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TEXTPASSAGEN ÜBER AOTEAROA / NEUSEELAND - 1. Reise

Für die Ausstellung im Original gekürzt von F. Vorpahl, 2023

Erster Teil
Viertes Hauptstück.

Reise vom Cap nach dem antarctischen Zirkel;
erste Fahrt in höhere südliche Breiten;
Ankunft auf der Küste von Neu-Seeland

  Am 16ten da wir uns ohngefähr unterm 58. Grade südlicher Breite befanden, leuchtete die See des Nachts, welches uns, der angezeigten hohen Breite und der Kälte des Himmelsstrichs wegen, merkwürdig dünkte, obgleich das Leuchten hier nicht so stark als am Cap, sondern nur in einzelnen Funken zu sehen war. Das Thermometer stand am Mittag auf 33½ Grad, und in der Nacht vom 16ten und 19ten ließ sich das Südlicht wiederum sehen; am letzteren mahl machten die Licht-Säulen einen Bogen über den gantzen Himmel und waren leuchtender als wir sie zuvor je gesehen hatten. Nunmehro fingen wir auch, wie bereits gemeldet, endlich an nach Nordosten hinauf zu steuern, um das Süd-Ende von Neu-Seeland zu erreichen. Auf diesem gantzen Strich hatten wir starke Winde, und sahen oft Seegras, besonders Felskräut, imgleichen eine große Menge von Sturm- und andern Seevögeln. Von den letztern belustigten uns vornehmlich einige große graue Mewen die auf einen großen weißen Albatros Jagd machten. Der Länge seiner Flügel ohngeachtet konnte er ihnen doch nicht entgehen, und wenn sie ihn eingehohlt hatten suchten sie ihm vornehmlich von unten unterm Bauche beyzukommen, wo er, wie sie wißen mußten, am wehrlosesten seyn mag. Der Albatros hatte alsdenn kein andres Mittel ihrer los zu werden, als daß er sich aufs Waßer setzte, da sein fürchterlicher Schnabel sie denn in Respect zu halten schien. Diese Mewen sind stark und raubsüchtig. Auf den Färroer-Inseln reißen sie oftmahls Lämmer in Stücken und bringen solche in ihre Nester. Die Albatrosse sind dem Anschein nach weniger raubsüchtig und leben mehrentheils von kleinen Seethieren besonders von den Mollusca- und Medusen Arthen. Sobald wir über den funfzigsten Grad der südlichen Breite nach Norden hinauf kamen, hatten wir ihrer eine große Menge um uns, dagegen waren nur wenige einzelne so weit gen Süden vorgedrungen als wir, und folglich müßen sie eigentlich wohl nur unter dem gemäßigten Himmelsstrich wohnen.

[1773. März.]

Je weiter wir nun nach Norden hin gelangten, je mehr Seehunde kamen uns von der Küste von Neu-Seeland her entgegen, und am 25ten sahe man den Stamm eines Baumes und verschiedene Klumpen Gras vorüber schwimmen, deren Anblick unsre Matrosen mit neuem Muthe belebte. Kurz nachher erblickte man in Nord-Ost zu Ost, Land, und ohnerachtet solches damahls noch weit entfernt zu seyn schien; so befanden wir uns doch, mit Hülfe eines günstigen Windes, am Nachmittag um 5 Uhr nur noch wenig Meilen weit von einer gebrochenen, felsigen Küste, wo verschiedne Öfnungen uns eine geräumige Bay oder Sund erwarten ließen, und hinter welcher, im innern des Landes, hohe Berge empor ragten. Da wir der Küste nahe waren, wurde das Senkbley ausgeworfen, man fand aber mit 30 Faden keinen Grund; desto unvermutheter war es uns, als die Schildwache plötzlich vom Mastbaum herabrief, daß wir dicht an einigen Felsenklippen wären. Das Schiff ward dieserwegen in größter Eil umgewandt, und da das Wetter zu gleicher Zeit dunkel und regnicht ward, so entfernten wir uns sicherheitshalber vom Lande. Am folgenden Morgen fand sich, daß der vor uns liegende Theil von NeuSeeland gerade die vom Cap West südwärts gelegene äußerste Spitze dieses Landes war, welche Capitain Cook auf seiner vorigen Reise, in der Endeavour, noch nicht untersucht hatte.

Hier endigte sich nun unsre erste Fahrt, in die hohen südlichen Breiten, auf welcher wir vier Monath und zween Tage ohne Land zu sehen zugebracht hatten, aber diese ganze Zeit über von der allwaltenden Vorsehung für besonderen Unglücksfällen bewahrt, durch mancherley Gefahren sicher hindurch geführt und, einige wenige ausgenommen, allerseits bey beständig guter Gesundheit erhalten worden waren. Dies war um so viel mehr zu verwundern, als wir auf der ganzen Reise vom Vorgebürge der guten Hofnung an, bis nach Neu-Seeland, unaufhörlich mit Mühseeligkeiten zu kämpfen gehabt hatten, und von denselben desto mehr befürchten konnten, je weniger sie irgend jemand, vor uns, versucht und erfahren hatte. Unsre Seegel waren zerrißen, unser Tauwerk in Stücken, das Schiff ward entweder durch die Wellen auf das heftigste hin und her geworfen, oder wenn das nicht geschahe, so legte es der Wind ganz schief auf die Seite, wodurch, nebst dem beständigen Handthieren der Matrosen im Takelwerk, die Cajütten und das oberste Verdeck überall wandelbar wurden; die schrecklichen Würkungen und Folgen fürchterlicher Stürme, die der trefliche Geschichtschreiber von Anson's Reise, mit so natürlichen, schwarzen Farben geschildert hat – das alles waren gewißermaßen nur die geringsten unsrer Plagen. – Noch außer diesen so mußten wir mit der Strenge eines ungewöhnlich rauhen Clima's kämpfen; Matrosen und Officier waren beständig Regen, Hagel oder Schnee ausgesetzt; das Tau und Takelwerk war durchaus mit Eis überzogen und wehe den Händen, welche daran arbeiten mußten; unser Vorrath von frischen Waßer konnte nicht anders als mit Treibeis ersetzt werden, und das Aufnehmen desselben aus eiskaltem Seewaßer ging ohne erfrohrne und blutige Hände nicht ab; unaufhörlich mußten wir befürchten gegen die hohen Eismassen anzulaufen womit der unermeßliche südliche Ocean gleichsam angefüllet ist; und dergleichen Gefahr kam oft so schnell und so vielfältig, daß die Leute selten ihre gewöhnliche Ruhestunden genießen konnten, sondern denen Wachthabenden alle Augenblick zu Hülfe kommen und das Schif mit unabläßiger Vorsicht regieren, oder in der äußersten Geschwindigkeit wenden mußten. Auf solche Weise war denn die lange Zeit, welche wir in ofner See ohne Land zu sehen und ohne irgend eine Art von Erfrischungen zu genießen zubringen mußten, wohl in der That nicht anders als eine stete Reihe von Mühseeligkeit und Elend zu nennen. Auch die Angeln und Leinen, welche schon im November waren ausgetheilt worden, hatten bis jetzt noch zu nichts gedient, weil in diesen höhern Breiten das Meer überall grundlos war, und nirgends andre als Wallfische zum Vorschein kamen. Doch ließ sich auch, da wir nun einmal nicht so glücklich waren Land zu treffen, nichts besseres erwarten; denn es ist bekannt, daß man, nur im heißen Himmelsstriche allein, fern vom Ufer und Sandbänken in unergründlichen Gegenden der See, mit der Angel Fische zu fangen hoffen kann

Atrum

Defendens pisces hiemat mare.

HORATIUS.
 

Zu allen diesen Unannehmlichkeiten gesellte sich endlich noch die düstere Traurigkeit, welche unter dem antarctischen Himmel herrscht, wo wir oft ganze Wochen lang in undurchdringliche Nebel verhüllt zubringen mußten, und den erfreulichen Anblick der Sonne nur selten zu sehen bekamen, ein Umstand, der schon allein vermögend ist den Entschlossensten und Lebhaftesten niedergeschlagen zu machen. – Wenn man dies alles überdenkt, so ist es wahrlich zu verwundern und als ein deutliches Merkmahl der göttlichen Obhut anzusehen, daß wir von alle den Folgen nichts erlitten, welche von so mannigfaltigem und gehäuften Elend zu gewarten und zu befürchten waren.

 

Fünftes Hauptstück.

Aufenthalt in Dusky-Bay. Beschreibung derselben.

Nachricht von unsern Verrichtungen.

 

Nach einer Fahrt von einhundert und zwei und zwanzig Tagen, auf welcher wir ohngefähr dreitausend fünfhundert Seemeilen in ofner See zurückgelegt hatten, kahmen wir endlich am 26sten März zu Mittage in Dusky-Bay an. Diese Bay, welche an der Nordseite des Cap West liegt, hatte Capitain Cook auf seiner vorigen Reise in der Endeavour bereits entdeckt, ihr auch damahls schon einen Nahmen gegeben, ohne sie jedoch selbst zu besuchen.[1] Aus großer Ungedult bald vor Anker zu kommen, wünschten wir, daß solches gleich an der Mündung der Bay thunlich seyn möchte : Allein da das Senkbley dort eine allzu große Tiefe, nemlich von vierzig Faden anzeigte, und etwas weiter hin gar mit sechzig Faden kein Grund mehr zu finden war, so mußten wirs uns gefallen laßen, noch ungleich weiter hinein zu seegeln. Das Wetter war indeßen schön und in Verhältniß zu demjenigen, das wir bisher hatten empfinden müßen recht erquickend warm. Sanft wehende Winde führten uns nach und nach bey vielen felsichten Inseln vorbei, die alle mit Bäumen und Buschwerk überwachsen waren, deren mannigfaltiges, dunkleres Immergrün, (evergreen) mit dem Grün des übrigen Laubes, welches die Herbstzeit verschiedentlich schattirt hatte, malerisch vermischt war und sehr angenehm von einander abstach. Ganze Schaaren von Waßervögeln belebten die felsigten Küsten und das Land ertönte überall vom wilden Gesang der gefiederten Waldbewohner. Je länger wir uns nach Land und frischen Gewächsen gesehnt hatten, desto mehr entzückte uns nun dieser Prospect, und die Regungen der innigsten Zufriedenheit, welche der Anblick dieser neuen Scene durchgängig veranlaßte, waren in eines jeglichen Augen deutlich zu lesen.

Um drei Uhr Nachmittags kamen wir endlich unter der Spitze einer Insel vor Anker, woselbst wir einigermaßen gegen die See gedeckt und der Küste so nahe waren, daß man sie mit einem kleinen Taue erreichen konnte. Kaum war das Schif in Sicherheit, als unsre Matrosen ihre Angeln auswarffen, und in wenig Augenblicken sahe man an allen Seiten des Schifs eine Menge vortreflicher Fische aus dem Wasser ziehen, deren viel versprechender Anblick die Freude über unsre glückliche Ankunft in der Bay ungemein vermehrte. Wir fanden sie von vortreflichen Geschmack und da wir zumahl so lange darauf gefastet hatten, so war es kein Wunder daß uns diese erste Neu-Seeländische Mahlzeit als die herrlichste in unserm ganzen Leben vorkam. Zum Nachtisch ergötzte sich das Auge an der vor uns liegenden, wildnißartigen Landschaft, die Salvator Rosa nicht schöner hätte mahlen können. Sie war ganz im Geschmack dieses Künstlers und bestand aus Felsen, mit Wäldern gekrönt, deren Alter in die Zeiten vor der Sündfluth hinauf zu reichen schien, und zwischen welche sich aller Orten Wasserbäche mit schäumenden Ungestüm herabstürzten. Zwar hätte es bey weiten nicht so vieler Schönheiten bedurft um uns zu entzücken, denn nach einer langen Entfernung vom Lande ist es warlich sehr leicht, selbst die ödeste Küste für das herrlichste Land in der Schöpfung anzusehen. Und aus diesem Gesichtspuncte muß man auch die feurigen Beschreibungen der wilden Klippen von Juan Fernandez und der undurchdringlichen Wälder von Tinian betrachten.

Gleich nach Tische wurden zwei Boote ausgesetzt um verschiedne Gegenden der Bay zu untersuchen, hauptsächlich aber um für unser Schif einen sichern Hafen ausfindig zu machen, indem unser jetziger Ankerplatz offen, unbequem und nur fürs erste gut genug gewesen war. Wir machten uns diese Gelegenheit zu Nutze Untersuchungen in der natürlichen Geschichte anzustellen, und trennten uns, um von beiden Booten und ihren verschiedenen Entdeckungen zu gleicher Zeit Gebrauch zu machen. Beide Partheien fanden bequeme und wohlgedeckte Hafen, nebst Überfluß von Holz und Waßer; auch trafen sie allenthalben so viel Fische und Waßer-Vögel an, daß man hoffen konnte, es würde uns nicht leicht an Lebensmitteln dieser Art fehlen, wenn wir gleich noch so lange hier verbleiben wollten. So günstige Aussichten bewogen den Capitain Cook, einige Zeit hier zuzubringen, zumahl da er auf seiner ersten Reise das südliche Ende von Neu-Seeland nur flüchtig untersucht hatte. Unsrer Seits fanden wir, so wohl in dem Thier- als Pflanzenreiche, neue Reichthümer, und es gab kaum eine einzige Gattung, die mit den bekannten völlig übereinstimmte, ja viele wolten sich gar nicht einmahl unter die bekannten Geschlechter bringen laßen. Hieran glaubten wir nun während unsers Aufenthalts hinlänglich Beschäftigungen zu finden, obgleich der Herbst dem Pflanzenreich schon den Untergang anzukündigen schien.

Am folgenden Morgen ward in aller Frühe, ein kleines Boot gegen die Küste geschickt und nach Verlauf dreier Stunden brachte es schon so viele Fische, die blos mit Angeln gefangen waren, zurück, daß das ganze Schifsvolk eine Mahlzeit davon halten konnte. Der beste und wohlschmeckendste darunter war eine Art von Cabeljau (cod) den die Matrosen, der Farbe wegen, den Kohlenfisch nannten. Außerdem bekamen wir auch verschiedne Arten von vortreflichen dünnen See-Rappen (Sciænæ) Meer-Scorpionen (Scorpens) Dick-Köpfe (mugil. mullet) Bastard-Mackrelen (Scomber Trachurus) und andre wohlschmeckende Fische mehr, die in Europa ganz unbekannt sind. Um 9 Uhr giengen wir von unserm bisherigen, unzulänglichen Anckerplatz unter Seegel, und liefen in den gestern ausfindig gemachten und Pickersgill genannten Hafen ein. Hier lagen wir in einer kleinen Bucht, und so nahe am Ufer, daß wirs mit einem Gerüste von wenigen Planken erreichen konnten. Die Natur kam uns dabey mit einem großen Baum zu Hülfe, der vom Lande aus in horizontaler Richtung schief über das Waßer hingewachsen war. Das äußerste Ende befestigten wir mitten aufs Schiff und machten längst dem Baume einen Steg von Brettern. Am Ufer selbst fanden wir für unsre Bedürfniße nicht weniger Bequemlichkeiten. Die Bäume standen so nahe am Schiffe, daß die Äste bis an unsre Masten hinreichten und ein schöner. Strohm frischen Waßers floß nur einen Pistolenschuß weit hinter dem Schiffe: Da nun Holz und Waßer die Hauptartickel waren, welche wir vom Lande aus an Bord zu schaffen hatten, so gereichte uns die nahe Nachbarschaft derselben zu einer großen Erleichterung. Wir ließen es unsre erste Arbeit seyn einen nahgelegenen Hügel, vom Holz kahl zu machen, um die Sternwarthe und Schmiede daselbst aufzustellen, denn unser Eisenwerk hatte einer schleunigen Ausbesserung nöthig. Zu gleicher Zeit wurden für die Seegelmacher, Böttiger, Wasserträger und Holzhauer am Wasserplatze Zelte aufgeschlagen. Bey Gelegenheit dieser Arbeiten verringerte sich schon die hohe Meynung, welche unsre Leute von diesem Lande gefaßt hatten; denn die ungeheure Menge von Schling-Stauden (climbers) Dornen, Strauchwerk und Farrenkraut, womit die Wälder durchwachsen und überlaufen waren, machte es ungemein mühsam ein Stück Land zu reinigen, und ließ uns schon zum voraus sehen, daß es äusserst schwer, wo nicht unmöglich seyn würde, tief in das Innre des Landes einzudringen. Und in der That ist es nicht nur historisch wahrscheinlich, daß in diesem südlichen Theile von Neu- Seeland die Wälder noch unangetastet, in ihrem ursprünglich wilden, ersten Stande der Natur geblieben sind, sondern der Augenschein beweiset solches beynahe unleugbar. Wir fanden es z. E. nicht nur des obgedachten überhand genommenen Unkrauts wegen, fast unmöglich darin fortzukommen, sondern es lag auch überall eine Menge von verfaulten Bäumen im Wege, die entweder vom Winde umgeworfen oder vor Alter umgefallen, und durch die Länge der Zeit zu einer fetten Holzerde geworden waren, aus welcher bereits neue Generationen von jungen Bäumen, parasitischen Pflanzen, Farn-Kräutern und Moosen reichlich aufsproßten. Oft bedeckte eine täuschende Rinde, das innere verfaulte Holz eines solchen umgefallnen Stammes und wer es wagte darauf zu treten, fiel gemeiniglich bis mitten an den Leib hinein. Das Thierreich lieferte seiner Seits auch einen Beweis, daß dieser Theil des Landes, bis jetzt wohl noch keine Verändrung von Menschen erlitten haben könne, und ließ uns beym ersten Anblick vermuthen, daß Dusky-Bay gänzlich unbewohnt seyn müße; denn eine Menge kleiner Vögel schienen noch nie eine menschliche Gestalt gesehen zu haben, so unbesorgt blieben sie auf den nächsten Zweigen sitzen, oder hüpften wohl gar auf dem äußersten Ende unsrer Vogelflinten herum, und betrachteten uns als fremde Gegenstände mit einer Neugierde, die der unsrigen, einigermaßen gleich kam. Diese unschuldige Dreistigkeit schüzte sie anfänglich, denn wer hätte hartherzig genug seyn können sie zu schießen, wenn sie so nahe waren; aber in wenig Tagen ward sie ihnen sehr nachtheilig und verderblich, weil eine Katze aus unserm Schiff nicht so bald ausfindig gemacht hatte, daß hier eine so trefliche Gelegenheit zu einem herrlichen Fraße sey, als sie richtig alle Morgen einen Spatziergang ins Holz vornahm, und eine schreckliche Niederlage unter den kleinen Vögeln anrichtete, die sich vor einem so hinterlistigen Feinde nicht hüteten, weil sie nichts Arges von ihm vermutheten.

