Die beiden hier gezeigten Radschlosspistolen – erneut ein Paar – sind gut 30 Jahre nach den vergoldeten Exemplaren entstanden, die als Geschenk an Christian I. in die Rüstkammer gekommen waren. Sie haben einen langen Lauf, einen Schaft aus Nussbaumholz und tragen das kursächsische Wappen mit der Umschrift „Scopus Vitae Meae Christus“, auf Deutsch: „Christus ist mein Lebensziel“.
Es ist die Devise von Johann Georg I., der 1611 die Regierungsgeschäfte übernommen hatte. Für ihn wurden die Pistolen gefertigt, als Teil eines größeren Geschenks, bestehend aus dem hier ausgestellten Zubehör - dem versilberten Schlüssel zum Spannen des Radschlosses und einer silbernen Pulverflasche. Zum Geschenk gehörte als Hauptstück ein grauer Hengst mit besticktem Sattel und Reitzeug sowie: ein Paar Pistolenholster und ein Säckchen mit Schießutensilien, eine Patronentasche, ein mit Leder überzogenes Kästchen mit allerlei Miniaturwerkzeug, ein goldenes Tuch und ein breiter Gürtel mit Wehrgehänge. Obwohl die Initialen „GE“ an der Mündung der beiden Pistolenläufe eingeschlagen sind, wissen wir nicht, wer der Büchsenmacher gewesen sein könnte. Wer das großzügige Geschenk an den Kurfürsten übergab, ist jedoch überliefert: Es war die Stadt Leipzig und auch der Tag der Übergabe ist bekannt: der 2. April 1623. Leipzig hatte guten Grund, den Kurfürsten reichlich zu beschenken. Zwar lesen wir von diesem Anlass nichts im Inventar, doch sprechen die Umstände eine deutliche Sprache. Nach seinem Regierungsantritt hatte Johann Georg I. zunächst die Steuern auf Messegüter drastisch erhöht, was die Messestadt Leipzig zu spüren bekam: Die ausländischen Händler blieben aus, die städtischen Einnahmen sanken. Doch hatte der Kurfürst ein Einsehen. Ab 1619 reduzierte er die Steuern – prompt zogen die Geschäfte wieder an. Das Geschenk war also ein Dank der Stadt an ihren Kurfürsten, dafür dass er sie wirtschaftlich begünstigte.
Die beiden Pistolen sind mit Silbereinlagen, Trophäenmotiven sowie Silbermedaillons dekoriert. Die durchbrochene vergoldete Schlossplatte zieren Vögel und Fabelwesen. Die Medaillons sind beschriftet. Sie zeigen keine mythologischen Szenen, sondern Ereignisse aus der Realität, einer harten Realität, die damals ganz Europa in Atem hielt: Es geht um den Dreißigjährigen Krieg, in den auch Sachsen verwickelt wurde, obwohl Johann Georg I. sich darum bemühte, sein Land aus den ausufernden Konflikten heraus zu halten. Die Umschriften der Medaillons bezeichnen das jeweilige Gefecht oder eine Belagerung: Ereignisse, die sich bis 1622 zutrugen, dem Jahr, in dem die Pistolen gefertigt wurden.
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Radschlosspistolen waren zu ihrer Zeit bevorzugte Reiterwaffen, und – als neue Technik - ein äußerst prestigeträchtiges Geschenk. Gegenüber früheren Feuerwaffen, die mit einer brennenden Lunte gezündet wurden, bieten Radschlösser erhebliche Vorteile. Sie zünden geruchlos, was vor allem bei der Jagd ein Gewinn ist, und sind auch im Regen noch funktionstüchtig. Ein Radschloss ist allerdings auch komplizierter in der Konstruktion und war deshalb, vor allem in der Anfangszeit, recht teuer.
Hauptstück des Radschlosses ist eine Stahlscheibe mit geriefelter Kante. Dieses Stahlrad wird mit einem Schlüssel aufgezogen und so unter Spannung gehalten. Der versilberte Schlüssel im Zubehör der beiden hier gezeigten Pistolen von Kurfürst Johann Georg I. ist ein solcher Spanner. Das Zünden funktioniert nach dem Prinzip des Reibefeuerzeugs: Wird der Abzug betätigt, dreht sich das Rad und erzeugt Funken durch die Reibung an einem im Hahn eingespannten Stück Schwefelkies. Das Zündkraut entzündet sich und brennt sich durch das Zündloch in die Laufkammer, wodurch die dort eingebrachte Pulverladung explodiert – der Schuss löst sich.
Es ist übrigens oft nicht der Zahn der Zeit, der besonders hartnäckig an alten Stücken, wie diesen Radschlosspistolen nagt. Vor allem Sammler, und hier besonders die Waffenliebhaber des 19. Jahrhunderts, richteten manchen Schaden an, weil sie vor allem an schönen und keineswegs an authentischen Stücken interessiert waren.
Da wurde viel geputzt, gelaugt und geschliffen, um eine Pistole wie neu präsentieren zu können. Die Patina war danach für alle Zeiten verloren und auch die Einzelteile passten nicht unbedingt zusammen, denn was hier fehlte, wurde dort ersetzt, unabhängig davon, ob das zeitlich oder geografisch nachweisbar war oder nicht. Aber auch hier setzt Dresden Maßstäbe, denn alles, was in der Rüstkammer verwahrt wurde, war vor solchen Eingriffen geschützt. Die Sammlung blieb über Jahrhunderte im Familienbesitz, was außer Gebrauch kam, wurde sorgfältig verwahrt, selbst die Evakuierung im Zweiten Weltkrieg überstanden viele Stücke weitgehend unbeschadet. So kommt es, dass die im Riesensaal gezeigten Objekte auf hohem Niveau restauriert werden konnten: Was an Substanz da war, wurde gereinigt und gefestigt - ergänzt wird grundsätzlich nicht oder nur in wenigen Ausnahmefällen. Ein Glücksfall für die Restauratoren, aber auch für unsere Besucher: Es gibt weltweit kaum eine Sammlung, deren Exponate so gut erhalten sind, wie die aus der Dresdener Rüstkammer.