscheinlichkeit schließen läßt, daß auch den Römern dieser Handgrif bekannt gewesen seyn müsse:

 

Percurrit agili corpus arte tractatrix

Manumque doctam spargit omnibus membris.

MARTIAL.

 

Wir hatten nun nicht länger Ursach über Mangel von Appetit zu klagen, woran es uns zuvor, blos der Müdigkeit wegen, gefehlt hatte; denn sobald das Essen aufgetragen ward, welches, der ländlichen Genügsamkeit der Einwohner gemäs, aus nichts als Früchten und Wurzelwerk bestand, so fielen wir ganz herzhaft darüber her und fanden uns, nach eingenommener Mahlzeit wiederum so munter, als wir am frühen Morgen kaum gewesen waren. Nachdem wir auf solche Art wohl zwey Stunden bey dieser gastfreyen Familie zugebracht hatten, so beschenkten wir unsern gütigen Wirth, imgleichen seine schöne Tochter nebst ihren Freundinnen, deren Sorgfalt wir die geschwindere Herstellung unsrer Kräfte hauptsächlich zu verdanken hatten, so reichlich es unser Vorrath von Corallen, Nägeln und Messern zulassen wollte, und schieden alsdenn ohngefähr um 3 Uhr von ihnen.

Auf dem Rückwege kamen wir bey vielen Häusern vorbey, deren Bewohner sich im Schatten ihrer Fruchtbäume truppweise hingelagert hatten und den schönen Nachmittag gemeinschaftlich mit einander genossen. In einem dieser Häuser sahen wir einen Mann mit der Zubereitung einer rothen Farbe beschäftigt, welche sie zu dem aus der Staude des Chinesischen Maulbeerbaums verfertigten Zeuge gebrauchen. Wir fanden zu unsrer großen Verwundrung, daß der gelbe Saft einer kleinen Feigen-Art, hier Mattih genannt, und der grüne Saft eines Farren- oder andern Krautes, die einzigen Ingredienzien dieser Farbe ausmachten. Durch bloße Mischung derselben, entstand ein hohes Carmosin-Roth, welches die Frauen mit den Händen über das Stück herrieben, wenn es durchaus gleich gefärbt werden sollte: Wollten sie es aber nur gesprenkelt oder nach besondern Mustern aufgetragen haben; so bedienten sie sich eines Bambu-Rohrs dazu, das in den Saft eingetunkt, und bald in dieser, bald in jener Richtung aufgedruckt wurde. Diese Farbe ist aber ungemein zart; außerdem daß sie keine Art von Nässe, nicht einmal Regen vertragen kann, verschießt sie auch, blos von der Luft, sehr bald und bekommt alsdenn ein schmutziges Ansehen. Dem ohnerachtet stehet das damit gefärbte oder vielmehr gemahlte Zeug bey den Tahitiern in sehr hohen Werth, und wird nur von den vornehmern Leuten getragen. Für Nägel und Corallen kauften wir etliche Stücke desselben von verschiednen Arten, und kehrten darauf nach unsern Gezelten, die von dem Orte wo wir gespeißt hatten, wenigstens 5 Meilen entfernt waren zurück. Hier verabschiedeten und belohnten wir unsern ehrlichen Gefährten, den uns O-Wahau empfohlen und der uns mit größerer Treue und Redlichkeit gedient hatte, als man bey der herrschenden Neigung des Volks zum Diebstahl hätte erwarten sollen. Sein Betragen war um so verdienstlicher, da er während dieser Tagereise mehr denn einmal Gelegenheit gehabt hatte, mit allen unsern Nägeln und Flinten ohngehindert davon zu laufen , eine Versuchung, der zu widerstehen, warlich, ein hier zu Lande ungewöhnlicher Grad von Rechtschaffenheit erfordert ward. Für ein Paar Corallen ließen wir uns sodann in einem Canot nach dem Schiffe über setzen.

Der Capitain und mein Vater, die in unsrer Abwesenheit einen Spatziergang gen Westen vorgenommen hatten, waren eben erst wieder an Bord zurück gelangt. Sie erzählten uns, daß gleich nachdem wir sie heute früh verlassen hätten, E-ti, als Gesandter des Königs, zu ihnen gekommen sey, und dem Capitain ein Schwein, imgleichen Früchte zum Geschenk überbracht, aber dabey gemeldet habe, daß O-Tuh, des gestrigen Vorfalls wegen, matau, das heißt, in Furcht gesetzt und zugleich übel auf uns zu sprechen sey. Um ihn nun zu überführen, daß wir selbst die Ausschweifungen unsrer Leute nicht gut hießen, wurden die Verbrecher aufs Verdeck gebracht und bekamen in seiner Gegenwart, zum Schrecken aller anwesenden Tahitier, ein jeder zwölf Streiche. Nach dieser Execution ließ Capitain Cook drey Schaafe, als so viel ihrer von denen am Cap eingekauften, noch übrig waren, ins Boot schaffen, und gieng in Begleitung Capitain Furneaux und meines Vaters, ans Land, um das Vertrauen des Königs wieder zu gewinnen, ohne welches im ganzen, Lande keine Lebensmittel zu erhalten waren. Als sie nach Parre kamen, sagte man ihnen, der König sey von hier nach Westen aufgebrochen; sie folgten ihm also 4 bis 5 Meilen weiter und landeten endlich in einem District, Tittahah genannt, wo sie einige Stunden auf ihn warten mußten. Aus Furcht für uns, hatte er sich würklich, in aller Eil, 9 Meilen weit von Matavai-Bay entfernt. Eine so schnelle und durch eine solche Kleinigkeit veranlaßte Flucht, verrieth freylich von seiner Seite ungemein viel Feigherzigkeit; doch ist sie ihm zu vergeben, wenn man bedenkt, auf was für eine fürchterliche und blutige Weise die Europäer diesem Volke ihre Gewalt und Übermacht ehemals gezeigt hatten. Es ward 3 Uhr Nachmittags, ehe er mit seiner Mutter bey den Capitains ankam, Er voll Furcht und Mißtrauen und Sie mit Thränen in den Augen. Sobald ihm aber E-Ti Bericht abgestattet hatte, daß die Verbrecher in seiner Gegenwart wären abgestraft worden, ward er ruhiger, und der Anblick einer neuen Art von Thieren, die ihm Capitain Cook unter wiederholten Freundschaftsversicherungen schenkte, stellt das gute Vernehmen bald wieder gänzlich her. Auf Sr. Majestät Verlangen mußte nun auch unser Bergschotte wieder auf dem Dudelsack spielen, und die geringfügige Kunst dieses Virtuosen war hier so würksam als Davids Harfe, deren harmonischere Töne Sauls Schwermuth zu vertreiben pflegten. Die gute Würkung der Music zeigte sich bald thätig. Der König ließ ein Schwein kommen, und schenkte es dem Capit. Cook; und bald nachher ließ er noch ein zweytes für Capitain Furneaux bringen. Da diese Herren bald von der Insel abzusegeln gedachten, und daher glaubten, dies sey die letzte Gelegenheit, Geschenke von Sr. Majestät zu erhalten, so verlangten sie, daß Er für Matara, oder meinen Vater, auch eins hergeben mögte. Dies geschah, es war aber nur ein kleines Ferken. Als unsre Leute über diesen Unterschied einiges Mißvergnügen zu erkennen gaben, trat sogleich einer von des Königs Verwandten in aufsteigender Linie, die alle Medua (Vater) genannt werden, aus dem Gedränge hervor, redete, unter gewaltigen Gesticulationen, den König mit lauter Stimme an, und zeigte bald auf unsre Leute, bald auf die erhaltnen Schaafe und bald auf das kleine Ferken. Kaum hatte der Redner zu sprechen aufgehört, als letzteres wieder weggenommen und an dessen Statt ein großes Schwein herbeygebracht wurde. Man belohnte diese Bereitwilligkeit durch freygebige Austheilung von allerhand Eisengeräthschaften und andern Kleinigkeiten. Die Indianer erwiederten solches durch mancherley Ahau's oder Stücken von hiesigen Zeuge, in welche sie unsre Leute einkleideten, worauf diese sich vom ganzen Hofe beurlaubten und ohngefähr um 5 Uhr an die Schiffe zurückkamen.

 

[1773. September.]

 

Da der Capitain am folgenden Tag die Insel gänzlich zu verlassen gedachte; so wurden Vorkehrungen zur Abreise gemacht. Beym Anblick dieser Zurüstungen, deren Bedeutung die Indianer schon von ehemals her kannten, kamen sie zu guter letzt mit Fischen, Muscheln, Früchten und Zeuge noch haufenweise herbey, und wurden alles los. Der Lieutenant Pickersgill, der seit vorgestern vom Schiffe abwesend war um Lebensmittel einzuhandeln, kam heute gegen 3 Uhr Nachmittags von dieser Expedition zurück. Er war noch jenseits der fruchtbaren Ebnen von Paparra gewesen, wo O-Ammo,[40] der ehemals als König über ganz Tahiti geherrscht hatte, mit seinem Sohn dem jungen T'Eri Derre[41] sich aufhielt. Die erste Nacht hatte er auf der Gränze eines kleinen Districts zugebracht, der gegenwärtig der bekannten Königinn O-Purea (Oberea) zugehörte. So bald ihr die Nachricht von seiner Ankunft war hinterbracht worden, kam und bewillkommte sie ihn, als einen ihrer alten Bekannten mit den lebhaftesten Freundschaftsbezeugungen. Indessen hatte sie sich, nicht lange nach des Capitain Wallis Abreise, von ihrem Gemahl[42] getrennt und war nunmehro von jener Größe, die ihren Namen in der Geschichte dieses Landes und unter den Europäern ehemals so berühmt gemacht hatte, gänzlich herabgesunken.[43] Hieran waren vornemlich die innerlichen Kriege zwischen den beyden Halbinseln schuld, denn durch diese war Sie, und der ganze District Paparra, in großen Verfall gerathen. Sie klagte gegen den Lieutenant, daß sie tihtih (arm) sey, und ihren Freunden, den Europäern, nicht einmal ein Schwein zu schenken vermögte. Da auf solche Weise von ihr nichts zu erwarten war, so gieng er am folgenden Morgen nach Paparra zurück, und besuchte daselbst den vorigen Gemahl, der O-Purea, Namens Ammo, der seitdem eine der hübschesten jungen Mädchen im Lande genommen hatte, für seine Person aber alt und unthätig geworden war. Seine Schöne schenkte unsern Leuten ein Schwein, und gesellte sich, als sie abreisen wollten, nebst einigen ihrer weiblichen Bedienten zu ihnen, fuhr auch den ganzen Tag über getrost mit in unserm Boote; indeß ihr eignes Canot neben her ging, um sie wieder zurückzubringen. Sie schien ungemein neugierig zu seyn und mußte wohl nie Europäer gesehen haben; denn unter andern zweifelte sie ob solche in allen Stücken, wie ihre Landsleute beschaffen wären, bis ihr der Zweifel ganz förmlich, durch klaren Augenschein, benommen ward. Mit dieser ihrer Begleiterin landeten sie endlich zu Attahuru, woselbst ein angesehener Befehlshaber, Namens Potatau[44] sie gut aufnahm und in seinem Hause die zweyte Nacht über beherbergte. Auch dieser hatte sich von seiner Frau Polatehera geschieden und eine jüngere genommen, immittelst jene sich ebenfalls einen neuen Liebhaber oder Mann zugelegt hatte; doch lebten beyde Theile, dieser Familien-Veränderung ohngeachtet, so friedlich als je, noch immer unter einem Dache. Am folgenden Morgen ließ sich Potatau gegen Herrn Pickersgill verlauten, daß er ihn gern nach Matavai begleiten würde, um Capitain Cook zu besuchen, wenn er nur gewiß wäre, von diesem gut aufgenommen zu werden? Das konnte ihm Herr Pickersgill allerdings gewiß versprechen; Potatau aber zog, mehrerer Sicherheit wegen, ein Paar gelbe Federn hervor, band sie in einen kleinen Busch zusammen, und bath Herrn Pickersgill, solchen in der Hand zu halten und dabey zu versprechen, „daß Tute (Capitain Cook) Potatau's Freund seyn wolle.“ So bald dies geschehen war, wickelte er die Federn sorgfältig in ein Stückgen Tahitisches Zeug und steckte sie in seinen Turban. Daß die Einwohner dieser Insel dergleichen rothe und gelbe Federn bey ihren Gebeten zu gebrauchen pflegen, war uns schon aus den Nachrichten unsrer Vorgänger bekannt; daß sie solche aber auch, nach Maasgabe vorbeschriebner Ceremonie, zu feyerlichen Betheurungen anwenden, und folglich gewisse Begriffe vom Eyde unter sich haben? das dünkte uns eine ganz neue Bemerkung zu seyn. Potatau mußte das größte Vertrauen in diese Ceremonie setzen und nach derselben von der Redlichkeit seiner Freunde vollkommen überzeugt seyn, denn er machte sich unmittelbar darauf, in Begleitung seiner Gemahlinnen und verschiedner Bedienten, die ein Paar Schweine und eine Menge Zeug mitnehmen mußten, nach Herrn Pickersgills Boote hin, auf den Weg. Allein kaum war er unter einem großen Gedränge von Volk bis ans Ufer gekommen, als ihn die Leute insgesammt bathen, sich nicht unter uns zu wagen. Einige fielen ihm so gar zu Füßen und umfaßten seine Knie um ihn zurück zu halten. Verschiedne Frauenspersonen schrien mit thränenden Augen, mehr als einmal, Tute würde ihn umbringen, so bald er an Bord käme! und ein bejahrter Mann, der in Potataus Hause wohnte und ein alter treuer Diener der Familie zu seyn schien, zog ihn bey den Kleidern zurück. Potatau war gerührt; ließ auf etliche Augenblicke lang einige Besorgniß blicken, ermannte sich jedoch bald wieder, sties den warnenden Alten auf die Seite und rief mit entschloßner Stimme: Tute aipa matte te tayo, d. i. Cook wird seinen Freund nicht umbringen! Bey diesen Worten sprang er ins Boot, mit einer stolzen, ihres eignen Werths sich bewußten Dreistigkeit, die unsere Engländer mit einer Art von Ehrfurcht bewunderten. So bald er bey uns auf dem Schiffe ankam, eilte er nebst seiner Gemahlin Whainie-au, imgleichen mit seiner vorigen Gemahlin und derselben Liebhaber alsbald nach der Cajütte herab, um dem Capitain Cook seine Geschenke zu überreichen. Potatau war einer der größesten Männer, die wir auf der Insel gesehen hatten; dabey waren seine Gesichtszüge so voller Sanftmuth, Schönheit und Majestät, daß Herr Hodges sich gleich daran machte, nach ihm, als einem der edelsten Modelle in der Natur zu zeichnen. Man findet dies Portrait in Capitain Cooks Beschreibung gegenwärtiger Reise. Der ganze Cörper dieses Mannes war ungemein ansehnlich und besonders stark von Gliedern; sein Schenkel war zum Beyspiel vollkommen so dick als unser stärkster Matrose im Leibe. Seine weitläuftigen Kleidungen und sein zierlicher weisser Turban schickten sich sehr gut zu dieser Figur; und sein edles freymüthiges Betragen gefiel uns, besonders in Vergleichung mit O-Tuhs mistrauischem Wesen, über alle Maaße. Polatehera, seine erste Gemahlin, war ihm an Größe und Corpulenz vollkommen ähnlich, und in diesem Betracht dünkte sie uns allen, die sonderbarste Figur von einer Frauensperson zu seyn die wir je gesehen hatten. Beydes, ihr Anblick und ihr Betragen, waren ungemein männlich, und der Begriff von Gewalt und Herrschaft schien in ihrer Gestalt personificirt zu seyn. Als das Schiff Endeavour hier vor Anker lag, hatte sie einen überzeugenden Beweis davon gegeben. Sie nannte sich damals des Capitain Cooks Schwester[45] Tuaheine no Tute, und als man sie, dieses Nahmens ohnerachtet, eines Tages nicht ins Fort auf Point Venus hatte hineinlassen wollen, schlug sie die Schildwache, welche es ihr zu wehren suchte, zu Boden, und klagte darauf ihrem adoptirten Bruder die schimpfliche Begegnung welche ihr wiederfahren wäre. Sie waren noch nicht lange bey uns gewesen, als sie erfuhren, daß wir so gleich unter Seegel gehen würden. Sie fragten uns daher mit allen ersinnlichen Freundschafts-Bezeugungen und mit Thränen in den Augen, ob wir jemahls wieder nach Tahiti kommen würden? Capitain Cook versprach, in sieben Monaten wiederum hier zu seyn. Dies stellte sie völlig zufrieden; sie beurlaubten sich ganz gelassen, und giengen sodann in ihren Booten, die ihnen bis ans Schiff gefolgt waren, westwärts, nach der Gegend ihres Wohnsitzes zurück. Mittlerweile kam ein junger Tahitier vom geringsten Stande, der wohlgebildet und ohngefähr siebenzehn Jahr alt war, mit seinem Vater ans Schiff. Er hatte schon vor einigen Tagen gegen den Capitain gesagt, daß er mitgehn wolle, no te whennua tei Bretane d. i., „nach dem Lande Britannien.“ Seine ganze Equipage bestand aus einem schmalen Stück Zeug, das um die Hüften geschürzt war; und in diesem ganz wehrlosen, hülfsbedürftigen Zustande überließ er sich unsrer Vorsorge und unserm Schutze gänzlich unbesorgt. Sein Vater war ein Mann von mittlern Alter; diesem gab Capitain Cook ein Beil und einige andre Sachen von mindern Werthe zum Geschenk, worauf er sehr gefaßt und ruhig wieder in sein Canot hinab stieg, ohne bey der Trennung von seinem Sohn die geringste Betrübniß spühren zu lassen. Kaum waren wir aber zum Rief hinaus, als ein Canot mit zwey oder drey Indianern nachkam, die den Burschen, in des Königs O-Tuh Namen, zurückfoderten, und einige Stücke Zeug bey sich hatten, welche sie dem Capitain dafür zum Geschenk überbringen sollten. Weil sie aber das Eisenwerk nicht vorzeigen konnten, welches wegen des armen Schelmen war verwandt worden, so mußten sie unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der Bursche, dessen Name Porea war, sprach, vom Hintertheil des Schiffes aus, lange mit ihnen, und sie ließen es gewiß an nichts fehlen, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, denn, so viel wir verstehen konnten, prophezeyten sie ihm den Tod, wenn er bey uns bleiben würde. Alle diese Drohungen machten ihn zwar nicht wankend, als aber das Canot wieder nach der Insel zurückkehrte, konnte er sich doch nicht enthalten, seinen Landsleuten noch lange mit sehnsuchtsvollen Blicken nachzusehen, und endlich ward er so wehmüthig, daß er sich durch einen Strohm von Thränen Luft schaffen mußte. Um diese traurige Stimmung zu unterbrechen, ließen wir ihn in die Cajütte kommen, wo er uns höchst betrübt vorklagte, daß er nun ganz gewiß sterben müsse, und daß sein Vater seinen Verlust schmerzlich beweinen werde. Capitain Cook und mein Vater trösteten ihn, und versprachen, daß sie Vaters Stelle an ihm vertreten wollten. Auf diese Versicherung fiel er ihnen um den Hals, küßte und drückte sie und gerieth mit einem male aus der äußersten Verzweiflung in einen hohen Grad von Freude und Lustigkeit. Beym Untergang der Sonne aß er sein Abendbrod und legte sich alsdenn auf den Boden der Cajüte nieder; da er aber sahe daß wir uns noch nicht zur Ruhe begaben, so stand er wieder auf und blieb bey uns bis wir ebenfalls zu Nacht gegessen hatten.