Bey dem Überfluß an Fischen und der Menge von Waßervögeln, die uns mehrere Arten von Fleischspeisen zu versprechen schien, fehlte es unsrer Tafel gleichsam nur noch allein an frischem Gemüse. Diesem Mangel suchten wir daher auf unsren ersten botanischen Spatziergängen abzuhelfen, und fanden auch gleich den Tag nach unsrer Ankunft, einen zum Myrthen-Geschlecht gehörigen, schönen Baum, der eben in Blüthe stand, und davon auf Capitain Cook's erster Reise eine Infusion, statt Thees, war getrunken worden. Ohngeachtet uns dies noch keine Schüssel gab; so war es uns doch, als ein frisches Kraut, willkommen, und ward daher auch gleich versucht. Die Blätter waren angenehm aromatisch, etwas zusammenziehend und gaben beym ersten Aufguß dem Waßer einen ganz besonders lieblichen Geschmack, allein, wenn zum zweytenmahl siedendes Waßer aufgegossen ward, so verschwand dieser angenehme Geschmack, und statt deßen bekam die Infusion eine ungemeine Bitterkeit, daher wir es auch nie zum zweitenmahle ziehen ließen. Der Gebrauch dieser Pflanze, ward unter unsern Leuten bald allgemein, und trug dem Ansehn nach viel dazu bey, das Blut zu reinigen und alle scorbutische Symptomen zu vertreiben. Da diese Pflanze künftigen Seefahrern sehr nützlich werden kann, so verdiente sie bekannter und folglich gezeichnet zu werden. Wir haben daher dem Capitain Cook sehr gern erlaubt, von unsrer Zeichnung Gebrauch zu machen; und sie ist auf Befehl der Admiralität gestochen und seiner Reisebeschreibung beygefügt. Auch in gegenwärtiger deutschen Ausgabe unsrer Reisegeschichte wird sie der naturkundige Leser, hoffentlich mit Vergnügen, antreffen. In gutem Boden und dicken Wäldern wächst sie bis zur Größe eines ansehnlichen Baums, der oft dreißig bis vierzig Fus hoch ist, und einen Fus im Durchschnitt hält. Auf bergichten trocknen Gründen hingegen, habe ich sie als eine kleine Staude ohngefähr nur sechs Zoll hoch gefunden, und daß sie, dieser geringen Größe ohnerachtet, gesund und vollkommen war, bezeugten Frucht und Blüthe. Gewöhnlicher Weise wird sie aber acht bis zehn Fus hoch, und ohngefähr drei Zoll im Durchschnitt stark. In diesem Fall ist der Stamm unregelmäßig und ungleich, treibt kurz über der Erde schon Zweige aus, die mit dem Stamm gemeiniglich scharfe Winkel ausmachen, und nur allein an den äußersten Enden Blätter und Blüthen haben. Die Bluhmen sind weis und geben der Pflanze eine große Zierde. Man versuchte es auch die Blätter eines andern Baumes, der in dieser Gegend sehr häufig wuchs,[2] zur Infusion zu gebrauchen; allein, seiner Ähnlichkeit mit dem Fichtengeschlecht und eines gewissen harzichten Geschmacks wegen, fanden wir bald, daß er sich zwar nicht zum Thee, hingegen zu jenem gesunden und angenehmen Getränk, das in Westindien unter dem Nahmen Spruce- oder Sprossen Bier bekannt ist, noch besser als der americanische Spruce-Baum (Spruce-tree) schicken würde. Wir braueten auch würklich, mit einem Zusatz von etwas Bier-Würz-Eßenz und Syrup, eine sehr gute Arth von Bier daraus, und machten dieses in der Folge durch eine Beymischung von Blüthen und Blättern des neuen Theebaums noch angenehmer und beßer. Der Geschmack war lieblich aber etwas bitter; und der einzige Fehler den wir daran finden konnten bestand darin, daß es früh, bey nüchternem Magen getrunken, zuweilen eine Übelkeit verursachte. In jedem andern Betracht war es vortreflich und gesund. Der Neu-Seeländische Spruce-Baum ist von schönem Gewächs und Ansehn, denn er schießt bisweilen zu einer Höhe von hundert Fuß auf und hat alsdenn wohl zehn Fuß im Umfange. Wegen seiner niederhängenden Äste fällt er sehr in die Augen, und sein Laub besteht aus einer Menge langer, hellgrüner Blätter, die den Kiehn-Nadeln gleichen und wie Faden von den Zweigen herabhängen. Ohngeachtet sich in den hiesigen Wäldern nur allein der Spruce- und der Theebaum fand, von welchen man etwas genießen konnte, so waren doch die übrigen, in großer Menge und Verschiedenheit vorhandenen Bäume, theils zum Schiffbau, theils zu Tischler- und andrer Holzarbeit gut zu brauchen; und Capitain Cook mußte gestehen, daß er auf ganz Neu-Seeland keine bessere Waldung als hier in Dusky-Bay angetroffen habe, ausgenommen längst den Ufern des Flusses Thames (Themse) der die nördliche Insel dieses Landes durchströhmt und den er auf seiner vorigen Reise befahren hatte.[3]

Wir waren nicht über zween Tage in dieser Bay gewesen, so wurden wir bereits überzeugt, daß sie nicht unbewohnt seyn müsse. Als nehmlich am 28. Morgens einige unsrer Officier in einem kleinen Boote auf die Jagd gingen, und etwa zwei oder drey englische Meilen weit vom Schiffe in eine Bucht hineinruderten, wurden sie auf dem Strande einige Einwohner gewahr, die ein Canot[4] (Kahn) ins Wasser setzen wollten. Bey ihrer Annäherung fiengen die Neu-Seeländer an überlaut zu rufen; und da man sie ihrem Schreyen nach für zahlreicher hielt als sie würklich waren, so giengen die Officiers zurück und gaben dem Capitain Nachricht von dieser Entdeckung; eine Vorsicht, die ihnen desto nöthiger dünkte, weil das Wetter sehr regnicht war und ihr Schießgewehr leicht hätte hindern können Feuer zu geben. Kaum waren sie am Boord zurück, als sich neben einer hervorragenden Landecke, die ohngefähr eine englische Meile weit vom Schiff entfernt seyn mochte, ein Canot sehen ließ. Es war mit sieben oder acht Leuten besetzt, die uns eine Zeitlang anguckten, aber durch keine Zeichen der Freundschaft als Zurufen, Aushängen von weißen Tüchern, Vorzeigung von Glas-Corallen und, dergleichen, sich wollten bewegen lassen, näher zu kommen; sondern nach einer Weile den Weg zurück ruderten den sie gekommen waren. So viel sich in der Entfernung unterscheiden ließ, giengen sie in Matten gekleidet und hatten breite Ruder, mit welchen sie ihr Canot, eben so wie die Einwohner des nördlichen Theils von Neu-Seeland, fortarbeiteten. Capitain Cook nahm sich vor sie noch heute Nachmittag am Lande zu besuchen, um ihnen die Besorgniß zu benehmen, worinn sie unserntwegen zu seyn schienen. Er ließ zu dem Ende zween Boote aussetzen und fuhr nebst uns und verschiednen Officiers nach der Bucht hin, wo sich die Wilden zuerst hatten sehen lassen. Hier fanden wir ein doppeltes Canot, das neben etlichen alten niedrigen Hütten aufs Land gezogen war, und in der Nachbarschaft sahe man einige Stellen wo Feuer gebrannt hatte, auch lagen Fischnetze und Fische umher. Das Canot war alt und in schlechtem Stande. Es bestand aus zween Trögen oder Booten, die in der Mitte durch Queerhölzer verbunden und mit Stricken von der Neu-Seeländischen Flachs-Pflanze[5] zusammen gekoppelt waren. Eine Jedes einzelne dieser mit einander verbundenen Boote, war für sich aus Planken verfertigt, die mit Schnüren aneinander genähet und am Vordertheil durch ein grobgeschnitztes Menschengesicht verzieret waren, in welchem sie statt der Augen kleine Stücken von perlmutterartigen Seeohr-Muscheln eingesetzt hatten. In diesem Canot fanden wir zween Ruder, einen Korb voll Beeren von der coriaria ruscifolia Linnæi, und einige Fische. Von den Leuten aber bekamen wir nichts zu hören und zu sehen, weil sie, allem Anschein nach, in den Wald geflüchtet waren. Um uns ihr Vertrauen und Zuneigung zu erwerben, legten wir ihnen einige Schaumünzen, Spiegel, Glas-Corallen und andre Kleinigkeiten in das Canot und giengen, ohne weitern Aufenthalt, wieder zu unserm Boot, um tiefer in die Bucht hinein zu rudern und einen Plan von derselben aufzunehmen. Bey dieser Gelegenheit fanden wir einen schönen Bach, der sich über den flachen Strand ins Meer ergoß, welches hier eine ganze Strecke lang so seicht war, daß wir mit dem Boote einigemal auf den Grund stießen. Endten, See-Raben (Shags) schwarze Austerfänger (Oystercatcher) und Kybits-Arten (plovers) gab es hier in großer Menge. Auf dem Rückwege konnten wir uns nicht enthalten, noch einmal nach dem Canot hinzusehen; fanden aber noch alles wie wir es verlassen hatten. Den Werth, der bereits vorher zurückgelaßnen Geschenke zu erhöhen, fügten wir jetzt noch ein Beil hinzu, und um ihnen den Gebrauch desselben begreiflich zu machen, haueten wir einige Spähne von einem Baume ab, und ließen es alsdenn in dem Stamm stecken. Allein unsre Hauptabsicht erreichten wir bey diesem zweyten Besuch eben so wenig als bey dem vorhergehenden, denn wir bekamen abermals keinen von den Einwohnern zu sehen, ohnerachtet sie, unserm Bedünken nach, nicht weit weg seyn konnten, und wir so gar den Rauch von ihren Feuern zu riechen glaubten. Vermuthlich wären sie in dem nah gelegenen Walde leicht zu entdecken gewesen; da sie uns aber so geflissentlich aus dem Wege gegangen zu seyn schienen, so wollte sie der Capitain nicht aufsuchen lassen, sondern es lieber der Zeit und ihrem freyen Willen anheim stellen, ob sie näher mit uns bekannt werden wollten oder nicht. Unterdessen war die Zeit so weit verstrichen, daß wir erst am späten Abend wieder an das Schiff zurück kamen.

Den ganzen folgenden Morgen regnete es heftig; Nachmittags aber klärte sich das Wetter auf und verstattete uns in das auf dem jenseitigen Ufer der Bucht gelegene Holz zu gehen: Allein, wir fanden es jetzt doppelt mühsam darinn fortzukommen, denn außer den bereits angezeigten Schwürigkeiten sich durch die Schling-Stauden und durch die umgefallenen Bäume hindurch zu arbeiten, hatte der heutige Regen das Erdreich dermaßen durchgeweicht und schlüpfrig gemacht, daß man fast bey jedem Schritt ausgleitete. Indessen ward unsre Mühe wenigstens dadurch belohnt, daß wir noch einige Pflanzen in der Blüthe antrafen, ohnerachtet es hier zu Lande schon sehr spät im Jahre war. Außerdem erregte eine Menge von unbekanten Bäumen und Sträuchern unsre Verwunderung über den Reichthum dieses Landes an neuen Pflanzen, allein dabey mußten wir es auch bewenden lassen, denn es waren weder Blüthen noch Frucht mehr daran vorhanden, und folglich keine nähere botanische Untersuchung möglich.

[1773. April.]

Die beyden folgenden Tage über hielt uns das regnichte und stürmische Wetter am Bord eingeschlossen, und benahm uns fast den Muth, denn wenn diese Witterung so anhielt, welches der Jahreszeit nach allerdings zu befürchten stand, so ließ sich voraus sehen, wie unangenehm wir die Zeit unsers übrigen Aufenthalts allhier zubringen würden. In dieser Besorgniß wandten wir, am 1sten April Nachmittags, den ersten heitern Augenblick dazu an, die Bucht wieder zu besuchen, in welcher wir die Indianer gesehen hatten. Wir fanden daselbst noch alles, wie wir es gelassen, und es schien die ganze Zeit über Niemand bey dem Canot gewesen zu seyn. Da das Wetter sehr hell war, so konnte man diese Bucht heute nach allen Seiten hin übersehen. Sie ist so geräumig, daß eine ganze Flotte darinn vor Anker liegen kann, und hat an der Südwest-Seite einige hohe Berge, die beynahe von dem Gipfel an bis ganz an das Ufer herab mit Holz bewachsen sind. Die verschiednen Landspitzen, die in die See hinaus laufen, und die Inseln in der Bay, bieten von hier aus einen schönen, mahlerischen Anblick dar. Die Spiegelfläche des Wassers, welche beym Untergang der Sonne herrlich erleuchtet ward, die Mannigfaltigkeit des Grüns und der Gesang der Vögel, welche sich an diesem stillen Abende um die ganze Bay herum hören ließen, milderten die rauhen und wilden Umrisse dieser Landschaft auf eine sehr angenehm contrastirende Weise.

Das Vergnügen dieses Abends, lockte uns, bey dem schönen hellen Wetter des folgenden Tages, schon mit Sonnen-Aufgang wiederum nach dieser Bucht und hielt uns bis am späten Abend dort zurück, da wir mit einer ganzen Ladung von neuen Vögeln und Pflanzen wieder auf dem Schiffe anlangten. Wir hatten einen jungen Hund mit uns genommen, den sich einige Officier am Vorgebürge der guten Hofnung angeschaft hatten, und wollten versuchen, ob er sich nicht an das Schießen gewöhnen und zur Jagd abrichten ließe. Aber kaum ward die erste Flinte abgefeuert, als er davon und ins Holz lief, auch allem Rufen und Locken ohnerachtet nicht zu uns zurück kommen wollte. In unsrer Abwesenheit hatte Capitain Cook sich das schöne Wetter ebenfalls zu Nutze gemacht, um verschiedene Gegenden der Bay genauer zu untersuchen. Er kam bey dieser Gelegenheit an einem kleinen Felsen, ohnweit unserm ersten Ankerplatz vorbey, den wir damals schon Seal rock oder Seehund-Felsen genannt hatten, weil eine Menge von diesen Thieren ihr gewöhnliches Nachtlager dort zu nehmen pflegten. Auch heute fand er ihrer eine große Anzahl daselbst und erlegte drey Stück. Einer von diesen Seehunden, der zu wiederholtenmalen angeschossen war, ward zuletzt ganz wütend, und fiel das Boot an, welches ihm denn vollends das Leben kostete. Er war ohngefähr 6 Fus lang, und wog, ohnerachtet er nur sehr mager war, doch 220 Pfund. Von hier aus lief der Capitain an verschiedenen kleinen Inseln vorbey und gelangte zuletzt an das Nord-West-Ende der Bay, welches die Point five finger genannte Landspitze ausmacht. Allda fand er in einer schönen Bucht, eine Menge verschiedener Wasservögel, von denen er viele schoß und an Boord brachte.

Nach dieser kleinen Lustreise mußten wir, des von neuem einfallenden Regens halber, wiederum eine Pause machen und an Bord bleiben, wo eine Art kleiner Erd-Mücken (tipula alis incumbentibus), die uns schon vom ersten Eintritt in Dusky-Bay an gepeinigt hatten, jetzt, bey dem nassen Wetter, ungemein beschwerlich fiel. Am Lande waren sie an dem Eingange in die Wälder besonders häufig anzutreffen, nicht halb so groß als Mücken oder Muskito's und unsre Matrosen nannten sie Sandfliegen. Ihr Stich war sehr schmerzhaft, und, sobald die gestochene Hand oder das Gesicht warm ward, erfolgte ein unerträgliches Jucken, welches beym geringsten Reiben oder Kratzen eine starke Geschwulst und große Schmerzen nach sich zog. Wir hatten jedoch nicht alle gleich viel von ihnen auszustehen: Ich für mein Theil empfand keine besondre Ungelegenheit davon; andre hingegen wurden abscheulich von ihnen gequält, insbesondre hatten sie meinen Vater so übel zugerichtet, daß er nicht im Stande war die Feder zu halten, um nur die täglichen Vorfälle in seinem Journal niederzuschreiben, und die Nacht fiel er sogar in ein heftiges Wundfieber. Man versuchte allerhand Mittel dagegen, aber ohne Nutzen. Das Beste war, die Hände und das Gesicht mit weicher Pomade einzureiben und beständig Handschuh zu tragen.

