Rosalba Carriera ist ein Ausnahmephänomen. Keine Malerin vor ihr hatte sich solch einen Ruf erarbeitet; nahezu ganz Europa wollte sich von ihr porträtieren lassen. Dabei widersetzte sie sich allen Einladungen, Hofkünstlerin zu werden. Alle mussten zu ihr nach Venedig kommen, nur drei Reisen führten sie nach Paris (1720/21), Modena (1723) und Wien (1730). Mit diesem Selbstbildnis betreibt sie keine Idealisierung, sondern blickt auf ihr Alter. Als Allegorie des Winters ist es dem letzten Lebensabschnitt gewidmet.
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Der staunenswerte Realismus von Rosalba Carrieras Selbstbildnis aus dem Jahr 1731 verdankt sich nicht zuletzt ihrer virtuosen Beherrschung der Pastellmalerei. Die weichen, unscharfen Übergänge, die wie gepudert wirkende Haut, der kräftige Glanz des Samtes und die dichte Haarstruktur des Pelzes sind förmlich zu fühlen.
Pastellgemälde werden auf rauen Papieren, Pergament oder Leinwand ausgeführt. Die zu Stiften gepressten Pastellkreiden können wie ein Stift zeichnerisch verwendet werden, aber das Ergebnis wirkt durch anschließende Verwischung malerisch. Durch die sanften Übergänge und die stete Anmutung leichter Unschärfe wirken Pastelle realistischer als jede andere zeichnerisch-malerische Form. Hinzu kommen die großen farblichen Möglichkeiten. Gerade in Rosalba Carrieras Heimat Venedig blickte man auf eine lange Tradition farbenfroher Malerei zurück, und so wurden auch die neuen Pastellkreiden im 18. Jahrhundert in vielen Farbtönen verwendet. Da die Pigmente hier anders als in der Ölfarbe nicht von einem Bindemittel umgeben sind, wirken sie unmittelbarer und strahlender.
Die frühesten Pastellbilder, die wir kennen, stammen von norditalienischen Malern des 16. Jahrhunderts. Zu Beginn gab es allerdings nur drei Farben: Schwarz, Weiß und Rot. Außerdem nutzten die italienischen Meister die Kreiden vor allem für Skizzen, die bei der Vorbereitung ihrer Gemälde entstanden.
Zur Blüte kam die Pastellmalerei im 18. Jahrhundert. Rosalba Carriera war die erste Künstlerin, die ausschließlich in Pastell malte; sie war auf Porträts spezialisiert. Pastellporträts hatten gegenüber Porträts in Öl ein paar handfeste Vorteile: Weil die Pastellfarbe nicht trocknen muss, brauchte man weniger Sitzungen, die Malutensilien waren leichter zu transportieren und die Kosten geringer.
Mit ihren Pastellbildnissen war Rosalba Carriera für eine europaweite Begeisterung für diese Maltechnik verantwortlich. Viele Künstler, die ebenfalls hier in der Galerie vertreten sind, wie Anton Raphael Mengs und Jean-Etienne Liotard, ließen sich von Rosalbas Pastellen inspirieren und trugen dazu bei, dass das Pastell zu einer eigenständigen Technik der Malerei wurde.
Nach der Französischen Revolution verlor die Pastellmalerei zunächst an Bedeutung, weil sie mit dem Ancien Régime verbunden wurde. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erlebte sie jedoch einen neuen Aufschwung – vor allem durch den französischen Maler Edgar Dégas und die Impressionisten.
- Material & Technik
- Pastell auf Papier
- Museum
- Gemäldegalerie Alte Meister
- Datierung
- 1730/31
- Inventarnummer
- Gal.-Nr. P 29