Es that uns ungemein leid, diese herrliche Insel jetzt schon zu verlassen, weil wir mit den glücklichen Bewohnern derselben eben erst recht bekannt zu werden anfiengen. Unser Aufenthalt hatte in allem nur vierzehn Tage gedauert, und davon waren zween, auf der Reise von einem Haven zum andern, gleichsam verlohren gegangen. Überdem hatten wir uns während dieser allzu kurzen Zeit in einem beständigen Taumel von Beschäftigungen befunden, und folglich nur wenig Augenblicke dazu erübrigen können, die Natur der Einwohner zu studieren. An diesen fanden wir, in Absicht ihrer Haushaltung, ihrer Sitten und Gebräuche, so viel neues und merkwürdiges, daß unsre Aufmerksamkeit, durch die Menge von Gegenständen beym ersten Anblick gleichsam betäubt wurde; in der Folge aber zeigte sich, daß das mehreste schon von unsern Vorgängern war beobachtet worden. Um also die Nachsicht der Leser nicht zu misbrauchen, habe ich meine gleichstimmigen Bemerkungen über diese Artikel weggelassen, und verweise sie wegen der Wohnungen, Kleidungen, Speisen, häuslichen Beschäftigungen, Schiffarth, Krankheiten, Religion und Beerdigungs-Gebräuchen, imgleichen wegen der Waffen, Kriege und Regierungs-Verfassung dieser Insulaner auf Capitain Cooks vorige Reise in dem Schiff Endeavour, welche Dr. Hawkesworth, nebst mehrern, zum Druck befördert hat. Solchergestalt wird man vorstehende Nachrichten von Tahiti nur als eine Nachlese und als Erläuterung dessen ansehen müssen, was bereits vor mir davon bekannt gewesen ist. Ich hoffe indessen, daß gegenwärtige Erzählung demohnerachtet unterhaltend genug seyn soll, und daß die besonderen, eigenthümlichen Gesichtspunkte, aus welchen ich verschiedene schon bekannte Gegenstände betrachtet habe, in manchen Fällen auch zu neuen und wichtigen Betrachtungen Gelegenheit geben werden.

„Capitain Cook bemerket in seiner Reisebeschreibung, (1 B. S. 188) daß der Hafen O-Aetipieha auf der kleinern Halbinsel, in 17'46'28" Südlicher Breite und 149°13'24" westlicher Länge von Greenwich gelegen sey. Hieraus schließt er, daß die Größe der ganzen Insel, welche er in der ersten Reise auf 30 See-Meilen angegeben hatte,[46] um ein Merkliches zu geringe sey. Die Beobachtungen wegen der Lage der Landspitze Venus, kamen auf dieser Reise mit jenen, die der verstorbene Herr Green ehemals allhier gemacht hatte bis auf ein paar Secunden überein.“

Der Wind, mit welchem wir absegelten, war so schwach, daß wir die Insel den ganzen Abend hindurch noch nahe im Gesicht behielten, und die überschwenglich schöne Aussicht auf die Ebene vor uns hatten, welche, selbst bey dieser todten Winter-Jahrszeit, den schönsten Landschaften in andern Gegenden der Welt noch immer zur Seite gesetzt werden konnte. Der fruchtbare Boden und das wohlthätige Clima bringen von selbst so vielerley Arten nahrhafter Gewächse hervor, daß die Einwohner in dieser Absicht wohl auf eine ungestörte sorgenfreye Glückseligkeit rechnen können und in so fern unterm Monde nirgends etwas vollkommnes, Glückseligkeit immer nur ein relativer Begriff ist, in so fern, dürften, im Ganzen genommen, schwerlich mehrere Völker der Erden sich einer so erwünschten Lage rühmen können! Da nun alle Lebensmittel leicht zu haben, und die Bedürfnisse dieses Volks sehr eingeschränkt sind, so ist, natürlicherweise, auch der große Endzweck unseres körperlichen Daseyns, die Hervorbringung vernünftiger Creaturen, hier nicht mit so vielen drückenden Lasten überhäuft und beschweret, als in civilisirtern Ländern, wo Noth und Kummer den Ehestand oft so mühselig und sauer machen. Die guten Leute folgen hier dem Triebe der Natur ganz ohngehindert, und daraus entsteht eine Bevölkerung, die im Verhältniß zu dem angebauten, nur kleinen Theile der Insel sehr groß ist. Bis jetzt sind nur allein die Ebenen und die Thäler bewohnt, obgleich, der Beschaffenheit des Erdreichs nach, auch viele von den Bergen angebauet werden, und noch eine ungeheure Menge von Einwohnern ernähren könnten. Sollte also die Bevölkerung in langer Zeit durch nichts gestört werden, so dürften die Einwohner auch wohl jene Gegenden zu bauen anfangen, die gegenwärtig ganz ungenutzt, und, so zu sagen, überflüßig sind. Das Volk lebt in einer Verfassung, die sich gewissermaaßen mit dem alten europäischen Feudal-System vergleichen läßt; es stehet nemlich unter einem allgemeinen Oberherrn, und ist in die drey Classen von Erihs, Manahauna's und Tautaus getheilt. Ohnerachtet zwischen diesen dreyen Classen ein wesentlicher Unterschied vorhanden ist; so wird die Glückseligkeit des Volks, im Ganzen genommen, doch ungleich weniger dadurch beeinträchtiget, als man glauben sollte, denn die Lebensart der Nation ist überhaupt zu einfach, als daß die Verschiedenheit des Standes einen merklichen Unterschied in selbige zulassen könnte. Wo Clima und Landessitte es nicht schlechterdings erfordern, daß man sich von Kopf bis zu Fuß kleide; wo man auf dem Felde überall Materialien findet, aus denen sich eine anständige und eingeführte Kleidung verfertigen läßt; und wo endlich alle Bedürfnisse des Lebens einem Jeden fast ohne Mühe und Handanlegung zuwachsen: Da müssen Ehrgeiz und Neid, natürlicherweise, beynahe gänzlich unbekannt seyn. Zwar sind die Vornehmern hier fast ausschließungsweise im Besitz von Schweinen, Fischen, Hühnern und Kleidungszeuge: allein, der unbefriedigte Wunsch den Geschmack mit ein Paar Leckerbissen zu kitzeln, kann höchstens nur einzelne Menschen, nicht aber ganze Nationen unglücklich machen. Dies kann nur gänzlicher Mangel an den unentbehrlichsten Nothwendigkeiten, und gerade dieser pflegt in civilisirten Staaten das Loos des gemeinen Mannes, so wie eine Folge der Üppigkeit des Großen zu seyn. Zu O-Tahiti hingegen, ist zwischen dem Höchsten und Niedrigsten, im Ganzen genommen, nicht einmal ein solcher Unterschied, als sich in England zwischen der Lebensart eines Handwerksmannes und eines Tagelöhners findet. Das gemeine Volk in Tahiti ließ bey allen Gelegenheiten gegen die Vornehmern der Nation so viel Liebe blicken, daß es schien, als sehen sie sich insgesammt nur für eine einzige Familie, und die Befehlshaber gleichsam nur als ihre älteren Brüder an, denen nach dem Recht der Erstgeburt, Vorzug gebühre. Vielleicht war auch ihre Regierungsverfassung ursprünglich ganz patriarchalisch, dergestalt, daß man den allgemeinen Regenten nur „als den Vater des ganzen Volks“ achtete, so lange, bis diese einfache Regierungsform sich nach und nach in die jetzige abänderte. Aber auch jetzt noch finden sich, in der Vertraulichkeit zwischen dem König und seinen Unterthanen, Spuren jenes ehemaligen patriarchalischen Verhältnisses. Der geringste Mann kann so frey mit dem Könige sprechen, als mit seines gleichen; und ihn so oft sehen als er will. Dies würde schon mehrern Schwierigkeiten unterworfen seyn, so bald der Despotismus Grund fassen sollte. Auch beschäftigt sich der König zu Zeiten auf eben die Art als seine Unterthanen; noch unverdorben von den falschen Begriffen eitler Ehre und leerer Prärogative rechnet er sichs keinesweges zur Schande, nach Maaßgabe der Umstände, in seinem Canot selbst Hand ans Ruder zu legen. Wie lange aber diese glückliche Gleichheit noch dauern mögte? kann man wohl nicht füglich bestimmen; doch scheint die Faulheit der Vornehmen, ihr eben nicht die längste Dauer zu versprechen. Vor der Hand ist zwar die Feld- und Landarbeit den Tautaus, welche sie verrichten müssen, noch nicht lästig; allein, da die ganz arbeitlosen Vornehmen sich in einem ungleich stärkern Verhältnisse vermehren müssen, als jene; so wird die dienstbare Classe künftig immer mehr mit Arbeit beschwert werden, und von dem Übermaaß derselben allerhand üble Folgen zu gewarten haben. Das gemeine Volk wird davon ungestalt, und ihre Knochen kraftlos werden; die Nothwendigkeit mehr in der brennenden Sonne zu seyn, wird ihre Haut schwärzen, und sie werden durch die häufigen und frühen Ausschweifungen ihrer Töchter mit den Großen des Landes, endlich zu zwergigten kleinen Gestalten ausarten, indeß jene vornehmen Müßiggänger die Vorzüge einer großen Leibesgestalt, einer schönen Bildung und einer hellern Farbe ausschließungsweise beybehalten werden, weil sie allein ihrem gefräßigen Appetit ohne Einschränkung folgen, und stets in sorgloser Unthätigkeit leben können. Endlich wird das gemeine Volk diesen Druck empfinden, und die Ursachen desselben gewahr werden, alsdenn aber wird auch das Gefühl der gekränkten Rechte der Menschheit in ihnen erwachen, und eine Revolution veranlassen. Dies ist der gewöhnliche Cirkel aller Staaten. Vor der Hand steht freylich für Tahiti noch lange keine solche Veränderung zu befürchten; ob aber die Einführung des fremden Luxus die Ankunft dieser unglücklichen Periode nicht beschleunigen werde? das muß man den Europäern zur ernstlichen Erwägung anheim stellen. Warlich! wenn die Wissenschaft und Gelehrsamkeit einzelner Menschen auf Kosten der Glückseligkeit ganzer Nationen erkauft werden muß; so wär' es, für die Entdecker und Entdeckten, besser, daß die Südsee den unruhigen Europäern ewig unbekannt geblieben wäre!

Zehntes Hauptstück.

 

 

Nachricht von unserm Aufenthalt auf den Societäts-Inseln.

 

Der Wind, mit welchem wir von Tahiti seegelten, ward nach Untergang der Sonne frischer und beschleunigte unsre Entfernung von dieser glücklichen Insel, die wir jedoch beym Mondenlicht noch immer sehen konnten.

