Diese Marionette stammt aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und wurde von Richard Lipinski (1867-1936), einem Gewerkschafter und Politiker des linken Flügels der SPD, zu Agitationszwecken genutzt, also zur gezielten politischen Beeinflussung und Mobilisierung.
Agitprop im Puppentheater
Agitprop, eine Abkürzung für „Agitation und Propaganda“, war ein wichtiges Mittel der sozialistisch-politischen Werbung, um gesellschaftliche und politische Themen einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Gerade im Puppentheater konnten komplexe Inhalte durch einfache und symbolträchtige Figuren anschaulich und wirkungsvoll vermittelt werden.
Sozialdemokratische Kritik an der Obrigkeit
Figuren wie dieser General symbolisierten die monarchisch-militärische Obrigkeit und deren Missbrauch von Macht, was im Kontext der Revolutionsjahre um 1918/19 eine starke Zustimmung fand. Dass ein Politiker der SPD, später der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei), eine solche Figur schuf und sie satirisch überzeichnet darstellte, lässt tief blicken: Die Sozialdemokraten standen zu dieser Zeit in einer grundsätzlichen Opposition zur kaiserlichen Autorität und der militärischen Hierarchie, die sie als Symbol für Unterdrückung, soziale Ungerechtigkeit und den verheerenden Kriegsausbruch ansah.
Die Aufführungen Lipinskis sind zwar nicht im Detail überliefert, doch die erhaltenen Marionetten erzählen dennoch vom Einsatz des Puppentheaters als politisches Instrument. Lipinski wurde ab 1933 von den Nazis mehrfach verhaftet und starb an den Folgen der Misshandlungen. Seine Marionetten wurden versteckt und erzählen noch heute von seinem politischen Wirken.
Weitere Medien
- Ort & Datierung
- Leipzig, um 1918
- Material & Technik
- Kopf, Hände und Beine sind aus Holz, geschnitzt und bemalt; Körper aus Leinenstoff, gestopft mit Heu oder Stroh; Textilien, genäht
- Abmessungen
- 78 x 20 x 11 cm
- Museum
- Puppentheatersammlung
- Inventarnummer
- A 5391