Die Martyriumsszene erstreckt sich über die Mitteltafel und die Flügel. Wie in der „Legenda Aurea“ geschildert, wurde Ursula mit ihren 11.000 Anhängerinnen durch die Hunnen auf der Rückkehr von Rom nach Köln getötet.
Die Silhouette zeigt den unvollendeten Dom und Groß St. Martin. Ursula sitzt, in Begleitung von Papst Cyriacus, unter dem Christuskreuz in dem Schiff, durchbohrt von einem Pfeil. Dieses Attribut hält sie auf der rechten Flügelaußenseite, während links der hl. Georg dargestellt ist.
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Der Flügelaltar von Jörg Breu dem Älteren fasziniert durch seine detailreiche Schilderung des Geschehens.
Es geht um die Angst der Römer vor der erstarkenden Gemeinde der Christen. Der Kaiser hatte, der Legende nach, die Hunnen beauftragt, Ursula mit ihren Anhängerinnen zu töten. Jörg Breu der Ältere zeigt die Hunnen im Gewand der Janitscharen, der Elitetruppe des Osmanischen Sultans. Das sollte die damals aktuelle Gefahr der Türken verdeutlichen.
Dabei bleibt der Maler nicht bei der eigentlichen Handlung stehen, sondern widmet auch dem Hintergrund liebevolle Aufmerksamkeit.
Im Einklang mit der Legende, wonach die Heilige Ursula und die elftausend Jungfrauen bei der Rückkehr nach Köln getötet worden sein sollen, stellt er am jenseitigen Flussufer die Stadt am Rhein dar. Offenbar hielt er sich dabei recht genau an das Erscheinungsbild von Köln im frühen 16. Jahrhundert – einer Stadt, die zu Breus Lebenszeit bereits 40.000 Einwohner hatte und damit zu den größten nördlich der Alpen zählte: Die vielen Schiffe, die am gegenüberliegenden Ufer des Flusses vor Anker liegen, betonen die Rolle Kölns als wichtige Handelsmetropole. Die Uferseite wird von der Stadtmauer gesichert, hinter der links die romanische Kirche Groß St. Martin zu sehen ist. Mit ihrem bis heute bestehenden quadratischen Vierungsturm samt den charakteristischen Ecktürmchen ragt sie über das Häusermeer auf. Ein weiteres prägendes Element der Stadtsilhouette ist weiter rechts der damals noch unvollendete Dom, noch ohne seine Türme. Die Berge im Hintergrund hat Breu allerdings erfunden.
Die genaue Wiedergabe der Stadt verweist auf die Verehrung von Ursula besonders in Köln. Ob der Altar aber für eine Gemeinde der Stadt geschaffen wurde, ist bislang nicht bekannt.
Neben der zentralen Figur der heiligen Ursula auf dem Schiff in der Mitte des Altars ist Ihnen vielleicht noch eine weitere Frau aufgefallen: Sie steht im weißen Mantel mit schwarzem Kleid und auffallend langem gelocktem Haar am vorderen Rand des Bildes. Ernst blickt sie uns an, während sich das grausame Gemetzel hinter ihr abspielt.
Möglicherweise handelt es sich bei der schönen Unbekannten um eine Darstellung der Elisabeth von Schönau. Diese lebte im 12. Jahrhundert als Nonne im Benediktinerorden. In Visionen sah sie die Geschichte der heiligen Ursula und ihrer elftausend Jungfrauen. Ihr Bruder Egbert, ebenfalls Benediktinermönch, hielt die Visionen für die Nachwelt fest. Die Verbreitung dieser Niederschriften führte im Mittelalter zu einer starken Zunahme der Ursula-Verehrung.
Aber es ist auch denkbar, dass eine Stifterin des Bildes zu sehen ist. Allerdings wurden diese in der Regel eher beiläufig außerhalb des Geschehens platziert; erst später schaffen sie es in die Szenerie hinein. Vielleicht ist die Figur aber auch eine Mischung aus allen?
Indem Jörg Breu sie sich vom Geschehen abwenden und uns zuwenden lässt, will er vielleicht zeigen, dass diese Figur nicht selbst an den Ereignissen teilgenommen hatte, entweder hat sie sie Jahrhunderte später in Form einer Vision nacherlebt, oder die fromme Stifterin des Bildes will so ihre Verbindung mit der Heiligen augenfällig machen.
Doch es gibt noch eine dritte Möglichkeit: Die Schöne ist die Heilige Cordula, eine Anhängerin Ursulas. Sie hatte sich, als das Morden losging, im Schiff verstecken können, musste aber am nächsten Tag das gleiche Schicksal wie die anderen erleiden. Ihre offenen Haare und der Kranz, mit denen Breu sie dargestellt hat, stützen diese Vermutung.
- Material & Technik
- Öl auf Lindenholz
- Museum
- Gemäldegalerie Alte Meister
- Datierung
- Um 1522/27
- Inventarnummer
- Gal.-Nr. 1888