Schönheit und Proportionen der menschlichen Gestalt studierten die Künstler der Renaissance vor allem an Skulpturen der Antike. So erinnert der bis ins Detail plastisch ausgeformte Körper des hl. Sebastian an antike Marmorskulpturen.
Typisch für die Epoche ist auch die Suggestion von Lebendigkeit. Der Heilige wurde wegen seines christlichen Glaubens als lebendige Zielscheibe genutzt. Im himmelnden Blick ruht die Gewissheit vom paradiesischen Lohn. Das Werk wurde für den Altar der Bruderschaft des hl. Rochus in Venedig gemalt.
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Der Heilige Sebastian war ursprünglich ein hochrangiger römischer Soldat: Er kommandierte im dritten Jahrhundert nach Christus die Leibwache des Kaisers Diokletian. Aber dann wurde Sebastian der Prozess gemacht, weil er notleidenden Christen geholfen hatte. Das Urteil lautete: Tod durch Bogenschützen. Seine Henker durchbohrten ihn auf einem Feld mit Pfeilen und ließen ihn dann liegen, weil sie ihn für tot hielten. Aber er lebte noch und eine fromme Witwe fand ihn und pflegte ihn gesund. Wiederhergestellt, ging Sebastian sofort zum Kaiser und warf ihm in aller Öffentlichkeit seine Grausamkeit gegenüber den Christen vor. Daraufhin ließ Diokletian Sebastian zu Tode peitschen, diesmal überlebte er nicht. Sein Leichnam wurde in einen stinkenden Abwasserkanal geworfen, damit ihn niemand finden und zum Märtyrer machen konnte. Aber Heilige finden ihre Mittel und Wege: Sebastian erschien einer Christin im Traum und wies ihr den Weg.
Sebastian galt schon früh als Pestheiliger. Denn man nahm an, die Pest werde durch geheimnisvolle Pfeile ausgelöst. Darum auch Antonellos Gemälde: In Venedig hatte die Pest gewütet und die dortige Bevölkerung um mehr als 15 Prozent dezimiert. Antonellos venezianische Kunden erhoffen sich durch das Bild des Pestheiligen Schutz vor der Seuche.
Hinter dem Bild mit dem Heiligen Sebastian steckt noch eine andere Botschaft. Denn es ist auch ein Showpiece, mit dem Antonello seine Fähigkeiten demonstrieren wollte.
An den Kanten der Fliesen, die alle auf einen gemeinsamen Fluchtpunkt zulaufen, kann man gut sehen, dass das Bild in Zentralperspektive angelegt ist. Diese Art der räumlichen Darstellung war erst 50 Jahre zuvor entdeckt worden. Mit dem komplexen Muster der Fliesen unterstreicht Antonello, wie gut er die Perspektive beherrscht. Bemerkenswert ist auch der Soldat, der hinten links auf dem Boden liegt und schläft: Den menschlichen Körper in räumlicher Verkürzung darzustellen, galt als besonders schwierig. Aber Antonello zeigt, dass er auch diese Herausforderung problemlos meistert. Ein weiteres Zeugnis seiner Raum-Kunst ist die umgestürzte Säule. Einen zylindrischen Körper räumlich verkürzt darzustellen, ist schon kompliziert genug. Aber hier ist die Säule ist leicht aus der Fluchtachse herausgedreht. Auch das hatte Antonello drauf.
Als das Gemälde entstand, hatte der Sizilianer Antonello bereits ein Jahr in Venedig verbracht und das Niveau der dortigen Künstler kennengelernt. Wie wir schon gehört haben, entstand sein Gemälde für eine wohltätige Bruderschaft in Venedig. Offensichtlich wollte Antonello diesen Auftrag nutzen, um seinen venezianischen Kollegen eine Kampfansage zu machen: Was ihr könnt, kann ich schon lange!
- Material & Technik
- von Holz auf Leinwand übertragen, Ölmalerei
- Museum
- Gemäldegalerie Alte Meister
- Datierung
- Um 1478
- Inventarnummer
- Gal.-Nr. 52