Am folgenden Tage, den 2ten September, um 11 Uhr, erblickten wir die Insel Huaheine, die ohngefähr 31 See-Meilen von Tahiti entfernt liegt und vom Capitain Cook am 11ten Jul. 1769 entdeckt wurde. Viele unsrer Leute empfanden nunmehro schon die Folgen ihres liederlichen Umgangs mit den Frauenspersonen in Matavai-Bay, doch hatten alle dergleichen Patienten die Krankheit nur in einem sehr gelinden und gutartigen Grade. Man hat darüber gestritten, ob dies Übel durch französische oder durch englische Seefahrer nach Tahiti gebracht worden sey? ohne daran zu denken, daß zum Vortheil beyder streitenden Partheyen noch ein dritter Fall möglich sey. Warum sollte man nicht annehmen dürfen, daß diese Krankheit bereits auf der Insel vorhanden war, ehe noch irgend ein Europäer dahin kam? Der Umstand, daß keiner von des Capitain Wallis Leuten hier angesteckt worden, ist dieser Hypothese wenigstens nicht entgegen, denn er beweiset nur so viel, daß gerade die Frauensleute rein gewesen sind mit denen jene zu thun gehabt. Es kann ja leicht seyn, daß die Einwohner alle mit dieser Seuche behaftete Weibspersonen damals ausdrücklich von den Europäern zurückgehalten haben, weil sie den Zorn der mächtigen Fremdlinge auf sich zu laden fürchteten, wenn sie denselben ein so häßliches Übel zubrächten.[47] Wir hörten zwar von einer andern Krankheit, welche sie O-päh-no-Peppe (das Geschwür von Peppe) nannten, und vorgaben, daß ihnen solche von dem eben so genannten Schiffe zugeführet worden sey, welches zwey, oder wie andre wollten, drey, ja gar fünf Monathe vor uns, hier vor Anker gelegen hatte: Allein, nach der Beschreibung der Symptomen zu urtheilen, war diese Krankheit wohl nichts anders als eine Art von Aussatz; und an der Ausbreitung derselben, können die Spanier oder die Fremden in diesem Schiffe, noch überdies ganz unschuldig seyn. Die Krankheit brauchte nur auszubrechen, als das Schiff ankam, und zwischen den Kranken und der Equipage desselben einige, selbst entfernte Verbindung statt gefunden haben, so war das zu Veranlassung jenes Irrthums schon genug. Dies ist um so wahrscheinlicher, da die Einwohner ohnedem mit verschiednen Arten von Aussatz behaftet sind. Man findet nemlich die Elephantiasis, die den Yaws ähnlich ist; imgleichen einen Aussatz über die ganze Haut, und endlich ein ungeheures, faulendes Geschwür unter ihnen, das abscheulich anzusehen ist. Doch sind alle diese Gattungen ungemein selten anzutreffen, vornemlich die letzte Art, welches ohne Zweifel dem treflichen Clima und der einfachen unschuldigen Kost dieser Insulaner zuzuschreiben ist; ein Vorzug ihrer Lebensart, der nie genug angerühmt und mit Recht als die Hauptursach angesehn werden kann, daß jene Zufälle so selten ja überhaupt fast keine gefährliche und tödtliche Krankheiten in Tahiti anzutreffen sind.

Bey Untergang der Sonnen legten wir, 2 See-Meilen von Huaheine, bey; giengen am folgenden Morgen um 4 Uhr um das Nord-Ende dieser Insel herum, und steuerten sodann dem Haven O-Wharre zu. Huaheine wird durch einen tiefen See-Arm in 2 Halb-Inseln getheilt, die vermittelst einer niedrigen Landenge zusammenhängen, welche zur Fluthzeit gänzlich unter Wasser stehet. Die Berge sind nicht so hoch als auf Tahiti, und scheinen, dem äußern Ansehen nach, ehemals Volcane gewesen zu seyn. Der Gipfel des höchsten war so geformt als es der Schlund eines feuerspeyenden Berges zu seyn pflegt, und an einer Seite gab es einen schwarzen schwammichten Fels, der ungemein Laven-artig aussahe. Bey Aufgang der Sonne erblickten wir noch etliche andre, zu den Societäts-Inseln gehörige Eylande, als O-Raietea[48], O-Taha und Borabora[49]. Lezteres bestehet, gleich der Insel Mäatea, aus einem einzigen hohen Berge, der aber ungleich ansehnlicher ist als jenes. Die oberste Spitze dieses Berges hatte ebenfalls die Form eines volcanischen Schlundes. Es giebt zwo Einfahrten in den Haven O-Wharre, in deren südlichste wir einzulaufen gedachten, und da uns eben ein starker Wind vom Lande her entgegen blies, so hatten unsre Seeleute Gelegenheit ihre Kunst zu versuchen, um sich dagegen hineinzuarbeiten. Der Eingang ist ohngefähr 9 bis 12 hundert Fus lang, und zwischen den beyden Felsen-Rieffs kaum drey hundert Faden breit; gleichwohl machte unser Schiffs-Volk, in dieser engen und gefährlichen Durchfahrt, mit bewundrungswürdiger Geschicklichkeit, sechs bis sieben Seitenwendungen, deren jede nur ohngefähr 2 oder 3 Minuten dauerte. Wir waren noch nicht ganz hindurch als die Adventure, die hinter uns her seegelte, beym Umwenden dem einen Rieffe zu nahe kam, und unglücklicherweise mit der Seite an dem Coral-Felsen sitzen blieb. Wir hatten in diesem Augenblick alle Hände voll zu thun, um unser eigenes Schiff glücklich durchzubringen, und konnten ihr also nicht gleich Hülfe leisten. So bald wir aber vor Anker gekommen waren, welches nicht lange anstand, schickten wir ihr unsre Boote zu, und ließen sie in den Haven hereinboogsieren. Sie hatte keinen Schaden gelitten, sondern war so gut davon gekommen als unser Schiff bey Teiarrabu, woselbst es ehemals auch auf den Grund gerathen war. (S. Seite 223. [MS S. 221])

Das Land sahe hier eben so aus als zu Tahiti, nur waren die Gegenden und Aussichten alle nach einem kleinern Maasstabe als dort, denn die ganze Insel hat nur ohngefähr 6 bis 8 See-Meilen im Umkreise. Es giebt folglich nirgends große Ebenen, auch nur selten dergleichen kleine sanfte Anhöhen als man zu Tahiti vor den höheren, landeinwärts gelegenen Bergen findet, welche letzteren hier, zu Huaheine, unmittelbar bis auf die Ebenen reichen. Im Ganzen fehlt es indessen keineswegs an schönen Stellen, nur daß sie durchgängig von geringem Umfange sind. Außerhalb des Rieffs kam uns nicht ein einziges Canot entgegen; wir waren aber kaum vor Anker gegangen, als sich verschiedene, mit Coconüssen, Brodfrucht und großen Hünern, einfanden. Der Anblick von Hünern war uns besonders angenehm, denn zu Tahiti hatten wir nur ein einziges Paar auftreiben können, so sehr war diese Insel durch die vorigen Seefahrer davon entblößet worden. Einer von den Indianern, die zu uns an Bord kamen, hatte einen ungeheuren Hodenbruch, doch mußte ihm solcher wohl nicht viel Unbequemlichkeit verursachen, wenigstens stieg er die äußere Schiffsleiter ganz schnell und leicht herauf. Das Volk sprach dieselbige Sprache, war eben so gebildet und auch eben so gekleidet als die Leute auf Tahiti, aber von Frauenspersonen kam nicht eine einzige zum Vorschein. Im Handel giengen sie sehr ehrlich zu Werke, und in kurzer Zeit hatten wir für Nägel und Corallen ein Dutzend großer Hähne von vortreflichem Gefieder eingekauft. Gegen 11 Uhr giengen die Capitains ans Land und nach einem Wetterdache hin, das bis auf die Erde herabreichte, um ein großes doppeltes Canot zu schützen, welches unter demselben aufs trockne gezogen war. Hier stellten sie Jemanden an um mit den Einwohnern Handel zu treiben, und dieser gieng so gut von statten, daß wir, noch ehe es Abend war, schon zwanzig Schweine und ohngefähr ein Dutzend Hunde gegen große Nägel und kleine Beile beysammen hatten. Die Hunde waren das dummste Vieh ihrer Art, wurden aber von den Einwohnern, unter allem Fleischwerk, für das schmackhafteste gehalten. Beym ersten Ausgange stießen uns zwey Pflanzen auf, die wir noch nie gesehen hatten; auch fanden wir, daß die Brodfrucht-Bäume hier schon junge Früchte, so groß als kleine Äpfel, angesetzt hatten, doch gehörten nach Aussage der Einwohner wohl noch vier Monathe Zeit dazu bis sie reif wurden. Der Gegend, wo wir landeten, schien es ganz an Pisang zu fehlen, allein aus einem andern Distrikt brachten uns die Einwohner etliche Büschel von dergleichen Frucht, und folglich müssen sie ihre Obstbäume so zu behandeln wissen, daß die einen früher, die andern später tragen. Diese späten Früchte können aber, wie leicht zu erachten, eben nicht in Menge gezogen werden, und mögen wohl nur für die Tafeln der Großen bestimmt seyn.

Zum Mittags-Essen kehrten wir an Bord zurück, giengen aber gleich nach Tische wiederum ans Land, und erfuhren bey dieser Gelegenheit, daß die Befehlshaber der Insel am folgenden Tage zum Vorschein kommen würden. Beym Spatzierengehen hatten wir hier weder so viele, noch so lästige Begleiter, als in Tahiti. Wenn ich den Ort neben dem Wetterdach, wo Markt gehalten wurde, und andre dergleichen allgemeine Sammelplätze ausnehme, so waren selten mehr als 15 bis 20 Personen um uns. Dieser Unterschied rührte wohl hauptsächlich daher, daß Huaheine ungleich kleiner, mithin auch nicht so volkreich ist als Tahiti; außerdem waren die hiesigen Einwohner auch noch nicht bekannt genug mit uns, um vom Mitlauffen Vortheil zu erwarten; und überhaupt fanden wir sie weder so neugierig, noch so furchtsam als die Tahitier, die hinreichende Ursach hatten unsre Güte zu ehren und die Übermacht unsers Feuergewehrs zu fürchten.

Unser Tahitischer Reise-Gefährte Porea gieng, in einem linnenen Oberrock und ein Paar Schifferhosen, mit ans Land. Er trug Capitain Cooks Pulver-Horn und Hagel-Beutel, und wünschte daß man ihn hier für einen von unsern Leuten ansehen möchte. Zu dem Ende redete er seine Muttersprache nie; sondern murmelte allerhand unverständliche Töne her, wodurch sich das hiesige Volk auch wirklich hintergehen ließ. Um diesen Betrug noch mehr zu begünstigen, wollte er auch nicht länger bey seinem Tahitischen Namen Porea genannt seyn, sondern einen Englischen haben. Die Matrosen nannten ihn daher Tom, womit er sehr wohl zufrieden war; auch lernte er bald die gewöhnliche Antwort: Sir! die er aber Dsjorro aussprach. Wir konnten nicht absehen, was er mit dieser Masquerade vorhabe, vermuthlich aber glaubte er in der Gestalt eines englischen Matrosen mehr zu bedeuten als ein Tahitischer Tautau.

Am folgenden Tage begleitete mein Vater die Capitains nach dem Markt-Platze, von da sie sich wieder einschifften und bis an das Nord-Ende des Havens hinauf fuhren. Hier landeten sie bey einem nahe am Ufer gelegenen Hause, vor welchem der Befehlshaber Ori, (der im Namen seines Neffen des eigentlichen Königes Tehritäria[50] die Regierung der ganzen Insel verwaltete,) unter einer Menge seiner Bedienten im Grase saß. Bey diesem Anblick wollten sie eiligst aus dem Boote steigen, zwey Indianer aber, die sich am Marktplatze mit eingeschifft hatten, baten sie, noch sitzen zu bleiben, bis man ihnen einige junge Pisangstämme zum Zeichen des Friedens und der Freundschaft würde überreicht haben. Ehe dieses erfolgte, brachten die Indianer zwey dergleichen kleine Bäume herbey, die von unsrer Seite überreicht und zu dem Ende mit Nägeln, Spiegeln, Medaillen und andern Kleinigkeiten mehr behangen werden sollten. So bald dies geschehen war, trugen sie solche vor einem Theil unsrer Mannschaft her, ans Land, und überreichten sie daselbst in ihrem Beyseyn dem Ort. Bey Darreichung des ersten bathen sie zu sagen: No t' Eatua! d. i. für die Gottheit; und bey dem zweyten: na te tayo O-Tute no Ori d. i. vom Freunde Cook an Ori. Dagegen wurden, von Seiten der Insulaner, unsern Leuten fünf andre Plantan-Zweige, einer nach dem andern, mit folgenden Umständen überliefert:

Der erste ward, nebst einem Schweine, mit den Worten no t' Erih d. i. „von Seiten des Königs“ überreicht. Unter dem Könige ward T' Erih Täria ein Kind von sieben bis acht Jahren verstanden.

Der zweyte, ebenfalls mit einem Schweine, no t' Eatua „für die Gottheit.“

Der dritte, no te Toimoi. Dies verstanden wir damals nicht, in der Folge aber zeigte sich daß es so viel als: „zum Willkommen!“ bedeute.

Der vierte mit einem Hunde, no te Taura, „vom Strick.“ Ob wir gleich das Wort verstanden, so war uns doch die Bedeutung davon noch dunkler als die vorhergehende, und was das schlimmste ist, so haben wir auch nie dahinter kommen können.

Der letzte ward wiederum mit einem Schweine, no te tayo Ori no Tute, „von Freund Ori an Cook“ überliefert.

Beym Schlusse der Ceremonie, zog der Mann, der alle diese Dinge gebracht hatte, noch ein rothes Beutelchen hervor, worinn ein Rechenpfennig und eine Zinnplatte verwahrt wurde, auf welcher sich folgende Inschrift fand:

His Britannic Majesty's Ship Endeavour. Lieutenant Cook commander. 16. July 1769. Huahine.

d. i. Seiner Königlich-Großbrittannischen Majestät Schiff Endeavour, unter dem Befehl des Lieutenant Cook, am 16. Jul. 1769. zu Huaheine.[51] Dies Zeugnis von Capitain Cooks ersten Besuch der Insel Huaheine, hatte letzterer dem Orih ehemals mit dem Bedeuten eingehändigt, daß ers nie aus seiner Verwahrung kommen lassen müsse; und dieser ließ es ihm also jetzt vermuthlich deshalb wiederum vorlegen, damit er sehen sollte, daß seine Vorschrift genau befolgt worden sey. So bald der Capitain alle diese Sachen in Empfang genommen hatte, stieg er mit seinem ganzen Gefolge ans Land, und umarmte den Orih, der ein alter, magerer, triefäugiger Mann, zwischen 50 und 60 Jahren war. Er nahm unsre Leute als gute Bekannte und Freunde auf, und schenkte dem Capitain noch überdies etliche große Ballen Zeug. Es währete nicht lange, so fanden sich die Einwohner haufenweise bey der Wohnung ihres Befehlshabers ein, und brachten Hüner, Schweine und Hunde in Menge zum Verkauf, die wir auch gegen Nägel, Messer und kleine Beile sehr bald einhandelten.

