Noch einmal kehren wir zu Kurfürst Christian II. zurück, der bei Heinrich Cnoep einen zweiten Prunkharnisch von Eliseus Libaerts kaufte, diesmal jedoch nicht für seinen Bruder, sondern für sich selbst. Das war 1606, und erneut griff er zu einem Meisterwerk, das der Antwerpener Goldschmied für den schwedischen König Erik XIV. zwischen 1563 und 1565 gefertigt hatte. Libaerts hatte dafür einst Musterstücke nach Stockholm geschickt und per Brief einigte man sich über den Dekor und den Grundton der Verzierungen. Daraufhin ließ der König den Rohling für den Mannesharnisch in der königlichen Plattnerwerkstatt speziell für seine Körpermaße schlagen.
Die Garnitur besteht aus einem Mannesharnisch mit Burgunderhelm und einem kompletten Rossharnisch. Reiter und Pferd sind aufeinander abgestimmt – im Partnerlook, wenn man so will - was der gesamten Erscheinung ein feierliches Gepräge verleiht. Dabei ist die gesamte Oberfläche mit getriebenen und geätzten Verzierungen überzogen: keine Stelle bleibt frei, dennoch wirkt die Arbeit nicht überladen. Goldgrund und polierte Treibarbeiten sind so miteinander verflochten, dass keine Unruhe entsteht, kein Ungleichgewicht. Der Rossharnisch setzt sich zusammen aus einer ganzen Rossstirn, die den Kopf des Pferdes schützt, mit gegitterten Augenkörben und einem Stirnstachel. Der vordere ausschwingende Teil des Pferdeharnischs heißt Fürbug, der hintere, die Kruppe schützende Teil Gelieger.
8.800 Gulden zahlte Christian II. für das Prunkstück und wie schon bei der Beerdigung seines Vaters, wurde auch dieser Harnisch als „Freudenkürass“ bei seinem eigenen Trauerzug mitgeführt. 1719, also gut 100 Jahre später, kam er noch einmal zum Einsatz: August der Starke ließ ihn bei der großen Waffenschau aus Anlass der Hochzeit seines Sohnes öffentlich präsentieren. Mit seinem Statuswert als ritterliche Rüstung, seinem an die antike Herkules-Sage angelehntem Programm erscheint der Harnisch als Inkarnation des frühneuzeitlichen Herrscherkultes schlechthin. Nicht von ungefähr ließ sich auch August der Starke als „Hercules Saxonicus“, als sächsischen Herkules feiern.
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Ein mit Ranken und abstraktem Dekor verzierter Harnisch war das eine – und sozusagen die gängige Form der Aufmachung. Wappen und allegorische Szenen waren dagegen den ganz hohen Herren vorbehalten und wurden von Trägern wie Betrachtern als politisches Programm verstanden. Der Herkules-Harnisch, den Eliseus Libaerts ursprünglich für den schwedischen König schmiedete, zeigt mit gut 100 Szenen und Motiven eine umfangreiche Zusammenstellung aus dem antiken Sagenkreis. Dieser Prunkharnisch für Mann und Ross – zweifellos das Hauptwerk der Dresdner Rüstkammer – ist über und über mit Rankendekor bedeckt, darin verteilen sich 21 großformatige Bildmedaillons mit den Taten des Herkules und des Theseus, sowie Szenen aus der Argonautensage und dem Trojanischen Krieg.
Herkules war beliebt bei den europäischen Renaissance- und Barockfürsten. Mit ihm konnten sie sinnfällig ihren Anspruch auf Macht und Größe demonstrieren. Schließlich war der antike Held schon im zarten Alter von acht Monaten durch übermenschliche Stärke und Geistesgegenwart aufgefallen, indem er zwei von der eifersüchtigen Göttin Juno geschickte Schlangen im Babykörbchen erwürgte. Nach zahlreichen Heldentaten stieg er in den Götterhimmel auf, eine Ehre, die auch die Fürsten – zumindest für ihr irdisches Nachleben - anstrebten.
Zentrales Motiv auf dem Rossharnisch, direkt unter dem Kopf des Pferdes, ist die so genannte „Kentauromachie“, der Kampf des Herkules gegen betrunkene und raufende Kentauren, der eigentlich nicht zu seinen zwölf kanonisch festgelegten Taten gehört, aber möglicherweise als Andeutung auf die Heiratspläne des königlichen Auftraggebers zu deuten ist. Der Legende nach fand der Kampf während einer Hochzeit statt, -
König Peirithoos aus Thessalien hatte sich Hippodameia als Braut erwählt. Bei der Hochzeitsfeier, zu der er auch Kentauren einlud, brach ein Streit aus, nachdem einer der Kentauren, Eurytion, die Braut entführen wollte. Der erboste Gastgeber ließ ihm Ohren und Nase abschneiden, es kam zu einer Massenschlägerei, an der sich auch Herkules beteiligte, mit dessen Hilfe die Kentauren schließlich besiegt werden konnten.
Auf dem Medaillon sehen wir Herkules, wie er mit erhobener Keule auf einen bereits strauchelnden Kentauren einschlägt. Diese Fabelwesen, halb Mensch, halb Pferd, die in der griechischen Mythenwelt als unbeherrschtes und lüsternes Volk galten, scheinen in der Überzahl. Offensichtlich geht es längst nicht mehr nur um den Raub der Braut. Wir sehen gleich mehrere Frauen, die von den Kentauren aufgegriffen und davon getragen werden.
Der Rossharnisch sollte in Antwerpen oder im Auftrag von Libaerts in einer anderen europäischen Werkstatt geschlagen werden, ein Detail, das sich heute aus verschiedenen Quellen rekonstruieren lässt. Der finanzielle Aufwand für Material und Ausführung war enorm. Eliseus Libaerts jedenfalls fand sich nach der Fertigstellung fast mittellos wieder: die Bezahlung sollte erst bei Lieferung erfolgen. Wahrscheinlich ein Grund, weshalb er sich mit seinem Bruder Natal auf den Weg machte, die Prunkgarnitur persönlich zu überbringen.