Mit dem Bild einer einfachen Dienstmagd schuf Liotard um 1744 in Wien sein bekanntestes Pastell. Es ist nicht bekannt, ob er eine reale Person porträtiert oder den Typus eines Stubenmädchens, das Schokolade serviert, wiedergegeben hat.
Aufgrund des niedrigen sozialen Ranges, der ganzen Figur im Profil und der realistischen Wiedergabe unterschied sich das Bild stark von allen anderen im historischen Pastellkabinett. Erst Mitte des 19. Jh. setzte sich der Titel „Schokoladenmädchen“ durch.
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Jean-Étienne Liotard verbrachte fünf Jahre seines Lebens im Osmanischen Reich, davon die längste Zeit in Konstantinopel, also dem heutigen Istanbul. Auch nach seiner Rückkehr trug er in Wien weiter seine türkische Kleidung. Bei manchen Wienern löste die Anwesenheit eines vermeintlichen Türken in der Stadt Entsetzen aus.
Vor allem aber brachte es Liotard durch sein exotisches Aussehen bald zu einiger Bekanntheit, auch damals schon bares Geld wert. Zeitgenossen galt er als der Mann mit dem Bart, der türkischen Kleidung und den hohen Preisen. Liotard hatte nie eine feste Anstellung, er pendelte als Pastellmaler zwischen den angesehensten Höfen seiner Zeit und hielt die Fürsten Europas im Bild fest. Eine besondere Beziehung pflegte er zu Maria Theresia von Österreich, der „ersten Dame Europas“. Mehrfach porträtierte er sie und ihre Kinder. Das Schokoladenmädchen blieb eine Ausnahme in Liotards Schaffen, es zeigt keine Prinzessin oder Fürstin, sondern nur ein einfaches Dienstmädchen.
Die meisten Werke in den Dresdener Sammlungen haben einen bestimmten Typ Rahmen. Diese sogenannten Galerierahmen gehen zurück auf eine Entwicklung zweier Dresdener Hofbildhauer in den 1740er Jahren. Diese Bildhauer fertigten in ihrer Werkstatt serienmäßig Rahmen mit Schnitzereien von Hand. Gewissermaßen als Meterware. Es gab dabei Rahmenstrecken mit weniger Verzierungen und manche mit mehr. Das ließ sich dann einfach passend abschneiden und zu mehr oder weniger verzierten Rahmen montieren. Je nach Bedeutung der Bilder. Dabei kamen insbesondere in den Ecken Rocaillen zum Einsatz – die muschelförmigen Ornamente. Traditionell bekamen Pastelle der Dresdener Sammlungen immer Rahmen mit den meisten Verzierungen. Den schönsten Rahmen aber erhielt keine bedeutende Edelfrau oder berühmte Sängerin, sondern das unbekannte Schokoladenmädchen. Auf ihrem Rahmen finden sich etwa Fächer, Strickzeug und eine Geldbörse als geschnitzte Verzierung. Vielleicht konnten sich die Rahmenbauer mit der einfachen Dienstmagd am ehesten identifizieren.
Die frühesten Pastellbilder, die wir kennen, stammen von norditalienischen Malern des 16. Jahrhunderts. Zu Beginn gab es allerdings nur drei Farben: Schwarz, Weiß und Rot. Außerdem nutzten die italienischen Meister die Kreiden vor allem für Skizzen, die bei der Vorbereitung ihrer Gemälde entstanden.
Zur Blüte kam die Pastellmalerei im 18. Jahrhundert. Rosalba Carriera war die erste Künstlerin, die ausschließlich in Pastell malte; sie war auf Porträts spezialisiert. Pastellporträts hatten gegenüber Porträts in Öl ein paar handfeste Vorteile: Weil die Pastellfarbe nicht trocknen muss, brauchte man weniger Sitzungen, die Malutensilien waren leichter zu transportieren und die Kosten geringer.
Mit ihren Pastellbildnissen war Rosalba Carriera für eine europaweite Begeisterung für diese Maltechnik verantwortlich. Viele Künstler, die ebenfalls hier in der Galerie vertreten sind, wie Anton Raphael Mengs und Jean-Etienne Liotard, ließen sich von Rosalbas Pastellen inspirieren und trugen dazu bei, dass das Pastell zu einer eigenständigen Technik der Malerei wurde.
Nach der Französischen Revolution verlor die Pastellmalerei zunächst an Bedeutung, weil sie mit dem Ancien Régime verbunden wurde. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erlebte sie jedoch einen neuen Aufschwung – vor allem durch den französischen Maler Edgar Dégas und die Impressionisten.
- Material & Technik
- Pastell auf Pergament
- Museum
- Gemäldegalerie Alte Meister
- Datierung
- Um 1744
- Inventarnummer
- Gal.-Nr. P 161