Immittelst daß dieses vorgieng, marschirte ich nebst D. Sparmann vom Marktplatze aus, zu Lande hieher, nach Ori's Wohnhause. Unterwegens sahen wir aller Orten viel Schweine, Hunde und Hüner. Letztere liefen frey in den Wäldern umher, und saßen auf den Brodfruchtbäumen. Auch die Schweine hatten Freyheit herum zu laufen, doch bekamen sie ihr abgemessenes Futter, welches ihnen gemeiniglich von alten Weibern gegeben ward. Vorzüglich sahen wir wie eine alte Frau ein kleines Ferken auf besondere Art mit dem gesäuerten Brodfrucht-Teige (Mahei) fütterte. Sie hielt das Thier mit einer Hand, und mit der andern hielt sie ihm ein Stück Schweinefell vor. So bald es nun das Maul öfnete, um darnach zu schnappen, fuhr sie ihm mit einer Handvoll des sauren Teiges hinein, den es ohne diesen Kunstgriff nicht mochte. Die Hunde waren ihrer abscheulichen Dummheit ohnerachtet bey dem hiesigen Frauenzimmer in hohen Gnaden. Keine europäische Dame nach der Mode hätte die Sorgfalt für ihr Schoßhündchen weiter treiben und sich lächerlicher dabey geberden können. Unter andern reichte eine Frau von mittlerm Alter einem jungen Hunde ihre volle Brust hin. In der Meynung daß dieses bloß aus übertriebener Zärtlichkeit für das Thier geschähe; konnten wir uns nicht enthalten, ihr diesen Misbrauch zu verweisen, allein sie lachte nur dazu, und sagte, daß sie sich zuweilen auch von kleinen Ferken saugen lasse. Indessen erfuhren wir bey weiterer Nachfrage, daß sie ohnlängst ein säugendes Kind verlohren habe, und folglich hatten wir ihr durch unsre Vermuthung zu viel gethan, denn in dergleichen Fällen ist es ein ganz erlaubtes und selbst in Europa vor Zeiten üblich gewesenes Mittel, sich von einem Hunde saugen zu lassen.[52] Die Hunde dieser Inseln sind kurz von Leibe, und von sehr verschiedener Größe, vom Schooshunde an, bis zum größten Pudel. Der Kopf ist dick; die Schnautze spitzig; die Augen sind sehr klein; die Ohren stehen aufrecht und das Haar ist lang, schlicht, hart und von allerhand Farben, gemeiniglich aber weiß und braun. Sie bellten fast niemals; dagegen heulten sie zuweilen, und gegen Fremde waren sie ausnehmend scheu.

Wir trafen hier unterschiedliche Vögel an, dergleichen wir auch auf Tahiti gefunden hatten; außer diesen aber noch einen blauen weisbäuchigten Eisvogel und einen grauen Reiher. Als wir von letztern beyden Gattungen etliche schossen, zeigte sich, daß verschiedene Leute eine Art von religiöser Ehrerbiethung dafür hegten, und sie Eatua's nannten, ein Name den sie sonst nur der Gottheit beyzulegen pflegen. Doch gab es auch wieder eben so viel wo nicht noch mehr andre, die uns dergleichen Vögel von freyen Stücken aufsuchen halfen und todt zu schießen baten; auch bezeigte von der Gegenpartey niemand ausdrücklichen Unwillen, wenn wir einen solchen Vogel erlegt hatten. Für Götter sehen sie dieselben nicht an, denn nach ihren Religions-Begriffen sind die Götter unsichtbar; allein die Benennung Eatua scheint doch einen höhern Grad von Achtung anzudeuten, als man in unsern Ländern wohl gegen Schwalben, Störche und andere dergleichen Vögel bezeigt, die man für den Verfolgungsgeist muthwilliger Jungens sicher zu stellen wünscht. In diesem und andern die Religion und Landes-Verfassung betreffenden Umständen, sind wir aber nicht im Stande hinlängliche Auskunft zu geben; denn wegen der Kürze unsers Aufenthalts und mangelhaften Kenntniß ihrer Sprache wars nicht möglich von allem gehörigen Unterricht zu erlangen.

Mittlerweile waren wir immer weiter gegen die Nord-Seite des Havens fortgegangen, wo Herr Smith die Aufsicht über die Matrosen hatte, die unsre leeren Wasserfässer anfüllen mußten. Wir trafen eine Menge Indianer bey ihm an, die so viel Schweine zu Kaufe brachten, daß wir nun reichlichen Vorrath an frischem Fleisch hatten, und alle Leute auf beyden Schiffen damit speisen konnten. Früchte und grünes Kräuterwerk hingegen war so selten, daß wir fast gar keine Pisange, Brodfrüchte, oder Coconüsse zu sehen bekamen, und uns mit Yamwurzeln begnügen mußten, die wenn sie abgekocht waren, statt Brodtes zum Fleisch gegessen wurden. Nachdem wir von den Wasserträgern vollends längst dem Strande hingegangen waren, der aus feinem weißen Muschel-Sande bestand, und von niedrigen Cocos-Palmen nebst allerhand anderm Gebüsch beschattet wurden; so langten wir endlich um Mittagszeit bey Orihs Wohnung an, und fuhren von da aus mit dem Capitain Cook und der übrigen Gesellschaft an Bord zurück. Letzterer war im Handel mit den Eingebohrnen noch glücklicher gewesen als alle die andern dazu bestellten Leute, so daß wir für der Menge des Eingekauften kaum Platz im Boote hatten. Nachmittags giengen wir wieder nach Ori's Hause und fanden ihn von einer Menge der vornehmsten Insulaner umgeben. Wir hatten also Gelegenheit eine Menge von Leuten allerhand Standes beysammen zu sehen, fanden sie aber durchgehends den Tahitiern so ähnlich, daß uns zwischen beyden Völkern, im Äußern, kein Unterschied zu seyn dünkte; auch konnten wir nicht absehen, daß die Frauenspersonen hier heller von Farbe und schöner als auf den übrigen Inseln wären,[53] wie andre Reisende wollen angemerkt gemerkt haben. Indessen können auch hierinn die Umstände oft den Schein ändern, und das mag bey unsern Vorgängern der Fall gewesen seyn. Wodurch sich aber die hiesigen Frauenzimmer von den Tahitierinnen würklich unterschieden, war, daß sie um Corallen und andre solche Geschenke nicht so sehr bettelten, desgleichen mit ihren Gunstbezeigungen nicht so freygebig waren als jene. Etliche Frauensleute nahmen zwar, sowohl bey unsrer Landung als auch bey unsrer Rückkehr nach dem Boote eine unanständige Ceremonie vor, dergleichen in Capitain Cooks voriger Reise von einer Tahitierinn, Namens Urätua erzählet wird; allein es waren nur Personen vom niedrigsten Volke, auch machten sie nie solche Vorbereitungen dazu als jene.[54] In ihrem Betragen waren aber beyde Nationen schon merklicher von einander verschieden. Über einen allzu hohen Grad von Gastfreyheit, hatten wir uns zum Exempel hier in Huaheine eben nicht zu beschweren, auch war es hier gar nicht, wie wohl in Tahiti, Mode, von freyen Stücken Geschenke oder wenigstens Gegengeschenke zu machen. Dagegen fielen uns die Leute, wenn wir spatzieren giengen, auf keine Weise zur Last, waren auch, im Ganzen genommen, viel gleichgültiger und dabey weder so furchtsam noch so besorgt als die Tahitier, weshalb sie auch beym Losbrennen unseres Schießgewehres weder Schreck noch Verwunderung bezeigten. Jedoch, alles das war augenscheinlich blos eine Folge der verschiednen Begegnung, welche die Einwohner beyder Inseln von den Europäern ehemals erfahren hatten. In Absicht der Gastfreyheit muß ich noch anzeigen, daß es auch hier nicht an einzelnen Beyspielen fehlte. Unter andern bat ein Befehlshaber, Namens Taunua, meinen Vater nach seinem Hause, welches in der Mitte der Ebne lag; er ward daselbst sehr wohl bewirthet und hatte außerdem noch Gelegenheit ein solches Brustschild einzukaufen, deren weiter oben, in der Geschichte unsers Aufenthalts zu O-Tahiti gedacht worden ist.

Ori kam am folgenden Morgen frühe mit seinen Söhnen an Bord. Der älteste, ein hübscher Knabe von ohngefähr 11 Jahren, nahm unsre Geschenke mit großer Gleichgültigkeit an; dagegen fand er, so wie alle übrigen Bewohner dieser Insel, großen Wohlgefallen am Dudelsack, und bat, daß beständig darauf gespielt werden mögte. Bey der ehemaligen Anwesenheit des Capitain Cooks,[55] hatte Ori den Namen Cuki angenommen, und ließ sich, auch noch jetzt, beständig also nennen. Nachdem dieser vornehme Gast eine Zeitlang an Bord gewesen war, gingen wir mit ihm ans Land zurück, und theilten uns in verschiedne Partheyen, um Pflanzen und andre Merkwürdigkeiten aufzusuchen. Als wir Abends wieder zusammen stießen, erzählte uns Dr. Sparrmann, der ganz allein bis an das nördliche Ende der Insel gegangen war, daß er einen großen Salz-See angetroffen, der einige Meilen lang, und mit dem See-Ufer parallel, aber rings umher von faulem Schlamm umgeben wäre, welches einen unerträglichen Gestank verursache. Er hatte daselbst verschiedne Pflanzen gefunden, die in Ostindien häufig genug, in den übrigen Süd-See-Inseln aber nicht so gemein sind. Der Indianer, durch welchen er sich seinen Vorrath von eingesammelten Pflanzen nachtragen ließ, war ihm außerordentlich treu gewesen. Wenn er sich niedersetzte, um Pflanzen zu beschreiben, so setzte sich der Indianer hinter ihn und hielt die Schöße seines Kleides in beyden Händen fest, um, wie er sagte, die Taschen für den Dieben in Acht zu nehmen. Vermittelst dieser Vorsicht war dem Doctor auch nicht das geringste entwandt worden; einige Indianer aber hatten ihn ausgeschimpft und schiefe Gesichter zu gemacht, vermuthlich in der Meynung, daß sie nichts dabey wagten, weil er so allein war.

Am folgenden Tage gieng er von neuem, ohne alle Begleitung, spatzieren, indeß wir und Capitain Cook auf dem Marktplatze blieben. Ehe wir es uns versahen, drängte sich ein Indianer, Namens Tubai, der in verschiedne große Stücke rothgefärbten Zeuges gekleidet war und einige Bündel Vogelfedern am Gürtel hängen hatte, aus dem großen Haufen hervor, und verbot dem Volk, uns weder Schweine noch Brodfrucht zu verkaufen; zu gleicher Zeit bemächtigte er sich eines Beutels mit Nägeln, den der Schiff-Schreiber in der Hand hielt: als aber dieser um Hülfe rief, ließ er ihn wieder fahren, und nahm dagegen einem unsrer jüngern Mitreisenden, der eben um ein großes Huhn handelte, mit Gewalt einen Nagel ab, unter der Bedrohung, ihn zu Boden zu schlagen, wenn er sich widersetzen würde. Capitain Cook, der schon im Begriff war, sich nach dem Schiffe übersetzen zu lassen, hörte kaum von diesem Vorfalle, als er sogleich umkehrte und darauf bestand, daß Tubai, den Marktplatz augenblicklich verlassen sollte, und da dieser keine Lust dazu bezeigte, gieng er ihm sogleich zu Leibe und bemächtigte sich zweyer großen Keulen, die jener in Händen hatte. Er sträubte sich zwar dagegen, so bald aber der Capitain den Hirschfänger zog, lief er davon. Die Keulen, welche von Casuarina-Holz waren, wurden hierauf nach des Capitains Vorschrift zerbrochen und in die See geworfen. Die Einwohner mußten von diesem Auftritt schlimme Folgen befürchten, denn sie fiengen an sich gleich von dem Marktplatz zu entfernen; man rief sie aber wieder zurück, und alle gestanden, Tubai sey: tata-ihno (ein böser Mann.) Sie schienen folglich überzeugt zu seyn, daß das Recht auf unsrer Seite sey; gleichwohl hatte sich Capitain Cook kaum ins Boot gesetzt, um zur Sicherheit des Marktplatzes ein Commando See-Soldaten vom Schiffe zu holen, als der ganze Haufen mit einemmale von uns fortrannte. Wir konnten nicht begreifen, was hieran schuld sey; allein es währete nicht ein Paar Minuten, so klärte sich das Rätzel von selbst auf, indem Dr. Sparrman fast ganz nackend und mit sichtbaren Merkmalen einiger harten Schläge zu uns hergelaufen kam. Es hatten sich zwey Indianer zu ihm gesellet und ihn unter steten Freundschafts-Versicherungen und mit vielfältigem Tayo! gebeten weiter ins Land heraufzugehen; allein, ehe er sichs versahe, rissen sie ihm den Hirschfänger, welches sein einziges Gewehr war, von der Seite, und als er sich hierauf bückte, um nach einem Steine zu greifen, gaben sie ihm einen Schlag über den Kopf, daß er zu Boden fiel. Nun rissen sie ihm die Weste und andre Kleidungsstücke, die sich abstreifen ließen, vom Leibe. Er machte sich zwar wieder los von ihnen und rannte gegen den Strand herab; allein unglücklicherweise blieb er während dem. Laufen in dem kleinern Strauchwerk hängen, worauf sie ihn wieder einholten und mit Schlägen mißhandelten, davon verschiedene in die Schläfe trafen. Von diesen letztern betäubt, zogen sie ihm das Hemd über den Kopf, und da es durch die Knöpfe fest gehalten ward, so waren sie schon im Begriff, ihm die Hände abzuhacken, als er zum großen Glück wieder zu sich kam, und die Ermel mit den Zähnen aufbiß, da denn die Räuber mit ihrer Beute davon liefen. Kaum hundert Schritt weit von dem Ort, wo dieses vorgegangen war, saßen einige Indianer bey ihrer Mittagsmalzeit, die ihn im Vorbeylaufen baten, sich bey ihnen niederzulassen; allein er eilte was er konnte nach dem Marktplatze zu. Etwas weiter traf er zwey Indianer an, die, als sie ihn nackend sahen, sogleich ihre eigne Ahaus (Kleider) auszogen, ihn darinn hülleten und nach dem Marktplatze hin begleiteten. Nachdem man diese rechtschaffne Leute aufs Beste belohnt hatte, eilten wir alle an Bord, in der Absicht mit stärkerer Mannschaft wieder nach dem Lande zurückzukehren. Dr. Sparrman zog andre Kleider an und verfügte sich sodann mit uns nach Orihs Wohnung, wo wir unsre Klage anbrachten. Der gute Alte war gleich bereit mit Capitain Cook gemeinschaftliche Sache zu machen und die Diebe aufzusuchen; ohnerachtet dieser Entschluß alle seine Verwandten in Furcht und Schrecken setzte. Mehr als funfzig anwesende Personen, Männer und Weiber, fiengen an bitterlich zu weinen, als sie sahen, daß er mit uns ins Boot stieg. Einige suchten, in den rührendsten Stellungen, ihn davon abzurathen; Andre umarmten und hielten ihn zurück. Allein er ließ sich nichts anfechten und äußerte im Mitgehen, er habe nichts zu fürchten, weil er sich nichts vorzuwerfen habe. Mein Vater erbot sich zu ihrer Beruhigung als Geißel bey ihnen zu bleiben, allein Orih wollte es nicht zugeben, und nahm, von allen seinen Verwandten, nur einen einzigen mit an Bord. Wir ruderten nunmehro in eine, den Schiffen gerade gegenüber liegende, tiefe Bucht, als in welcher Gegend die Räuberey vorgegangen war. Von hieraus marschirten wir tief ins Land hinein, jedoch ohne Erfolg, weil die Leute, welche Ori zu Ergreifung der Räuber abgeschickt, ihre Schuldigkeit nicht gethan hatten. Wir mußten also unbefriedigt wieder um- und nach dem Schiffe zurückkehren, wohin uns auch Orih begleitete, ohne sich durch die Thränen einer alten Frau und ihrer schönen Tochter davon abhalten zu lassen. Als die junge Person sahe, daß ihr Weinen nichts helfen wollte, ergrif sie in einer Art von Verzweiflung etliche Muschel-Schaalen, und ritzte sich damit am Kopf, daß das Blut darnach floß, die Mutter entriß ihr solche aber und begleitete uns, sowohl als Ori, nach dem Schiffe. Dieser ließ sichs sehr gut bey uns schmecken; die Frau hingegen wollte, der Landesgewohnheit nach, von unsern Speisen nichts anrühren. Nach Tische brachten wir ihn wieder nach seinem Hause zurück, woselbst sich die vornehmsten Familien der Insel versammlet hatten und in großer Betrübniß, zum Theil weinend, auf der Erde saßen. Wir setzten uns ganz gerührt zu ihnen und boten unsre ganze Tahitische Beredsamkeit auf, um sie wieder vergnügt und guten Muths zu machen. Die Frauenspersonen waren vorzüglich niedergeschlagen und konnten sich in langer Zeit nicht wieder zufrieden geben. Die Betrübniß dieser Insulaner war in gegenwärtigem Fall ein so augenscheinlicher Beweis von der Güte ihrer Herzen, daß wir uns nicht enthalten konnten, aufrichtigen Antheil an derselben zu nehmen, und da sie sahen, daß es uns ein Ernst sey ihnen Trost zuzusprechen; so beruhigten sie sich endlich und gewannen wiederum neues Zutrauen. Unter den Bemerkungen, welche wir auf dieser Reise zu machen Gelegenheit fanden, ist das würklich eine der angenehmsten, daß statt die Einwohner dieser Inseln ganz in Sinnlichkeit versunken zu finden, wie sie von andren Reisenden irriger Weise dargestellt worden, wir vielmehr die edelsten und schätzbarsten Gesinnungen bey ihnen angetroffen haben, welche der Menschheit Ehre machen. Lasterhafte Gemüthsarten giebts unter allen Völkern; aber einem Bösewichte in diesen Inseln könnten wir in England oder andern civilisirten Ländern fünfzig entgegen stellen.