Früh am 6ten giengen einige Officier nach der Bucht, welche der Capitain am 2ten entdeckt hatte; der Capitain selbst aber nahm ein andres Boot und gieng nebst Herrn Hodges, Dr. Sparrman, meinem Vater und mir, nach der Nordseite, um für seine Person in Abzeichnung der Bay fortzufahren, Herr Hodges, um Aussichten nach der Natur aufzunehmen, und wir, um die natürlichen Merkwürdigkeiten: des Landes zu untersuchen. In dieser Gegend trafen wir eine schön geräumige Bucht an, die so tief und schräg ins Land hinein ragte, daß man von dort aus die See gar nicht sehen konnte. Das Ufer derselben war steil und von demselben stürzten sich verschieden kleine Wasserfälle aus großen Höhen herab, welches eine überaus schöne Scene ausmachte. Sie ströhmten mitten aus dem Wald hervor und fielen alsdenn in durchsichtig hellen Wasser-Säulen so senkrecht herunter, daß ein Schiff ganz nahe bey denselben sich hätte ans Ufer legen, und vermittelst eines Schlauchs von Seegeltuch (hose) seine Wasserfässer allenfalls an Boord selbst, in aller Sicherheit anfüllen können. Im Hintergrunde gab es einen Fleck, wo das Wasser seicht und morastig war, das Ufer aber aus Muschel-Sand bestand, über welches hier, so wie in allen Buchten dieser Bay, ein kleiner Bach herabrieselte. An dieser Stelle fanden wir viel Federwildpret, besonders wilde Endten, davon wir vierzehn Stück erlegten, und daher den Ort auch Duck-Cove, das ist, Endten-Bucht nannten. Auf dem Rückwege kamen wir an einer Insel vorbey, die eine weit hervorragende Felsenspitze hatte, auf welcher wir einen Menschen sehr laut rufen hörten. Da dies niemand anders als eine von den Eingebohrnen seyn konnte, so nannten wir diese Insel Indian-Island, d. i. Indianer-Insel, und näherten uns dem Ufer derselben, um zu erfahren, von wem die Stimme herkäme. Als wir weiter heran kamen, entdeckte man, daß es ein Indianer war, der mit einer Keule oder Streit-Axt bewafnet, auf der Felsenspitze stand, und hinter ihm erblickte man in der Ferne, am Eingang des Waldes, zwo Frauenspersonen, deren jede einen Spieß in der Hand hielt. Sobald wir mit dem Boot bis an den Fus des Felsen hingekommen waren, rief man ihm in der Sprache von Taheiti zu: Tayo Harre maï, d, i. Freund komm hier! Allein das that er nicht, sondern blieb an seinem Posten, auf seine Keule gelehnt stehen und hielt in dieser Stellung eine lange Rede, die er bey verschiednen Stellen mit großem Nachdruck und Heftigkeit aussprach, und alsdenn zugleich die Keule um den Kopf schwenkte. Da er nicht zu bewegen war näher zu kommen, so gieng Capitain Cook vorn ins Boot, rief ihm freundlich zu und warf ihm sein und andrer Schnupftücher hin, die er jedoch nicht auffangen wollte. Der Capitain nahm also etliche Bogen weiß Papier in die Hand, stieg unbewaffnet auf dem Felsen aus und reichte dem Wilden das Papier zu. Der gute Kerl zitterte nunmehro sichtbarer Weise über und über, nahm aber endlich, wiewohl noch immer mit vielen deutlichen Merkmalen von Furcht, das Papier hin. Da er dem Capitain jetzt so nahe war, so ergrif ihn dieser bey der Hand und umarmete ihn, indem er des Wilden Nase mit der seinigen berührte, welches ihre Art ist sich unter einander zu begrüßen. Dieses Freundschaftszeichen benahm ihm mit einemmale alle Furcht, denn er rief die beyden Weiber zu sich, die auch ungesäumt herbey kamen, indeß daß von unsrer Seite ebenfalls verschiedne ans Land stiegen, um dem Capitain Gesellschaft zu leisten. Nunmehro erfolgte zwischen uns und den Indianern eine kleine Unterredung, wovon aber keiner etwas rechtes verstand, weil keiner in des andern Sprache hinreichend erfahren war. Herr Hodges zeichnete gleich auf der Stelle einen Umriß von ihrer Gesichtsbildung und aus ihren Minen ließ sich abnehmen, daß sie begriffen was er vor hatte. Sie nannten ihn desfalls tóa-tóa, welches Wort vermuthlich eine Beziehung auf die bildenden Künste haben mußte. Der Mann hatte ein ehrliches gefälliges Ansehen, und die eine von den beyden Frauenspersonen, die wir für seine Tochter hielten, sahe gar nicht so unangenehm aus als man in Neu-Seeland wohl hätte vermuthen sollen, die andre hingegen war ausnehmend häßlich und hatte an der Ober-Lippe ein ungeheures garstiges Gewächs. Sie waren alle dunkelbraun oder Olivenfarbicht, hatten schwarzes und lockichtes Haar, das mit Öhl und Rothstein eingeschmiert, bey dem Mann oben auf dem Wirbel in einen Schopf zusammen gebunden, bey den Weibern aber kurz abgeschnitten war. Den Obertheil des Cörpers fanden wir wohl gebildet; die Beine hingegen außerordentlich dünne, übel gestaltet und krumm. Ihre Kleidung bestand aus Matten von Neu-Seeländischen Flachs[6] und war, mit Federn durchwebt. In den Ohren trugen sie kleine Stücke von Albatros-Haut, mit Röthel oder Ocher gefärbt. Wir boten ihnen einige Fische und Endten an, sie warfen solche aber zurück und gaben uns zu verstehen, daß sie keinen Mangel an Lebensmitteln hätten. Die einbrechende Nacht nöthigte uns von unsern neuen Freunden Abschied zu nehmen, wir versprachen ihnen aber, sie morgen wieder zu besuchen. Der Mann sehe uns bey der Abfahrt in ernsthafter Stille und mit einer Aufmerksamkeit nach, die tiefes Nachdenken anzuzeigen schien; die jüngste Frauensperson hingegen, die während unsrer Anwesenheit in einem fort und mit so geläufiger Zunge geplaudert hatte, als sich keiner von uns je gehört zu haben erinnern konnte, fieng nunmehro an zu tanzen, und fuhr fort eben so laut zu seyn als vorher. Unsre Seeleute erlaubten sich dieses Umstandes halber einige grobe Einfälle auf Kosten des weiblichen Geschlechts, wir aber fanden durch dieses Betragen die Bemerkung bestätigt, daß die Natur dem Manne nicht nur eine Gespielinn gegeben, seine Sorgen und Mühseligkeiten zu erleichtern, sondern daß sie dieser auch, durchgehends, die Begierde eingepflanzt habe, vermittelst eines höhern Grads von Lebhaftigkeit und Gesprächigkeit zu gefallen. In Capitain Cooks gedruckter Reise-Geschichte findet man diese kleine Familie nebst der Gegend, in welcher sich die vorgedachte Scene zutrug, überaus schön und richtig abgebildet.

Am folgenden Morgen kehrten wir zu den Indianern zurück und brachten ihnen allerhand Sachen, die wir zu Geschenken, vom Schiffe aus, für sie mit genommen hatten. Der Mann bewieß bey dieser Gelegenheit ungleich mehr Verstand und Beurtheilungskraft als man bisher unter seinen übrigen Landsleuten und unter den mehresten Einwohnern in den Süd-See-Inseln angetroffen hatte,[7] denn er begrif nicht nur, gleich beym ersten Anblick, den vorzüglichen Werth und Gebrauch der Beile und großen Nägel, sondern er sehe auch überhaupt alles mit Gleichgültigkeit an, was ihm keinen wahren Nutzen zu haben schien. Bey diesem Besuch machte er uns mit seiner ganzen Familie bekannt. Sie bestand aus zwo Frauenspersonen, die wir für seine Weiber hielten; dem obgedachten jungen Mädchen, einem Knaben von ohngefähr funfzehen und drei kleinen Kindern, wovon das jüngste noch an der Brust war. Man konnte es sehr deutlich merken, daß der Mann die Frau mit dem Gewächs an der Oberlippe gar nicht achtete, welches vermuthlich wegen ihrer unangenehmen Gestalt geschahe. Sie führten uns bald darauf nach ihrer Wohnung, die nur wenige Schritt weit im Wald, auf einem kleinen Hügel lag und in zwo schlechten Hütten bestand, die aus etlichen zusammen gelehnten Stangen aufgebauet und mit trockenen Blättern der Flachspflanze gedeckt waren, über welche sie Baum-Rinden hergelegt hatten. Um uns Gegengeschenke zu machen, ließen sie es sich verschiedne Zierrathen und Waffen, vornemlich einige Streit-Äxte kosten, doch erstreckte sich ihre Freygebigkeit nicht bis auf die Speere, die ihnen folglich wohl das liebste und kostbarste seyn müssen. Als wir abfahren wollten, kam der Mann an den Strand herab und schenkte dem Capitain Cook eine Kleidung von Matten, aus Flachs gewebt, einen Gürtel, der von Gras geflochten war, einige aufgereihete corallenförmige Kügelchen, die aus kleinen Vogelknochen gemacht waren, und verschiedne Albatros-Häute. Wir glaubten anfänglich, daß dies alles noch Gegengeschenke seyn sollten, allein, er zog uns bald aus dem Irrthum, indem er ein großes Verlangen äußerte, einen von unsern Boot-Mänteln[8] zu haben. Indessen waren wir nicht gefällig genug, Kleidungsstücke weg zu geben, die wir nicht wieder anschaffen konnten, doch ließ der Capitain, so bald wir an Boord zurück kamen, gleich einen großen Mantel von rothen Boy (baize) in Arbeit nehmen, um dem Manne bey unserm nächsten Besuch ein Geschenk damit zu machen.

Am folgenden Morgen konnten wir des Regens wegen nicht zu ihm gehen; als sich aber Nachmittags das Wetter aufzuklären schien, fuhren wir nach der Indianer-Insel hin. Da sie wußten, daß wir sie besuchen wollten, so befremdete es uns, daß sich keiner von ihnen zur Bewillkommung am Strande sehen ließ, noch mehr aber, daß so gar auf unser Rufen nicht einmal Antwort erfolgte. Wir stiegen indessen ans Land, und wanderten unter allerhand Muthmaßungen nach ihrer Wohnung, woselbst wir die Ursach dieses unerwartet Betragens bald gewahr wurden. Sie bereiteten sich nemlich, uns in allem ihrem Schmuck und Staat zu empfangen. Einige waren schon völlig geputzt; andre hingegen noch damit beschäftigt. Sie hatten sich gekämmt und die Haare, mit Öl oder Fett eingeschmiert, auf der Scheitel zusammen gebunden, auch weiße Federn oben in den Schopf gesteckt. Einige trugen dergleichen Federn, an eine Schnur aufgereihet, um die Stirn gebunden; und andre hatten Stücke von Albatros-Fell, auf welchen noch die weißen Dunen saßen, in den Ohren. In diesem Staate erhoben sie bey unsrer Ankunft ein Freudengeschrey und empfingen uns stehend mit mannigfaltigen Zeichen von Freundschaft und geselligem Wesen. Der Capitain, welcher den neuen Mantel von rothen Boy selbst umgenommen hatte, zog solchen aus und überreichte ihn dem Manne, der so höchlich darüber erfreut war, daß er sogleich ein Pattu-Pattu oder eine kurze, flache Streit-Axt, von einem großen Fischknochen verfertigt, aus seine Gürtel zog, und dem Capitain ein Gegengeschenk damit machte. Wir versuchten es, uns in eine Unterredung mit ihnen einzulassen, und hatten zu dem Ende den Corporal Gibson von den See-Soldaten uns genommen, weil dieser von der Landes-Sprache[9] mehr als sonst Jemand an Boord verstehen sollte; allein, wir konnten demohngeachtet nicht zu Stande kommen, denn es schien diese Familie eine besonders harte, und daher unverständliche Aussprache zu haben. Wir nahmen also Abschied von ihnen und beschäftigten uns den Rest des Tages über, verschiedne Theile der Bay in einen Riß zu bringen, neben her ein wenig fischen oder Vögel zu schießen, und zwischen den Felsen, Muscheln nebst andern See-Cörpern aufzulesen. Das Wetter war die ganze Zeit über wolkicht, doch kam es, in den Gegenden wo wir waren, nicht zum Regen. Als wir aber nach der Bucht zurück gelangten, wo das Schiff vor Anker lag, sagte man, daß es in unsrer Abwesenheit beständig geregnet hätte, und in der That bemerkten wir auch in der Folge oft, daß es in Dusky-Bay manchmalen an einer Stelle regnete, indeß daß nicht weit davon kein Tropfen fiel. Dieses veranlassen wahrscheinlicherweise die längst der südlichen Küste der Bay, gegen die westliche Landspitze hinlaufenden Berge, in so fern sie, ihrer Höhe wegen, fast beständig mit Wolken bedeckt sind. Da nun unsre Bucht gerade unterhalb denselben lag, und so zu sagen, überall damit umgeben war, so ward sie gleichsam der Sammelplatz der Dünste, die beständig aus dem Wasser aufstiegen, und an den Seiten der Berge so sichtbarlich hinzogen, daß die Gipfel der Bäume stets in eine Art von weißen halbdurchsichtigen Nebel eingehüllt waren, der zuletzt wie ein starker Thau oder Regen herabfiel und uns bis auf die Haut naß machte. An der nördlichen Seite der Bay hingegen ist dies anders, denn dort liegen lauter flache Inseln, und über diese giengen die Ausdünstungen der See gerade weg nach denen im Hintergrunde der Bay gelegenen Alpen, die beständig mit Schnee bedeckt sind. Die beyden folgenden Tage über war der Regen so heftig, daß nichts vorgenommen werden konnte. Da die Luft in unsrer Bucht beständig feucht war, so ward es im Schiff aller Orten dunstig, welches nothwendigerweise ungesund seyn mußte, und unter andern auch die Sammlungen von Pflanzen, die wir bis jetzt gemacht hatten, in den Grund verdarb. Das Schiff lag so nahe an einem steilen und mit überhängendem Baum- und Buschwerk bewachsenen Ufer, daß es in den Cajütten, selbst bey hellem Wetter, vornemlich aber bey Nebel und Regen, beständig dunkel war, und daß wir sogar zu Mittage oft Licht anstecken mußten. Doch ließen wir uns diese unangenehmen Umstände wegen des beständigen Zuschubs von frischen Fischen, der in dieser Gegend zu haben war, noch gefallen, weil wir vermittelst einer so gesunden Nahrung, und bey Sprossen-Bier (spruce-beer) und Myrten-Thee, doch wenigstens immer frisch und munter blieben. Seit unserm Hierseyn waren wir würkliche Fischfresser (Ichthyophagi) geworden; denn viele von uns aßen schlechterdings nichts als Fisch. Aus Besorgniß, daß wir dieser treflichen Speise in der Folge überdrüßig werden könnten, suchten wir oft neue Zubereitungs-Arten hervor. Wir machten Fisch-Suppen und Fisch-Pasteten, wir kochten, wir brateten, wir rösteten, wir stobten sie: Aber es war besonders, daß alle Künsteleyen der Kochkunst, den Ekel, den wir damit verhüten wollten, nur desto geschwinder hervor brachten, denn diejenigen,die sich weißlich begnügten, ihre Fische schlechtweg aus See-Wasser gekocht zu essen, blieben nur allein bey recht exemplarischem Appetit

As if increase of appetite had grown

By what it fed on –

SHAKESPEARE.

Noch sonderbarer war es, daß um keinen Ekel gegen das Fischessen zu bekommen, wir uns bey der so großen Mannigfaltigkeit, gleichwo nur auf eine einzige Art von Fischen einschränkten, die unsre Matrosen, der schwarzen Farbe wegen, Kohlfische nannten, und die im Geschmack und Art dem englischen Cabeljau ähnlich war. Sie haben ein festes saftiges und nahrhaftes, aber nicht so delicates Fleisch wohl einige andre hiesige Fischarten, die wir jedoch nicht zu unser beständigen Essen machen mogten, weil sie, ihres Fettes wegen gemeiniglich eine sehr weichliche Speise waren. Eine schöne aber größere Art von Hummers (cancer homarus Linnæi) als der gewöhnliche Seekrebs, einige Schaalfische und zuweilen ein Seerabe (Comorant), eine Endte, Taube oder Papagay, machten dann und wann eine angenehme Abwechselung in unsrer täglichen Kost, die in Vergleich dessen was sie zur See gewesen, nun üppig und verschwenderisch zu nennen war.

Unsre ganze Reisegesellschaft vom Capitain bis zum geringsten Matrosen empfand die guten Würkungen dieser veränderten und verbesserten Diät; so gar jedes Thier am Boord schien sich dabey zu erholen, nur unsre Schaafe nicht; doch konnten diese auch, vermöge der Natur des Landes, bey weitem nicht so gut dran seyn als wir, weil das ganze südliche Ende von Tawai-poe-namu, (wie die südliche Insel von Neu-Seeland, in der Landessprache heißt,) und besonders das Land um Dusky-Bay herum, überall aus steilen, felsichten Berg besteht, die durch tiefe Klüfte von einander abgesondert und unterhalb mit dicken Wäldern bewachsen, an den Gipfeln aber entweder unfruchtbar oder mit Schnee bedeckt sind, dergestalt, daß es nirgends, weder Wiesen, noch flache Gründe giebt. Die einzigen Stellen, wo ein Fleck flaches Land anzutreffen war, fanden sich im Hintergrunde der Buchten, da, wo irgend ein Bach ins Meer floß. Diese hatten allem Anscheine nach aus den Höhen Erde und Steine herabgeführt und solche an ihren Ufern abgesetzt, wodurch nach und nach ein niedriger, flacher Grund entstanden war; allein auch dort wuchsen mehrentheils Stauden und Dornengebüsch oder wenn es je nahe am Wasser etwas Riedgras gab, so war es doch zu wenig, auch so hart und grob, daß es nicht zur Weide dienen konnte. Was das ärgste war, so mußten wir sehen, daß selbst unsre Mühe, die jüngsten Grassprossen zum Futter aufzusuchen, zu nichts diente, denn auch dieses wollten die Schaafe zu jedermanns Verwundrung, nicht anrühren. Bey genauerer Untersuchung fand sich, daß ihre Zähne los waren, und daß sie alle Anzeigen eines recht bösartigen Scorbuts an sich hatten. Von vier Mutter-Schaafen und zweyen Böcken, die Capitain Cook vom Vorgebürge der guten Hofnung mitgenommen, um sie an der Küste von Neu-Seeland auszusetzen, hatten wir nur zwey Stück, nemlich ein Schaaf und einen Widder erhalten können, und auch diese waren in so elenden Umständen, daß es noch sehr dahin stand, ob sie am Leben bleiben oder gleich den andern nicht ebenfalls drauf gehen würden. Wenn daher in der Folge irgend ein Seefahrer, so schätzbare Geschenke als Vieh, unter die Einwohner der Süd-See auszutheilen willens ist, so wird er diese wohlthätige Absicht nicht anders erreichen und das Vieh gesund dahin bringen können, als wenn er die Überfahrt auf das geschwindeste zurückzulegen und der Kälte auszuweichen sucht, zu welchem Ende er in der besten Jahreszeit den kürzesten Weg vom Cap nach Neu-Seeland nehmen, und sich beständig in mittlern, temperirten Breiten halten muß.

