Marie: Rüdiger war ganz aufgeregt, als Herr Winzeler vor seiner Vitrine stand – die erste rechts, am Eingang. Er ist auf der Büchse mit der Nummer 5 und ziemlich klein. Aber er möchte natürlich trotzdem gesehen werden. Ich hatte ihm strengstens verboten, auch nur mit den Augen zu zwinkern. Es bleibt besser unter uns, dass hier im Schloss Drachen leben.
Marius Winzeler: Hier in dieser Vitrine zeigen wir Radschlossbüchsen und -pistolen. Ein Radschloss ist ein Zündmechanismus, mit dem der Schuss einer Pistole oder eines Gewehrs ausgelöst wird. Aber bevor ich das genauer erkläre, ein kleines Suchspiel: Findet ihr den kleinen Drachen, der es sich auf einem der Gewehre bequem gemacht hat?
Kind 4: .... hmm, weiß nicht, ich glaub, ich hab‘ sogar zwei gefunden. Auf der Nummer 5. Der Gewehrlauf ist voller Drachenschuppen. Und vorne sehen wir einen Drachenkopf. Oben drauf liegt ein winziger goldener Drache mit zwei Flügeln. Sieht aus, als ob er dem Schützen direkt in die Augen schauen will.
Marius Winzeler: Genau. Der Drache schaut den Schützen jedes Mal an, wenn der schießt. Er ist eine Zielvorrichtung, ein so genanntes Visier. Seht ihr seine Flügel, die ein bisschen wie Regenschirme aussehen? Sie lassen sich hoch und runter klappen. Aufgestellt bieten sie dem Blick des Schützen einen schmalen Durchgang – eine Art Loch. Weiter vorne seht ihr außerdem ein Art Kugel auf der Mündung des Gewehrlaufes. Diese Kugel nennen wir Korn. Um ein Ziel zu treffen, muss der Schütze das Korn genau zwischen den Flügeln des Drachen sehen. Und das Korn muss wiederum genau auf den Gegenstand weisen, den der Schütze treffen will und PENG, Schuss!
Marie: Herr Winzeler erzählte uns, dass dieses Gewehr 1611 gefertigt wurde, es ist also schon über 400 Jahre alt. Mit dem Gewehr kann nur einmal geschossen werden. Denn es musste jedes Mal neu geladen werden. Dafür wurden Zündpulver und eine Gewehrkugel in den Lauf geschoben. Seht ihr den Stock unter dem Lauf? Das ist der Ladestock. Mit ihm wurde das Pulver und die Kugel so fest wie möglich in den Lauf gedrückt. Und habt ihr den Metallkreis rechts über dem Abzug entdeckt? Also, da, wo der Schütze abdrückt. Hinter dieser runden, vergoldeten Abdeckung befindet sich das Rad vom Radschloss.
Drache: Radschlösser und die dabei genutzte Technik waren im 17. Jahrhundert absolut modern. (lacht amüsiert) Allerdings funktionierten sie nur, wenn das Pulver nicht nass wurde. Deswegen gab es einen Deckel, den Pfannendeckel. Der musste geschlossen sein, sonst zündete das Pulver nicht. Marie sagte ja schon, jede Feuerwaffe ließ nur einen Schuss zu. Ihr müsst euch vorstellen, dass meist eine Person neben dem Fürsten stand, um neu geladene Gewehre zu reichen. Ziemlich umständlich, oder?
Marie: Können Sie mit den alten Flinten, Büchsen und Pistolen und wie sie alle heißen heute noch schießen?
Marius Winzeler: Theoretisch ja, denn die Mechanik unserer Feuerwaffen funktioniert zwar noch. Sie sind ja über die Jahrhunderte sorgsam aufbewahrt, repariert und auch immer wieder gereinigt worden. Aber wir wissen nicht genau, wie viel Pulver gebraucht wird, um einen Schuss auszulösen. Klar, wir könnten es ausprobieren. Aber wenn dann was kaputt ginge… Nun, die Waffen sind einfach zu wertvoll. Sie waren einst Geschenke und wurden als Zeichen der Macht, in der Rüstkammer und dann hier im langen Gang, ausgestellt. Kamen die Waffen doch mal zum Einsatz, dann eher bei sportlichen Veranstaltungen, die oft in den Gärten stattfanden. Dort schossen die Gäste dann auf Zielscheiben.
Weitere Medien
- Ort & Datierung
- Dresden. 1611.
- Material & Technik
- Lauf Eisen, gezogen, geschnitten, teils kanneliert, vergoldet und gebläut, Signatur geschlagen, Auflagen Messing vergoldet, teils durchbrochen, geschuppt; Schloss Eisen gebläut, Auflagen Messing vergoldet, durchbrochen, Hahn Eisen blank, graviert/geätzt, mit Pyrit in Blei; Schäftung Holz verschnitten, Beineinlagen graviert, Tiefen geschwärzt, Eisenplatten gebläut, darauf Messingauflagen durchbrochen, vergoldet; Ladestock Holz, Dopper Messing, vergoldet?, graviert, geschnitten.
- Abmessungen
- Gesamtlänge 112,8 cm Lauf 85,8 cm Laufinnendurchmesser 10,45 mm Gesamtgewicht 3352 g
- Museum
- Rüstkammer
- Inventarnummer
- G 0237