Nunmehro gieng der Handel, der durch jenen Vorfall auf eine Zeitlang war unterbrochen worden, wiederum von neuem an, und zwar so lebhaft als zuvor; es glückte uns auch, einen ziemlichen Vorrath von Früchten und Wurzelwerk einzukaufen. Gegen Abend kamen zween von Orih's Bothen mit Dr. Sparrmanns Hirschfänger und einem Stück von seiner Weste zurück, welches uns beydes zugestellt wurde, worauf wir wieder an Bord giengen.

Des folgenden Morgens verfügten sich die Capitains, bey anbrechendem Tage, abermals nach Orih's Hause und gaben ihm die zinnerne Platte wieder, auf welcher die Anzeige von der ersten Entdeckung dieser Insel eingegraben war; ferner stellten sie ihm noch eine kleine kupferne Platte zu, mit der Inschrift: His Britannick Majesty's ships Resolution and Adventure. September. 1773.[56] und schenkten ihm zugleich eine Anzahl Medaillen, mit dem Bedeuten, daß er alles dieses den Fremden vorzeigen mögte, die etwa nach uns hieher kommen dürften. So bald sie an Bord zurückgelangt waren, wurden die Anker gelichtet und wir giengen nebst der Adventure wieder unter Seegel. Während unsers dreytägigen Aufenthalts allhier, hatten wir einen großen Vorrath von lebendigen Schweinen und Hühnern eingehandelt; ein deutlicher Beweis, in wie hohen Werth bey diesen Insulanern das Eisenwerk stand. Unser Schiff hatte allein 209 Schweine, 30 Hunde und ohngefähr 50 Hühner an Bord, und das andre, die Adventure, nicht viel weniger. Wir waren kaum unter Seegel, als Orih in einem kleinen Canot ans Schiff und an Bord kam, um uns die Nachricht zu bringen, daß er sowohl die Diebe als den Rest der geraubten Sachen wieder bekommen habe, und daß beyde Capitains, imgleichen der Dr. Sparrmann, mit ihm ans Land gehen mögten, um Zeugen von der Bestrafung zu seyn. Allein, zum Unglück verstand man ihn nicht recht und also verfehlten wir die Gelegenheit, zu sehen, wie ihre Strafen beschaffen sind. Capitain Cook glaubte, daß Orih einige von seinen Unterthanen zurückfordere, die sich wider seinen Willen auf der Adventure eingeschifft hätten; in dieser Meynung schickte er gleich ein Boot ab, um sie von jenem Schiffe abholen zu lassen. Da aber dieses weit voraus war, und auch wir, des guten Windes wegen, sehr geschwind in die See hinaus trieben; so wollte Ori nicht länger warten, sondern nahm herzlich Abschied von uns allen, und kehrte in seinem kleinen Canot, in welchem er nur einen einzigen Gehülfen hatte, wieder nach dem Lande um. Bald nachher kam unser Boot von der Adventure zurück und brachte uns den O-Maï an Bord, welches der einzige Indianer war der sich hier eingeschifft hatte, um mit nach England zu gehen. Capitain Cook behielt ihn auf unserm Schiffe bis wir Raietea erreichten, wohin unser Lauf gerichtet war; sobald wir aber dort anlangten, ward er wieder auf die Adventure gebracht, in welcher er auch nach England gekommen, und daselbst eine Zeitlang der Gegenstand der allgemeinen Neugierde gewesen ist. Während seiner Anwesenheit bey uns lernten wir ihn als einen Menschen vom geringsten Stande kennen. Er hatte auch damals nicht Ehrgeiz genug, mit dem Capitain umzugehn, sondern hielt sich zu dem Büchsenschmidt und andern gemeinen See-Leuten: Als er aber ans Vorgebirge der guten Hoffnung kam, wo ihn der Capitain Fourneaux in seiner eigenthümlichen Tracht auftreten lies, und in die besten Gesellschaften brachte, gab er vor, er sey kein Tautau, oder gemeiner Mensch, sondern ein Hoa, d. i. ein königlicher Cammerherr oder Begleiter des Königs. Man hat das Publicum verschiedentlich mit allerhand fabelhaften Nachrichten von diesem Indianer unterhalten, dahin gehört unter andern das lächerliche Vorgeben, daß er ein Priester der Sonne sey, dergleichen es doch in seinem Vaterlande nirgends giebt. Er war lang von Statur, aber sehr schlank, und hatte besonders feine und zierlich gebildete Hände. Aus seinen Gesichtszügen hingegen konnte man sich im geringsten keinen richtigen Begriff von der Schönheit machen, die den Einwohnern auf Tahiti eigenthümlich ist; wir thun ihm im Gegentheil kein Unrecht, wenn wir behaupten, daß uns auf Tahiti und allen Societäts-Inseln nur wenig so mittelmäßige Gesichter vorgekommen sind, als das seinige. Dabey war er von so schwarzer Farbe als wir sie kaum unter dem gemeinsten Volke angetroffen hatten, und am allerwenigsten stimmte solche mit dem Range überein, den er hernachmals annahm. Es war würklich unglücklich, daß man gerade diesen Menschen zur Probe eines Volks auswählte, welches alle Seefahrer als schön von Bildung und hell von Farbe beschrieben hatten. Sein Herz und Verstand waren so wie beydes unter seinen Landsleuten gewöhnlich zu seyn pflegt. Er war kein außerordentliches Genie als Tupaia; aber er hatte ein gefühlvolles Herz, und einen offnen Kopf, der bald etwas begriff, daneben war er dankbar, mitleidig und lebhaft, aber auch flüchtig. Mehrere Nachrichten von diesem O-Maï werden meine Leser in der Vorrede gefunden haben, wo von seinem Aufenthalt in England, von dem Unterricht den er daselbst genossen, und von seiner Zurückreise verschiedenes angeführt ist.

Nachdem wir Huaheine verlassen, richteten wir unsern Lauf gen Westen, und segelten um das Süd-Ende einer Insel, die Capitain Cook im Jahr 1769 entdeckt, und in seinen Charten unter dem Namen Ulietea[57] angezeigt hat, da sie doch bey den Tahitiern und übrigen Einwohnern der Societäts-Inseln eigentlich O-Raietea heißt. Am folgenden Morgen ankerten wir an derselben in einer Öffnung des Riefs und brauchten den ganzen Tag dazu, uns in den Haven Hamaneno einbugsieren zu lassen. Diese Insel hatte dem äußern Ansehn nach viel Ähnlichkeit mit Tahiti; denn da sie ohngefähr dreymal größer ist als Huaheine, waren die Ebenen und die Berge hier beynahe so groß als auf ersterer. Die Einwohner umringten uns bald in einer Menge von Canots und brachten Schweine zum Verkauf; weil wir aber in Huaheine sehr reichlich damit waren versorgt worden, so machten sich unsre Leute nicht viel daraus und boten nur wenig dafür. In einem der Canots fand sich ein Befehlshaber mit Namen Oruwherra; der von der benachbarten Insel Borabora (Bolabola) gebürtig war. Dieser Mann war von einer würklich athletischen Bildung, hatte aber nur sehr kleine Hände und war auf den Armen mit sonderbaren viereckigen Flecken, über die Brust, den Bauch und den Rücken mit langen, schwarzen Streifen, an den Hüften und Lenden aber durchaus schwarz punctirt. Er brachte einige grüne Zweige und ein kleines Ferken, welches er meinem Vater schenkte, indem sich sonst niemand um ihn bekümmerte. Nachdem er ein Gegengeschenk von Eisengeräthe bekommen hatte, gieng er sogleich wieder in seinem Canot ans Land zurück. Bald darauf schickte er an seinen neuen Freund ein zweytes Canot mit Coco-Nüssen und Bananen, für welche seine Leute schlechterdings kein Gegengeschenk annehmen wollten. Man kann sich vorstellen, wie sehr uns eine so uneigennützige Gutherzigkeit gefallen haben müsse, denn für einen Menschenfreund kann es wohl kein größeres Vergnügen geben, als wenn er an seines gleichen gute und liebenswürdige Eigenschaften findet.

Nachmittags besuchte uns ein anderer Befehlshaber, der auch von Borabora gebürtig war und meines Vaters Namen annahm, dagegen mein Vater den seinigen annehmen mußte. Er hies Herea, und war so dick als wir sonst niemanden in der Süd-See gesehen hatten. Um den Bauch mas er 54 Zoll, und jeder seiner Schenkel hatte 31 und ¾ Zoll im Umfange. Auch sein Haar war merkwürdig; es hieng ihm in langen, schwarzen, wellenförmig-geschlängelten Flechten bis auf die Hüften herab, und war so stark, daß sein Kopf davon noch einmal so dick zu seyn schien als von Natur. Corpulenz, Farbe und Puncturen waren bey ihm, so wie beym Oruwherra, Unterscheidungszeichen seines Ranges, welcher ihn, gleich den Großen auf Tahiti, zum Faullenzen und zur Schwelgerey berechtigte. Es wird vielleicht nicht unrecht seyn, wenn ich bey dieser Gelegenheit anzeige wie es zugieng, daß diese aus Borabora gebürtigen Befehlshaber, hier in Raietea Ansehen und Eigenthum hatten. Aus Capitain Cooks voriger Reisebeschreibung wird man sich noch erinnern, daß O-Puni, König von Borabora, nicht nur Raietea und O-Taha, welche beyde Inseln innerhalb eines Felsen-Rieffes eingeschlossen sind; sondern auch, fünfzehn Seemeilen weiter gegen Westen, die Insel Maurua erobert hatte.[58] Von diesen eroberten Ländereyen hatte er einen beträchtlichen Theil unter seine Krieger und andere von seinen Unterthanen zur Belohnung ausgetheilt. Den überwundnen König von Raietea, Namens U-Uru, ließ er zwar Tittel und Würde, schränkte aber die Herrschaft desselben blos auf den District Opoa ein, und nach Taha schickte er einen seiner Anverwandten, Namens Boba, zum Vice-Könige. Zur Zeit dieser Revolution waren aus jenen Inseln viele Einwohner nach Huaheine und Tahiti geflüchtet, in der Hoffnung ihr Vaterland dereinst wieder in Freyheit zu setzen. Auch Tupaia und O-Maï, die beyderseits aus Raietea gebürtig waren und auf englischen Schiffen von hier giengen, scheinen, bey ihrer Reise, die Befreyung ihres unterdrückten Vaterlandes zur Absicht gehabt zu haben, denn sie schmeichelten sich, in England Feuer-Gewehr in Menge zu erhalten. Wäre Tupaia am Leben geblieben, so hätte er vielleicht diesen Plan ausgeführt; O-Maï aber war nicht scharfsichtig und von genugsam aufgeklärten Verstande, um sich von unserer Kriegskunst einen Begriff zu machen, und sie hernachrnals auf die besondre Lage seiner Landsleute anzuwenden. Demohnerachtet war er des Gedankens, sein Vaterland in Freyheit zu setzen, so voll, daß er sich in England mehrmalen hat verlauten lassen, wenn ihm Capitain Cook zu Ausführung seines Vorhabens nicht behülflich wäre; so wolle er schon dafür sorgen, daß ihm seine Landsleute keine Lebensmittel zukommen lassen sollten. Er blieb auch unwandelbar bey diesem Vorsatz, bis gegen seine Abreise, da er endlich auf vieles Zureden friedfertigere Gesinnungen anzunehmen schien. Wir konnten nicht absehen was einen Bewohner dieser Inseln, gleich dem Könige O-Puni, bewogen haben konnte, ein Eroberer zu werden? Nach der Aussage aller von Borabora gebürtigen Leute, war ihre Insel nicht minder fruchtbar und angenehm als jene, welche sie sich mit gewaffneter Hand unterworfen hatten. Sie können also durch nichts als Ehrgeiz dazu angetrieben worden seyn, so wenig auch dieser sich mit der Einfalt und dem edlen Character des Volks zusammen reimen läßt. Es ist folglich ein neuer trauriger Beweis, daß selbst unter den besten Gesellschaften von Menschen große Unvollkommenheiten und Schwachheiten statt finden!

