Die „Sixtinische Madonna“ ist ein Meisterwerk von Raffael, der schon zu Lebzeiten berühmt war. Bis heute gilt er als einer der bedeutendsten Künstler der Hochrenaissance. Zu seinen Auftraggebern gehörten ranghohe Persönlichkeiten wie Papst Julius II., der dieses Bild bestellte.
Raffael entwickelte für das Gemälde eine eindrucksvolle Komposition: Der geöffnete Vorhang gibt den Blick auf eine himmlische Vision frei. Maria schreitet über die Wolken, das Jesuskind auf dem Arm. Sie trägt ihn aus der Himmelsglorie in die irdische Welt, so dass hier gleichsam die Inkarnation des Gottessohns dargestellt ist. Der Ernst in den Augen Jesu und seiner Mutter kündet vom Wissen um die spätere Passion.
Die „Sixtinische Madonna“ entstand für den Hochaltar der Klosterkirche San Sisto in Piacenza. Dort wurden zwei Heilige verehrt, weshalb sie mit in das Bild aufgenommen wurden. Links weist Papst Sixtus II. mit beredter Geste in die irdische Welt. Rechts kniet demutsvoll die heilige Barbara. Die beiden Engelchen, die auf die Messe am Altar warten, führen unseren Blick immer wieder empor zu Maria mit dem Kind.
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Das war das aufregend Neue an Raffaels Sixtinischer Madonna: er inszenierte das gesamte Bild als Vision, als Erscheinung, die sich jedes Mal ereignet, wenn wir vor das Bild treten – wir werden zu Mitakteuren.
Der italienische Künstler hatte ein enormes Gespür für die Wirkung von Malerei und von Gegensätzen. Die Hauptfiguren bilden ein Dreieck, mit Maria als Zentrum auf der Mittelachse. Souverän schreitet sie über die Wolken. Ihr wehendes Tuch deutet die Bewegung an und hüllt Mutter und Sohn auf eine Weise ein, die zeigt, wie eng sie einander verbunden sind. Beide blicken ernst in die Welt, als wüssten sie bereits um das Leiden, das Jesus auf Erden erwartet. Ihnen zur Seite knien zwei Heilige, die in der Klosterkirche von Piacenza verehrt wurden: Sixtus und Barbara. Der alte Papst agiert mit großer Geste, die junge Heilige schlägt die Augen nieder.
Die kaum wahrnehmbaren Engelsköpfe hinter Maria verkörpern die himmlischen Sphären und stehen in deutlichem Kontrast zu den Pausbäckchen unten im Vordergrund. Vorhang und Balustrade markieren die Grenze zwischen Himmel und Erde.
Correggios Altartafeln hier im Saal zeigen das klassische Motiv der thronenden Maria mit Heiligen – Raffael machte eine himmlische Erscheinung daraus.
Raffael hatte eine straff organisierte Werkstatt. Aber so souverän wie die „Sixtinische Madonna“ gemalt wurde, muss sie vom Meister selbst geschaffen worden sein. Er war ein genialer Maler.
Sein Arbeitsprozess lässt sich nur teilweise rekonstruieren, denn Entwurfszeichnungen sind nicht erhalten und auf dem Gemälde lassen sich nur wenige Spuren entdecken. Sicher ist, dass Raffael die Figuren erst mit lockeren Pinselstrichen auf der Leinwand skizziert und dann sehr zügig ausgeführt hat – fast ohne Abweichungen und Korrekturen. Nur bei der Papstkrone auf der Balustrade sind an einigen Zacken schwarze Pünktchen zu sehen: Ein Hinweis auf eine spezielle Übertragungstechnik des Motivs vom Papier auf die Leinwand. Außerdem hat Raffael während des Malprozesses die Augen Marias ein kleines Stück nach oben versetzt, vermutlich um ihren Blick noch erhabener wirken zu lassen. Auch die beiden Engel am unteren Bildrand malte er erst am Ende dazu.
Faszinierend neu war auch, wie Raffael die Gloriole malte, die Mutter und Kind umfängt. Eigentlich nur ein zartes Gelb, das er aber mit dem hellen Blau des Himmels verwischte, so dass wir nicht anders können, als ein strahlendes Licht zu sehen.
Die Farben müssen Sie sich etwas brillanter und strahlender vorstellen. Denn sie liegen unter alten Firnisschichten, die im Lauf der Jahrhunderte vergilbten und nachdunkelten. Doch diese Schutzschichten nur aus ästhetischen Gründen abzunehmen, – das ist keine Option für die Verantwortlichen.
Sicher haben Sie die beiden Engel schon unzählige Male gesehen, auf Papierservietten, Tassen, sogar für Toilettenpapier mussten sie schon herhalten. Diese erstaunliche Karriere in aller Welt, weit über die Grenzen des guten Geschmacks hinweg, begann um das Jahr 1800. Nach 50 Jahren in Dresden hatte das Publikum Raffaels Gemälde endlich anerkannt. Damals kopierte ein Maler aus Kassel die beiden, kurz darauf erschienen sie auf Porzellan und Schmuck und Ende des 19. Jahrhunderts sogar als Werbeträger eines amerikanischen Schweinefettproduzenten.
