QR-Code

#263

Requiem

Tübke, Werner (1929-2004) | Maler

02:20

"Requiem" nannte der Leipziger Maler Werner Tübke dieses Gemälde, in dem kaltes Grau und Blau vorherrschen. Wie versteinert liegen mehrere Tote auf einem kahlen Boden vor einer Mauer mit vergitterten Fenstern. Weiter hinten hockt, mit dem Rücken zu ihnen, eine dunkle Gestalt, den Kopf in Trauer gesenkt. Über ihr schwebt eine Friedenstaube.

Tübke schuf das Gemälde 1965. Es ist das erste Bild eines Werkzyklus zur Gewalt der Nationalsozialisten und zur Ermordung der Juden. Auf den ersten Blick sind die Toten nicht als Opfer der Nazis erkennbar. Die Kleider mit ihren scharfen Faltenwürfen erinnern eher an Figuren auf mittelalterlichen Gemälden. Tatsächlich verwendete Tübke als Vorlage Fotografien von Ermordeten aus den Konzentrationslagern Bergen-Belsen und Auschwitz. Die Körperhaltung der gemalten Figuren entspricht der der Leichen auf den Fotografien.

Das Bild entstand zu einer Zeit, als man sich in Ost und West intensiv mit den Verbrechen der Nazizeit auseinandersetzte. In der DDR hatten vor kurzem zwei Gerichtsprozesse gegen die westdeutschen CDU-Politiker Theodor Oberländer und Hans Globke stattgefunden, die in Abwesenheit beschuldigt wurden, aktiv an Nazi-Gräueln beteiligt gewesen zu sein, und in Frankfurt am Main liefen seit 1963 die Auschwitz-Prozesse zur Aufarbeitung des Holocausts und insbesondere der NS-Verbrechen im Konzentrationslager Auschwitz. Tübke beschaffte sich damals über einen Ostberliner Anwalt Material zu dem Prozess, darunter das Buch "Der Gelbe Stern" mit den Fotografien, die er als Vorlage verwendete.

Wie in vielen anderen Werken malte Tübke hier in einem sehr eigenwilligen Stil, der auf die Alten Meister des 16. bis 18. Jahrhunderts Bezug nimmt. Das Rätselhafte und Sinnbildliche darin widersprach der Forderung der DDR-Kulturpolitik nach einer eindeutigen, realistischen Bildsprache und stieß auf heftige Kritik.

Ort & Datierung
1965
Material & Technik
Öl auf Leinwand auf Sperrholz
Dimenions
28 x 44 cm
Museum
Galerie Neue Meister
Inventarnummer
Gal.-Nr. 3636
0:00
Eingeschränkte Netzwerkverbindung