Am zweyten Tage unsers Hierseyns begleiteten wir die Capitains nach einem großen Hause das dicht am Wasser stand, und in welchem Orea, der Befehlshaber dieses Districts wohnte. Er saß in selbigem nebst seiner Familie und vielen Leuten von Stande auf der Erde. Kaum hatten wir neben ihnen Platz genommen, als sich unverzüglich ein großer Schwarm von Einwohnern um uns her versammelte, so daß es von dem starken Gedränge entsetzlich heiß wurde. Orea war ein dicker Mann von mittler Statur, mit einem dünnen röthlichbraunen Bart. Er hatte einen ungemeinen lebhaften verständigen Blick, und scherzte und lachte recht herzlich mit uns, ohne steife Ceremonie oder dergleichen geziertes Wesen zu fordern. Seine Frau war eine ältliche Person; der Sohn und die Tochter aber erst zwölf bis vierzehn Jahr alt. Letztere hatte eine ungemein weiße Farbe, auch in ihren Gesichtszügen überhaupt nur wenig von dem National-Charakter dieses Volks; die Nase war vorzüglich schön gebildet, und den Augen nach hätte man sie für eine Chineserinn halten mögen. Sie war zwar nicht groß; allein von zierlichem und gut proportionnirten Gliederbau; vornemlich waren die Hände unbeschreiblich schön, Füße und Beine hingegen etwas zu dick; auch kleidete es sie nicht gut, daß das Haar kurz abgeschnitten war. Sonst hatte sie etwas sehr Gefälliges in ihrem Wesen, und gleich den mehresten ihrer Landsmänninnen, eine sanfte angenehme Stimme. Es war nicht möglich ihr etwas abzuschlagen, wenn sie um Corallen oder andre dergleichen Kleinigkeiten bath. Weil wir indessen keinesweges ans Land gekommen waren, um hier in einem Hause zu bleiben, so standen wir bald wieder auf und spazierten unter die Bäume hin, um Vögel zu schießen und Pflanzen zu suchen. Zu unserer wahren Freude trafen wir hier unter dem gemeinen Volk, was wir bey den Leuten in Huaheine vermißt hatten, jenes Zutrauen und die zudringliche Vertraulichkeit, der Tahitier, ohne das unerträgliche Betteln dieser letztern. Nach Tische machten wir abermals einen Spatziergang und schossen verschiedne Eisvögel. Bey der Rückkehr von der Jagd begegneten wir Orea nebst seiner Familie und Capitain Cook, die in der Ebene mit einander spatzieren giengen. Orea bekümmerte sich nicht um den geschoßnen Vogel den wir in Händen hatten, seine schöne Tochter hingegen beklagte den Tod ihres Eatua und lief von uns weg, wenn wir sie damit berühren wollten. Ihre Mutter und die übrigen Frauensleute schienen über diesen Zufall nicht minder betrübt zu seyn; und als wir wieder nach dem Schiffe zurück fahren wollten, bat uns Orea in einem ganz ernstlichen Tone, keine Eisvögel und Reyher mehr auf seiner Insel zu tödten; andre Vögel mögten wir so viel schießen als uns beliebte. Wir unterließen zwar nicht auch bey dieser Gelegenheit nachzufragen, was die Ursach von der Verehrung dieser beyden Vogel-Gattungen seyn mögte, konnten aber so wenig Auskunft darüber erlangen als zuvor.

Am folgenden Tage erstiegen wir einen von den nahe gelegnen Bergen, und trafen auf dem Wege dahin, in den Thälern, verschiedne neue Pflanzen an. Der Gipfel des Berges bestand aus einer Art von gelblichem Thonstein, und im Heraufgehen fanden wir hin und wieder einzelne Feuersteine, imgleichen Stücke von einer löcherichten, schwammichten, weißfarbigen Lava, worinn sich einige Spuhren von Eisen zeigten. Dies so allgemein brauchbare und nützliche Metall, welches fast in allen Gegenden des ganzen Erdbodens zu finden ist, mag vielleicht auch in diesen Bergen in Menge vorhanden seyn. Die Lava bestätigte unsre Muthmaßung, daß diese Insel, gleich den übrigen Eylanden die wir bisher gesehn, ehemals durch den Ausbruch eines unterirdischen Feuers müsse entstanden seyn. Ein Indianer, der uns begleitet und eine kleine Provision von Lebensmitteln nachgetragen hatte, zeigte uns von diesem Berg Gipfel aus verschiedne Gegenden in der See, wo seiner Aussage nach, ebenfalls Inseln liegen sollten, doch waren solche außerhalb des Gesichtskreises. Gegen Westen, sagte er, läge die Insel Mopiha, und ohngefähr in Süd-West eine andre, Namens Whennua-aurah. Er setzte hinzu, daß beyde nur aus zirkelförmigen, hin und wieder mit Palmen bewachsenen Coral-Rieffen beständen, aber unbewohnt wären, deshalb sie auch, so wohl von hier als andern Inseln aus, nur dann und wann besucht würden. Wahrscheinlicher Weise sind es eben dieselben, die Capitain Wallis entdeckte, und sie Lord Howe's und Scilly-Eyland nannte. Als wir am Mittage wieder vom Berge herab kamen, waren die Capitains eben an Bord zurückgekehrt, nachdem sie zuvor einen großen dramatischen Tanz mit angesehen hatten, der von den vornehmsten Frauenzimmern auf der Insel war aufgeführt worden. Da das Wetter überaus heiß war; so eilten auch wir vom Lande an Bord und fanden beyde Schiffe von einer Menge Canots umgeben, in welchen verschiedne Leuthe von Stande waren, die eine Menge Zeug von Maulbeer-Rinde bey sich hatten und solches gegen kleine Nägel zum Verkauf ausbothen. Unsre Corallen standen bey den Damen, als Putzwerk betrachtet, in hohem Werth; als Handlungswaare aber waren sie bey weiten nicht so gut zu gebrauchen als Nägel, denn man wollte uns kaum Früchte dafür geben, ohngeachtet diese das wohlfeilste und geringste aller Producte zu seyn pflegten. In Tahiti gelten dergleichen Spielwerke ungleich mehr. Sollte die dortige vorzügliche Neigung zu solchen Kleinigkeiten und Flitterstaat, nicht einen höhern Grad von allgemeinen Wohlstand anzeigen und durch denselben veranlaßt werden? Reichthum pflegt wenigstens sonst immer zur Verschwendung zu leiten. –

Die Hitze hielt den ganzen Überrest des Tages dermaßen an, daß wir erst bey Untergang der Sonne wieder ans Land gehen konnten. Wir stiegen an dem Wasser-Platze aus, allwo ein kleines Tupapau, oder Obdach befindlich war, unter welchem auf einem Gerüste ein todter Körper hingelegt Dieser Begräbniß-Ort lag mitten in einem dichten Haine schattenreicher Bäume. Ich hatte bisher weder hier noch auf den vorigen Inseln dergleichen todte Cörper auf eine so sorglose Weise der Verwesung und andern Zufällen überlassen gefunden, und wunderte mich daher nicht wenig, daß der ganze Boden umher überall voller Todten-Köpfe und Todten-Knochen lag. Ich hätte mich gern mit einem Indianer darüber besprechen mögen, konnte aber in dieser Gegend nirgends einen ansichtig werden. Ich strich eine ganze Zeitlang umher, ohne jemand anzutreffen, denn wie ich nachher erfuhr, so hatten sich die Einwohner dieses Districts sämmtlich bey der Wohnung ihres Befehlshabers versammlet, allwo durch die Trommeln das Zeichen zu einem abermaligen Hiva oder öffentlichen Tanze war gegeben worden. Sie halten viel auf diesen Zeitvertreib und laufen demselben zu Gefallen aus weit entfernten Gegenden zusammen. Der stille Abend und die Schönheit des Landes machten mir diesen Spatziergang überaus angenehm; und die Entfernung der Einwohner brachte eine so einsame Stille zuwege, daß ich beynahe in einer bezauberten Insel zu seyn glaubte. Endlich begegneten uns, noch disseits des Strandes, etliche Indianer, davon der eine ein sehr verständiger Mann zu seyn schien. Diesen fragten wir unter andern, ob, und was für Inseln hier in der Nachbarschaft umher lägen, worauf er uns ihrer neune mit Namen angab: Mopiha; Whennua-Aurah; Adiha; Tautihpa; Wauwau; Uborruh; Tabuai; Auhäiau und Rorotoa. Von den beyden ersten hatten wir, heute Morgen schon, durch unsern indianischen Begleiter etwas erfahren und von den sieben andern versicherte uns unser jetziger Gesellschafter, sie wären sämmtlich bewohnt, bis auf Adiha, welches nur dann und wann besucht würde. Uborruh sollte nach seinem Bericht ein Whennua oder hohes Land, alle übrigen hingegen Motuh, d. i. dergleichen flache Inseln seyn, die nur aus Coral-Rieffen bestehen.

Diese Nachrichten waren aber für unsre Neugierde nichts weniger als befriedigend. Wir wandten uns also, näherer Auskunft wegen, an Orea, der am folgenden Morgen, nebst seinem Sohn Tehazura und verschiednen andern Befehlshabern, an Bord kam. Die Aussage dieser Leute stimmte jedoch, mit dem Bericht unsers gestrigen Führers, nur zum Theil überein; denn von allen neun Inseln, deren jener gedacht hatte, nannten sie uns nicht mehr als die erste, zweyte, siebente und neunte; behaupteten auch, die zweyte sey allerdings bewohnt. Dagegen sprachen sie noch von Worio oder Woriea, einer großen Insel, imgleichen von einer andern, Orimatarra genannt, die beyde beständig bewohnt wären; wo aber diese Inseln eigentlich liegen sollten, und wie weit von hier, darinn waren sie gar nicht einig. Auch war von allen denen, die wir darum befragten, keiner selbst da gewesen. So unbestimmt indessen diese Berichte lauten; so läßt sich aus denselben doch abnehmen, daß die Schifffahrt dieser Völker vordem ziemlich ausgebreitet gewesen seyn müsse, wenn sie es gleich jetzt nicht mehr seyn mag. Der bekannte Tupaia, der sich ehemals, von Tahiti aus, auf der Endeavour einschiffte, hatte eine ungleich größere Anzahl von Inseln nahmhaft gemacht, und solche, ihrer Größe und Lage nach, auf eine Charte gezeichnet, von welcher mir der Lieutenant Pickersgill eine Copey mitgetheilt hat. Diese schien in gewisser Absicht glaubwürdig genug zu seyn, denn wir fanden alle vorerwähnte Namen, nur allein Uborruh und Tubuaï nicht, auf derselben angezeigt; dagegen konnten die Größen und Lagen der Inseln unmöglich richtig angegeben seyn, denn wenn sie das gewesen wären, so hätten wir, auf unsrer nachmaligen Fahrt, schlechterdings mehrere derselben berühren müssen, welches gleichwohl nicht geschahe. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß Tupaia um sich das Ansehn einer größern Einsicht und Wissenschaft zu geben, diese Charte der Süd-See blos aus der Fantasie entworfen und vielleicht manche Namen erdichtet habe, denn er hatte deren mehr als funfzig angezeigt.

Orea und sein Sohn frühstückten mit uns und giengen, nach reichlicher Erwiederung ihrer Geschenke, ans Land zurück. Wir folgten bald nachher und wurden von ihm eingeladen, einem dramatischen Tanze oder Hiwa beyzuwohnen, welches uns desto lieber war, da wir dergleichen noch nicht gesehen hatten. Der Schauplatz bestand aus einem ebnen Wiesengrunde, der zwischen zweyen parallel liegenden Häusern mitten inne, ohngefähr 75 Fus lang und 15 Fus breit war. Das größere dieser beyden Häuser konnte eine Menge Zuschauer fassen; das andre, welches auf einer Reihe Pfosten stand, war nur eine enge Hütte und gegen den Schauplatz hin offen, sonst aber überall zugehangen. Innerhalb derselben hatte man durch Gitterwerk und Matten, eine Scheidewand gemacht, hinter welcher sich die Schauspieler ankleideten. Der Fusboden war mit drey großen, schön gearbeiteten, und auf den Ecken schwarz gestreiften Matten belegt. An der offnen Seite der kleinern Hütte standen drey, aus hartem Holze geschnitzte und mit Hayfisch-Fell überzogene Trommeln, davon die größte ohngefähr 3 Fuß hoch seyn und 12 Zoll im Durchschnitt halten mogte. Diese wurden von vier oder fünf Leuten blos mit den Fingern, aber mit unglaublicher Geschwindigkeit, geschlagen. Nachdem wir eine ganze Weile in dem gegenüber liegenden Hause, unter den vornehmsten Damen des Landes, gesessen hatten, erschienen endlich die Actrizen. Eine derselben war Poyadua, Orea's schöne Tochter, und die zwote eine lange wohlgebildete Frau, schön von Gesicht und Farbe. Die Kleidung dieser Tänzerinnen wich von ihrer sonst gewöhnlichen Tracht merklich ab. Sie hatten ein Stück einländischen braunen Zeuges, manche auch ein Stück blauen europäischen Tuches, dicht um die Brust zusammengeschlagen, welches unsern glatt anliegenden Damens-Kleidern nicht ungleich sahe. Um die Hüften war ein Wulst von vier, übereinander liegenden, Reihen ihres einheimischen Zeuges, wechselsweise von rother und weißer Farbe, mit einem Stricke festgegürtet. Von da hieng eine Menge weißen Zeuges, bis auf die Füße herab, und machte eine Art von Rock, der so lang und weit war, daß wir fürchteten, er würde ihnen im Tanzen hinderlich seyn. Hals, Schultern und Arme blieben nackend; auf dem Kopf aber trugen sie eine Menge Flechten von Menschenhaaren, Tamau genannt, die zirkelförmig übereinander aufgethürmt lagen und einen ohngefähr 8 Zoll hohen Turban ausmachten, der unten enger als oben, innerhalb hohl, und mit wohlriechenden Blüthen des Cap-Jasmins (Gardenia,) angefüllt war. An der Vorder-Seite dieses Turbans sahe man drey bis vier Reihen von kleinen, weißen Blumen, die sternförmig eingesteckt waren und auf dem pechschwarzen Haar des Kopfputzes einen so schönen Effect machten als Perlen. Die Tänzerinnen bewegten sich nunmehro nach dem Schall der Trommel, und, wie es schien, unter Anführung eines alten Mannes, der mit tanzte und einige Worte hören ließ, die wir, dem Ton nach, für eine Art von Gesang hielten. Sie machten verschiedne Stellungen und allerhand mannichfaltige Bewegungen mit den Händen, darunter manche wohl etwas frey, jedoch bey weiten nicht so unanständig waren als ein und andres, was die keuschen Augen der englischen Damen nach der Mode, in den Opern,[59] nur durch den Fächer zu sehen, gezwungen sind. In ihrer Art die Arme zu bewegen, ist warlich viel Grazie und in dem beständigen Spiel ihrer Finger ebenfalls etwas ungemein zierliches. Das einzige, was mit unsern Begriffen von Schönheit, Anstand und Harmonie nicht übereinstimt, war die häßliche Gewohnheit, den Mund auf eine so abscheuliche Art zu verzerren, daß es ihnen keiner von uns gleich thun konnte. Sie zogen den Mund seitwärts, in eine herabhängende Linie, und brachten zu gleicher Zeit die Lippen in eine wellenförmig-convulsivische Bewegung, als ob ihnen, aus langer Gewohnheit, der Krampf gleichsam zu Gebote stände. Nachdem sie ohngefähr 10 Minuten lang getanzt, begaben sie sich in den Theil der Hütte, den ich zuvor das Kleidezimmer genannt habe, und fünf in Matten gehüllte Mannspersonen traten dagegen auf, um eine Art von Drama vorzustellen. Dieses bestand wechselsweise in unanständigem Tanzen und einer Unterredung, die nach einem abgemeßnen Sylbenmaaß abgefaßt zu seyn schien, und in welcher sie zuweilen einige Worte insgesammt überlaut ausschrien. Ihre Stellungen kamen, dem Ansehen nach, mit dem Innhalt genau überein. Einer kniete nieder und ließ sich von einem andern schlagen und beym Barte zupfen, der diese Possen noch an zween andern versuchte, davon aber der letzte unrecht verstand, und ihn mit einem Stocke durchprügelte. Hierauf giengen sie ab, und die Trommeln kündigten den zweyten Act des Tanzes an, der von zwey Frauenspersonen, ohngefähr so wie der erste, aufgeführt ward; alsdenn traten die Mannspersonen abermals auf; und endlich beschlossen die Tänzerinnen das Schauspiel mit einem vierten Tanz-Acte. Nach Endigung dieses letztern, setzten sie sich ganz abgemattet und in heftiger Transpiration nieder. Eine Tänzerinn insbesondre, die etwas stark war, hatte von der Erhitzung eine sichtbare Röthe im Gesicht bekommen, woraus man abnehmen kann, wie fein und weiß ihre Haut gewesen seyn müsse. Orea's Tochter hatte ihre Rolle bewundrungswürdig schön gemacht, ohnerachtet sie sich erst gestern, zweymal, in einem solchen Hiwa hatte sehen lassen. Die Officiers beyder Schiffe, und auch wir überhäuften die Tänzerinnen, zur wohlverdienten Belohnung ihrer Geschicklichkeit, mit Corallen und anderm Putzwerk.