Am 11ten schien uns die klar und helle Luft einen schönen Tag zu versprechen, der uns sehr erwünscht war, weil wir seit unsrer Ankunft in Dusky-Bay, des nassen Wetters halber, unsre Seegel und Leinen-Zeug noch nicht hatten trocknen können. Da die Boote heute zu missen waren, so ließen wir uns, um Naturalien aufzusuchen, nach der Bucht übersetzen, wo wir das erste indianische Boot angetroffen, und von weitem auch einen Wasserfall gesehen hatten, von welchem diese Bucht Cascade Cove oder Cascaden-Bucht war benannt worden. Dieser Wasserfall scheint in einer Entfernung von anderthalb englischen Meilen eben nicht beträchtlich zu seyn, dies rührt aber daher, daß er sehr hoch liegt. Denn nachdem wir angelangt waren, mußten wir den Berg, auf welchem er gelegen ist, wenigstens 600 Fus hoch hinan klettern, ehe wir ihn völlig zu Gesicht bekamen. Von dort her ist die Aussicht groß und prächtig. Der Gegenstand, der zuerst in die Augen fällt, ist eine klare Wassersäule, die gegen 24 bis 30 Fus im Umfange hält, und mit reißendem Ungestüm sich über einen senkrechtstehenden Felsen, aus einer Höhe von ohngefähr 300 Fuß, herabstürzt. Am vierten Theile der Höhe trift diese Wassersäule auf ein hervortretendes Stück desselbigen Felsens, der von da an etwas abhängig zu werden anfängt, und schießt alsdann, in Gestalt eine durchsichtigen, ohngefähr 75 Fus breiten Wasser-Wand, über den hindurchscheinenden flachen Felsen-Rücken weg. Während des schnellen Herabströmens fängt das Wasser an zu schäumen und bricht sich an jeder hervorragenden Ecke der Klippe, bis es unterhalb in ein schönes Becken stürzt, das ohngefähr 180 Fuß im Umfange halte mag und an drey Seiten durch eine ziemlich senkrechte Felsenwand eingefaßt, vorn aber von großen und unordentlich über einander gestürzten Steinmassen eingeschlossen ist. Zwischen diesen drängt sich wieder heraus und fällt schäumend und schnell am Abhange des Berges in die See herab. Mehr als 300 Fus weit umher fanden wir die Luft mit Wasser-Dampf und Dunst angefüllt, der von dem heftig Falle entstehet, und so dicht war, daß er unsre Kleider in wenig Minuten dermaßen durchnäßte, als ob wir in dem heftigsten Regen gewesen wären. Wir ließen uns indessen durch diese kleine Unannehmlichkeit im geringsten nicht abhalten, dies schöne Schauspiel noch von mehrern Seiten her zu betrachten, und stiegen zu dem Ende auf die höchsten Steine vor dem Bassin. Wenn man von hier aus in dasselbe herab sahe, so zeigte sich ein vortreflicher Regenbogen, der bey hochstehender Mittags-Sonne in den Dünsten der Cascade völlig cirkelrund und sowohl vor, als unter uns, zu sehen war. Außer und neben diesem Licht- und Farben-Cirkel war der Wasserstaub mit prismatischen Farben, aber in verkehrter Ordnung, gefärbt. Zur Linken dieser herrlichen Scene stiegen schroffe braune Felsen empor deren Gipfel mit überhängendem Buschwerk und Bäumen gekrönt waren. Zur Rechten lag ein Haufen großer Steine den, allem Anschein nach, die Gewalt des vom Berge herabkommenden Wassers zusammengethürmt hatte; über diesem hinaus erhob sich eine abhängige Felsen-Schicht zu einer Höhe von etwa 150 Fus, und auf diese war eine 75 Fuß hohe, senkrechte Felsenwand mit Grün- und Buschwerk überwachsen, aufgesetzt. Weiter zur Rechten sahe man Gruppen von gebrochenen Felsen, durch Moos, Farnkraut, Gras und allerhand Blumen verschiedentlich schattirt, und der dort herkommende Strohm ist zu beyden Seiten mit Bäumen eingefaßt, die vermöge ihrer Höhe von ohngefähr 40 Fus, das Wasser gegen die Strahlen der Sonne decken. Das Getöse des Wasserfalls ist so heftig, und schallt von den benachbarten, wiedertönenden Felsen so stark zurück, daß man keinen andern Laut dafür unterscheiden kann. Die Vögel schienen sich deshalb auch etwas davon entfernt zu halten, weiter hin aber ließ sich die durchdringend helle Kehle der Drosseln (thrushes), die tiefere Stimme des Barth-Vogels (wattle-bird) und der bezaubernde Gesang verschiedner Baumläufer oder Baumklettrer (creepers) an allen Seiten hören, und machte die Schönheit dieses wilden, romantischen Flecks vollkommen. Als wir uns um- und dem Wasserfall den Rücken zuwandten, sahen wir die weite Bay, mit kleinen hochbewachsnen waldichten Inseln besäet, unter uns, und über selbige hinaus, an der einen Seite das feste Land, dessen hohe, mit Schnee bedeckte Berge bis in die Wolken reichten; an der andern aber, begränzte der unabsehlich weite Ocean die Aussicht. Dieser Prospect ist so bewundernswürdig groß, daß es der Sprache an Ausdrücken fehlt, die Majestät und Schönheit desselben, der Natur gemäß zu beschreiben, und daß nur der künstliche Pinsel des auf dieser Reise mit ausgeschickten Mahlers, Herrn Hodges, allein im Stande war, dergleichen Scenen mit meisterhafter Täuschung nachzuahmen. Die Stücke dieses Künstlers machen seinen Talenten und Beurtheilungskraft, so wie dem Geschmack und der Wahl seiner Beförderer ungemein viel Ehre.

Nachdem wir uns an diesem prächtigen Schauspiel lange genug vergnügt hatten, wandten wir unsre Aufmerksamkeit auf die Blumen, welche in dieser Gegend den Boden belebten, und auf die Vögel, die so lustig um uns her sungen. Bis jetzt hatten wir noch an keinem Ort der Bay die Natur im Pflanzen- und Thierreiche so schön und reich gefunden, als hier. Vielleicht machte die stärkere Brechung der Sonnenstrahlen an den steilen Felsenwänden und die bedeckte Lage gegen die Stürme, das Clima hier milder als anderer Orten, denn der Boden an und für sich war um nichts besser als an andern Stellen der Bay. Er bestand hier, wie überall, aus guter fruchtbarer Erde, und die Felsen und Steine um die Cascade waren theils Granit-Massen (Saxum), theils eine Art von gelblichen talkichten Thonstein in Schichten, der durch ganz Neu-Seeland sehr gemein ist.

Gegen Abend kehrten wir, mit unsern heutigen Entdeckungen überaus zufrieden, an Bord zurück. Bey der Ankunft daselbst erzählte man uns, daß die indianische Familie, welche wir des Morgens in ihrem größten Staat nach der Bucht hatten hineinrudern sehen, sich nach und nach, aber mit großer Behutsamkeit, dem Schiffe genähert habe. Capitain Cook war ihnen in einem Boot entgegen gegangen, hatte sie aber nicht bewegen können an Bord des Schiffs zu kommen, und mußte sie daher ihrem eignen Willen überlassen. Dieser führte sie, nicht lange nachher, in eine kleine Bucht nahe bey der unsrigen; allwo sie sich, dem Schiffe gegenüber, ans Ufer setzten, und so nahe, waren, daß man sie hören und sprechen konnte. Der Capitain ließ die Queerpfeife und den Dudelsack spielen und dazu trommeln, allem auch dies konnte sie nicht näher locken, denn aus dem Pfeifen schienen: sie sich gar nichts zu machen, und auf das Trommeln achteten sie eben so wenig. Da solchergestalt nichts vermögend war sie an das Schiff zu bringen, so ruderten verschiedne Officiere und Seeleute zu ihnen herüber. Die Wilden nahmen sie mit treuherzigem Wesen auf, aber alle Versuche durch Zeichen mit ihnen zu reden, waren vergebens, denn keiner von beyden Theilen konnte sie dem andern verständlich genug machen. Das Mädchen hatte anfänglich eine besondre Neigung und Zudringlichkeit zu einem jungen Matrosen gezeigt, den sie, ihrem Betragen nach, für eine Person ihres Geschlechts zu halten schien. Ob er sich aber in der Folge unschickliche Freyheiten genommen, oder ob sie eine andre Ursach zur Unzufriedenheit über ihn gehabt, wissen wir nicht; genug sie wollte ihm nachher nie erlauben ihr wieder nahe zu kommen. Da die Indianer bey unsrer Zurückkunft noch an dem angezeigten Ort ohnweit dem Schiffe waren, so gienge auch wir zu ihnen ans Land. Der Mann verlangte, daß wir uns neben ihn setzen sollten, und zeigte mehrmahlen auf unsre Boote, die zwischen dem Schiff und dem Lande ab- und zu giengen, als ob er Lust hätte, auch eins zu besitzen. Da ihm aber hierinn nicht gewillfahret werden konnte, so gaben wir uns eben keine besondre Mühe zu erfahren, ob sein Deuten diese oder eine andere Meynung gehabt habe. Nach einig Zeit machten sie, ohngefähr 100 Schritte weit von unserm Wasserplatz, ein Feuer an, und bereiteten sich einige Fische zum Abendbrot blieben auch die ganze Nacht über auf dieser Stelle, welches uns, als ein deutliches Merkmahl ihres gänzlich unbesorgten Vertrauens zu uns, nicht wenig gefiel. Eine Parthey Officier die den morgenden Tag zur Jagd bestimmt hatten, giengen noch heut Abend in einem kleinen Boote nach der Nordseite der Bay ab, um die Nacht dort zuzubringen, und morgen gleich mit Tages Anbruch auf dem Platz zu seyn.

Am folgenden Morgen ließ Capitain Cook ein Boot bemannen, und fuhr in Begleitung meines Vaters nach der Mündung der Bay, um die dort gelegenen Klippen und Inseln aufzunehmen. An der Südost-Seite jener Insel, wo wir zuerst geankert, und solche desfalls die Anker- Insel genannt hatten, fanden sie eine kleine artige Bucht, und in derselben einen angenehmen Bach, an dessen Ufer sie sich niederließen, um von einigen mitgenommenen Krebsen, ein zweytes Frühstück zu halten, dem zu Ehren diese Bucht Luncheon-cove genannt wurde. Nach dieser kleinen Erfrischung setzten sie ihre Fahrt nach den entlegendsten Inseln fort, und trafen auf den dortigen Klippen eine Menge Seehunde, von denen sie vierzehn Stück mit Kugeln schossen, und solche mit an Boord brachten. Es wäre ihnen leicht gewesen, noch mehrere zu erlegen, wenn sie der Brandung wegen auf allen Klippen hätten landen können. Die See-Hunde in dieser Bay sind alle von der Art, welche man See-Bären[10] nennt, und die Professor Steller auf Berings-Eyland bey Kamtschatka zuerst ausfindig gemacht und beschrieben hat. Sie sind folglich eben so wohl auf der nördlichen als auf der südlichen Halbkugel der Erde anzutreffen. An den südlichen Spitzen von America und Africa, desgleichen bey Neu-Seeland und auf van Diemens-Land findet man sie häufig. Der einzige Unterschied zwischen denen, welche sich in Dusky-Bay, und jenen, die sich bey Kamtschatka aufhalten, besteht in der Größe, in Betracht welcher, die hiesigen kleiner waren. Bey Gelegenheit dieser Jagd zeigte sich, daß sie ein sehr hartes Leben haben: denn manche, die schwer verwundet waren, entwischten in die See, ob sie gleich so viel Blut verlohren hatten, daß Fels und Meer damit gefärbt war. Das Fleisch dieser Thiere ist fast ganz schwarz und nicht zu genießen. Herz und Leber hingegen lassen sich essen. Ersteres könnte man bey starken Appetit und etwas Einbildung vor Rindfleisch halten; und die Leber schmeckt so vollkommen wie Kälber-Geschlinge. Nur mußte alles Fett sorgfältig weggeschnitten werden ehe man es kochte, denn sonst hatte es einen unerträglich thranichten Geschmack. Der Capitain machte sich dies zu Nutze und ließ aus dem Fett einen Vorrath von Brenn-Öl kochen, auch die Felle sorgfältig aufbewahren, weil sie zum Ausflicken des Takelwerks gut zu brauchen waren.

Der glückliche Fang des vorigen Tages, bewog ihn eine abermalige Reise nach den Seehund-Inseln vorzunehmen, und mein Vater begleitete ihn wie gestern; allein heute war ihnen die See zuwider, denn sie gieng so hoch, daß es unmöglich war, sich den Klippen zu nähern, viel weniger darauf zu landen. Mit vieler Mühe arbeiteten sie sich um die südwestliche Spitze der Anker-Insel herum, fanden es aber dort noch ärger, denn die Wellen stürzten ihnen mit so viel Ungestüme, entgegen, und thürmten sich so hoch, daß selbst die Matrosen Seekrank davon wurden. Gleichwohl ließ sich der Capitain dadurch nicht zurück halten, vollends bis an die nördliche Küste der Insel und längs derselben hinzurudern, um die Lage verschiedner Land-Ecken aufzunehmen. Es war ein Glück, daß sie diesen Weg genommen hatte denn das kleine Boot, in welchen am elften des Abends etliche Officiers auf die Jagd ausgegangen waren, hatte sich bey dem ungestümen Wetter vom Ufer losgerissen und trieb eben auf eine Klippe hin, an welcher es zerschmettert worden wäre, wenn des Capitains Boot nicht glücklicherweise dazu gekommen und die Leute es noch zu rechtet Zeit ergriffen hätten. Man brachte es sogleich in eine kleine Buch in Sicherheit, und die Matrosen machten sich für ihre Mühe durch die Lebensmittel bezahlt, welche die Officiers noch darinn vorräthig hatten. Als sie eine kleine Mahlzeit davon gehalten, ließ der Capitain nach der Stelle hinsteuern, wo seiner Meynung nach, die Herren seyn mußten, denen das Boot weggeschwommen war. Zwischen 7 und 8 Uhr Abends, erreichten sie die Bucht, und fanden ihre Jäger auf einer kleinen Insel, an welche sie aber nicht heran kommen konnte weil der Ebbe-Zeit wegen das Wasser nicht tief genug war. Sie mußte daher auf einer benachbarten Landspitze aussteigen und des bereits verstrichnen Tages wegen sich gefallen lassen, die Nacht dort zuzubringen. Mit vieler Mühe brachten sie endlich ein Feuer zuwege, brateten an demselben einige Fische und legten sich nach gehaltner Mahlzeit, unbequem genug, schlafen, denn der steinichte Strand war ihr Bette und der Himmel ihre Decke.

Um 3 Uhr Morgens, als die Fluth hinlänglich angewachsen, machten sie sich auf und brachten die Officiers von jener unwirthbaren Insel, auf welcher sie von ihrem Boote abgeschnitten, so lange hatte aushalten müssen, nach der Bucht hin, wo dieses gestern war zurück gelassen worden. Hier fanden sie bey dem regnigten und windigen Wetter eine unendliche Menge Sturmvögel von der bläulichten Arth, die auf dem ganzen südlichen Ocean so gemein ist.[11] Einige flogen herum, andere aber steckten im Walde zwischen den Baumwurzeln in Höhlen oder in Fels-Ritzen, wo man ihnen nicht gut beykommen konnte und wo sie dem Anschein nach ihre Nester und Jungen hatten. Diese ließen sich längst den Seiten des Berges in mannigfaltigem Geschrey hören, denn einige hatten eine durchdringend helle, andre eine quäkende Stimme, die wie das Coaxen von Fröschen klang. Ich erinnere mich bey dieser Gelegenheit, daß wir ein andermahl unzählig viel Höhlen auf der Spitze einer von den Seehund-Inseln fanden, und in selbigen ebenfalls die jungen Sturmvögel hörten; da aber diese Höhlen unter einander zusammen hiengen, und die Jungen sich aus einer in die andre verkriechen konnten, so wars nicht möglich ihnen beyzukommen. Den Tag über ließ sich von den Alten nicht ein einziger sehen, weil sie alsdenn in See waren um Futter zu holen, wenigstens hatte man sie des Morgens ausfliegen, und des Abends wieder kommen sehen, vermuthlich um die Jungen zu füttern. Da wir um diese Zeit von unsern Creuzzügen zurückzukehren pflegten, so sahen wir sie gemeiniglich um und neben uns her fliegen, man hatte sie aber, der Dämmerung wegen, eine ganze Zeitlang für Fledermäuse gehalten. Sie haben einen breiten Schnabel und einen schwärzlichen Strich über die Flügel und den Leib, sind aber nicht so groß als die gewöhnlichen Puffins oder Mank petrels unsrer Seen. Der Instinct dieser Thiere, sich für ihre Jungen, Löcher in die Erde zu graben, über den ganzen Ocean her zu schwärmen um Futter für sie zu suchen, und alsdenn viele hundert Meilen weit ihren Rückweg nach der Küste zu finden, ist in der That sehr bewundrungswürdig. Nachdem die Gesellschaft einige Augenblicke lang bey dieser Untersuchung verweilt hatte, so stiegen die Officiers in ihr wieder gefundnes Boot und kamen nebst dem Capitain, des Morgens um sieben Uhr, von der unruhig zugebrachten Nacht nicht wenig ermüdet, bey dem Schiffe an. Die Indianer mochten das heutige böse Wetter vorhergesehen haben; wenigstens waren sie von dem Platz auf welchen sie, die vorhergehende Nacht ohnweit dem Schiff campirt hatten, fort, und nach ihren auf der Indianer-Insel belegenen Wohnungen zurückgekehrt.

