Emanuel de Witte (1617–1692) gehörte gemeinsam mit Gerard Houckgeest und Hendrik van Vliet zur sogenannten "Delfter Gruppe", die maßgeblich das Kircheninterieur als neue Bildgattung prägten. 1652 übersiedelte de Witte nach Amsterdam, wo vor allem die Oude Kerk, die wir hier sehen, ein wichtiger Bildraum für sein künstlerisches Schaffen wurde. In über 60 Gemälden malte er die Kirche aus unterschiedlichen Perspektiven. Ein wichtiges Element in dem Gemälde sind die transparenten Fensterflächen: Durch die leicht milchigen, aus vielzähligen Rauten bestehenden Glasscheiben ist schemenhaft ein Gebäude zu sehen, welches sich gegenüber der Kirche befindet. Durch die Transparenz der Fenster holt de Witte die Außenwelt in seine Innenraumdarstellung hinein und hebt so die Schranken zwischen dem heiligen und dem alltäglichen Raum auf.
Die Verschränkung zwischen dem Sakralen und dem Profanen spiegelt sich auch in den Tätigkeiten der Menschen wider, die den Kirchenraum beleben: So flanieren im Hintergrund zwei Männer ruhig durch den Kirchenraum, während in der linken Bildhälfte eine Mutter ihr Kind in den Armen hält. Der Kehrbesen, der im goldenen Sonnenlicht an der Wand lehnt, verweist auf die alltäglichen Arbeiten des Kirchenaufsehers, sodass der Kirchenraum nicht nur als Ort der Kontemplation, sondern auch als Ort profaner Arbeit markiert wird. Ebenfalls findet sich bei de Witte das Motiv des Hundes in der Kirche wieder: Beide Tiere versinken halb im Schatten, der eine neben einer Säule in der rechten Bildhälfte, der andere zu Seiten der Familie links. Die verschiedenen Tätigkeiten, die de Witte in seinen Kircheninterieurs zeigt, spiegelt die vielfältigen gesellschaftlichen Funktionen wider, welche die niederländischen Kirchengebäude nach der Reformation als öffentlich verwaltete Einrichtungen übernahmen. Indem er den Kirchenraum durch die Transparenz der Fenster zum Außenraum öffnete, bekräftigte er den Weltbezug zur Kirche.
Weitere Medien
- Material & Technik
- Öl auf Holz
- Abmessungen
- 41,5 x 34 cm
- Museum
- Gemäldegalerie Alte Meister
- Ort & Datierung
- Um 1660/70
- Inventarnummer
- Gal.-Nr. 3499