Nachmittags kam U-Uru, der König von Raietea, nebst Orea und verschiednen Damen ans Schiff, um Capitain Cook zu besuchen. Er brachte ein Schwein zum Geschenk mit und erhielt dagegen allerhand europäische Waaren. Unter den Frauenzimmern, die ihn begleiteten, war auch die Tänzerinn, deren schöne Farbe wir so sehr bewundert hatten. Sie hieß Teina oder Teinamai, und die gewöhnliche Kleidung, in welcher sie jetzt erschien, stand ihr ungleich besser als der schwerfällige theatralische Habit. Ihr langes unverschnittnes Haar war mit einem schmalen Streif weißen Zeuges nachläßig durchflochten und fiel in natürliche Locken, schöner als die Fantasie eines Mahlers solche je geformt hat. Ihre Augen blickten voll Feuer und Ausdruck aus dem rundlichen Gesicht hervor, über welches ein angenehmes Lächeln verbreitet war. Herr Hodges suchte sie bey dieser Gelegenheit abzuzeichnen, ihre Lebhaftigkeit und Flüchtigkeit aber machten es ihm ungemein schwer, ja fast ohnmöglich. Dies ist auch wahrscheinlicherweise Ursach, weshalb es ihm mit diesem Bildniß, welches sich in Capitain Cooks eigner Nachricht von gegenwärtiger Reise befindet, nicht so gut als sonst, hat glücken wollen. So meisterhaft dasselbe auch von Herrn Sherwin in Kupfer gestochen ist; so bleibt es dennoch unendlich weit unter der Delicatesse des reizenden Originals. Fehlt ihm indessen gleich die Ähnlichkeit mit der Person die es eigentlich vorstellen soll; so kann man es doch als eine Probe von der gewöhnlichen Gesichtsbildung dieser und der benachbarten Insulaner gelten lassen, und sich, nach demselben, einen ziemlich richtigen Begriff von einem zehnjährigen Tahitischen Knaben machen. Gegen Untergang der Sonne giengen unsre vornehmen Gäste, mit der genoßnen Aufnahme ungemein zufrieden, allerseits wieder ans Land; von dem gemeinen Volk hingegen, blieb eine Menge Frauenspersonen im Schiffe und bezeigte sich gegen die Matrosen eben so gefällig als die Tahitisehen Mädchen.

Es war sonderbar, daß selbst diese Gattung von Frauensleuten einen gewissen Grad von Eitelkeit besaß; denn sie nannten sich untereinander nicht anders als Tedua, (Madame) ein Tittel, der hier zu Lande nur den adelichen Damen zukommt, ja eigentlich vorzugsweise nur den Prinzeßinnen gebühret. Dies wußten wir von Tahiti aus; wenn z. E. dort des Königs Schwester irgendwo vorüber kam, so pflegte derjenige Indianer, der sie zuerst erblickte, überlaut auszurufen: Tedua harremai, Madame kommt! damit seine Landsleute ihre Schuldigkeit beobachten und die Schultern entblößen möchten; oft sagten sie in dergleichen Fällen auch blos Eri, welches dann jederzeit eine Person von königlichem Geblüte andeutete. - Unsre Matrosen aber, welche die hiesige Sprache nicht verstanden, glaubten steif und fest, daß ihre Dulcineen hier alle einerley Namen hätten, welches denn oft lustige Auftritte veranlaßte.

Die beyden folgenden Tage brachten wir damit hin, längst der Küste botanisch- und physicalische Untersuchungen anzustellen. Gegen das Nord-Ende der Insel fanden wir viel tiefe Buchten, die sich mit Morast endigten, in welchen es wilde Endten und Schnepfen die Menge gab. Dieses Wildpret war aber scheuer als wir erwarteten; denn wie sich nach der Hand auswies, so halten es die Einwohner, so gut als wir, für Leckerbissen und jagen darnach. Am Sonntage gab man uns noch einen Hiwa oder dramatischen Tanz zum besten; er ward durch eben die Personen aufgeführt, und war eben so beschaffen, als der zuvor erwähnte, nur dauerte er nicht so lange.

Am 14ten, bey Anbruch des Tages, sandten Capitain Cook und Fourneaux, jeder ein Boot nach der Insel O-Taha, die 2 bis 3 See-Meilen von hier und innerhalb desselben Felsen-Rieffs liegt als Raietea. Sie hofften dort einen Vorrath von Früchten zu bekommen, die auf letzterer Insel, wo wir vor Anker lagen, selten waren. Zu dem Ende nahm sowohl der Lieutenant Pickersgill, als auch Herr Rowe, einen Vorrath von Corallen und Nägeln mit sich. Dr. Sparrmann und mein Vater wollten die Gelegenheit jene Insel zu untersuchen, nicht aus den Händen lassen, und giengen also auch mit.

Während ihrer Abwesenheit bat Orea, der in dem District der Insel, wo wir vor Anker lagen, Befehlshaber war, uns zu Gaste. Es verfügten sich daher die Capitains beyder Schiffe, nebst verschiednen Officiers und Passagiers, unter welchen auch ich war, zu Mittage ans Land, wohl versehen, mit Pfeffer, Salz, Messern, Gabeln und etlichen Flaschen Wein. Bey der Ankunft in unsers Wirthes Hause fanden wir den Boden größtentheils mit Blättern bestreuet, die statt Tischtuchs dienten. Rund um diesen Bezirk nahmen wir und die Vornehmsten des Landes unsre Plätze ein. Wir hatten nicht lange gesessen, als ein gemeiner Indianer herein kam, der ein gebratenes Schwein, in Pisang-Blätter gewickelt, auf den Schultern hatte, und solches auf die Erde, mitten vor uns, hinwarf. Ein zweyter brachte ein kleineres Schwein auf gleiche Weise; und diesen folgten verschiedne andre mit Körben voll Brodfrucht, Bananen, und gegohrnem Brodfrucht-Teige Mahei genannt. Der Wirth bat, wir mögten uns selbst bedienen, worauf denn in kurzer Zeit beyde Schweine zerlegt waren. Nun drängten sich die Leute rechtschaffen herbey; die Frauenspersonen und überhaupt alles gemeine Volk bath in bettelndem Tone, um Schweinebraten, doch theilte jeder der etwas bekam, seinen Nachbarn redlich davon mit, ja sie reichten es, von Hand zu Hand, bis ans äußerste Ende des Haufens, von woher die Leute, des Gedränges wegen, nicht herbey kommen konnten. Die Männer verzehrten ihren Antheil mit großem Appetit; die Frauensleuthe hingegen wickelten ihre Portionen in Blätter und verwahrten sie bis sie allein seyn würden. Sowohl die Gierigkeit mit der sie uns plagten und ihre Bitten unablässig wiederhohlten, als auch die neidischen Blicke der Vornehmern, wenn wir den Bittenden etwas mittheilten, überzeugten uns, daß der gemeine Mann in dieser Insel kein Recht und keine Ansprüche auf dergleichen Leckerbissen hat. Das Schweinefleisch schmeckte nach hiesiger Zubereitung, uns allen, ungleich besser als nach irgend einer europäischen Methode. Es war saftiger als unser gekochtes und auf alle Weise zärter als unser gebratnes. Vermittelst der gleichförmigen Hitze, worinn es unter der Erde gehalten wird, bleibt Saft und Kraft durchaus beysammen. Das Fett hatte im geringsten keinen geilen oder widrigen Geschmack, und die Haut, die an unsern Schweine-Braten gemeiniglich steinhart zu seyn pflegt, war hier so zart als alles übrige Fleisch. Beym Schluß der Mahlzeit kamen unsre Weinflaschen dran, und Freund Orea ließ sich sein Gläschen schmecken ohne ein Auge zu verdrehen, worüber wir uns um so mehr wunderten, als die Einwohner dieser Inseln sonst überall einen Widerwillen gegen unsre starken Getränke bezeigt hatten. Die Tugend der Nüchternheit ist auch würklich fast allgemein unter ihnen, besonders unter dem gemeinen Volk. Doch haben sie ein berauschendes Getränk, auf welches vorzüglich einige alte Oberhäupter sehr viel halten. Es wird aus dem Saft einer Pfeffer-Baum-Wurzel, hier zu Lande Awa genannt, auf eine höchst ekelhafte Weise verfertigt, wie ich an einem der ersten Tage nach unserer Ankunft selbst mit angesehen habe. Nachdem die Wurzel in Stücken geschnitten ist, wird sie von etlichen Leuten vollends klein gekauet und die mit Speichel wohl durchweichte Masse, in ein großes Gefäß voll Wasser oder Coco-Nuß-Milch gespuckt. Dieser ungemein appetitliche Brey wird hierauf durch Coco-Nuß-Fasern geseiget, und die gekaueten Klumpen sorgfältig ausgedruckt, damit der zurückgebliebne Saft sich vollends mit der Coco-Nuß-Milch vermischen möge. Zuletzt wird der Trank in eine andre große Schaale abgeklärt, und ist alsdenn zum Gebrauch fertig. Dies häßliche Gemansch verschlucken sie mit ungemeiner Gierigkeit: und einige alte Säuffer thun sich nicht wenig darauf zu gut, daß sie viel Schaalen davon leer machen können. Unser Passagier Porea, der hier nicht so zurückhaltend als auf Huaheine war, brachte eines Tages einen seiner neuen Bekannten in die Cajütte des Capitains, und setzte sich sogleich mit ihm nieder, um jene Schmiererey nachzumachen. Als sie damit zu Stande gekommen waren, trank er ohngefähr ein Nößel, ward aber, in weniger denn einer Viertelstunde, so besoffen davon, daß man ihn ohne Bewegung auf dem Boden liegend fand. Sein Gesicht war feuerroth und die Augen standen ihm gleichsam zum Kopf heraus. In diesem Zustand schlief er einige Stunden ohne von seinen Sinnen zu wissen, als er aber wieder zu sich kam, schämte er sich dieser Ausschweifung. Die Völlerey bleibt indessen, gleich jeder andren Ausschweifung, auch hier nicht ungestraft. Die Alten, welche diesem Laster nachhängen, sind dürr und mager, haben eine schuppichte, schäbige Haut, rothe Augen, und rothe Flecken über den ganzen Leib. Alles dieses sind, ihrem eignen Geständniß nach, unmittelbare Folgen des Soffes und folglich müssen die Bestandtheile der Pfefferpflanze wohl die eigenthümliche Eigenschaft haben, den Aussatz hervorzubringen. Außerdem gilt aber diese Wurzel, bey den Einwohnern aller dieser Inseln, auch für ein Sinnbild des Friedens, vielleicht weil Trunkenheit gute Cameradschaft macht.

Sobald wir abgespeißt hatten, machten sich unsre Matrosen und Bedienten mit den übriggebliebenen Brocken lustig; und die Indianer, welche sich vorher bey unsrer Freygebigkeit so wohl befunden hatten, machten ihnen nun die Cour. Die Matrosen waren aber nur allein gegen die hübschen Mädchen gefällig; und verlangten, vermöge ihres natürlichen Hanges zur groben Sinnlichkeit, für jeden Bissen Fleisch, bald diese, bald jene Unanständigkeit.