Am 15. des Morgens klährte sich das Wetter etwas auf. Der Capitain ging also von neuem aus um in Abzeichnung der nordwestlichen Seite der Bay fortzufahren, wir aber gesellten uns zu einigen Officiers, die in einer Bucht die folgende Nacht am Lande zuzubringen gedachten. Auf der Hinfahrt kamen wir an dem Fischerboot vorbey, welches alle Morgen ausgieng, um das ganze Schiff mit einer Mittagsmahlzeit zu versorgen. Wir wunderten uns nicht wenig in demselben den jungen schwarzen Hund wahrzunehmen, der uns am 2ten dieses entlaufen war. Die Leute erzählten, daß als sie nicht weit vom Ufer gewesen, sich bey Tages Anbruch ein jämmerliches Heulen auf der nächsten Landspitze habe hören lassen, und als sie sich darnach umgesehen, sey ihnen der Hund entgegen gekommen, auch bey ihrer Annäherung sogleich ins Boot gesprungen. Ob er gleich vierzehn Tage lang im Walde geblieben, so war er doch keinesweges ausgehungert, sondern im Gegentheil gut bey Leibe und schön glatt. Vermuthlich hatte er sich diese Zeit über von einer großen Arth von Wachtelkönigen die wir Wasserhühner nannten und in diesem Theile von Neu-Seeland sehr häufig antrafen, vielleicht auch von Seemuscheln oder todten Fischen genähret, dergleichen die See auszuwerfen pflegt. Wenn es daher in Neu-Seeland überhaupt fleischfressende Thiere gäbe, so müßten sie, der vorhandnen Menge des Futters nach zu urtheilen, und besonders wenn sie so schlau zum Raube wären als die Fuchs- und Katze-Arthen, ohnfehlbar sehr zahlreich seyn. In diesem Fall würden sie aber, theils von unsern vielfältig und in verschiedene Gegenden ausgeschickten Partheyen nicht unbemerkt, theils auch den Landes-Einwohnern selbst nicht unbekannt geblieben seyn; und die letzteren würden in diesem feuchten und rauhen Clima, die Bälge von der gleichen Thieren gewiß zur Kleidung genutzt haben, anstatt sich, wie sie wirklich thun, blos mit Hund und Vogelfellen zu behelfen. Auch wir insonderheit, hatten seit dem ersten Augenblick unsrer Ankunft allhier alle mögliche Aufmerksamkeit angewendet um ausfindig zu machen, ob es wilde vierfüßige Thiere in Neu-Seeland gebe; allein wir fanden keine Spuhr. Zwar wollte einer unsrer Leute, der sich gar nicht einbilden konnte, daß es einem so großen Lande an neuen und unbekannten Thieren fehlen sollte, zu zweyen mahlen ein braunes Thier gesehen haben, das etwas kleiner als ein Jackal oder kleiner Fuchs gewesen; bey Anbruch des Tages ohnweit unsern Zelten auf einer Baumstubbe gesessen, bey seiner Annäherung aber davon gelaufen sey. Da es jedoch außer ihm allein niemand anders wahrgenommen hat, so scheint's wohl, daß er sich in der Dunkelheit geirrt, und entweder ein Wasserhuhn (woodhen) die brauner Farbe sind und oft unter den Büschen herumkriechen, oder eine unsrer Katzen, die gemeiniglich hinter den Vögeln her zu seyn pflegte, für ein neues vierfüssiges Thier angesehen habe.

Nachdem wir von den Fischern die Geschichte des Hundes vernommen hatten, seegelten wir weiter und in eine Bucht in welcher wir eine Menge Enten von vier verschiednen Arten antrafen und von jeglicher etliche schossen. Eine war so groß als die Eyder-Ente, und hatte ein vorzüglich schönes, schwarzbraunes, mit weis gesprenkeltes Gefieder; der Rumpf und Steis war eisenfarbigt, auf den Flügeln hatte sie einen weissen schildförmigen Fleck, die Schwing- und Schwanzfedern hingegen waren schwarz und die Mittelfedern grün. Eine andre Art war ohngefähr so groß als unsre Stock-Ente (mallard) aber ganz hellbraun. Jede Feder hatte eine gelblich weiße Einfassung, von welcher Farbe auch an den Seiten des Kopfs und um die Augbraunen ein Streif zu sehen war. Die Iris des Auges war schön gelb und auf den Flügeln ein glänzender, blau-grüner Fleck in schwarze Linien eingeschlossen. Die dritte Art war eine bläulicht-graue Pfeif-Ente (whistling duck) ohngefähr so groß als die Bles-Ente (wigeon). Diese nährt sich von Seewürmern, die, vornemlich zur Ebbezeit, in dem zurückgebliebenen Schlamm des Meeres zu finden sind, und um solche desto leichter einzusaugen hatte der Schnabel an beyden Seiten eine besondere membranöse Substanz. Die Brust war mit eisenfarbichten Federn gesprengt und auf den Flügeln ein großer weisser Fleck. Die vierte und gemeinste Art ist eine kleine braune Endte, der englischen Knarr-Ente (gadwall) fast in allen Stücken ähnlich. Nachdem wir mit Untersuchung aller hier umher liegenden Haven fertig waren, auch genug Fische und Endten zum Abendessen für uns alle, theils gefangen theils erlegt hatten, eilte ein jeder nach dem verabredeten Sammelplatz, wo wir kurz vorm Dunkelwerden anlangten und von unsern Seegeln und Rudern eine Art von Zelt aufschlugen. Wir hatten so guten Appetit, daß wirs mit der Küche so genau nicht nahmen, und unsre Fische die ganz à l'indienne zugerichtet, das ist, an hölzerne Speiler gesteckt und bey einem großen Feuer gebraten wurden, schmeckten vortreflich. Nach dieser Mahlzeit und einem Trunk Sprossen-Bier (spruce-beer,) wovon wir ein kleines Tönnchen mitgenommen, legten wir uns zur Ruhe, freylich nicht so bequem als in unsern Betten, doch brachten wir die Nacht hin. Am folgenden Morgen ward ein Boot in die Bucht hinauf geschickt um das Wildpret aufzujagen; und das gelung auch vortreflich, nur ereignete sich der, einzige kleine Nebenumstand, daß uns wegen des naßgewordenen Schießgewehrs fast alle Endten entwischten. Nach diesem mislungenen Manövre stieg der Capitain in der Bucht aus und gieng zu Fus über eine schmale Erdzunge, die diese Bucht von einer andern, an der Nordseite von Five-Finger-Land gelegnen, trennet. Hier fand er eine erstaunliche Menge von Wasserhühnern, an denen er sich für die fehlgeschlagne Endten-Jagd erholte und zehen Paar mit zurück brachte, doch war ihm diese Schadloshaltung sauer genug geworden, denn er hatte sich ihrentwegen durch verwachsenes Holz und Buschwerk, oftmals bis halb an den Leib im Wasser, durcharbeiten müssen. Um 9 Uhr waren alle unsre vereinzelte Partheyen wiederum beysammen und wir dachten nunmehro an den Rückweg nach dem Schiffe. Da man aber unterwegens überall anhielt, um jeden Winkel, Bucht und Haven durchzusuchen und Endten zu schießen, so ward es sieben Uhr Abends ehe wir an Bord zurück kamen. Von dieser zweytägigen Jagd brachten wir sieben Dutzend verschiedenes Geflügel mit, worunter ohngefähr dreyßig Endten waren, und die ganze Ausbeute ward, so weit sie zureichen wollte, unter die verschiedenen Tischgesellschaften der Officiers, Unterofficiers und Matrosen ausgetheilt. Wir haben hier eine schickliche Gelegenheit anzumerken, daß kein Theil von Neu-Seeland so reichlich mit Geflügel versehen ist als Dusky-Bay, denn außer verschiedenen Arten wilder Endten, gab es hier au Seeraben (Shags) rechte Seeraben (corvorants) Austerfänger oder See-Elstern, Wasser- oder Waldhühner (water-or wood-hens) Albatrosse, Solandgänse (gannets) Mewen, Pinguins und andre Wasservögel mehr. Von Landvögeln fanden wir Habichte, Papagayen, Tauben, nebst viel kleinen neuen und unbekannten Arten. Die Papagayen waren von zwey Sorten, eine kleine grünliche, und eine sehr große graulicht-grüne mit röthlicher Brust. Da diese Vögel mehrentheils nur in wärme Ländern wohnen, so wunderten wir uns nicht wenig, sie hier unter einer Polhöhe von 46 Graden und in einem so unfreundlichen und nassen Clima zu finden, als dieses, der hohen Berge wegen, in Dusky-Bay gemeiniglich zu seyn pflegt.

Am folgenden Tage wars so regnicht, daß Niemand vom Schiff kommen konnte; da es aber am Montage vortreflich Wetter wurde so stieg mein Vater auf den an unserm Wasserplatz gelegenen Berg. Eine halbe Meile aufwärts kam er durch Farnkraut, verfaultes Holz und dicke Waldung zu einem schönen See süßen Wassers, der ohngefähr eine halbe englische Meile im Durchschnitt halten mogte. Das Wasser war klar und wohlschmeckend, hatte aber von den hineingefallnen Baumblättern eine braune Farbe angenommen. Von Fischen fand sich nur eine einzige, kleine Forellen-ähnliche Art (esox) darinn, die keine Schuppen hatten. Sie waren braun und mit gelblichen Flekken gesprengt, die wie alte orientalische Buchstaben aussahen. Der ganze See war mit einem dicken Walde umgeben, der aus den größten Bäumen bestand, und die Berge rund umher, ragten in mancherley Gestalten empor. Alles war öde und still. Nirgends vernahm man einen Laut; selbst die hier zu Lande gemeinen Vögel ließen sich nicht hören, denn es war auf dieser Höhe sehr kalt. Keine Pflanze blühete. Kurz, die ganze Gegend war für ernste Melancholie geschaffen und sehr geschickt Einsiedlers-Betrachtungen zu erregen.

Das gute Wetter veranlaßte unsre guten Freunde, die Wilden, uns einen abermaligen Besuch zu machen. Sie schlugen ihr Quartier auf demselbigen Platze auf, wo sie sich vor acht Tagen hingelagert hatten; und als man sie abermals bath an Boord zu kommen, so versprachen sie es auf folgenden Tag. Mittlerweile aber zankten sie sich untereinander. Der Mann schlug die beyden Frauenspersonen, die wir für seine Weiber hielten; das Mädchen hingegen schlug ihn und fieng darauf an zu heulen. Wir konnten die Ursach ihres Gezänks nicht ausmachen; wenn aber das Mädchen des Mannes Tochter war, welches wir eben so wenig ausfündig zu machen im Stande gewesen sind, so muß man in Neu-Seeland sehr verworrne Begriffe von den Pflichten der Kinder haben; oder vielmehr, welches vielleicht der Wahrheit am nächsten kommt, diese einsam lebende Familie handelte gar nicht nach Grundsätzen und überlegter Ordnung, die gemeiniglich nur das Werk gesitteter Gesellschaften sind; sondern sie folgte in allen Stücken gerade zu der Stimme der Natur, die sich gegen jede Art von Unterdrückung empört.

