In seinem frühesten Stillleben zeigt Paudiss ein eigenwilliges Arrangement aus zwei frisch geschlachteten Kalbsköpfen, teils abgelösten Knochenteilen und einem Zwiebelzopf. Anders als die niederländischen Vorbilder üppiger Markt- oder Küchenszenen, die vor Völlerei und Verschwendung warnten, wird hier die Opferrolle der Kälber thematisiert. Dem Menschen gleichgesetzt, verweisen sie zusammen mit der Zwiebel als Symbol von Leiden und Trauer auf die Vergänglichkeit und Nichtigkeit alles Materiellen.
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Vieles an diesem Stillleben ist eigenwillig: das Hochformat, das sparsame Arrangement, die Kalbsköpfe – im Gegensatz zu den Niederlanden war es in der deutschen Malerei nicht üblich, geschlachtete Tiere zu malen. Nicht ungewöhnlich dagegen sind Malweise, Lichtregie und die Konzentration auf die Hauptmotive, während der umgebende Raum weitgehend im Dunkeln bleibt.
Christopher Paudiß setzte auf Kontraste: Die Oberflächen der Köpfe, Knochen und Zwiebeln arbeitete er mit kurzen Pinselstrichen und dicker, pastoser Farbe detailreich aus und setzte kleine Lichtpunkte, etwa ins helle Fell, auf die feuchte Schnauze und die Schalen der Zwiebeln. Die Partien im Hintergrund deutete er nur an, mit dünner Farbe und breitem Pinselstrich. In all den Schattierungen von Braun und Weiß gibt es nur wenige Farbtupfer, wie das frische Rot am freigelegten Knochen.
Bis Mitte der 1960er-Jahre wusste man nicht, wer das „Stillleben mit zwei Kalbsköpfen“ gemalt hatte. Damals wurde das Gemälde im Depot in Schloss Moritzburg bei Dresden entdeckt und gereinigt. Dabei kam, unten rechts, die Signatur zum Vorschein, von der vorher nur einzelne Buchstaben lesbar waren: Christoffer Paudiß, 1658. Damit gilt die Holztafel als frühestes Stillleben des Malers, über dessen Leben nur wenig bekannt ist. Geboren wurde er um 1618 in Niedersachsen, wahrscheinlicher aber in Hamburg, und ging, wie andere norddeutsche Maler seiner Zeit auch, in die Niederlande. Man vermutet, dass er in der Werkstatt von Rembrandt gearbeitet hatte, bevor er nach Dresden wechselte.
1723 ließ Kurfürst August der Starke das Gemälde für Schloss Moritzburg erwerben, das er damals zu einem barocken Jagd- und Lustschloss ausbauen ließ. Dort wurde das Stillleben zwar im Inventar vermerkt, von der Forschung aber nicht weiter beachtet. 1924, bei der Auseinandersetzung um Ausgleich zwischen dem Freistaat Sachsen und dem sächsischen Königshaus Wettin, das bis 1918 regiert hatte, fiel das Schloss mitsamt Ausstattung an die Wettiner. 1945 wurde das wettinische Eigentum beschlagnahmt, das Stillleben kam in die Dresdner Sammlungen. 1999 wurde es – zusammen mit rund 18 000 weiteren Kunstwerken – an das ehemalige Königshaus zurückgegeben. Ein Großteil der restituierten Werke konnte aber für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erworben werden.
- Material & Technik
- Öl auf Holz
- Museum
- Gemäldegalerie Alte Meister
- Datierung
- 1658
- Inventarnummer
- Inv.-Nr. 99/66