Um die Freuden dieses Tages vollkommen zu machen, befahl Orea, daß abermals ein Hiwa aufgeführt werden sollte. Bey diesem wurden wir in die Coulissen oder ins Kleide-Zimmer gelassen, damit wir sehen sollten wie sich die Tänzerinnen ankleiden würden. Diese Erlaubniß brachte ihnen manches kleine Geschenk zuwege; so geriethen wir z. E. auf den Einfall ihren Kopfschmuck durch verschiedene Schnuren von Corallen zu verschönern, welches sie ganz wohl zufrieden waren. Unter den Zuschauern befanden sich einige der größten Schönheiten des Landes; vornemlich war eine Frauensperson viel weißer von Farbe als wir bis jezt in allen diesen Inseln je eine gefunden hatten. Ihre Haut war als weißes etwas fahlgraues Wachs anzusehen, ohne daß etwa eine Krankheit daran schuld gewesen wäre, die dergleichen Farbe sonst wohl anzudeuten pflegt. Ihre schönen schwarzen Augen und Haare contrastirten damit vortreflich, und zogen ihr unsre einstimmige Bewunderung zu. Man huldigte ihrer Schönheit auch bald durch allerhand kleine Geschenke; allein, statt sich an diesen genügen zu lassen, ward ihre Liebe zu Putz und Flitterwerk nur desto mehr erregt, und sie plagte einen jeden von uns, so lange sie nur vermuthen konnte, daß wir noch eine einzige Coralle in der Tasche hätten. Einer von unsrer Gesellschaft hielt zufälligerweise ein kleines Vorhängeschloß in Händen. Kaum fiel ihr dieses in die Augen, so verlangte sie es zu haben. Der Besitzer schlugs ihr anfänglich ab, da sie aber nicht aufhörte darum zu betteln, ließ er sich endlich erweichen, war aber so leichtfertig es ihr ins Ohr zu hängen mit der Versicherung, daß es dahin gehöre und daran getragen werden müsse. Eine Zeitlang wußte sie sich was rechts damit, und war von diesem neuen Putz ungemein zufrieden: Allein es währete nicht lange; so fand sie, daß es zu schwer und schmerzhaft sey, bat also daß man es wieder los machen möchte. Nun warf er den Schlüssel weg, und gab ihr zu verstehen, sie habe es ausdrücklich von ihm begehrt, und wenn sie es beschwerlich finde, so mögte sie es immerhin zur Strafe ihres ungestümen Bettlens im Ohre behalten. Darüber war sie untröstlich, weinte ihre bittersten Thränen, und bat einen nach dem andern ihr von dem Schlosse zu helfen; allein, so gern auch mancher gewollt hätte, so gieng es doch nicht an, weil kein Schlüssel dazu war. Sie wandte sich also an den Befehlshaber, und dieser legte, nebst seiner Frau, Sohn und Tochter, ein Vorwort für das Mädchen ein; ja sie bothen sogar Zeug, Räucherholz und Schweine zum Lösegeld; aber alles umsonst. Endlich fand man doch einen Schlüssel, der zum Schlosse paßte, und damit ward dem Wehklagen des armen Mädchens ein Ende gemacht, und Ruhe und Freude unter ihren Gespielen wieder hergestellt. Dieser Zufall hatte indessen die gute Würkung, daß sie und andre ihrer Landsmänninnen von der Gewohnheit zu Betteln abließen. Vermittelst der gastfreyen Aufnahme unsers Wirthes und dem guten Betragen des übrigen Volks war dieser Tag ganz vergnügt vergangen; so daß wir gegen Abend sehr zufrieden an Bord zurückkehrten. Desto mehr befremdete es uns aber, daß sich am folgenden Morgen, ganz wieder die Gewohnheit der Insulaner, nicht ein einziges Canot bey dem Schiffe sehen ließ. Um die Ursach einer so schleunigen Veränderung zu erfahren, eilten wir nach Orea's Hause, fanden es aber zu unserer noch größeren Verwunderung von ihm und seiner ganzen Familie verlassen. Endlich erfuhren wir durch etliche Indianer, die auch ihrer Seits überaus schüchtern thaten, Orea habe sich nach dem Nord-Ende der Insel begeben, aus Furcht wir würden ihn gefangen nehmen. Je weniger wir begreifen konnten, was diese ungegründete Besorgniß mögte veranlaßt haben, desto mehr eilten wir ihm solche zu benehmen und unsrer Freundschaft aufs neue zu versichern. In dieser Absicht fuhren wir einige Meilen längst der Küste bis nach dem Orte hin, wohin er geflüchtet war. Hier fanden wir alles um ihn her in Thränen und mußten allerhand Schmeicheleyen anwenden, um das vorige Zutrauen wieder zu gewinnen. Corallen, Nägel und Beile leisteten uns hiebey die besten Dienste. Orea's Anverwandten klagten uns, Capitain Cook würde sie gefangen nehmen, um ihre Landsleute dadurch zu zwingen, daß sie unsre nach O-Taha entlaufnen Matrosen wieder herbeybringen sollten. Nun sahen wir ihren Irrthum ein, und versicherten ihnen, diese Leute wären keinesweges entlaufen, sondern würden ganz gewiß noch heute wieder kommen. Orea war aber damit noch nicht zufrieden, sondern nannte jede Hauptperson in beyden Booten bey Namen, und frug bey einem jeden insbesondre, ob auch der wiederkommen würde? Da ihm aber durchaus mit Ja geantwortet wurde, so gab er sich endlich zufrieden. Indem wir also mit Orea's Familie in einem Cirkel beysammen saßen, kam Porea unser Tahitier, der mit nach England gehen wollte, eiligst zum Capitain gelaufen, händigte ihm das Pulverhorn ein, welches er bis dahin beständig in Verwahrung gehabt hatte, und sagte mit wenig Worten, er würde sogleich wieder kommen. Wir warteten eine lange Weile vergebens und mußten endlich ohne ihn ans Schif zurückkehren, bekamen ihn auch nachher nie wieder zu Gesicht. Von den Einwohnern wußte uns niemand zu sagen wo er hingekommen sey, und damit kein neuer Allarm unter ihnen entstehen mögte, wollte der Capitain auch eben nicht gar zu scharfe Nachfrage halten. Nach Tische begleitete ich den Capitain abermals um dem Orea einen Besuch abzustatten. Bey dieser Gelegenheit wandte sich ein schöner junger Mensch an mich, und bat, daß wir ihn mit nach England nehmen möchten. Er hieß O-Hedidi, war ohngefehr siebenzehen Jahr alt und schien, der Farbe und Kleidung nach, von gutem Herkommen zu seyn. Ich wollte anfänglich nicht glauben, daß er das bequeme Leben der vornehmern Leute auf diesen Inseln zu verlassen geneigt sey, und erzählte ihm mit lächelndem Munde was für Unannehmlichkeiten er sich durch seinen Entschluß aussetzen würde. Aber alle meine Vorstellungen, daß er rauhe Witterung antreffen, und mit ungewohnter schlechter Kost würde vorlieb nehmen müssen, das alles vermogte nichts. Er blieb bey seinemVorsatz, und endlich stimmten auch viele seiner Freunde in den Wunsch ein, daß man ihn mitnehmen mögte. Ich stellte ihn also dem Capitain Cook vor, der ohne Schwierigkeit in sein Verlangen willigte. Hierauf kehrten wir alle an Bord zurück, und noch vor Sonnen-Untergang trafen auch die nach O-Taha abgeschickten Boote, mit einer dort aufgekauften Ladung Bananen und Coco-Nüssen, imgleichen mit einigen Schweinen, wieder bey dem Schiffe ein. Sie waren an eben dem Tage, da sie von uns gegangen, des Morgens bey guter Zeit, an der östlichen Seite einer schönen Bay, O-Hamane genannt, vor Anker gelangt. Ihrer Beschreibung nach, war sowohl das Land als die Einwohner dieser Insel, von eben solcher Beschaffenheit als in den übrigen Inseln dieses Archipelagus. – Und würklich sind Gewächse und Thiere hier überall von einerley Art, nur daß man in einer Insel diese, in anderen jene Gattung seltner oder häufiger antrifft. So war zum Exempel der Baum, den unsre Seeleute einen Apfelbaum nannten (Spondias) sehr häufig auf Tahiti, hingegen sehr selten auf Raietea und Huaheine, und auf Taha ebenfalls nicht gemein. Hühner fanden wir auf Tahiti fast gar nicht: Dagegen gab es deren auf den Societäts-Inseln die Menge. Ratten, welche Tahiti bey tausenden plagten, waren nicht so zahlreich auf O-Taha, noch seltner auf Raietea, und auf Huaheine bekam man dergleichen kaum zu sehen.

Nachdem unsre Leute im Haven O-Hamane zu Mittage gespeißt hatten, begaben sie sich nach der zunächst gegen Norden gelegnen Bucht, um dem dortigen Befehlshaber O-Tah, einen Besuch abzustatten, bey dessen Hause auch ein Hiwa oder öffentlicher Tanz angestellt werden sollte. Auf dem Wege dahin erblickten sie von fern eine Frauensperson, die ganz sonderbar gekleidet und über und über schwarz gemacht war. Es hieß, sie traure und sey eben mit den Beerdigungs-Ceremonien beschäftigt. Je näher sie der Wohnung des Befehlshabers kamen, desto größer ward, sowohl um ihrer, als um des Hiwa's willen, das Gedränge. Endlich langten sie bey dem Hause an; der Erih war ein ältlicher Mann und sas auf einem hölzernen Stuhle, wovon er, gleich bey Erblickung der Fremden, meinem Vater die Hälfte zum Sitz einräumte. Es währete nicht lange, so eröffneten drey junge Mädchen den Tanz. Die ältere war nicht über zehn, und die jüngste nicht völlig fünf Jahr. Die Music bestand, wie gewöhnlich, aus drey Trommeln; und zwischen den Acten führten drey Mannsleute ein pantomimisches Drama auf, in welchem schlafende Reisende vorgestellt wurden, denen einige Diebe mit großer Geschicklichkeit die Bagage wegstohlen, ohnerachtet sich jene, größerer Sicherheit wegen, rund um dieselbe herum gelegt hatten. Während dieser Vorstellung mußte das Volk für einige Leute Platz machen, die sich dem Hause Paar-weise näherten, aber an der Thür stehen blieben. Es waren theils erwachsne Personen, theils Kinder, die am obern Theil des Cörpers gänzlich nackend giengen und mit Cocos-Öl eingesalbt waren, um die Hüften aber Scherffen von rothem Zeuge, imgleichen Tamau, oder Schnüre von geflochtnen Haar, um den Kopf trugen. O-Tah nannte sie die O-Da-widdi,[60] welches nach Maasgabe der Zeichen die er dabey machte, so viel als Leidtragende zu bedeuten schien. Als sich diese Leute dem Hause näherten, ward der Platz vor selbigem mit Zeug belegt, solches aber bald wieder aufgerollt und an die Trommelschläger ausgetheilt. Einer von diesen gerieth mit einem andern Indianer in Wortwechsel, und ehe man sichs versahe, wurden sie handgemein und zerrten einander bey den Haaren herum: Damit aber das Fest nicht unterbrochen würde, stellte man gleich einen andern an die Trommel und jagte die beyden Zänker zum Hause hinaus. Gegen das Ende des Tanzes, mußten die Zuschauer nochmals Platz machen, weil die O-Da-widdi von neuem wieder zum Vorschein kamen; doch blieben sie, wie zuvor, an dem Eingange des Hauses stehen, ohne irgend eine besondre Ceremonie vorzunehmen.

Vor des Befehlshabers Wohnung waren viele Canots aufs Ufer gezogen, und in einem derselben, welches ein Dach oder Decke hatte, lag der Leichnam des Verstorbenen, für den obgedachte Trauer-Ceremonien angestellt wurden. Dieses Umstands wegen mußten unsre Reisenden ihre Boote etwas weiter hin vor Anker bringen, doch fand sich zum Glück auch dort ein Haus, unter dessen Obdach sie die regnigte und stürmische Nacht über guten Schutz hatten.

Am folgenden Morgen machte ihnen O-Tah seinen Gegenbesuch, und erbot sich, sie überall zu begleiten. Sie nahmen ihn also mit ins Boot, und seegelten um das Nord-Ende der Insel herum, an welchem, innerhalb des Riefs, eine Menge langer und flacher Inseln liegen, die mit Palmen und andern Bäumen besetzt sind. In dieser Gegend kauften sie einen guten Vorrath von Bananen, und speißten hierauf, etwas weiter gen Süden, bey dem Hause des obersten Befehlshabers Boba, den der König von Borabora, Opuni, zum Statthalter allhier eingesetzt hatte. Sie lernten ihn jedoch nicht persönlich kennen, denn er war damals eben verreiset. Nach Tische fand sich, daß man ihnen während der Mahlzeit den ganzen Rest ihrer Handelswaaren, der in einem Beutel mit Nägeln, Spiegeln und Corallen bestand, gestohlen hatte. In dieser Verlegenheit hielten es die Officiers für das sicherste, wenn man den Einwohnern eine Parthey Vieh und andre Habseligkeiten wegnähme, und so lange an sich behielte, bis jene sich bequemten, das Geraubte wieder herbey zu schaffen. Mit diesem Zwangsmittel ward gleich auf dem Marktplatz der Anfang gemacht; man nahm daselbst ein Schwein, einige Perlmutter-Schaalen und etliche Ballen Zeug in Beschlag, welches die Einwohner jedoch nicht anders, als auf ernstliche Bedrohung mit dem Feuergewehr, geschehen ließen. Hierauf theilten sich unsre Leute; einige mußten die Boote, andre die confiscirten Waaren bewachen, und die übrigen giengen unter Anführung des Lieutenants weiter, um die Execution fortzusetzen. Der alte Befehlshaber O-Tah begleitete sie, doch schien ihm bey dem ganzen Handel nicht um ein Haar besser zu Muthe zu seyn als den Hunden in der Fabel (S. Phädri Fab.). Überall wo sie hinkamen, flohen die Einwohner und trieben ihr Vieh ins Gebürge. Um zu versuchen, was das Schießgewehr für Würkung auf sie machen würde, ließ der Officier drey Musqueten in die Luft feuern; auf diesen Schreckschuß kehrte einer von den Flüchtlingen, ein vornehmer Mann, der von der Elephantiasis einen ungeheuer dick geschwollnen Fus und Schenkel hatte, um, und überlieferte seine Schweine, nebst etlichen Packen Zeug. Hiernächst bemächtigten sich unsre Leute, in Boba's Wohnung, noch zweyer Brustschilder und einer Trommel, und kehrten darauf mit ihrer Beute nach dem zum Sammelplatz bestimmten Hause zurück. Gegen Abend schied O-Tah von ihnen, kam aber bald nachher mit dem gestohlnen Beutel wieder, in welchem noch ohngefähr die Hälfte der Nägel, Corallen u. d. g. befindlich war, und blieb sodann die Nacht über bey ihnen. Am folgenden Morgen ward den Eigenthümern der in Beschlag genommnen Effecten bekannt gemacht, daß ihnen alles zurück gegeben werden sollte, wenn sie die entwandten Corallen und Nägel wieder herbey schaften. Unter der Zeit, daß diese Anstalt dazu machten, wanderten unsre Leute nach O-Herurua, einer an der südwestlichen Seite der Insel gelegnen Bay. Sie waren noch nicht weit gekommen als O-Tah und der andre Befehlshaber, der mit seinem geschwollnen Beine so gut als ein andrer zu Fus war, den größten Theil des fehlenden Eisenwerks etc. schon herbey brachten, mit dem Bedeuten, daß solches hin und wieder im Buschwerk versteckt gewesen sey. Hierauf gaben auch unsre Leute das Zeug, die Schweine, die Brustschilder und alles übrige zurück, was sie bisher an sich behalten hatten. Auch belohnten sie den Mann, in dessen Hütte sie die Nacht zugebracht; imgleichen den alten Befehlshaber, weil sich beyde ungemein treu und willfährig gegen sie bewiesen hatten. Vermittelst der zurückerhaltnen Corallen, waren sie im Stande, in dem District Herurua und in der Bay A-Poto-Poto (oder der runden Bay) eine Parthie Bananen aufzukaufen. An letzterm Orte befand sich ein ungleich größeres Haus als sie in den übrigen Societäts-Inseln je gesehen hatten. Es war voller Einwohner, und verschiedne wohnten mit ihrer ganzen Familie in demselben. Es schien ein öffentliches Gebäude und, gleich den Caravanserais in der Levante, für Reisende bestimmt zu seyn. Nachdem unsre Leute den Rest von Nägeln und Corallen gänzlich losgeworden waren, auch Mittagbrod gegessen hatten, kehrten sie nach den Schiffen zurück, und langten endlich, ohngefähr um 4 Uhr Nachmittags, von den Wellen, die unterwegens in die Boote hereingeschlagen, ganz durchgenetzt, bey uns an.

Am folgenden Morgen kam Orea nebst seiner Familie, und eine Menge anderer Personen, um Abschied zu nehmen. Der größte Theil dieses Zuspruchs galt unserm neuen Reisegefährten O-Hedidi, der gestern mit an Bord gegangen war. Alle seine Freunde und Bekannten drängten sich nun noch herbey und brachten ihm eine Menge Zeug, imgleichen eine gute Provision gegohrnen Brodfrucht-Teig zum Unterhalt auf die Reise. Dieser Teig ist eins der besten Nahrungsmittel. Orea's Tochter, die es bisher nie gewagt hatte uns zu besuchen, kam bey dieser Gelegenheit ebenfalls an Bord, um sich von dem Capitain die grüne Zeltdecke unsers Bootes auszubitten, welche ihr besonders wohl mußte gefallen haben. Sie erhielt eine Menge Geschenke; in der Hauptsache aber konnte ihr der Capitain nicht willfahren. Die Indianer ließen sich zu guter letzt den Handel noch recht angelegen seyn, und verkauften uns viel von ihrem Handwerkszeug, Hausrath, u. d. g. Als wir endlich unter Seegel giengen, verließen uns die guten Leute mit großer Betrübniß. Ihre Thränengüsse schienen manchem von uns vorzuwerfen, daß er unempfindlich sey; und in der That scheint man bey unsrer Erziehung den natürlichen Bewegungen des Herzens zu viel Einhalt zu thun; man will, daß wir uns derselben in den mehresten Fällen schämen sollen, und darüber werden sie endlich unglücklicherweise ganz unterdrückt. Auf diesen Inseln hingegen, lassen die unverdorbnen Kinder der Natur allen ihren Empfindungen freyen Lauf und freuen sich ihrer Neigung für den Nebenmenschen:

Mollissima corda

Humano generi dare se natura fatetur

Quae lacrymas dedit; haec nostri pars optima sensus.

IUVENAL.

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