Niedlich sehen sie aus, wie junge Hunde beim Spielen. Doch der erste Eindruck täuscht, denn hier wird kein Spiel gezeigt. Der auf dem Boden kniende Putto weint vor Schmerz, während sein Gefährte zum nächsten Schlag ausholt. In beiden Gesichtern finden wir nichts Niedliches. Im Gegenteil, denn es sind zwei Affekte höchst realistisch dargestellt: Zorn und Schmerz. Was sehen wir hier?
Wer sich in der Ikonografie auskennt, mag bereits ein Indiz ausfindig gemacht haben: Die verbundenen Augen des knienden Putto. Amor, der blind mit Liebespfeilen um sich schießt, wird seit der Antike oft mit Augenbinde dargestellt. Seine Mutter Venus bestraft ihn manchmal dafür. Und das ist auch hier der Anhaltspunkt: Der gefesselte kleine Junge ist Amor, der für seine unbedachte Art gezüchtigt wird. Nicht von Venus, sondern von seinem gesitteten Konterpart, der „himmlischen Liebe“, die im Gegensatz zum leidenschaftlichen Amor, Liebende in einer lebenslangen Seelenverwandtschaft verbindet.
Wenn Sie sich umdrehen und einen Blick aus dem Fenster auf den Zwinger werfen, können sie sehen, wann unser Puttenpaar entstanden ist. Ab 1709 arbeiteten Dresdner Bildhauer unter der Leitung von Baltasar Permoser am Figurenprogramm des Zwingers. Unter ihnen Paul Heermann, der kurz zuvor von Italien nach Dresden gekommen war, um hier sesshaft zu werden. Neben seiner Arbeit am Hof nahm er auch Aufträge reicher Privatleute an. Unser aus feinstem Alabaster gemeißeltes Paar entstand um 1712 für den Leipziger Kaufmann Johann Zacharias Richter.
Weitere Medien
Als „schickliche Zierde“ werden die Marmorputten von Paul Heermann in einem frühen Reiseführer aus dem 18. Jahrhundert genannt. Ursprünglich gehörten vier Paare zusammen. Es sind neben unserer „Züchtigung“ der „Streit“, in dem sich zwei kleine Jungen gegenseitig die Haare vom Kopf reißen, die „Versöhnung“, ein Kuss zwischen beiden Kontrahenten, die nur als Gipskopie erhalten ist, und die „Belohnung“, die übrigens nur noch einen der beiden Jungen zeigt, der von einem Mädchen mit einem Siegerkranz geehrt wird.
Alle Figuren bersten beinahe vor Lebhaftigkeit – dafür war Paul Heermann seinerzeit berühmt: Leichtigkeit und Bewegung in seine Figuren zu bringen, und damit der Erdenschwere des Steins zu trotzen. Die vier Paare erzählen gemeinsam die Geschichte vom Kampf zwischen der Liebe und der Leidenschaft, zwischen Verstand und Gefühl, oder – wie es im Barock hieß – zwischen der himmlischen und irdischen Liebe.
Den entscheidenden Hinweis gibt uns das Tuch, mit dem die Augen des knienden Putto verbunden sind. Amor muss es gelegentlich tragen, weil er ja blind mit seinen Liebespfeilen um sich schießt, und so Menschen ineinander verliebt macht, die eigentlich nicht viel miteinander verbindet.
Auch ohne diese Deutung erkennen wir in dem Bildhauer einen hervorragenden Beobachter, der die Kinder beim Raufen und Herumtollen zeigt, und dabei ihren Übermut, ihren Zorn, den Schmerz, aber auch die zarte Annäherung samt triumphierender Siegerpose spürbar macht.
- Material & Technik
- Marmor
- Museum
- Skulpturensammlung
- Ort & Datierung
- 1712
- Inventarnummer
- ZV 4296