Von außerordentlicher Schönheit waren auch die Pilaster. Das sind die pfeilerartigen Gliederungselemente, die auf die samtenen karmesinroten Wandbehänge aufgenäht wurden und dem Audienzgemach seine besondere architektonische Struktur gaben. Im Auftrag von August dem Starken waren diese glanzvollen Goldstickereien bereits ein Jahrzehnt zuvor in Paris gefertigt worden.
Ein System plastischer Wandvorlagen in Form von 12 ganzen und 8 halben Pfeilern. Es bestand aus einer kunstvollen Kombination dieser prächtigen Goldstickereien auf goldenem Stickgrund mit reichlich beigefügten Goldposamenten verschiedenster Kreationen. Vergleichbares dieser Art war allein aus dem Thronsaal Ludwig des Vierzehnten im Schloss Versailles bekannt. Dort fielen die Reliefstickereien in Gold und Silber sogar noch monumentaler aus.
Man mag es kaum glauben: von den Goldstickereien und Goldposamenten, die 1719 hier im Audienzgemach vorhanden waren, ist das meiste noch erhalten. Achtzig Prozent. Weil die Wandbehänge so kostbar waren, wurden sie sorgfältig behütet. Das gesamte Audienzgemach war immer eine Art Erinnerungsraum an die Blütezeit Sachsens unter August dem Starken. In anderen europäischen Ländern wurden die Dekore wegen ihres Silber- und Goldgehalts meist irgendwann eingeschmolzen. Hier hingegen waren die vielen erhaltenen Goldstickereien ausschlagegebend für die Rekonstruktion des Prunksaales.
Mit dem Ergebnis, dass das Audienzgemach im Dresdner Residenzschloss nun wieder ein Juwel barocker Textilkunst ist. Schauen Sie sich die Pilaster von Nahem an. Sie werden an einzelnen Stellen erkennen, dass die Goldtressen tatsächlich original sind. Und zwar dort, wo sie dunkel angelaufen sind und nicht mehr gereinigt werden können, weil es dafür bisher kein geeignetes Verfahren gibt. Damit unterscheiden sie sich gut von den rekonstruierten Dekoren. Einmal mehr sei uns jedoch die Bitte erlaubt: nur gucken, nichts anfassen. Sie sehen ja, wie empfindlich die Materialien sind.
