Die Entdeckung, wie man eine Perspektive konstruiert, gehört zu den wichtigsten Erkenntnissen der Renaissance. Der Ferrareser Künstler demonstriert hier vorbildlich, wie alle Linien der Architektur in der Tiefe zu einem einzigen Punkt hin fluchten. Dadurch wirken die Räume wie real. Das Altarbild zeigt den Erzengel Gabriel, der Maria Jesu Geburt verkündet. Die Schnecke ist ein Symbol für die Unschuld Mariens. Zum Altar gehört auch der Untersatz (Predella) mit der Schilderung der Weihnachtsgeschichte.
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Die Verkündigung wird im Lukas-Evangelium erzählt:
„Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.
Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. (…) Seine Herrschaft wird kein Ende haben.“
Maria, die im Tempel ewige Keuschheit gelobt hat, fragt verwundert, wie das geschehen soll. Der Engel erklärt daraufhin, der Heilige Geist werde über sie kommen und die Kraft des Höchsten werde sie überschatten. Schließlich fügt sich Maria dem göttlichen Willen und spricht demütig:
„Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“
Die Geschichte beginnt mit einem Befehl des römischen Kaisers: Alle Bewohner des Römischen Reiches sollen sich für eine Volkszählung in Steuerlisten eintragen lassen. Auch Joseph aus Nazareth muss sich registrieren lassen, und zwar an seinem Geburtsort Bethlehem. Er reist also zusammen mit der hochschwangeren Maria dorthin.
Als sie ankommen, will niemand sie aufnehmen. Schließlich findet das Paar Zuflucht in einem Stall. Dort bringt Maria ihren Sohn zur Welt und bettet ihn provisorisch in eine Futterkrippe. Schon bald kommen erste Besucher: Den Schafhirten der Umgebung hat eine Engelsschar in der Nacht die Geburt des Messias verkündet.
Täuschend echt wirkt die Schnecke am unteren Bildrand. Als würde sie auf dem Rahmen entlang kriechen! Ob sie eine besondere Bedeutung hat? Oder hat sich Francesco del Cossa hier einen Scherz erlaubt?
Schon Goethe hat sich dazu Gedanken gemacht. Eine Zeitgenossin, die Malerin Louise Seidler, berichtet in ihren Erinnerungen, wie sie den Dichterfürsten hier in der Dresdner Galerie traf und nach der Bedeutung der Schnecke fragte. Er belehrte sie:
„Diese Schnecke ist ein Zierrat, meine Freundin, welchen die Laune des Malers hier angebracht hat!“
Mit diesem Urteil lag Goethe jedoch falsch. Tatsächlich symbolisiert die Schnecke Marias Reinheit und Unschuld. Als das Bild gemalt wurde, war man der Überzeugung, Schnecken würden zur Fortpflanzung durch den Tau befruchtet werden.
Vergleichen Sie einmal den Heiligenschein Marias mit dem des Engels. Während Marias transparenter Heiligenschein elegant hinter ihrem Haupt zu schweben scheint, trägt der Himmelsbote einen künstlichen, aus Holz und Metall gefertigten Aufsatz. Solche Aufsätze gehörten zu den Requisiten der mittelalterlichen Mysterienspiele. Warum Francesco del Cossa seinen Engel Gabriel mit einem Heiligenschein fürs Theater ausstattete, hat man noch nicht herausgefunden.
Im Italienischen bedeutet „predella“ soviel wie Stufe. In der Kunst bezeichnet man jene Gemälde als Predellen, die den flachen Sockel auf dem Altartisch schmücken. Auf diesem Unterbau ruht der Altaraufsatz, das „Retabel“, abgeleitet vom lateinischen „Retro-Tabulum“, „rückwärtige Tafel“. Das Retabel fällt schon von weitem ins Auge: Es ist mit großformatigen Gemälden geschmückt, oder auch mit geschnitzten Figuren. Retabel mit Seitenflügeln ermöglichen ein erweitertes Bildprogramm. Bei besonders aufwändigen Altären lassen sich die beidseitig bemalten Flügel auf- und zuklappen, so dass das Retabel unterschiedliche Ansichten bieten kann.
- Material & Technik
- Tempera auf Pappelholz
- Museum
- Gemäldegalerie Alte Meister
- Datierung
- Ca. 1470-72
- Inventarnummer
- Gal.-Nr. 43