Der Architekt und Künstler El Lissitzky beschäftigte sich in den 1920er Jahren mit den Grundlagen der Kunst-Betrachtung. Lissitzky verstand das Sehen als kreative Handlung, die Erkenntnis-Prozesse anstößt. In Dresden schuf er zur Internationalen Kunstausstellung von 1926 den Demonstrationsraum. Mit diesem Raum wollte er die gängigen Sehgewohnheiten herausfordern. Die Besucher*innen sollten durch ungewöhnliche Wege-Führungen und Standpunkte ihre passive Rolle verlassen und aktiv werden.
Diese Aktivität forderte Lissitzky schon 1920 in seinem Kinderbuch „Von 2 Quadraten“ ein. Die Geschichte handelt von zwei Quadraten, die durch das All reisen und schließlich auf der Erde landen. Dort stoßen sie mit anderen geometrischen Formen zusammen, die an Bauklötze erinnern. Durch den Zusammenstoß stürzen diese Formen ein. Die Quadrate aus dem All und die Bauklötze auf der Erde lassen dann gemeinsam etwas Neues entstehen.
Im Kinderbuch spricht der Künstler zweimal direkt zu den Leser*innen. Anstatt das Buch einfach nur zu lesen, fordert er sie direkt zum Zeichnen, Bauen und Malen auf. Lissitzky ermutigt also dazu selbst kreativ zu werden. Am Ende des Buches wiederholt er die Forderung nach Aktivität: Mit den Worten „hier ist schluss weiter“ endet das Buch. Damit bringt Lissitzky zum Ausdruck, dass es wichtig ist, dass die Kunst auch dazu anregen kann, das eigene Leben und sogar die Gesellschaft neu zu gestalten.
Für seine Kunst prägte Lissitzky den Begriff Proun. Diese Arbeiten basieren auf einfachen, geometrischen Grundformen. Wie in der Geschichte von den zwei Quadraten sind die Grundformen oft in schwarz oder rot auf weißem Hintergrund angeordnet. Durch die Anordnung der Bildelemente auf der Fläche ergibt sich eine bewegte Räumlichkeit, mit der der Künstler die Brücke zur Architektur schlägt.
Text: Isabell Baldermann, Bildung und Vermittlung
- Material & Technik
- Papier, bedruckt, geklammert
- Museum
- Archiv der Avantgarden
- Datierung
- Berlin, 1969
- Inventarnummer
- I 556