Des Morgens schickte der Mann die beyden Weiber mit den Kindern im Canot auf den Fischfang aus; für seine Person aber machte er Anstalt, mit dem Mädchen uns an Bord zu besuchen. In dieser Absicht kamen sie beyde von jener Seite der Bucht nach dem Gerüst oder Brücke hin, die zum Schiffe herauf führte. Von hieraus brachte man sie zuerst nach einem nahe gelegenen umzäunten Fleck auf dem Berge, um ihnen die Ziegen und Schaafe zu zeigen. Sie schienen bey dem Anblick dieser Thiere sehr erstaunt und wünschten solche zu besitzen; da wir aber wußten, daß es hier nirgends Futter für sie gab, so konnte man ihnen darinn nicht willfahren, ohne das Vieh geradezu hinzuopfern. Als sie von dort zurück kamen, gieng ihnen Capitain Cook und mein Vater auf der Brücke entgegen; und der Mann schenkte beyden, nachdem er sie, wie gewöhnlich, bey der Nase begrüßt hatte, eine neue Kleidung oder vielmehr ein Stück Zeug, das aus Fiber von der Flachs-Pflanze geflochten, auch mit Papageyen-Federn artig durchwebt war; dem Capitain aber gab er noch überdies ein Stück Lapis nephriticus, oder Neu-Seeländischen grünen Talkstein,[12] der wie die Klinge eines Beils geschliffen war. Ehe er einen Fus auf die Brücke setzte, trat er seitwärts, steckte ein Stück von einer Vogelhaut, an welcher noch weiße Federn saßen, statt eines Gehänges, in das eine Ohr und brach von einem Busche einen grünen Zweig ab. Mit diesem in der Hand gieng er nunmehro vorwärts; stand aber still, als er so weit gekommen war, daß er die Seitenwände des Schiffes eben erreichen konnte und schlug an diese, so wie an das daran befestigte Tauwerk des Hauptmastes, zu wiederholtenmalen mit dem grüne Zweige. Hierauf fieng er an, eine Art von Anrede- oder Gebeths- oder Beschwörungs-Formel, gleichsam im Tacte, als nach einem poetischen Sylbenmaaß, herzusagen, und hielt die Augen unverrückt auf die Stelle geheftet, welche er zuvor mit dem Zweige berührt hatte. Er redete lauter als gewöhnlich und sein ganzes Betragen war ernsthaft und feyerlich. Während dieser Ceremonie, welche ohngefähr 2 bis 3 Minuten dauerte, blieb das Mädchen, die sonst immer lachte und tanzte, ganz still und ernsthaft neben ihm stehen, ohne ein Wort dazwischen zu sprechen. Bey Endigung der Rede schlug er die Seite des Schiffs nochmals, warf seinen Zweig zwischen die Wandkette und stieg sodann an Bord. Diese Art feyerliche Anreden zu halten, und wie wir's auslegten, Frieden zu stiften, ist bey allen Völkern der Südsee üblich. Beyde, der Mann und das Mädchen, hatten Speere in den Händen, als sie aufs Verdeck des Hintertheils (Quarter deck) gebracht wurden. Hier bewunderten sie alles was ihnen vorkam, besonders zogen etliche Gänse, die in einem Gegitter eingesperrt waren, ihre ganze Aufmerksamkeit an sich. Auch machten sie sich viel mit einer schönen Katze zu schaffen, streichelten sie aber immer verkehrt, daß die Haare in die Höhe zu stehen kamen, ob ihnen gleich gezeigt wurde, wie man sie eigentlich streichen müsse. Doch thaten sie es vermuthlich, um das schöne dickgewachsene Haar dieses Thieres zu bewundern. Der Mann sahe alles, was ihm neu war, mit Erstaunen an; allein seine Aufmerksamkeit verweilte nie länger als einen einzigen Augenblick bey einem und demselben Gegenstande, daher ihm auch viele unsrer Kunstwerke eben so unbegreiflich als die Werke der Natur vorgekommen seyn müssen. Die vielfach auf einander gebauten Verdecke (Stockwerke) unsres Schiffs und die feste Bauart dieser und andrer Theile desselben erregten seine Bewundrung mehr denn alles übrige. Als das Mädchen Herrn Hodges antraf, dessen Arbeit ihr bey der ersten Zusammenkunft so Wohlgefallen, schenkte sie ihm ein Stück Zeug von eben der Art als der Capitain und mein Vater von dem Manne bekommen hatten. Die Gewohnheit, Geschenke zu machen, ist sonst, in andern Gegenden von Neu-Seeland, nicht so gemein als in den kleinern Inseln zwischen den Wende-Zirkeln; es schien aber diese Familie sich überhaupt weniger nach den allgemeinen Gebräuchen ihrer Nation zu richten, als vielmehr sich in jedem einzelnen Fall so zu betragen, wie ihre ehrliche Gemüthsart und die Klugheit es ihnen, ihrer Lage nach anriethen, in Betracht welcher sie sich in unsrer Gewalt befanden. Wir nöthigten sie in die Cajütte, und nach langer Berathschlagung ließen sie sichs endlich gefallen die Treppe herunter zu steigen. Hier bewunderten sie nun alles und jedes, vornemlich aber den Gebrauch der Stühle, und daß sie von einer Stelle an die andre gebracht werden konnten. Der Capitain und mein Vater schenkten ihnen Beile und andre Dinge von geringerm Werth. Letztere legte der Mann auf einen Haufen beysammen und würde sie auch beym Abschiede dort haben liegen lassen, wenn man ihn nicht daran erinnert hätte; Beile und große Nägel hingegen ließ er nie aus den Händen, so bald man sie ihm einmal gegeben hatte. Als sie sahen, daß wir uns zum Frühstück nieder ließen, setzten sie sich neben uns, waren aber durch kein Bitten zu bewegen, das geringste von unserm Essen zu kosten. Sie erkundigten sich vornemlich wo wir schliefen; der Capitain führte sie deshalb nach seiner Hangmatte (cot) die noch ausgespannt da hing und ihnen viel Freude machte. Aus der Cajütte giengen sie nach dem zweyten Verdeck herab in des Constabels-Cammer; und als sie auch da einige Geschenke erhalten, kamen sie zum Capitain zurück. Nun zog der Mann ein kleines ledernes Beutelchen, vermuthlich von Seehund-Fell, hervor, und steckte unter vielen Ceremonien die Finger hinein, um dem Capitain mit Öhl oder Fett den Kopf zu salben; diese Ehre ward aber verbethen, weil die Salbe unsern Nasen sehr zuwider war, ob sie gleich von dem ehrlichen Mann für ungemein wohlriechend und als seine köstlichste Gabe angesehen werden mogte. Der schmutzige Beutel machte sie noch ekelhafter. Herr Hodges kam indessen nicht so gut weg; denn das Mädchen, welches einen in Öhl getauchte Federbusch an einer Schnur vom Halse herab hängen hatte, bestand darauf, ihn damit auszuputzen und aus Höflichkeit gegen ihr Geschlecht konnte er das wohlriechende Geschenk ohnmöglich von sich weisen. Wir überließen es ihnen nunmehro, sich in den übrigen Theile des Schiffes nach eignem Gefallen umzusehen, und giengen mit dem Capitain und einigen andern Officiers in zween Booten aus, um ein Arm von der See zu untersuchen, dessen Mündung von hier aus gegen Osten hin vor uns lag. Je tiefer wir in denselben hinein kamen, höher, steiler und unfruchtbarer fanden wir die Berge. Die Bäume wurden nach und nach niedriger und dünner, so daß sie zuletzt nicht viel besser als Strauchwerk waren, welches in andern Ländern ganz umgekehrt ist, wo die besten Wälder und das stärkste Holz gemeiniglich am weitesten von der See und in den mehr landeinwärts gelegnen Gegenden anzutreffen sind. Die innere Kette von Bergen, welche wir die südlichen Alpen zu nennen pflegten, konnte man von hier aus, ihrer beträchtlichen Höhe und den Schnee bedeckten Gipfeln nach, sehr deutlich erkennen. Vermöge der vielen schattichten Inseln, bey denen wir vorüber kamen, und an welchen es allenthalben kleine Buchten und Wasserfälle gab, war die Fahrt auf diesem Arm der See ungemein angenehm und die Aussicht ward durch einen prächtigen Wasserfall noch verschönert, der sich der letzten Insel gegenüber von einem steilen, mit Büschen und Bäumen bewachsenen Felsen herabstürzte. Das Wasser war in diesem Canal ganz ruhig, glatt und klar, so daß der Wiederschein der Landschaft sich auf der Spiegelfläche desselben mahlte, und die Menge der romantisch gestalteten steilen Felsen-Gebürge machten, ihrer verschiedenen Form und Beleuchtung wegen, eine vortrefliche Würkung. Zu Mittage liefen wir in eine kleine Bucht ein, um Fische zu fangen und Vögel zu schießen, und ruderten von hier aus bis gegen die Abenddämmerung, da wir das Ende dieses langen Seearms, und an demselben eine schöne Bucht erreichten, in welcher das Wasser so seicht ward, daß wir nicht ganz hineinrudern konnten, sondern unser Quartier auf dem ersten Strande, wo sichs anlanden ließ, aufschlagen mußten. Es däuchtete uns, wir sähen hier Rauch; da sich aber nichts weiter zeigte, das uns in dieser Meynung bestärken konnte, auch als es dunkel wurde, nirgends Feuer zu sehen war, so beruhigten wir uns gar bald mit dem Gedanken, daß Nebel oder sonst etwas dergleichen uns in der Dämmerung leichtlich könne hintergangen haben und waren nun lustig darüber her, die Einrichtungen zu unserm Nachtlager zu machen, wobey Jeder sein Stück Arbeit bekam. Damit man sich von dergleichen streifenden Partheyen, als wir jetzt, und sonst oft, vor´hatten, einen desto bessern Begriff machen könne, wird es nicht undienlich seyn, hier zu erzählen, wie es bey dergleichen Gelegenheiten hergieng. So bald wir eine Stelle am Ufer gefunden hatten, wo man bequem ans Land steigen konnte, und wo ein Bach nebst Holzung in der Nähe war, gieng unsre erste Sorge dahin, die Ruder, Seegel, Mäntel, Flinten, Beile u. s. w. ans Land zu schaffen. Ein Fäßchen mit Sprossen-Bier, vielleicht auch eine Flasche Branntewein wurden dabey nicht vergessen. Alsdenn legten die Matrosen die Boote vor einen kleinen Anker und machten sie vermittelst eines Stricks an den nächsten Baum auf dem Ufer fest. Während dieser Zeit suchten einige von uns trocknes Feuerholz, welches in einer so nassen Gegend, als Dusky-Bay ist, oft schwer genug zu finden war; andre richteten an einer Stelle, die trocken, und wo möglich, gegen Wind und Regen gedeckt war, ein Zelt oder Wetter-Schirm von Rudern, Seegeln und starken Baum-Ästen auf, und noch andre machten ein Feuer vor dem Zelt, welches mehrentheils durch Werk und Schieß-Pulver angezündet ward. Bey der Bereitung des Abendessens faßten wir uns gemeiniglich kurz. Einige Matrosen nahmen die Fische aus, zogen den Wasservögeln die Haut ab, reinigten und brateten beydes. Unterdessen ward der Tisch herbey geholt. Dies pflegte eine Queerbank aus dem Boot zu seyn, die rein gewaschen wurde, und alsdann statt Schüssel und Teller dienen mußte. Statt Messer und Gabeln ward oft mit Fingern und Zähnen vorgelegt. Der gute gesunde Appetit, den wir der starken Leibes-Übung und der frischen Luft zu danken hatten, lehrte uns bald die Begriffe von Ekel und Unreinlichkeit überwinden, die dem gesitteten Leser bey dieser Beschreibung unsrer Lebensart aufsteigen werden, und nie empfanden wir stärker denn bey dergleichen Gelegenheiten, mit wie wenigem die Natur zur Erhaltung des Menschen zufrieden ist. Nach dem Essen hörte man eine Weile der originalen comischen Laune der Matrosen zu, die ums Feuer herum lagen, ihr Abendbrod machten und manches lustige Geschichtgen mit Fluchen, Schwüren und schmutzigen Ausdrücken aufgestutzt, selten aber ohne würkliche Laune zum Besten gaben; denn ward das Zelt mit Farnkraut ausgestreuet; man wickelte sich in die Boot-Mäntel, mit Flinte und Schieß-Tasche unterm Kopfe statt des Küssens, und jeder legte sich zum Schlaf zurecht so gut er konnte.

Nachdem wir auch diese Nacht so hin gebracht hatten, gieng Capitain Cook und mein Vater, bey Tages Anbruch von zween Leuten begleitet, in einem kleinen Boote ab, um das äußerste Ende der Bucht zu untersuchen. Dort trafen sie einen ziemlichen Fleck flaches Land an, auf welchem sie ausstiegen und das Boot nach der andern Seite hinrudern ließen, um sich dort wieder einzusetzen. Indessen waren sie nicht weit gegangen, als ihnen einige wilde Endten aufstießen, denen sie durch das Gebüsch nachkrochen und eine davon schossen; allein kaum hatten sie losgefeuert, als sich von mehreren Seiten um sie her ein fürchterliches Geschrey erhob. Sie beantworteten solches auf gleiche Art, und eilten der Klugheit gemäß, ohne jedoch die Ente im Stich zu lassen, mit starken Schritten nach dem Boot hin, das jetzt wenigstens eine halbe englische Meile von ihnen entfernt war. Die Wilden, die das Geschrey erregt hatten, ließen sich noch immer hören, kamen aber nirgends zum Vorschein, denn wie wir nachher erfuhren, so befand sich zwischen beyden Partheyen ein tiefer Fluß, und die Eingebohrnen waren auch nicht zahlreich genug, um Feindseeligkeiten anzufangen. Unterdessen daß dieses vorfiel, waren wir übrigen, nicht weit von dem Ort an welchem wir die Nacht zugebracht hatten, ins Holz gegangen, um Pflanzen zu suchen. So bald wir dort das Geschrey der Wilden hörten, warfen wir uns in das andre zurückgebliebne Boot, und ruderten dem erstern nach, um den Capitain und meinen Vater zu unterstützen. Da wir sie aber bey unsrer Ankunft wohlbehalten und schon wieder in ihrem Boote antrafen, auch nirgends ein Feind zum Vorschein kam, so liefen wir mit einander den Fluß hinauf, und schossen ganz vergnügt Endten, deren es hier die Menge gab. Endlich ließ sich ein Mann, nebst seinem Weibe und einem Kinde auf dem linken Ufer sehen, und das Weib winkte uns mit einem weißen Vogel-Fell, wahrscheinlicherweise zum Zeichen des Friedens und der Freundschaft. Da das Boot, in welchem ich mich befand, den Wilden am nächsten war, so rief Capitain Cook, dem darinn commandirenden Officier zu, daß er ans Land steigen, und ihre dargebothne Freundschaft annehmen solle, indeß daß Er, seiner Seits, dem Lauf des Flusses so weit als möglich nachspühren wolle. Ob der Officier, Capitain Cooks Meynung nicht verstand, oder ob er aufs Endten-Schießen zu erpicht war, will ich dahin gestellt seyn lassen. Genug, wir landeten nicht, und die armen Leute, die sich allem Anschein nach, nichts Gutes von Unbekannten versprachen, die ihre Friedens-Anerbietungen gering schätzten, flohen eiligst in den Wald zurück. Es war mir bey dieser Gelegenheit besonders auffallend, daß auch diese Nation, gleich wie fast alle Völker der Erden, als hätten sie es abgeredet, die weiße Farbe oder grüne Zweige für Zeichen des Friedens ansieht, und daß sie, mit einem oder dem andern versehen, den Fremden getrost entgegen gehen. Eine so durchgängige Übereinstimmung muß gleichsam noch vor der allgemeinen Zerstreuung des menschlichen Geschlechts getroffen worden seyn, wenigstens siehet es einer Verabredung sehr ähnlich, denn an und für sich haben weder die weiße Farbe, noch grüne Zweige, eine selbstständige unmittelbare Beziehung auf den Begrif von Freundschaft. Der Capitain, der unterdessen noch eine halbe Meile höher hinauf gerudert war, alsdenn aber, wegen der Heftigkeit des Strohms, und einiger großen Felsen, die im Flusse lagen, nicht weiter hatte kommen können, brachte uns von dort eine neue Art von Endten mit,welches unter denen, die wir in Dusky-Bay angetroffen hatten, nunmehro schon die fünfte Sorte und etwas kleiner als eine Kriek-Endte, (teal) auf dem Rücken glänzend und schwarzgrünlich; unterm Bauche hingegen von einem dunklen ruß-grau war. Am Kopfe glänzten die Federn pupurfarbig, Schnabel und Füße waren bleyfarben, die Augen goldgelb, und über die kleinern Schwungfedern hatte sie einen weißen Strich. Kaum war der Capitain in seinem Boote wiederum zu uns gestoßen, als auf der andern Seite des Flusses, der Stelle gegen über, wo sich die friedfertige Familie hatte sehen lassen, zwey Kerls aus dem Walde zum Vorschein kamen. Der Capitain, dem es darum zu thun war, Bekanntschaft mit ihnen zu machen, ruderte dem Ufer zu; allein, bey Annäherung des Boots wichen sie immer ins Gehölz zurück, und dies war hier so dick, daß man sie weder darinn sehen noch ohne offenbare Unvorsichtigkeit ihnen dahin folgen konnte. Da auch überdem die Fluthzeit eben verstrichen war, so kehrten wir mit Hülfe der Ebbe aus dem Flusse nach jenem Platz zurück, wo wir die Nacht über campirt hatten, frühstückten dort ein wenig, und setzten uns alsdenn in die Boote, um nach dem Schiffe wiederum zuzueilen: Kaum waren wir vom Lande, als die beyden Wilden die von jener Seite her durch den Wald gegangen seyn mußten, hier auf einem freyen Platze hervorkamen, und uns zuriefen. Der Capitain ließ sogleich beyde Boote zu ihnen hinrudern, und da das seinige an einer seichten Stelle auf den Grund sitzen blieb, so stieg er unbewaffnet, einen Bogen weiß Papier in der Hand haltend, aus, und wadete in Begleitung zweyer Leute bis ans Land. Die Wilden standen ohngefähr hundert Schritt weit vom Ufer, und waren beyde mit einem Speer bewaffnet. Als der Capitain mit seinen beyden Leuten auf sie zu kam, wichen sie zurück. Da dies vermuthlich der größern Anzahl wegen geschahe, so ließ er seine Begleitung Halte machen, und gieng allein vorwärts, konnte es aber dennoch nicht dahin bringen, daß die Wilden ihre Speere von sich legten. Endlich faßte der eine Herz, steckte seine Lanze in die Erde, und kam dem Capitain mit etwas Gras in der Hand entgegen: ein Ende davon ließ er den Capitain anfassen, das andre behielt er in den Händen, und hielt in dieser Stellung mit lauter Stimme eine feyerliche Anrede, die ohngefähr zwey Minuten dauren mochte, und in welcher er einige mahl inne hielt, wahrscheinlicher Weise um eine Antwort zu erwarten. Sobald diese Ceremonie vorbey war, begrüßten sie sich, und der Neu-Seeländer nahm einen neuen Mantel von seinen Schultern, womit er dem Capitain ein Geschenk machte, und ein Beil dagegen bekam. Als Friede und Freundschaft solchergestalt aufgerichtet waren, wagte sich auch der zweyte Wilde heran und begrüßte den Capitain, von welchem er, gleich seinem Cameraden mit einem Beil beschenket ward. Nunmehro stiegen aus unsern Booten mehrere ans Land, doch waren die Eingebohrnen über den Anwachs unserer Anzahl nicht im mindestens beunruhigt, sondern begrüßten Jeden, der herbey kam, mit vieler Treuherzigkeit. Zwar ließen sich itzt auch von ihrer Seite im Hintergrunde des Waldes noch mehrere sehen, dem Anschein nach waren es jedoch nur Weiber. Die beyden Männer bathen uns durch wiederholte Zeichen, daß wir mit zu ihren Wohnungen gehen mögten, und gaben uns zu verstehen, daß wir daselbst zu Essen haben sollten; allein die Ebbe und andre Umstände erlaubten uns nicht von ihrer Einladung Gebrauch zu machen. Wir schieden daher von einander, und sie begleiteten uns bis an die Boote; als sie aber, queer über dieselben, unsre Flinten liegen sahen, getraueten sie sich nicht näher, sondern bathen, daß wir das Gewehr weglegen sollten; so bald dieses geschehen, kamen sie heran, und halfen uns die Boote wieder ins Wasser schieben, welches der Ebbe wegen damals vom Ufer zurückgetreten war. Wir mußten indessen auf alle unsre Sachen genau Acht haben, denn es schien ihnen alles anzustehen was sie nur sahen und erreichen konnten; bloß an das Schießgewehr wollten sie sich nicht wagen, ohne Zweifel, weil sie die tödtliche Würkung desselben, vom Walde aus, bemerkt haben mußten als wir Endten damit erlegten. So viel wir sahen, haben sie keine Canots, sondern statt alles Fahrzeugs bloß etliche, in Form einer Flöße aneinandergebundene Stücken Holz, die freylich vollkommen hinreichend waren, damit über die Flüsse zu setzen, und zu etwas mehrerem brauchen sie solche schwerlich, denn Fische und Feder-Wildpret gab es in so großem Überfluß, daß sie darnach nicht weit zu gehen brauchten, zumal da ihre ganze Anzahl höchstens aus drey Familien bestehen mochte. Da nun außer einer einzigen andern Familie keine Einwohner weiter in Dusky-Bay sind, so haben sie auch keine Überlast von bösen Nachbarn zu befürchten, mithin auch aus diesem Grunde keine Fahrzeuge nöthig, um dem Feinde etwa schnell entfliehen oder ihren Wohnplatz, oft verändern zu können. Die Gesichtsbildung dieser Leute dünkte uns etwas wild, jedoch nicht häßlich. Sie hatten dickes Haar und schwarze krause Bärte. Sonst aber waren sie, sowohl der Mahogany-braunen Gesichtsfarbe, als auch der Kleidung und übrigem Betragen nach, jener Familie, auf der Indianer-Insel, völlig ähnlich; von mittlerer Statur und stark, Schenkel und Beine aber sehr dünne, die Knie hingegen, verhältnißweise zu dick. Der Muth dieses Volks ist von sonderbarer Art. Ihrer Schwäche und geringen Anzahl ohnerachtet scheinen sie den Gedanken nicht ertragen zu können, „daß sie sich verkriechen müßten“; wenigstens verstecken sie sich nicht ohne versucht zu haben, ob sie mit den Fremden in Verbindung kommen und erfahren können, wie sie gesinnet sind. Bey der Menge von Inseln und Buchten, imgleichen der dicken Wälder wegen, die es hier herum überall giebt, würde es uns unmöglich gewesen seyn, die Familie ausfindig zu machen, welche wir auf Indian-Eyland sahen; wenn sie sich nicht selbst entdeckt und die ersten Schritte zur Bekanntschaft gethan hätte. Auch würden wir diese Bucht hier verlassen haben, ohne zu wissen daß sie bewohnt sey, wenn die Einwohner, bey Abfeurung unsers Gewehrs, uns nicht zugerufen hätten. In beyden Fällen ließen sie, meines Erachtens, eine offenherzige Dreistigkeit und Ehrlichkeit blicken, die ihrem Character zur Empfehlung gereicht; denn hätte selbiger die mindeste Beymischung von verrätherischen heimtückischen Wesen, so würden sie gesucht haben uns unversehens zu überfallen, wozu es ihnen auch keinesweges an Gelegenheit fehlte, denn sie hätten z. B. unsre kleinen Partheyen, die aller Orten einzeln in den Wäldern herumschwärmten, oft und leicht genug abschneiden können.

