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Inneres einer gotischen Kirche

Houckgeest, Gerard (ca. 1600-1661) | Stecher
Bassen, Bartholomeus van (1590-1652) | Inventor
Berendrecht, Johannes Pietersz. (1601-1625 tätig) | Verleger

02:07

Gerard Houckgeest (um 1600–1661) prägte den neuen Bildtypus des Kircheninterieurs entscheidend. In der hier ausgestellten Graphik reproduziert Houckgeest eine Vorlage seines Lehrers, des Architekten und Künstlers Bartholomeus van Bassen (1590–1652). Trotz des vergleichsweise kleinen Formats gelingt es Houckgeest, durch den erhöhten Betrachterstandpunkt eine beeindruckende Raumtiefe zu erzeugen. Dadurch entsteht der Eindruck, man könne förmlich in das Bild "hineingehen". Interessant sind auch die Risse in den Säulen und Wänden, die der mächtigen Architektur eine gewisse Fragilität verleihen. Ein Zeichen dafür, dass sich die Kirche buchstäblich im Umbruch befindet? 

Doch nicht nur die Architektur, auch die Figurengruppe im Vordergrund zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Vor allem der vornehm gekleidete Mann in der Mitte fällt auf: Mit seinem Hut in der Hand und einem Hund an seiner Seite scheint er sich den Betrachtenden zuzuwenden. Links von ihm sind drei Figuren ins Gebet vertieft: eine Frau, die vom Kopf abwärts einen typisch flämischen Mantel trägt, ein Kind und vermutlich ein Pilger, der seinen Wanderstab abgelegt hat. Rechts von ihm lehnt eine männliche Figur im Schatten einer Säule und beobachtet das Geschehen. Seine entspannte Sitzhaltung am Boden legt den Gedanken nahe, dass es sich bei dem Mann um einen Bettler handeln könnte, der Schutz in der Kirche sucht. Durch die Anordnung der Figuren signalisiert Houckgeest das breite Spektrum sozialer Schichten, die sich aus unterschiedlichen Gründen im Kirchenraum aufhalten und dabei zwangsläufig miteinander in Kontakt kommen: Bettler, Betende und Bürgerliche teilen sich denselben Raum. So wird der Kirchenraum zum Spiegel gesellschaftlicher Spannungen, aber auch gemeinsamer Öffentlichkeit. 

Der Hund – ein häufiges Motiv in niederländischen Kircheninterieurs – symbolisiert hier eine weitere Dimension, in der scheinbar Gegensätzliches aufeinandertrifft: Als Tier in diesen von Menschenhand geschaffenen Räumen überbrückt er die Trennung zwischen dem Sakralen und dem Profanen, also zwischen dem Alltäglichen und dem Göttlichen.  

Material & Technik
Radierung und Kupferstich
Abmessungen
249 x 198 mm (Platte); 255 x 199 mm (Blatt)
Museum
Kupferstich-Kabinett
Ort & Datierung
1610-1661
Inventarnummer
A 1929-269
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Eingeschränkte Netzwerkverbindung