Text in der Vitrine:
Montaigne entdeckte auf seiner Italienreise, wie melancholisch man beim Anblick antiker Ruinen werden kann. Ich erlebte das als Kind zwischen osmanischen Ruinen als „Hüzün“.
Aus dem Roman „Istanbul:Erinnerung an eine Stadt“ Ich habe mich bemüht, den Einfluss zweier Pariser Dichterfreunde auf zwei Istanbuler Dichterfreunde zu schildern und dabei das Geflecht von Nationalismus, Verfall, Verwestlichung, Dichtung und Szenerie allmählich aufzudröseln. Wenn auch die Stränge dieser Geschichte manchmal durcheinandergeraten sind, ist doch am Ende eine bestimmte Vorstellung entstanden, ein Gedanke, der mit der Zeit von den Istanbulern angenommen und weiterverbreitet wurde. Es ist wohl nicht unpassend, diese Vorstellung, die ihren Ursprung in den Stadtmauern und den ärmlichen Gegenden um sie herumhatte, als „Melancholie des Verfalls“ zu bezeichnen, und die Viertel, in denen diese Melancholie am ehesten zu verspuren ist, unter dem Blickwinkel eines Außenstehenden (wie Tanpınar) „pittoresk“ zu nennen. Die erstmals in einem pittoresken Anblick als Schönheit begriffene Melancholie sollte sich durch den Verarmungsprozess Istanbuls noch gute hundert Jahre halten.