Früh übt sich, wer ein Meister – oder in diesem Fall – ein Fürst werden will. So haben sich in der Dresdener Rüstkammer mehrere Knabenharnische erhalten, die für die noch jungen sächsischen Herzöge gefertigt wurden. Schon bei ihnen ging es, wie bei ihren Vätern, um beides: die standesgemäße Ausbildung und die fürstliche Repräsentation. Übrigens spricht man von einem Harnisch und nicht von einer Rüstung, wenn es um die von Plattnern geschlagene Schutzbekleidung für Turnier- oder Schlachtenkämpfer geht. Dabei ist der Harnisch durchaus als Waffe zu verstehen, als eine Waffe zur Verteidigung. Eine Rüstung im Sinn von Ausrüstung ist dagegen alles, was man am Körper trägt, das heißt, auch Waffen, wie diese Helmbarte, eine Art Hellebarde, mit langem Spieß, die eine eigene Fechttechnik vom Träger verlangte.
Wie neu steht der gebläute und mit goldenem Blüten- und Rankendekor verzierte Knabenharnisch vor uns. Er wurde entweder für den Herzog Johann Georg I. oder dessen älteren Bruder Christian II. gefertigt: ein Fußturnierharnisch „en miniature“ für einen circa achtjährigen Jungen. Er besteht aus einem Visierhelm mit hohem Kamm und zwei Halsreifen, aus einem vierfach ineinander geschobenen Kragen, einem Rücken, einer Brust mit Gansbauch, kräftigen Achselverstärkungen und einem Bauchreifen zum Schutz der Hüften. Die so genannten Beintaschen sind vierfach geschoben. Fingerhandschuhe schützen die Hände, Diechlinge an den Oberschenkeln, Kniebuckel, Beinröhren und geschobene Schuhe die Beine des jungen Herzogs.
Der Harnisch wurde in Augsburg geschlagen, davon zeugt ein kleiner, an mehreren Stellen eingestanzter Pinienzapfen: Es ist die „Augsburger Beschau“, das städtische Qualitätssiegel für die in Augsburg gefertigten Schmiedearbeiten. Sie finden ihn auf der Brust und auf dem Rücken des Harnischs, auch an den Handschuhen oder auf den Achseln. Der Vergleich mit einem Harnisch für Christian I. legt nah, dass auch der Knabenharnisch in der Werkstatt des Augsburger Plattners Anton Peffenhauser gefertigt wurde. Nach dem Tod Christians I. kamen auch die anderen beiden blank polierten Knabenharnische nach Dresden, wahrscheinlich im Auftrag von Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar, der zu dieser Zeit an Stelle des noch minderjährigen Christian II. regierte. Auch sie stammen aus der Augsburger Werkstatt von Anton Peffenhauser.
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Über die meisten Handwerker vergangener Zeiten haben sich wenig Nachrichten erhalten. So kennen wir von den meisten Plattnern des 16. Jahrhunderts kaum mehr als die Namen und Niederlassungen ihrer Werkstatt. Bei Anton Peffenhauser, von dem gleich mehrere Harnische in Dresden verwahrt werden, ist das anders. Um 1525 in Bayern geboren war er - salopp gesagt - zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ein Meister seiner Zunft, der das Glück hatte, viele hochrangige Auftraggeber, Könige, Kurfürsten und andere Regierende persönlich zu kennen und in einer Stadt ansässig zu sein, die im gesamten deutschsprachigen Raum für hochwertige Plattnerarbeiten bekannt war. „... (und) wenn er einem das Harnisch gemacht, so muss man alsdann mit ihm erst handeln, sein fantastischer Kopf gibt es nicht anders.“
So schreibt Balthasar von Trautson, Freiherr zu Sprechstein, ebenfalls Kunde von Peffenhauser, in einem Brief an Hans Fugger. Aus seinen Worten spricht Respekt gegen den – wie er an anderer Stelle noch einmal betont: „seltsamen Kopf“ – offensichtlich konnte es sich der berühmte Plattner leisten, mit seinen Kunden nach Belieben umzuspringen – übrigens nicht nur mit seinen Kunden.
Weil er sich schnell einen Namen gemacht hatte und gute Arbeit lieferte, bekam er bald schon mehr Aufträge, als er fertigen konnte. Ein grundsätzliches Problem für erfolgreiche Meister seiner Zeit, doch gab sich Peffenhauser damit nicht zufrieden: Er setzte sich über die geltenden Gildengesetze hinweg und kaufte Harnische von anderen Plattnern, die er in seiner Werkstatt veredelte und unter eigenem Namen weiter verkaufte. Die Stadt Augsburg ließ es sich gefallen, schließlich verdiente sie gut an den Steuern, die Peffenhauser abführen musste.
Der erste Kontakt zum sächsischen Hof bahnte sich unter Kurfürst August an, der 1576 eine italienische Brigantine bei Peffenhauser bestellte. Aus dem Handel wurde nichts, August schickte das Stück zurück, weil es Gebrauchsspuren zeigte und überdies nicht passte. 1582 bestellte er erneut bei Peffenhauser, diesmal einen Turnierharnisch. Die Anfertigung fiel zu seiner Zufriedenheit aus und es entwickelte sich eine langjährige Auftragsbeziehung zwischen den Kurfürsten von Sachsen und dem „fantastischen Kopf“ Peffenhauser.