Es ist ein grotesker Anblick: Ein Fresssack mit gewaltigem Wanst sitzt eingepfercht in einem Schubkarren. In der Rechten hält er die Weinflasche, in der Linken einen Geldsack, eine kolossale Hahnreimütze mit Pilgermuscheln ziert sein Haupt. Vor dem Vielfraß stehen eine Pilgerflasche und eine Laterne. Ob er wohl ahnt, wer seinen Karren schiebt und wo die Lebensreise enden wird? Der Teufel höchstpersönlich ist es, der den Weg vorgibt und den Sünder wohl geradewegs zur Hölle befördert. Geschickt getarnt hat er sich, der Leibhaftige: Er verbirgt seinen Körper in einem Weinfass, das verlockend mit allerlei Küchengerät, Fischen und Fleischstücken behangen ist. Nur der gehörnte Kopf und die Bocksbeine des Höllenfürsten ragen verräterisch heraus.
Der Nürnberger Goldschmied Christoph Lindenberger hat diese Figurengruppe um 1575 so raffiniert doppeldeutig gestaltet. Zwar warnt sie lehrreich vor Trunksucht und Völlerei, doch dient sie auch dem Laster. Klappt man den Teufelskopf oder die Hahnreimütze nämlich hoch, so lassen sich die Figuren als originelle Trinkgefäße nutzen. Ein Zeitgenosse des Künstlers, der Nürnberger Pfarrer Mathesius, beklagte:
„Heutigen Tages trinken die Weltenkinder und Trinkhelden aus Schiffen und Windmühlen, Äpfeln, Birnen, Kokelhähnen, Affen, Pfauen, Mönchen, Nonnen, Bauern, Bären, Löwen, Hirschen, Rossen, Straußen, Käuzen, Schwänen, Schweinen, Elendsfüssen und anderen ungewöhnlichen Trinkgefäßen, die der Teufel erdacht, mit großem Mißfallen Gottes und im Himmel.“
Der Geistliche hatte Grund zur Klage: Um sechzehnhundert waren Trinkspiele in skurrilen Formen überaus beliebt. Ihre Anzahl und Kostbarkeit stellten den gesellschaftlichen Stand und Reichtum des jeweiligen Eigentümers zur Schau.
- Material & Technik
- Silber, getrieben, gegossen, geschnitten, ziseliert, graviert, punziert, geätzt, vergoldet; Glas
- Museum
- Grünes Gewölbe
- Ort & Datierung
- Nürnberg, 1569 - 1576
- Inventarnummer
- IV 337