Dabei hatte Raffael die beiden ursprünglich gar nicht vorgesehen. Röntgenaufnahmen zeigen, dass er an dieser Stelle nur die Wolken gemalt hatte, bis er am Ende merkte, dass etwas fehlt, das die Komposition am unteren Ende optisch zusammenhält.
Die beiden tun nicht, was Engel sonst machen – singen, musizieren oder mit dem Jesuskind spielen. Sie lümmeln an der Brüstung und warten. Sie warten auf Maria und führen unseren Blick nach oben, zu ihr hin. Gleichzeitig markieren sie die Grenze zwischen himmlischer und irdischer Welt und machen die Tiefe des Raums sichtbar, den Maria durchschreitet. Und – sie nehmen sie dem Betrachter die Scheu vor dieser ernsten Szene.
Die Sixtinische Madonna ist das einzige Gemälde in der Gemäldegalerie Alte Meister, das allein durch seinen Rahmen sozusagen aus dem Rahmen fällt. Er sieht aus wie ein originaler Renaissance-Rahmen, ist aber moderne Kopie.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Werk von der sowjetischen Siegermacht beschlagnahmt und nach Moskau gebracht. Erst 1956 kehrte die Sixtina wieder zurück nach Dresden, allerdings ohne Rahmen – der blieb verschwunden. Die Madonna bekam dann einen Rahmen, der sich an der Ästhetik der Renaissance orientierte.
2012 schenkten die Staatlichen Kunstsammlungen ihrem berühmten Bild zu seinem 500. Geburtstag diesen kostbaren Tabernakelrahmen, der an seinen Ursprung als Altargemälde erinnert. Vorbild war ein Originalrahmen eines Altargemäldes aus Raffaels Zeit. Nach umfangreicher Recherche wurde der neue Rahmen in historischer Handarbeit angefertigt und so bearbeitet, dass er wirkt, als sei er in Würde gealtert.
Heute ist es kaum noch vorstellbar, aber Mitte des 18. Jahrhunderts war die „Sixtinische Madonna“ nur die zweite Wahl für den Dresdner Hof.
Jedes Herrscherhaus, das auf sich hielt, besaß damals einen Raffael in seiner Galerie. Also wollte auch August III., Kurfürst von Sachsen und König von Polen, einen echten. Am liebsten die „Madonna von Foligno“, aber die Verkaufsverhandlungen mit der italienischen Kirche scheiterten. Erst danach bemühte man sich um das weitgehend unbekannte Gemälde aus der Klosterkirche in Piacenza, einer kleineren Stadt abseits der „Grand Tour“, der traditionellen Bildungsreise des europäischen Adels.
Papst Julius II. höchstpersönlich soll Raffael 1512 mit dem Gemälde für den Hochaltar beauftragt haben. Er wollte damit den Beitritt von Piacenza zum Kirchenstaat feiern. Rund 250 Jahre lang sahen nur die Mönche und die Bewohner der Stadt Raffaels Vision von der Erscheinung Marias. Dann aber brauchte das Kloster dringend Geld für eine Sanierung.
Alleine die Verhandlungen über den Preis dauerten ein ganzes Jahr. Als man sich schließlich auf die enorme Summe von 25.000 Scudi Romani geeinigt hatte – mehr als das 25-fache des üblichen Preises für ein Gemälde dieser Größe – musste nur noch der Papst zustimmen, Zollprobleme gelöst und am Ende der Landesherr mit diplomatischem Druck überredet werden.
Als der Vertrag endlich unter Dach und Fach war, hatten die Unterhändler einzig ein Ziel: Den „Raffael“ so schnell wie möglich nach Dresden zu bringen. Der Transport mitten im Winter über die Alpen war abenteuerlich. Glücklicherweise begleitete ein italienischer Maler den Tross und sorgte dafür, dass das kostbare Werk unbeschadet ankam. Weil die Leinwand zu spröde zum Rollen war, blieb es im Spannrahmen. Es wurde in Wachstuch gewickelt und mit Stroh gepolstert in einer Kiste verpackt, die aber nicht vernagelt wurde, um Erschütterungen zu vermeiden. Einmal musste bei einem Stopp das nasse Stroh ersetzt werden.
Als die „Sixtina“ schließlich am 1. März 1754 im Audienzsaal des Dresdner Schlosses präsentiert wurde, soll August III. der Legende nach eigenhändig seinen Thron für den „Raffael“ verrückt haben, um Raffaels Bild ins beste Licht stellen zu lassen. Doch die allgemeine Begeisterung über den Kauf hielt sich zunächst in Grenzen.
- Material & Technik
- Öl auf Leinwand
- Museum
- Gemäldegalerie Alte Meister
- Datierung
- 1512/1513
- Inventarnummer
- Gal.-Nr. 93