Über dieser Unterhandlung mit den Wilden war es Mittag geworden als wir sie verließen und nordwärts den langen See-Arm wieder herabgiengen, den Capitain Cook unterwegens aufnahm. Die Nacht übereilte uns ehe er damit fertig war; wir mußten daher einen andern ähnlichen Arm der See ununtersucht lassen und nur machen daß wir zum Schiffe zurück kamen, woselbst wir Abends um 8 Uhr erst anlangten. Man erzählte uns, daß der Wilde mit dem Mädchen bis Mittags an Bord geblieben sey; und als man ihm zu verstehen gegeben, daß in seinem doppelten Canot in Cascade-Bucht einige Geschenke für ihn wären hingelegt worden; habe er etliche seiner Leute abgeschickt, sie von dort zu holen, sey auch mit seiner ganzen Familie bis diesen Morgen in der Nachbarschaft des Schiffes verblieben. Seit der Zeit aber haben wir sie nicht wieder zu sehen bekommen, und das war um so außerordentlicher, da wir sie nie mit leerer Hand hatten von uns gehen lassen, sondern ihnen, nach und nach, ohngefähr neun oder zehen Beile und wenigstens viermal so viel große Nägel, nebst andern Dingen geschenkt hatten. In so fern diese Artikel als Reichthümer unter ihnen angesehen werden, in so fern ist dieser Mann der reichste in ganz Neu-Seeland; denn vor der so zweyten Ankunft englischer Schiffe war auf der ganzen Insel zusammen genommen, nicht so viel Eisen-Geräthe anzutreffen. Da Dusky-Bay so wenig bewohnt ist, so führen die einzelnen Familien in derselben wahrscheinlicherweise ein unstätes herumwanderndes Leben und ziehen, vielleicht der Fischerey, vielleicht anderer Umstände wegen, in verschiednen Jahrszeiten aus einer Gegend nach der andern. Wir vermutheten daher auch, daß unsre Freunde bloß aus diesem Grunde weggezogen wären; allein es hieß: der Wilde habe vor seinem Abzuge durch Zeichen zu verstehen gegeben, er wolle aufs Todtschlagen ausgehen und dazu die Beile gebrauchen. Hat man ihn recht verstanden, so war damit unsre angenehme Hoffnung, den Ackerbau und andre nützliche Arbeiten, durch Austheilung von brauchbaren Werkzeugen gewissermaßen zu befördern und zu erleichtern, auf einmahl vernichtet. Gleichwohl wäre es sehr seltsam, ja beynahe unbegreiflich, daß eine einzelne Familie, die von der ganzen Welt getrennt, in einer geräumigen Bay wohnte, in welcher es ihr, theils ihrer geringen Anzahl, theils wegen ihrer wenigen Bedürfnisse, weder an Lebensmitteln noch an den übrigen Nothwendigkeiten jemals fehlen, und die folglich in ihrer Einsamkeit friedlich und glücklich leben konnte, – daß die dennoch auf Krieg mit ihren Nebenmenschen, auf Mord und Todtschlag bedacht seyn sollte. Indessen ist vielleicht die tiefe Barbarey, in welcher sich die Neu-Seeländer befinden, und die immer nur das Gesetz des Stärkern erkennt, schuld daran, daß sie mehr als jedes andre Volk der Erden geneigt sind, ihren Mitmenschen bey der ersten Gelegenheit umzubringen, so bald Rachsucht oder Beleidigung sie dazu auffordert, und ihr angebohrner wilder Muth macht, daß sie es an der würklichen Ausführung eines so grausamen Vorhabens wohl selten fehlen lassen. Ich darf hier nicht vergessen, ein ganz besondres Merkmahl von der Herzhaftigkeit des alten Mannes anzuführen, der jetzt von uns weggezogen war. Unsre Officiers hatten in seiner Gegenwart zu wiederholtenmalen Schießgewehre abgefeuert. Eines Tages verlangte er es selbst zu versuchen und man gab ihm ein Gewehr. Das Mädchen, welche wir für seine Tochter hielten, bath ihn fusfällig, mit den deutlichsten Zeichen von Furcht und Vorsorge, es nicht zu thun. Aber, er war von seinem Vorhaben nicht abzubringen, sondern feuerte das Gewehr drey oder viermal hintereinander los. Diese kriegrische Neigung und das jähzornige Temperament des ganzen Volks, das nicht die mindeste Beleidigung ertragen kann, scheint diese einzelne Familie und die wenigen übrigen, die wir an den Ufern jenes langen See-Arms antrafen, zur Trennung von ihren Landsleuten gezwungen zu haben. Wenn wilde Völker einander bekriegen, so ruhet die eine Parthey gemeiniglich nicht eher, als bis die andre gänzlich vertilgt ist, es sey denn, daß diese sich noch zu rechter Zeit mit der Flucht rettet. Auch dies kann der Fall bey den Einwohnern in Dusky-Bay seyn, und wenn er es würklich ist, so hat ihr Abmarsch und ihr Entschluß offenbar nichts anders als Rache an ihren Feinden und Unterdrückern zum Gegenstande.

Am 23sten frühe giengen verschiedne Officiers nebst Dr. Sparrmann, nach Cascade-Bucht, um dort einen der höchsten Berge in oder ganze Bay zu besteigen. Um 2 Uhr erreichten sie die Spitze, und gaben uns solches durch Anzündung eines großen Feuers zu erkennen. Wir hätten sie gern begleitet; aber Durchlauf und Colik hielten uns am Bord zurück. Beydes kam von der Sorglosigkeit des Kochs her, der unser kupfernes Küchen-Geschirr ganz von Grünspan hatte anlaufen lassen. Doch befanden wir uns gegen Abend wieder so weit besser, daß wir unsern Spatziergängern bis nach Cascaden-Bucht entgegen gehen konnten, und kamen hernach mit verschiednen Pflanzen und Vögeln beladen, in ihrer Gesellschaft an Bord zurück. Unterdessen hatte das zum Signal angezündete Feuer, auf der Spitze des Berges, das Gesträuch ergriffen, und sich rund um den Gipfel in einen Flammen-Cirkel verbreitet, der für das heutige Georgen-Fest eine schöne Illumination ausmachte. Die Gesellschaft, welche dort gewesen war, sagte, daß man von der Höhe die ganze Bay und die See jenseits der Berge, in Süden, Südwest und Nordwest, mehr als zwanzig See-Meilen in die Ründe, übersehen könne, wozu ihnen das heutige helle und schöne Wetter ausnehmend behülflich war; die Berge im Innern des Landes schienen sehr unfruchtbar zu seyn, indem sie aus großen wildgebrochnen Felsen-Massen beständen und an der Spitze mit Schnee bedeckt wären. Aber auf dem Gipfel desjenigen Berges den sie bestiegen, hatte es allerhand kleines Strauchwerk und Alpen-Kräuter gegeben, die sonst nirgends anzutreffen waren. Etwas; niedriger stand höheres Buschwerk; noch weiter herab fanden sie einen Fleck, auf welchem die Bäume alle ausgegangen und abgestorben waren; und denn ging ein grüner Wald an, der in eben der Maaße höher und schöner ward als sie tiefer herab kamen. Das Hinaufsteigen war wegen der verwickelten Schling-Stauden und Dornen mühsam; das Heruntersteigen aber, wegen der Abgründe, gefährlich, denn sie mußten mehrentheils längst denselben herabrutschen und sich an Bäumen und Büschen festzuhalten suchen. Ziemlich weit auf dem Berg hinauf, fanden sie drey bis vier Bäume, die ihnen Palmen zu seyn dünkten, von diesen fällten sie einen und ließen sich den mittelsten Schößling zur Erfrischung dienen. Im Grunde gehörten aber diese Bäume nicht zu den rechten Kohl-Palmen, (Cabbage palms) ja überhaupt nicht zu den Palmen, denn die wachsen nur unter mildern Himmelsstrichen, sondern es war eigentlich eine neue Art von Drachen-Baum mit breiten Blättern, (dracæna australis,) dergleichen wir nachher noch mehrere in dieser Bay antrafen, und deren Kernschuß, so lang er zart ist, ohngefähr als ein Mandelkern, jedoch etwas kohlartig schmeckt.

Am folgenden Morgen begleitete ich Capitain Cook zu einer an der nordwestlichen Seite der Bay gelegenen Bucht, die, unsrer dortigen Verrichtung wegen, die Gänse-Bucht genannt ward. Wir hatten nemlich noch fünf lebendige Gänse von denen am Vorgebürge der guten Hofnung mitgenommenen übrig, und waren willens sie auf Neu-Seeland zu lassen, um sich daselbst zu vermehren und wild zu werden. Hiezu dünkte uns diese Bucht am bequemsten, denn es gab dort keine Einwohner, dagegen aber reichliches Futter. Wir setzten sie also ans Ufer und sprachen zum Besten künftiger Seefahrer und Bewohner von Neu-Seeland, das: „Seyd fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde!“ über sie aus. So bald sie am Lande waren, liefen sie im Schlamm ihrem Fraße nach, und werden in diesem abgelegenen Winkel, ohne Zweifel gut fortkommen, ja mit der Zeit sich unsrer Absicht gemäß, hoffentlich über das ganze Land ausbreiten. Den Überrest des Tages brachten wir mit Vogelschießen hin, und erlegten unter andern auch einen weißen Reyher (ardea alba) der in Europa gemein ist.

Das schöne Wetter, welches sich nun volle acht Tage hintereinander gehalten hatte, war am 25sten ganz zu Ende. Es fieng Abends an zu regnen und regnete in eines fort bis folgenden Mittag. Wahrscheinlicherweise ist das gute Wetter in Dusky-Bay, vornemlich in dieser Jahrszeit, selten so anhaltend, wenigstens blieb es weder vor noch nachher, jemals zwey Tage hinter einander schön. Wir hatten uns daher auch vorgesehen und diese Zeit zu Ergänzung des Holz- und Wasser-Vorraths genutzt, imgleichen das Schiff wieder in seegelfertigen Stand gesetzt. Alle unsre Leute stellten sich an Bord ein; die Brücke ward abgeworfen und wir giengen aus unserm Winkel mitten in die Bucht heraus, um mit erstem guten Winde abzuseegeln. Die Vorzüge eines civilisirten über den rohen Zustand des Menschen, fielen durch nichts deutlicher in die Augen, als durch die Veränderungen und Verbesserungen die auf dieser Stelle vorgenommen worden waren. In wenig Tagen hatte eine geringe Anzahl von unsern Leuten, das Holz von mehr als einem Morgen Landes weggeschafft, welches funfzig Neu-Seeländer, mit ihren steinernen Werkzeugen, in drey Monathen nicht würden zu Stande gebracht haben. Den öden und wilden Fleck, auf dem sonst unzählbare Pflanzen, sich selbst überlassen, wuchsen und wieder vergiengen, den hatten wir, zu einer lebendigen Gegend umgeschaffen, in welcher hundert und zwanzig Mann unabläßig auf verschiedne Weise beschäftigt waren

Quales apes æstate nova florea rura

Exercet sub sole labor.

VIRGIL.

Wir fällten Zimmer-Holz, das ohne uns durch Zeit und Alter umgefallen und verfault seyn würde. Unsre Brett-Schneider sägten Planken daraus oder es ward zu Brennholz gehauen. An einem rauschenden Bach, dem wir einen bequemeren Ausfluß in die See verschafften, stand die Arbeit unsrer Böttcher, ganze Reihen von neuen oder ausgebesserten Fässern, um mit Wasser gefüllt zu werden. Hier dampfte ein großer Kessel, in welchem für unsre Arbeiter aus einländischen, bisher nicht geachteten Pflanzen, ein gesundes, wohlschmeckendes Getränk gebrauet ward. Nahe bey, kochten unsre Leute vortrefliche Fische für ihre Cameraden, die zum Theil an den Außenseiten und Masten des Schiffes arbeiteten, um solches zu reinigen, zu kalfatern und das Tauwerk wieder in Stand zu setzen. So verschiedene Arbeiten belebten die Scene und waren in mannichfaltigem Geräusche zu hören, indeß der benachbarte Berg von den abgemeßnen Schlägen der Schmiedehämmer laut wiederschallte. Selbst die schönen Künste blühten in dieser neuen Colonie auf. Ein Anfänger in der Kunst,[13] zeichnete hier in seinem Noviciat die verschiednen Thiere und Pflanzen dieser unbesuchten Wälder; die romantischen Prospecte des wilden, rauhen Landes hingegen, standen mit den glühenden Farben der Schöpfung geschildert da, und die Natur wunderte sich gleichsam auf des Künstlers (Herrn Hodges) Staffeley, so richtig nachgeahmt zu erscheinen. Auch die höheren Wissenschaften hatten diese wilde Einöde mit ihrer Gegenwart beehrt. Mitten unter den mechanischen Arbeiten ragte eine Sternwarte empor, die mit den besten Instrumenten versehen war, durch welche des Sternkundigen wachender Fleis den Gang der Gestirne beobachtete. Die Pflanzen, die der Boden hervor brachte, und die Wunder des Thierreichs in Wäldern und Seen, beschäfftigten die Weltweisen, deren Stunden bestimmt waren, ihren Unterschied und Nutzen auszuspühren. Kurz überall, wo wir nur hin blickten, sahe man die Künste auf blühen, und die Wissenschaften tagten in einem Lande, das bis jetzt noch eine lange Nacht von Unwissenheit und Barbarey bedeckt hatte! Dies schöne Bild der erhöhten Menschheit und Natur war indeß von keiner Dauer. Gleich einem Meteor verschwand es fast so geschwind als es entstanden war. Wir brachten unsre Instrumente und Werkzeuge wieder zu Schiffe, und ließen kein Merkmahl unsers Hierseyns, als ein Stück Land, das von Holz entblößt war. Zwar hatten wir eine Menge von europäischem Garten-Gesäme der besten Art hier ausgestreuet, allein das Unkraut umher wird jede nützliche Pflanze bald genug wieder ersticken und in wenig Jahren wird der Ort unsers Aufenthalts nicht mehr zu erkennen, sondern zu dem ursprünglichen, chaosgleichen Zustande des Landes wiederum herabgesunken seyn. Sic transit gloria mundi! Augenblicke oder Jahrhunderte der Cultur machen in Betracht der vernichtenden Zukunft keinen merklichen Unterschied!

Ehe ich diesen Ort unsers bisherigen Aufenthalts ganz verlasse, will ich aus Capitain Cook's Tagebuch noch folgende astronomische Bemerkungen einrücken: –

„Die Sternwarte, welche wir in Pickersgill-Haven errichtet hatten, war unterm 45°47’26½" südlicher Breite, und dem 166°18' östlicher Länge von Greenwich gelegen. Hier fand sichs, daß Kendals Längen-Uhr 1°48' Arnolds hingegen nur 39'25" weniger als die wahre Länge angab. Am Vorgebürge der guten Hoffnung hatte Kendals Uhr zum Erstaunen die wahre Länge, bis auf eine Minute angezeigt, so wie die Herren Mason und Dixon solche dort astronomisch observirt und berechnet hatten. Es muß aber angemerkt werden, daß diese Uhren nicht immer gleichförmig giengen, und daher mußten an jedem Orte wo wir anlegten, Beobachtungen gemacht werden, um ihren wahren Gang zu bestimmen. Die große Abweichung die wir in Dusky Bay fanden, kam zum Theil daher, weil wir zum Grunde gelegt, Kendals Uhr habe beständig die mittlere Zeit (mean time) angezeigt, da wir doch am Cap gefunden daß dies nicht mehr der Fall sey. Jetzt hatte der Astronomus, Herr Wales bemerkt, daß Kendals Uhr täglich 6"461 über die mittlere Zeit gewönne, Arnolds hingegen, als welche immer größern Ausschweifungen unterworfen war, 99", 361 verlöre. –„

Am 27sten war eine neue Ausfahrt in die See, gegen Norden, entdeckt worden; und da diese bequemer zu paßiren war; als jene, durch welche wir in die Bay eingelaufen waren; so gedachten wir uns derselben zu bedienen und hoben am 29sten Nachmittags den Anker um die Bay hinauf, darnach hinzuseegeln; allein es ward mit einemmale windstill, weshalb wir in einer Tiefe von 43 Faden, an der Nordseite einer Insel die wir Long-Eyland nannten, und ohngefähr zwey Meilen von der Bucht wo wir bisher gelegen hatten, wiederum vor Anker kommen mußten. Am folgenden Tage giengen wir früh um 9 Uhr mit einem gelinden Lüftchen aus Westen wieder vorwärts, allein es war so schwach, daß wir wenig gegen den Strohm ausrichten konnten, denn ohngeachtet uns noch außerdem alle unsre Boote boogsiren mußten, so hatten wir um 6 Uhr Abends doch mit der größten Mühe nicht mehr als fünf Meilen gewonnen, und mußten um diese Zeit an eben derselben Insel, ohngefähr hundert Schritte weit vom Ufer, die Anker aufs Neue fallen lassen.

