Dieses kleine Kästchen erzählt ein ganzes Heldenleben! Von der Geburt des Halbgottes, den die Griechen Herakles und die Römer Herkules nannten bis zu seinem Tod. Wir sehen vier seiner legendären Arbeiten und sieben andere Episoden – die prächtigen Email-Tafeln präsentieren ein Best-Of der Abenteuer unseres Helden, und sie lesen sich wie ein wildbewegtes Bilderbuch: Herkules kämpft mit der neunköpfigen Hydra, dem Nemeischen Löwen, er trägt die Weltkugel, während Atlas die Äpfel der Hesperiden stiehlt und schließlich stirbt er im Nessoshemd auf dem Berg Oeta.
Allein die Deckelplatte zeigt nicht den Helden in Aktion: Hier bedrohen sich inmitten von Akanthusranken zwei Männer. Sie haben die Keulen gegeneinander erhoben und kämpfen also mit der bevorzugten Waffe des Herkules.
Das Kästchen ist etwa 500 Jahre alt und stammt aus dem südwestfranzösischen Limoges – damals das unangefochtene Zentrum der europäischen Emailkunst. Seine 13 Tafeln werden von einer vergoldeten Messingmontierung gehalten, die ebenfalls einen reichen Bildschmuck aufweist. Vier weibliche Genien halten es an den Ecken.
In seinem mit dunkelroter Seide ausgekleideten Innern befanden sich einst mehrere Holzstückchen von unschätzbarem Wert: Fragmente des Kreuzes Jesu. Dass man die christlichen Reliquien ausgerechnet inmitten der Abenteuer eines heidnischen Helden aufbewahrte, mag Ihnen vielleicht paradox erscheinen, ist jedoch Programm: Herkules und seine Abenteuer schienen vielen Theologen als Präfigurationen, als Vorausdeutungen auf das Leben Jesu. Herkules‘ Überwindung des Bösen war für sie Hinweis auf Christi Leiden und Sterben am Kreuz.
Wenn Sie Ihre Erinnerung auffrischen und einen Überblick über die 12 Arbeiten des Herkules bekommen möchten, finden Sie die hier an den Wänden links und rechts.
Weitere Medien
Einige Quellen berichten, dass Herkules im Wahnsinn seine eigenen Kinder umgebracht hatte. Um diese Untat zu sühnen, befahl ihm das Orakel von Delphi, diese Arbeiten zu verrichten, die ihm König Eurystheus von Mykene nennen würde:
Die erste Arbeit bescherte dem Helden sein wichtigstes Erkennungszeichen: Herkules erwürgte den Nemeischen Löwen, zog ihm das Fell ab und nutzte es fortan als Umhang, den Löwenkopf als Helm.
Die zweite Arbeit führte ihn in die Sümpfe, in denen die neunköpfige Hydra hauste. Sie galt als unsterblich, denn wenn man ihr einen Kopf abschlug, wuchsen zwei neue nach. Herkules besiegte sie, indem er die Wunden sofort verbrannte – das verhinderte das Nachwachsen. Er tränkte seine Pfeile im Blut der Hydra, das machte sie zu todbringenden Waffen.
Die dritte Arbeit beschäftigte ihn mehr als ein Jahr: Er setzte der Kerynitischen Hirschkuh mit dem goldenen Geweih nach, bevor er sie schließlich überwältigte. Ob er sie tötete oder nur einfing? Darüber sind sich die antiken Quellen nicht einig.
Als viertes sollte Herkules den Erymanthischen Eber einfangen. Sein Trick: Er trieb das Tier in den tiefen Schnee, in dem der massige Eber steckenblieb.
Auch die fünfte Arbeit löste er nicht mit schierer Kraft, sondern mit Schläue: Um den Stall der 3.000 Rinder des König Augias auszumisten, eine erniedrigende Knechtsarbeit, lenkte er einen ganzen Flusslauf um. Das Wasser spülte den Schmutz fort.
Bei der Vertreibung und Tötung der Stymphalischen Vögel konnte Herkules auf die Hilfe der Göttin Athene zählen: Sie gab ihm eine Klapper, mit der er die Riesenvögel aufscheuchen und anschließend im Flug mit Pfeil und Bogen erlegen konnte.
Die siebte Arbeit führte ihn nach Kreta, wo ein wütender Stier die Insel verheerte. Herkules überwältige ihn und brachte ihn lebend nach Mykene. Genau wie die menschenfressenden Rosse des Königs Diomedes, die er in Thrakien zähmte und mit nach Mykene nahm – seine achte Arbeit.
Die neunte Arbeit hätte schnell erledigt sein können: Herkules sollte den Gürtel der Amazonenkönigin Hippolyte besorgen. Diese hätte ihm das wertvolle Stück geschenkt, doch eine Intrige von Herkules‘ Widersacherin Hera löste einen Kampf aus, bei dem Herkules die Amazonenkönigin tötete.
Die zehnte Arbeit spielte auf einer Insel an der spanischen Atlantikküste. Hier weideten die roten Rinder des Geryones, die Herkules nach Mykene trieb, nachdem er Geryones mit einem seiner Hydra-Giftpfeile getötet hatte.
Für seine elfte Arbeit stieg Herkules in den Hades herab: Er sollte den Höllenhund Kerberos fangen und in die Welt der Lebenden bringen – eigentlich eine unlösbare Aufgabe, die ihm aber dennoch gelang.
Auch für die zwölfte und letzte Arbeit reiste Herkules in Gefilde, die eigentlich kein Sterblicher betreten durfte: zum Hesperidengarten am Ende der Welt, aus dem er goldene Äpfel holen sollte. Wie er das bewältigte? Vielleicht pflückte Herkules die Äpfel eigenhändig, vielleicht ließ er sich von Atlas helfen, während er solange für den Titanen die Weltkugel hielt.
- Ort & Datierung
- Limoges, wohl Mitte 16. Jh.
- Material & Technik
- Maleremail auf Kupfer, Montierung: Messing, vergoldet, Holz, Seide
- Dimenions
- H 11,5 cm, B 19,0 cm, T 13,0 cm; Gewicht: 1163 g
- Museum
- Grünes Gewölbe
- Inventarnummer
- III 264