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Sebastian Köpcke (*1967), Volker Weinhold (*1962) | Fotografen

 

Fährt man in der Weihnachtszeit durchs Erzgebirge, sieht man Schwibbögen in nahezu allen Fenstern leuchten. Vielerorts steht ein überdimensionaler Schwibbogen auf dem Marktplatz oder am Ortseingang. Für Einheimische wie für Touristen ist der Schwibbogen als regionaltypisches Objekt fester, unhinterfragter Bestandteil der traditionellen erzgebirgischen Weihnacht. Das war allerdings nicht immer so.

Das mit Kerzen bestückte, weihnachtliche Objekt fand vereinzelt ab dem 18. Jahrhundert in Kirchen und stets im  ergmännischen Kontext Erwähnung und wurde ursprünglich aus Eisen geschmiedet. Einer der ersten noch erhaltenen Schwibbögen wurde 1740 in Johanngeorgenstadt gefertigt – wohl für die »Bergmette« der Bergleute, die diese in der letzten Schicht vor dem Weihnachtsfest feierten. Über Generationen hinweg blieben Schwibbögen Bestandteil vor allem bergmännisch geprägter Weihnachtsfeiern im Erzgebirge, vornehmlich im Raum Johanngeorgenstadt. Zum Massenphänomen wurde der Schwibbogen erst im 20. Jahrhundert.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten geriet auch die religiös motivierte weihnachtliche Volkskunst in den Blick des Regimes – neben Krippen, Hängeleuchtern und Weihnachtsbergen auch der Schwibbogen. Es galt nun, die christlich geprägte Weihnachtskunst von allem »Orientalischen« zu befreien. In dieser Hinsicht wurde das 1936 gegründete »Heimatwerk Sachsen« aktiv. Polemisiert wurde gegen Kamele, Palmen, orientalische Gewänder und Landschaften, denn nun hatten betont heimatlich-erzgebirgische Motive im Vordergrund zu stehen. Beim Schwibbogen waren traditionell bereits Bergmänner, also ‚deutsche Arbeiter‘ dargestellt – ein willkommener Anknüpfungspunkt für die Nationalsozialisten.

Als Siegerin aus einem Wettbewerb zur zeitgemäßen Schwibbogengestaltung im Rahmen der »Schwarzenberger weihnachtlichen Feierohmdschau« ging 1937 die Leipziger Designerin Paula Jordan hervor, die neben den obligatorischen Bergmännern auch Klöpplerin und Spielzeugmacher ins Bild gesetzt hatte. Zugleich fand dieses Motiv propagandistisch unterstützt auf Plakaten und Postkarten überregionale Verbreitung. Etwa zeitgleich begann man, maßgeblich angestoßen durch Max Schanz in Seiffen, Schwibbögen aus Holz zu fertigen. Erst diese Entwicklung hatte im Erzgebirge eine massenhafte Verbreitung zur Folge.

Zu den Figuren des schnell als »klassisch« verstandenen Jordan-Bogens gesellten sich in der DDR vereinzelt Industriearbeiter, landwirtschaftliche Berufe und Landmaschinen; andere Motive zeigten weiterhin kleinbürgerliche Idyllen oder typisierte Szenen aus dem Leben »armer Leute«. Ein grundsätzlicher Wandel der Motive war seit den 1930er Jahren jedoch nicht zu verzeichnen.

Dieser Schwibbogen mit dem Jordan-Motiv wurde für die Nutzung in einer Puppenstube hergestellt. Die beim Original fehlende oberste Kerze wurde fototechnisch ergänzt.

 

Daten des abgebildeten Objekts:

Hersteller*in unbekannt

MATERIAL & TECHNIK

Zinn, Blei, gegossen, bemalt

ABMESSUNGEN

H 7,1 x B 12,2 x T 1,9 cm

MUSEUM

Museum für Sächsische Volkskunst

ORT, DATIERUNG

wohl Erzgebirge, 1937-1960

INVENTARNUMMER

F oNr 9

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