Bey Tages Anbruch versuchten wir gegen den Wind zu laviren, denn es gieng ein sanftes Lüftchen die Bay hinab; da es aber bald gänzlich still ward, so trieb uns die Ströhmung des Wassers rückwärts, und wir geriethen mit dem Hintertheil des Schiffs an einem senkrechtstehenden Felsen, wo kein Grund zu finden war, so nahe ans Ufer, daß der Flaggen-Stock sich in die Baum-Zweige verwickelte. Indessen wurden wir mit Hülfe unsrer Boote ohne Schaden wieder davon wegboogsirt, und ließen unterhalb jener Stelle, auf welcher wir die vergangne Nacht über geankert hatten, in einer kleinen Bucht an der Nordseite von Long-Eyland, abermals den Anker fallen. Wir trafen hier zwey Hütten und Feuerstellen an, woraus sich abnehmen ließ, daß der Ort noch vor kurzem müsse bewohnt gewesen seyn. Wir fanden auch während unsers Aufenthalts in dieser Bucht verschiedene neue Vögel und Fische; desgleichen einige europäische Fischarten, als die Bastard-Mackrele, nebst dem gefleckten und schlichten Hayfisch. (Scomber trachurus, Squalus canicula & Squalus mustelus Linnæi.) Der Capitain ward von einem Fieber und heftigen Rücken-Schmerzen befallen, die sich mit einer rheumatischen Geschwulst des rechten Fußes endigten, und vermuthlich davon hergekommen waren, daß er so viel im Wasser gewadet, hernach aber, mit den nassen Kleidern auf dem Leibe, im Boote lange still gesessen hatte.

[1773. Mai.]

Nachdem uns Windstillen mit beständigem Regen begleitet, in dieser Bucht bis zum 4ten Nachmittags aufgehalten hatten, so erhob sich endlich ein leichter Wind aus Südwesten, mit dessen Hülfe wir jedoch kaum bis in den Durchgang zur See gelangt waren, als er sich schon wieder umsetzte und uns entgegen zu blasen anfieng, so daß wir an der Ostseite des Einganges vor einem sandichten Strande abermals die Anker auswerfen mußten. Dieser mehrmalige Aufschub gab uns Gelegenheit die Küsten zu untersuchen, und nie kamen wir ohne neue Reichthümer aus dem Thier- und Pflanzenreiche zurück. Des Nachts hatten wir schwere Windstöße mit Regen, Hagel, Schnee, auch einigen harten Donnerschlägen auszustehen, und fanden bey anbrechendem Tage, alle Spitzen der Berge um uns her mit Schnee bedeckt. Um 2 Uhr Nachmittags, erhob sich ein gelinder Wind aus Süd-Südwest, der uns mit Beyhülfe unsrer Boote durch den Paß bis vor die ofne See herunter brachte, woselbst wir um 8 Uhr Abends, an der äußersten Land-Ecke die Anker fallen ließen. In dem Durchgang waren die Küsten zu beyden Seiten steiler als wir jemals welche gesehen hatten, und formirten wilde Landschafts-Prospecte, die an manchen Stellen mit unzähligen Cascaden und viel Drachenbäumen (dracæna) geziert waren.

Da der Capitain wegen seines Rhevmatismus nicht aus der Cajütte kommen durfte, so schickte er einen Officier ab, um den zunächst gen Süden liegenden See-Arm, der aus diesem neuen Durchgange, ostwärts, in das Innere des Landes hinein lief, untersuchen zu lassen, und mein Vater sowohl als ich, giengen mit auf diese Expedition aus. In unsrer Abwesenheit ward auf des Capitains Befehl, das ganze Schiff zwischen den Verdecken rein gemacht, und die Luft durch angezündete Feuer überall gereinigt und erneuert; eine Vorsicht, die man in einem feuchten und rauben Clima nie unterlassen sollte. Mittlerweile ruderten wir diese neue Öfnung hinauf und vergnügten uns an den schönen Cascaden, die auf beyden Seiten zu sehen waren, wir fanden auch überall gute Ankerplätze, desgleichen Fische und wildes Geflügel die Menge. Der Wald hingegen, der mehrentheils aus Buschwerk bestand, fieng bereits an sehr öde auszusehen, denn das Laub war größtentheils abgefallen und was etwa noch an den Zweigen saß, sahe verwelkt und blaßgelb aus. Dergleichen Vorbothen des herannahenden Winters, waren in diesem Theile der Bay besonders in die Augen fallend; doch ist es wahrscheinlich, daß an einem so frühzeitigen wintermäßigen Ansehen, bloß die Nachbarschaft der hohen Berge, die schon mit Schnee bedeckt waren, schuld seyn mogte. Um 2 Uhr lenkten wir in eine Bucht ein, um von Fischen ein kleines Mittagbrod zu bereiten, und ruderten, nachdem wir solche verzehret, bis zu einbrechendem Abend weiter, um nicht fern von dem äußersten Ende dieses See-Armes, auf einem kleinen flachen Ufer das Nachtquartier zu nehmen. Es ward zwar ein Feuer angemacht, doch konnten wir wenig schlafen, weil die Nacht sehr kalt, und unsre Schlafstellen sehr hart waren. Am folgenden Morgen liefen wir nordwärts in eine kleine Bucht, allwo sich dieser See-Arm, nach einem Laufe von ohngefähr 8 Meilen endigte. Wir hielten uns daselbst eine Weile über mit Vogelschießen auf, und fiengen bereits an nach der Resolution zurückzukehren, als das schöne Wetter auf einmal umschlug, und statt desselben ein Sturm aus Nordwesten mit harten Windstößen und heftigem Regen einbrach. Wir ruderten dieserhalb in möglichster Eil den See-Arm herunter; und als wir bis an die Einfahrt in den Canal gelangt waren, in welchem das Schiff vor Anker lag, theilten wir den Überrest einer Flasche Rum mit unsern Bootsleuten, um ihnen Muth zu machen, denn von hier aus bis nach dem Schiffe hin war noch das schwerste Stück Arbeit übrig. Nach dieser Herzstärkung wagten wir uns nun getrost weiter; allein die Wellen, welche hier von der ofnen See her eindringen konnten, giengen erstaunlich schnell und hoch, und der Wind, gegen den wir jetzt gar keinen Schutz mehr vom Lande hatten, war so heftig, daß er uns, aller angewandten Mühe ohnerachtet, innerhalb wenig Minuten, eine halbe Meile weit vor sich her trieb. Bey so gefährlichen Umständen mußten wir alle Augenblick gewärtig seyn, daß das Boot umschlagen oder versinken würde, und es war daher unser sehnlichster Wunsch, wieder in den See-Arm zu gelangen, den wir kurz zuvor so dreist verlassen hatten. Mit unsäglicher Mühe gelang uns dies endlich und ohngefähr um 2 Uhr Nachmittags, liefen wir, an der Nordseite desselben, in eine kleine hübsche Bucht ein. Hier ward das Boot, so gut sichs thun ließ, in Sicherheit gebracht und Anstalt zum Mittagbrod gemacht. In dieser Absicht kletterten wir einen öden Felsen hinauf, und zündeten ein Feuer an, um einige Fische zu braten; allein, ob wir gleich bis auf die Knochen naß waren und wegen des schneidenden Windes jämmerlich froren, so war es uns doch unmöglich, nahe beym Feuer zu bleiben, denn der Sturm wirbelte die Flamme beständig umher und nöthigte uns alle Augenblick eine andre Stelle zu nehmen, um nicht verbrannt zu werden. Endlich ward er vollends so heftig, daß man auf diesem gänzlich freyen Platze kaum aufrecht stehen bleiben konnte; wir beschlossen also, zu unsrer und des Boots größerer Sicherheit, an der andern Seite der Bucht Schutz zu suchen und das Nachtquartier im Gehölze aufzuschlagen. Zu dem Ende ergrif ein jeder einen Feuer-Brand, und in diesem fürchterlichen Aufzuge eilten wir ins Boot, wo man uns, dem Ansehn nach, für eine Parthey verzweifelter Leute hätte nehmen sollen, die auf irgend eine heillose Unternehmung ausgiengen. Zu unsrer größten Verlegenheit fanden wir es aber im Gehölz fast noch ärger als auf dem Felsen, von welchem uns der Sturm vertrieben hatte, denn hier war es so naß, daß wir kaum das Feuer brennend erhalten konnten. Wir hatten kein Obdach gegen den heftigen Regen, der von den Bäumen doppelt auf uns herab goß, und da der Rauch, des Windes wegen, nicht in die Höhe steigen konnte, so hätten wir dabey ersticken mögen. Auf solche Weise war weder an Abendbrod noch an Erwärmen zu gedenken, sondern wir mußten uns hungrig und halb erfroren, in unsre nassen Mäntel gehüllt, auf den feuchten Boden niederlegen. So erbärmlich auch diese Lage, besonders für diejenigen unter uns war, die sich durch die Erkältung Reißen in den Gliedern zugezogen hatten, so war doch jedermann dermaaßen abgemattet, daß wir auf einige Augenblicke in Schlaf fielen. Es mochte ohngefähr zwey Uhr des Nachts seyn, als wir durch einen harten Donnerschlag wieder auf die Beine gebracht wurden. Um diese Zeit war der Sturm aufs höchste gestiegen und zu einem vollkommnen Orcan geworden. Er riß um uns her die größten Bäume aus, warf sie mit fürchterlichem Krachen zu Boden und sauste in den dickbelaubten Gipfeln des Waldes so laut, daß das schreckliche Getöse der Wellen manchmal kaum dafür zu hören war. Aus Besorgniß für unser Boot wagten wir uns in der dicksten Finsterniß der Nacht nach dem Strande hin, als ein flammender Blitz den ganzen See-Arm mit einmahl erhellete und uns die aufgethürmten Fluthen sehen ließ, die in blauen Bergen, schäumend über einander herstürzten. Mit einem Wort alle Elemente schienen der Natur den Untergang zu drohen

Non han piu gli elementi ordine o segno
S'odono orrendi tuoni, ognor più cresce
De' fieri venti il furibondo sdegno.
Increspa e inlividisce il mar la faccia
E s'alza contra il ciel che lo minaccia.

TASSONE.

Unmittelbar auf den Blitz folgte der heftigste Donnerschlag den wir jemals gehört, und dessen langes fürchterliches Rollen von den gebrochnen Felsen rund umher siebenfach wiederhallte. Wie betäubt standen wir da und das Herz erbebte uns bey dem Gedanken, daß dieser Sturm oder der Blitz das Schiff vernichtet haben könne und daß wir dann in diesem öden Theil der Welt würden zurückbleiben und umkommen müssen. Unter dergleichen ängstlichen Vermuthungen brachten wir den Rest der Nacht hin, die uns die längste unsers Lebens zu seyn dünkte. Endlich ließ der Sturm ohngefähr um 6 Uhr des Morgens nach, und so bald der Tag graute begaben wir uns wieder ins Boot und erreichten nicht lange nachher das Schiff, welches glücklicherweise noch unbeschädigt war, aber des Sturmes wegen die Segelstangen und die Stengen hatte herunter nehmen müssen. Der See-Arm, davon wir jetzt eine Zeichnung aufgenommen, ward wegen der abscheulichen Nacht, die wir darin ausgestanden, und wegen der nassen Jacken die wir uns da geholt hatten, Wet-Jacket-arm genannt. Nunmehro war nur noch ein einziger See-Arm, dem vorigen gegen Norden hin, zu untersuchen übrig; und da der Capitain sich jetzt wieder ziemlich erholt hatte, so gieng er gleich nach unsrer Zurückkunft ab, um diese lezte Arbeit in hiesigen Gegenden selbst zu übernehmen. Ohngefähr zehn Meilen weit von der Mündung konnte man beynahe das äußerste Ende dieses Arms sehen und es fanden sich hier, eben so wie in dem zuvorgenannten, viele gute Haven, frisches Wasser, Holz, Fische und Federwildpret. Auf der Rückkehr hatten die Leute bey heftigen Regen gegen den Wind zu arbeiten und kamen um 9 Uhr Abends allesammt naß an Bord zurück. Am folgenden Morgen war die Luft hell, der Wind blieb uns aber entgegen; Da wir solchergestalt nicht in See gehen konnten, so bekam der Capitain Lust nach dem neuen See-Arm zurück zu kehren um Vögel zu schießen, und wir begleiteten ihn dahin. Die Jagd währte den ganzen Tag und fiel ergiebig genug aus, dahingegen einige Officiers die in einer andern Gegend hatten jagen wollen, fast mit ganz leerer Hand zurück kamen.

Des Windes wegen, der am nächsten Tage noch immer aus Westen, und ziemlich hart blies, hielte der Capitain nicht für rathsam in See zu gehn. Dagegen ließ er sich am Nachmittage, als das Wetter etwas gelinder ward, nach einer Insel übersetzen die vor dem Eingange des Canals lag und auf welcher sich eine Menge Seehunde befanden. Von diesen schoß er mit Hülfe seiner Mannschaft zehn Stück, sie konnten aber, des Raums wegen, nicht mehr als fünfe mit an Bord bringen, und mußten die übrigen vor der Hand dorten liegen lassen.

In der Nacht bekamen wir so viel Schnee, daß am folgenden Morgen die Berge fast bis auf die Hälfte damit bedeckt waren, und folglich allem Ansehen nach, der Winter nunmehro völlig da zu seyn schien. Das Wetter war hell, die Luft aber scharf und kalt; da indessen der Wind günstig ward, so ließ der Capitain die Anker lichten und schickte mittlerweile ein Boot ab, um die gestern zurückgelaßnen Seehunde abzuholen. So bald diese an Bord waren, seegelten wir aus Dusky-Bay ab und befanden uns um Mittagszeit bereits ganz außerhalb Landes in ofner See.

Wir hatten nun sechs Wochen und vier Tage lang allhier zugebracht, stets Überfluß an frischen Lebensmitteln gehabt, dabey fleißig gearbeitet und es nicht an Bewegung fehlen lassen. Dies zusammen genommen hatte zur Wiederherstellung derjenigen, welche bey unsrer Ankunft scorbutisch gewesen waren, und zur Stärkung der übrigen ohnleugbar viel beygetragen. Doch möchten wir ohne das Sprossenbier wohl schwerlich so gesund und frisch geblieben seyn; denn das Clima ist, die Wahrheit zu gestehen, nicht das beste in Dusky-Bay. Für gesund kann man es wenigstens nicht ausgeben, in so fern wir nemlich während unsers Hierseyns nur eine einzige Woche lang anhaltend gutes Wetter hatten und es die ganze übrige Zeit regnicht war. Indessen mochte diese Witterung unsern Leuten freylich weniger schaden als irgend einer andern Nation, denn der Engländer ist von seinem Vaterlande her einer mehrentheils feuchten Luft gewohnt. Ein andrer Fehler von Dusky-Bay ist dieser, daß es weder wilden Sellery, noch Löffelkraut, noch andere antiscorbutische Kräuter daselbst giebt, die hingegen im Charlotten-Sunde und andern Gegenden von Neu-Seeland so häuffig anzutreffen sind. Nicht minder unangenehm ist es, daß die Erd-Mücken hier so schlimm sind, indem sie mit ihrem giftigen Biß wirklich blatternähnliche Geschwüre verursachen; ferner, daß hier herum nichts denn Waldung und diese überall verwachsen und undurchdringlich ist; endlich, daß die Berge entsetzlich steil sind und folglich nicht angebauet werden können. Indessen fallen diese Unannehmlichkeiten, wenigstens die letztern beyden, doch mehr den Einwohnern des Landes, als den Seefahrern zur Last, die blos auf eine kurze Zeit hier vor Anker gehen wollen um sich zu erfrischen; für solche Reisende wird Dusky-Bay, aller dieser Unannehmlichkeiten ohnerachtet, immer einer der besten Zufluchts-Örter seyn, zumal wenn sie, gleich uns, lange Zeit, ohne Land zu sehen, in ofner See und unter beständigen Mühseligkeiten zugebracht haben sollten. Die Einfahrt ist sicher und nirgends Gefahr dabey die man nicht überm Wasser sehen könnte, auch giebts aller Orten so viel Haven und Buchten, daß man ohnmöglich wegen eines Anker-Platzes in Verlegenheit seyn kann, wo sich nicht Holz, Wasser, Fische und Feder-Wildprett in hinreichender Menge finden sollte

 

[1] Siehe Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 8. dritter Band, pag. 249.

[2] Dieser nüzliche Baum verdient eben so wohl als der vorhergehende für die Seefahrer genauer beschrieben zu werden. Weil wir aber zur unrechten Jahrszeit in Neu-Seeland waren, so konnten wir weder Blüthen noch Früchte davon auftreiben.

[3] Siehe Hawkesworths Geschichte der englischen Seereisen in 8. dritter Band, pag. 146. 151. und 273.

[4] Wir werden uns allezeit dieses Worts bedienen, um ein indianisches Fahrzeug anzudeuten, es sey denn, daß bey einer oder der andern Gelegenheit dieser allgemeine Ausdruck für unsre Absicht nicht zureichend wäre.

[5] Siehe Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 8. dritter Band, pag. 275. u. f.

[6] Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 8. B III. S. 275.

[7]S. vielfältig in Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen.

[8] Dergleichen sogenannte Boot-Mäntel sind so groß und weit, daß man sie einigemal um den Leib schlagen kann.

[9] Er war in der Sprache von O-Taheiti besonders erfahren; und zwischen dieser und der Sprache von Neu-Seeland, ist nur ein solcher Unterschied als zwischen zwey Dialecten zu seyn pflegt.

[10] Phoca ursina LINN. Vrsine Seal. Pennants Syn. Quadr. 271.

[11] S. oben, Seite 98 etc.

[12] S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reis. in 8. III. B. pag. 304.

[13] Unter diesem bescheidenen Namen meynt sich der Verfasser dieser Reisebeschreibung, Herr Georg Forster, selbst. Mit vielen andern seltnen Talenten verbindet er nemlich eine große Fertigkeit im Zeichnen und übte solche, hier gleichsam zum erstenmal öffentlich aus. (Anmerkung des Verlegers.)

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